Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

auch nur zu überprüfen. Wenn Sie mir jetzt mit Freistellungsklauseln kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sage ich Ihnen: Freistellungsklauseln sind auch keine Lösung, denn damit erreichen Sie in erster Linie nur mehr Bürokratie, aber keine Lohngerechtigkeit. Auch die vom Gesetz geforderten Dokumentationspflichten bedeuten einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Auf den haben die Vertreter der mittelständischen Wirtschaft in ganz Deutschland bereits hingewiesen und werden es auch weiterhin tun. Es ist ja nicht so, der Kollege Wirkner hat es auch schon erklärt, dass die ausufernde Bürokratie erst mit der Einführung des Mindestlohngesetzes erfunden worden wäre. Nein, es existieren bereits weitere Dokumentationspflichten, etwa nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Doch offensichtlich hat sich keiner Gedanken gemacht, wie man diese Mehrfachdokumentationspflicht effizient zusammenführt. Das führt eben gerade zu dieser gegeißelten Überbelastung durch Überregulierung.

In einer IHK-Umfrage, die in Mittelthüringen durchgeführt worden ist, geben daher in naheliegender Weise 60 Prozent der befragten Unternehmer an, dass sie der bürokratische Mehraufwand am härtesten trifft – nicht die finanziellen Belastungen. Auch da sehen Sie eigentlich, wo das Problem liegt. Solche Regelungen, die zu einem Übermaß an Bürokratie führen, sind nicht praktikabel und sie erhöhen das Risiko des Verlusts von Arbeitsplätzen. Eine Evaluation tut also dringend not und diese sollte man nicht auf die lange Bank schieben, in der Hoffnung, dass sich bis dahin schon alle Unternehmer an die Bürokratie und an die Kettenhaftung gewöhnt haben, denn Unternehmen können auch flüchten.

Gesprächsangebote an Unternehmer, Dialoge, Gipfel zum Mindestlohn – Sie haben es alles erwähnt – helfen da auch nicht weiter. Das sind im Grunde genommen Ihre Beruhigungspillen, die Sie versuchen auszureichen. Aber die werden nicht wirken, denn die Probleme sind alle längst bekannt. Daher schließen wir uns dem Antrag der CDU-Fraktion vollumfänglich an und fordern die Landesregierung auf, die Sorgen und Bedenken der Thüringer Unternehmen ernst zu nehmen und nicht per se davon auszugehen, dass die Unternehmer schon alles akzeptieren werden, was man ihnen vor die Füße wirft.

Und wenn Sie das nächste Mal, liebe Frau RotheBeinlich, über die Würde der Arbeitnehmer philosophieren und kopfschüttelnd die Argumente der Opposition zur Kenntnis nehmen, dann empfehle ich Ihnen, denken Sie auch mal an Ihre eigenen Arbeitnehmer. Danke schön.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das machen wir! Und ob wir das machen!)

Vielen Dank, Herr Möller. Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Pfefferlein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Landtagsabgeordnete, sehr geehrte Gäste! Lieber Herr Wirkner – jetzt ist er gar nicht mehr da, dann sage ich mal –, liebe CDU, ich kann ganz ehrlich aus meiner eigenen Erfahrung sprechen, ich stamme aus einer Handwerkerfamilie und bin auch selbst Handwerksmeisterin. Wir haben, schon lange bevor es dieses Mindestlohngesetz gab, immer gute und faire Löhne gezahlt. Wir haben die Sachen auch immer dokumentiert. Es geht nicht um die Arbeitgeber, die das immer schon gemacht haben, aber es geht um die schwarzen Schafe. Da gibt es auch genug, die das bis heute nicht gemacht haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um die geht es. Wir haben das auch ohne Pflicht gemacht, Sachen zu dokumentieren. Das hat uns nicht die Zeit gekostet, wie Sie hier sagen: Das kostet so viel Zeit, wir kommen nicht mehr zu unserer Arbeit. – Da widerspreche ich Ihnen vehement. Das muss ich an dieser Stelle ganz ehrlich sagen.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Fragen Sie jetzt noch mal nach!)

