Protokoll der Sitzung vom 10.05.2019

Wir rufen als Grüne übrigens – nur um dem vorzubeugen – mehrheitlich natürlich dazu auf, die Kinder zu impfen. Da gibt es bei uns überhaupt gar kein Vertun. Das hat sich in den letzten Wochen auch deutlich gezeigt, auf welcher Seite wir da stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ja, es ärgert mich genauso, dass meine Krankenkasse beispielsweise die momentan im ständigen Impfkalender noch nicht vermerkte Meningokokkenimpfung, die unter anderem Mittelohrentzündung auslöst, noch nicht bezahlt, dafür aber hinterher mir die homöopathischen Mittel herüberreicht, die die angeblich bekämpfen soll. Da bin ich völlig bei Ihnen.

Aber ich glaube, auch hier werden wir nicht mit irgendwelchen Pflichtigkeiten den seit Jahren aufgestauten vermeintlichen Argumenten, die Impfgegnerinnen haben, beikommen.

Lassen Sie uns da in die freiheitliche und liberale Schiene gehen und lassen Sie uns über Aufklärung und eine ordentliche Anbindung der Eltern an das Impfen tatsächlich zu den Quoten kommen, die wir brauchen, um die zu schützen, die eben diesen

Schutz auch tatsächlich brauchen und nicht geimpft werden können. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächste hat sich Frau Abgeordnete ScheringerWright von der Fraktion Die Linke gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr dankbar, dass der Antrag, der von den Koalitionsfraktionen jetzt eingereicht wurde, so aussieht, wie er aussieht. Ich bin deswegen dankbar dafür, weil ich finde, es muss in unserem Land ein Recht auf Impfung für alle geben. Es muss nicht ein Teil ausgeblendet werden oder eingeblendet werden. Für Kinderkrankheiten und Kinder als Zielgruppe soll es eine Impfpflicht geben. Die grundgesetzlichen Bedenken wurden hier schon sehr ausführlich dargestellt und die müssen wir zur Kenntnis nehmen. Auch mein Kollege Kubitzki hat das schon ausgeführt.

Ich möchte aber trotzdem noch einmal einen Fokus darauf legen, wie Impfstoffe heutzutage angeboten werden und auf den Markt kommen. Wie Impfstoffe angeboten werden und welche angeboten werden, wird maßgeblich von den Pharmakonzernen bestimmt. Es ist nicht zu leugnen, dass in unserem System auch Pharmakonzerne, die so wichtige Aufgaben erledigen, wie Medikamente herzustellen, auch Profitinteressen unterworfen sind. Shareholder-Value gilt auch bei diesen Konzernen als oberstes Prinzip.

Natürlich muss man sich dann die Frage stellen: Warum gibt es eigentlich für manche Bereiche sehr einfach Impfungen? Warum gibt es Mehrfachimpfungen und wenn man dann eine Einzelauffrischung will, hat man bei der Hausärztin gar keinen Erfolg? Die sagt dann, diesen Einzelimpfstoff habe ich so nicht da, aber ich kann Ihnen das als Vierfachimpfung anbieten. Da ist noch Keuchhusten, Masern und sonst etwas dabei, die man eigentlich vielleicht als Patient gar nicht braucht. Dann geht man wieder und hat halt die Impfung, die man eigentlich braucht, nicht bekommen.

Also dieses Problem stellt sich ja auch und es gibt auch viele Menschen, die zum Beispiel keinen deutschen Pass haben oder die in diesem Gesundheitssystem gar nicht erfasst sind, von dem Herr Zippel sagt, dass es ein erstklassiges Gesundheitssystem ist. Schön wäre es! Wovon träumen Sie denn? Die haben auch kein Recht auf Impfung, weil

(Abg. Henfling)

sie keinen deutschen Pass haben, weil ihre Kinder eben nicht in die Kita gehen, weil sie noch keine richtige Duldung in diesem Land haben. Auch für die müssen wir doch mitdenken.

Und noch ein letzter Punkt, weil mich das unheimlich beschäftigt: Natürlich finde ich jede Masernerkrankung schlimm und ich wünsche den Menschen, die an Masern erkranken auch, dass sie ohne Komplikationen wieder gesund werden. Aber wenn man behauptet, wir hätten ein erstklassiges Gesundheitssystem, dann gehört auch zur Wahrheit dazu, dass das Robert-Koch-Institut immer noch ausweist, dass es jährlich in Deutschland zwischen 10.000 und 15.000 Todesfälle durch Krankenhausinfektionen gibt.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Alles in einen Topf geworfen und umgerührt!)

Nein, aber auch darum muss man sich ja kümmern.