Das hat sich nicht geändert.

Wie in meiner ersten Rede im Januar gesagt, als ich zum ersten Mal in diesem Hohen Hause reden durfte, kann ich mich an dieser Stelle nur wiederholen: Mit Ihrem Antrag wird hier faktisch ein Gespenst des Mindestlohngesetzes an die Wand gemalt. Sie fordern eine grundsätzliche Aushöhlung der sozialpolitischen Ziele und der Kontrollen, welche in dem Gesetz vorgesehen sind. Das entspricht weder der mittlerweile versachlichten medialen Diskussion noch den Fakten, die nun nach fünf Monaten Mindestlohngesetz auf dem Tisch liegen. Diese Fakten sind: 25 Prozent der Unternehmen haben vor Einführung des Mindestlohns weniger als 8,50 Euro bezahlt. Der Rückgang der Arbeitslosenquote liegt bei circa 5 Prozent seit Einführung des Mindestlohns. Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich die seitens der Kritiker prognostizierten negativen Folgen des Mindestlohngesetzes nicht eingestellt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Auf Thüringer Ebene gab es in den letzten fünf Monaten auf Initiative des Sozialministeriums – an dieser Stelle sage ich auch noch mal mein herzliches Dankeschön an Frau Werner – Mitte März einen Mindestlohngipfel, um die Akteure in diesem Feld direkt anzuhören. Das Wirtschaftsministerium schaltete genau wie die Bundesebene und der DGB eine Telefon-Hotline für die Menschen, die Fragen zum Mindestlohngesetz und dessen Auslegung und Wirkung haben. Diese Hotlines werden sehr rege genutzt und nachgefragt. Das zeigt, dass Kontrollen, Sanktionen und – das Wichtigste – die Aufklärung über den Mindestlohn enorm wichtig sind. Hier meine ich sowohl die Kontrollen durch den Zoll als auch die Kontrollen der Arbeitsagenturen. Sie gehen Hinweisen auf sittenwidrige Löhne und Mindestlohnverstöße bei den Menschen nach, die trotz Berufstätigkeit auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Ergebnis des Mindestlohngipfels wurden die Bedenken und Verbesserungsvorschläge durch das Thüringer Sozialministerium an das Bundesarbeitsmarktministerium geschickt. Diese Ergebnisse haben grob folgenden Inhalt: die Vereinfachung und Vermeidung der Doppelung von Dokumentationspflichten, die Zahlung des Mindestlohns bei Langzeitarbeitslosen erst nach den ersten sechs Monaten einer Neubeschäftigung und die Haftung von Generalauftragnehmern für alle Subunternehmen. Ich bin froh über die umfassenden Anstrengungen und Begleitmaßnahmen, die vonseiten der Landesregierung unternommen werden, um einerseits die Umsetzung des Mindestlohngesetzes für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber realisierbar zu gestalten und andererseits die Weiterentwicklung eines sozialen Arbeitsmarkts, welcher auch zum Ziel hat, mögliche Altersarmut zu vermeiden, anzustreben.

Im Januarplenum habe ich für einen differenzierten Blick auf dieses Gesetz und diese Umsetzung plädiert und stehe dafür auch heute noch ein.

Ich möchte noch etwas zu Ihrer zeitnah geforderten Evaluation sagen. Glauben Sie mir, wir Grüne sind ein großer Freund von Evaluation und der Weiterentwicklung von Gesetzen, Verantwortung und inhaltlichen, fachlichen Herangehensweisen an sich. Das Gesetz sieht eine Evaluation im Jahr 2020 vor. Außerdem soll die Mindestlohnkommission regelmäßig die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen, die Wettbewerbsbedingungen und die Beschäftigung in Bezug auf bestimmte Branchen und Regionen sowie die Produktivität evaluieren und ihre Erkenntnisse der Bundesregierung in einem Bericht alle zwei Jahre zur Verfügung stellen. Das ist aus grüner Sicht ausreichend. Ich frage mich außerdem immer noch, wie Sie Beschlüsse infrage stellen können, die Sie vor Kurzem noch mit breiter Mehrheit unterstützt ha

(Abg. Möller)

ben. Das findet wahrscheinlich auch die Ministerin für Arbeit, Frau Nahles, komisch und lässt die Gespräche so verlaufen, dass sie den von Ihnen genannten Nachbesserungswünschen nicht folgte. Trotzdem ist uns Grünen auch klar, dass es in manchen Branchen Probleme mit der Finanzierung geben wird. Beispielhaft ist hier die Gastronomiebranche zu nennen. Aber auch hier sollten wir mindestens einen Jahreslauf abwarten und eine Überprüfung der Regelung zu gegebener Zeit anstreben. Hierbei müssen alle Sichtweisen betrachtet werden. Dabei meine ich sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite.

Der Mindestlohn ist ein wichtiger Pfeiler im Kampf gegen Armut trotz Erwerbstätigkeit, vor allen Dingen aber Altersarmut. Selbst bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro beträgt der Rentenanspruch nur 580 Euro. Wer will denn davon leben?

Abschließend möchte ich heute noch sagen: Der Mindestlohn ist ein echter Fortschritt für Deutschland im Kampf gegen Lohndumping und Schmutzkonkurrenz. Zur positiven Mindestlohnbilanz gehört auch, dass von Kritikern vorhergesagte immense Arbeitsplatzverluste und massive Preiserhöhungen nicht eingetreten sind. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch die Ausnahme von Langzeitarbeitslosen, Saisonarbeitern und Zeitungsausträgern. Für das Aussetzen der Kontrollen und der Ausnahme von Minijobs gibt es hingegen nach gerade mal fünf Monaten keine seriöse Grundlage. Aus diesem Grund werden wir diesen Antrag ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Pfefferlein. Aus den Reihen der Abgeordneten habe ich noch eine Wortmeldung von Frau Leukefeld. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich mache es kurz, aber im Thüringer Landtag lernt man ja auch. Wir haben vorhin ein Zitat von Herrn Wirkner gehört von Abraham Lincoln. Ich möchte dem gern eins entgegensetzen von Franklin D. Roosevelt, das stammt von 1933, das war fünf Jahre vor der Einführung des Mindestlohns in den USA. Franklin D. Roosevelt sagte dort – ich darf zitieren: „Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, weiter ihre Geschäfte zu betreiben.

(Beifall DIE LINKE)

(…) Mit einem zum Leben ausreichenden Lohn meine ich mehr als das bloße Existenzminimum – ich meine Löhne, die ein anständiges Leben er möglichen.“ Wer keine staatlichen Regularien und Eingriffe will, der will auch nicht, dass Menschen mit Hartz IV aufstocken müssen. Dann sollten diese Arbeitsplätze als Erstes abgeschafft werden, meine Damen und Herren. Das muss man hier einmal ganz deutlich sagen. (Beifall DIE LINKE)

Man kann nicht das eine wollen und das andere verhindern.