Und es geht meiner Ansicht nach gar nicht, wie Bundesminister Spahn vorgeht: Er sucht sich ein ganz kleines Thema aus, „Masern“, kommt dann mit der ganz großen Keule Impfpflicht und denkt, er hätte aktionistisch etwas getan, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das geht nicht und deswegen noch einmal: Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar, dass sie diesen Antrag, so wie er ist, gestellt und auch an den Ausschuss verwiesen haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner kommt noch mal Herr Dr. Hartung von der SPD-Fraktion zu Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die beiden letzten Rednerinnen treiben mich doch noch einmal vor. Madeleine Henfling, das, was du gesagt hast, das muss man ernst nehmen und es ist überhaupt nicht darüber zu diskutieren, dass das nicht ernst zu nehmen wäre, aber Fakt ist eben auch, dass wir Aufklärungskampagnen haben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kommen doch aber bei den Eltern nicht an!)

Es gibt die permanente Kampagne „Deutschland sucht den Impfpass!“, es gibt permanente Kampagnen der einzelnen Krankenversicherungen. Wir müssen uns einfach in die Augen sehen und anerkennen, dass jeder Mensch, der sein Kind zu einer U-Untersuchung bringt, mindestens dazu aufgefor

dert worden ist, seiner Impfmöglichkeit nachzukommen.

(Beifall CDU, SPD)

Die sind aufgeklärt und diese Leute wollen es nicht, sie denken nicht daran, was auch immer. Deswegen ist diese Impflicht zum Schutz derer, die nicht geimpft werden können oder die eventuell nicht auf die Impfung reagieren, ein mögliches, ein probates Mittel.

(Beifall CDU, SPD)

Ich will noch was zu den Pharmafirmen sagen. Ich bin mit Sicherheit niemand, der da sonderlich viel Sympathien gegenüber Shareholder-Value, Pharmaindustrieprofiten etc. hat, also mit Sicherheit nicht,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber zu meinen Aufgaben als Leiter einer Impfstelle gehört es eben auch, Impfstoffe zu beschaffen, und ich weiß, warum es zum Beispiel kaum noch Einzelimpfstoffe gibt. Weil sie kaum noch nachgefragt werden. Weil es kaum noch Menschen gibt, die hingehen und sagen, ich möchte aber nur gegen Polio oder ich möchte nur gegen Masern oder ich möchte nur gegen Tetanus geimpft werden. Das gibt es kaum noch. Die Auffrischungsintervalle sind aneinander angepasst.

(Beifall CDU)

Der Impfkalender ist so ausgelegt, dass man diese Impfungen tatsächlich gemeinsam gibt – ja, Jörg, du kannst ja gern rausgehen und was essen, wenn du hungrig bist –, und der Impfkalender ist im Prinzip so ausgelegt, dass wir genau dafür Rechnung tragen. Es ist für ein Kind eine geringere Belastung, wenn ich ihm sechs Impfungen auf einmal gebe, als wenn ich das Kind sechsmal zu einer Einzelimpfung vorlade. Das ist für das Kind eine geringere Belastung und weil

(Beifall CDU, SPD)

es so ist, dass man möglichst wenig Belastung, möglichst wenig Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit machen will, bündelt man die Impfung, und weil das zunehmend so vollzogen wird, gibt es eben überwiegend Kombinationspräparate und relativ wenig Einzelpräparate. Es ist sogar so, dass – Angebot und Nachfrage, da funktioniert der Markt ein Stück weit – diese Kombinationspräparate extrem billig sind. Die sind so preiswert, dass das wirklich ein minimales Segment der Gewinne einer Pharmafirma ist. Die Einzelpräparate sind wegen der geringen Nachfrage wesentlich teurer. Mittlerweile ist es ja so, ich habe das mal verfolgen dürfen: Wenn mit Impfstoffen Profite gemacht werden,

(Abg. Dr. Scheringer-Wright)

dann sind es die Impfungen, die eben nicht von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden, dann sind es die Reiseimpfungen, zum Beispiel Tollwut, da kann man das sehr gut verfolgen. Die Fabrik wird zugemacht, neue Fabrik wird gebaut, neuer Impfstoff – dreimal so teuer. Das ist tatsächlich so. Aber bei den Schutzimpfungen, die die Ständige Impfkommission empfiehlt, ist wirklich der Preis nicht der Punkt, es ist nicht der Profit der Pharmafirma. Hier möchte ich wirklich mal unterstellen, dass die Ständige Impfkommission nicht pharmafirmengesteuert ist, sondern dass sie sich dabei tatsächlich was denkt.

Ich möchte noch ein letztes Argument dazu bringen. Meine Aufgabe war es auch, die Impfzwischenfälle für ganz Thüringen auf meinem Schreibtisch zu sammeln. Ich habe in zwei Jahren genau mit einem einzigen Impfzwischenfall zu tun gehabt. Den habe ich geerbt, der war schon, als ich die Impfstelle übernommen habe, zwei Jahre alt. Dabei ging es um einen Beamten, der von seinem Dienstherrn dazu verpflichtet worden ist, weil er permanent in irgendwelchen kontaminierten Regionen rumgekrochen ist, sich gegen Hepatitis impfen zu lassen und danach einen schweren Arm auf der Seite der Impfung empfunden hat und nun eine entsprechende Entschädigung eingeklagt hat. Das ist der einzige Impfzwischenfall, der sich innerhalb von vier Jahren – ich konnte das ja überblicken – in dieser Impfstelle angesammelt hat. Also da ist es tatsächlich so, dass das, glaube ich, zu vernachlässigen ist. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich nicht? Doch, Frau Herold.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Zunächst einmal, Herr Kollege Zippel, Sie wissen ja, dass ich Ihre fachkundige Sachlichkeit sehr schätze, muss aber hier anmerken, dass ich etwas enttäuscht darüber bin, dass Sie die Frau Kollegin Pfefferlein und mich als Impfgegner identifiziert haben. Das halte ich für eine intellektuelle Tiefleistung.

(Beifall AfD)

Das Nächste ist Ihr Wunsch, im Ausschuss möglichst wenig oder keine Debatten zu erleben, das finde ich auch ein bisschen schade, denn ich glaube, dieses Thema hat so viele Facetten und wir könnten bei einer vertieften Diskussion im Ausschuss alle etwas lernen, denn es gibt noch viele

Argumente, die aufgrund der Redezeitbeschränkung hier leider nicht ausgetauscht werden können.

Das Nächste, Herr Kubitzki, zu Ihrer vorauseilenden Besorgnis in Bezug auf weitere zu erstellende Zwangs- und Pflichtimpfungen, am Beispiel der Poliomyelitis: Aufgrund der in Deutschland flächendeckend durchgeführten Schluckimpfung gegen Polio trat in Deutschland der letzte Poliofall 1990 auf. Wie ein damit befasster Reisemediziner im Internet kundtut, der durchaus für Impfungen plädiert, ist der letzte nach Deutschland aus dem Ausland eingeschleppte Poliofall 1992 aufgetreten und die damit befassten Kollegen und Behörden sagen, diesen Phänomenen lässt sich mit Kontrolle, Quarantäne und Hygienemaßnahmen begegnen. Weltweit sind 2017 insgesamt 22 Poliofälle gemeldet worden, und zwar in Afghanistan und Pakistan. Ich finde es äußerst kühn, aus dieser „wirklich bedrohlichen weltweiten“ Situation für Thüringen eine Zwangsimpfung gegen Poliomyelitis zu konstruieren. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Jetzt gucke ich noch mal in die Runde. Gibt es weitere Redemeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Jetzt nicht mehr, dann hat jetzt Frau Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auch ich bin froh über die aktuelle Debatte in der Öffentlichkeit, aber auch heute hier im Plenum, denn das Thema „Impfen“ muss verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt werden. Natürlich habe ich als Gesundheitsministerin auch daran ein sehr großes Interesse.

Lassen Sie mich kurz noch mal ein paar Zahlen erwähnen. In Deutschland waren im Jahr 2015 fast 2.500 Masernfälle zu verzeichnen. Im Jahr darauf waren es 325, im Jahr 2017 dann wieder 900 Fälle. Aktuell stehen wir bei 341 Fällen in Deutschland. In Thüringen wurden seit 2017 zehn Masernfälle gemeldet, davon zwei Kinder im Kindergartenalter.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich denke, wir sind uns einig, jeder dieser Fälle ist ein Fall zu viel, zumal wir mit der Schutzimpfung eine effektive und sichere Methode der Verhütung dieser mitunter schwer verlaufenden Krankheit haben. Viele Eltern wissen das zu schätzen. Um mal die Thüringer Zahlen zu nennen: Bei der ersten Masernschutz

(Abg. Dr. Hartung)

impfung gibt es eine Durchimpfungsquote von 97 Prozent. Bei der zweiten empfohlenen Masernimpfung – die Messungen ab Schuleingangsuntersuchung –, wurde eine Impfquote von 93,2 Prozent für das Schuljahr 2017/2018 festgestellt, also knapp unter dem WHO-Zielwert von 95 Prozent. Ich glaube, die Daten zeigen vor allem eines: Kinder werden in Thüringen häufig zu spät geimpft, und die Gründe sind oft trivial, Impftermine werden vergessen oder aufgrund einer vermeintlichen Kontraindikation verschoben. Es können aber auch Verunsicherungen sein.

Herr Zippel, ich weiß nicht, ob Sie das wissen, aber in unserem Nachbarland Sachsen ist es so, dass die Sächsische Impfkommission in Abstimmung mit dem CDU-geführten Gesundheitsministerium empfiehlt, die zweite Masernschutzimpfung erst mit Ende des vierten Lebensjahrs vorzunehmen. Das führt natürlich auch zu Unsicherheiten. Dafür gibt es Gründe, die man bei der SIKO nachlesen kann. Ich glaube, man sieht daran, dass die strikte Ablehnung von Impfungen aufgrund von vielleicht pseudowissenschaftlichen oder religiösen oder anderen Gründen tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist vor allem wichtig, Aufklärung zu leisten, Hürden abzubauen und vor allem den Zugang zu Schutzimpfungen zu verbessern.