(Beifall DIE LINKE)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich Frau Ministerin Werner das Wort erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste! Es ist bekannt, dass Thüringen zu den Bundesländern gehört, in denen einerseits besonders viele Menschen von der Einführung des Mindestlohns profitieren – mindestens 200.000 Menschen – und andererseits besonders viele Unternehmen betroffen sind. Mehr als 25 Prozent der Thüringer Betriebe haben laut Angabe des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung mindestens einen Mitarbeiter, der vor der Einführung des Mindestlohngesetzes weniger als 8,50 Euro verdiente. Bei aller Zuversicht, dass die Einführung des Mindestlohns unterm Strich mehr positive als negative Effekte haben wird, haben wir die im Vorfeld geäußerten Sorgen hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen insbesondere auf das Beschäftigungsniveau sehr ernst genommen. Sie können sich vorstellen, in einem Bundesland, das sich von einer Arbeitslosenquote um die 20 Prozent in den einstelligen Bereich gearbeitet hat und damit die niedrigste Arbeitslosenquote aller neuen Länder hat und wo andererseits aber auch der Arbeitskräftebedarf allmählich wieder zu selbstbewussteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern führt, macht man sich besonders viele Sorgen um diesen Status. Denn, sehr geehrte Damen und Herren, es ist inzwischen auch bekannt, dass die hohe Arbeitslosigkeit, die traumatisierende Erfahrung von Massenentlassungen und Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt jene erzwungene Lohnzurückhaltung der Arbeitnehmer hervorgebracht hat, die das niedrige Lohnniveau in Thüringen erklärt.

Umso mehr können wir uns hier in Thüringen freuen, dass auch vier Monate nach der Einführung des Mindestlohns keine negativen Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen sind. Im Gegenteil: Der saisonal bedingte Rückgang im Frühjahr fiel in diesem Jahr besonders kräftig aus. So zählen wir ge

(Abg. Pfefferlein)

genwärtig in Thüringen 88.200 Arbeitslose, vor einem Jahr waren es immerhin noch 93.500, also noch 5.300 Arbeitslose mehr. Das ist ein Rückgang um 6 Prozent. Interessanterweise verzeichnen alle fünf neuen Länder, also die, die vom Mindestlohngesetz besonders stark betroffen sind, einen deutlich stärkeren Rückgang der Arbeitslosigkeit, also um 6 Prozent im Vergleich zu den alten Ländern, wo diese Quote bei 2,4 Prozent liegt. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist um knapp 3.000 auf aktuell 771.700 Beschäftigte gestiegen, und das vor allem im produzierenden Sektor, in unternehmensnahen Dienstleistungen und in Sozial- und Gesundheitsberufen. Damit dürfte Thüringen seine hohe Beschäftigungsquote auch 2015 halten. Im Juni 2014 – das ist die letzte Aktualisierung – betrug der Anteil an SV-Beschäftigten in Thüringen 60,2 Prozent und lag damit auf dem ersten Platz. Der ostdeutsche Durchschnitt liegt bei 56,8 Prozent, der westdeutsche bei 55,6 Prozent. Bei der Erwerbstätigenquote liegt Thüringen mit einem Wert von 75,2 Prozent auf Platz drei. Insofern war auch der am 5. März in der Staatskanzlei durchgeführte Mindestlohngipfel von einem ausgesprochen positiven Grundtenor gehalten. Die Veranstaltung ist von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Erfolg bewertet worden und bot insbesondere den Vertretern der Thüringer Wirtschaft Gelegenheit, ausführlich die Sorgen der Unternehmen und die Schwierigkeiten der Mitglieder im Einführungsprozess zu schildern. Im Übrigen hat auch Frau Staatssekretärin Feierabend die Gelegenheit genutzt, den Vertretern der Wirtschaft, der IHKs und des Handwerks ausdrücklich dafür zu danken, dass sie in verschiedenen Veranstaltungen und Publikationen sehr dazu beigetragen haben, den Unternehmen die Prüfanforderungen zu erklären.

Insgesamt – das möchte ich ebenfalls sagen – hat auch die Wirtschaft selbst zu einer hohen Akzeptanz für den Mindestlohn beigetragen, vielleicht auch deswegen, weil ehrliche, an Qualität und handwerklich guter Arbeit orientierte Unternehmen selbst ein hohes Interesse daran haben, dass sie ein vernünftiges Lohnniveau haben und dass Unterbietungswettbewerb eingeschränkt wird. Wie hieß es in der Imagekampagne des Handwerks: „Qualität kommt nicht aus Dam Ping“.

Die Ergebnisse des Mindestlohngipfels sind protokolliert und alle Unterlagen wurden den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit habe ich am 9. März ausführlich zum Mindestlohngipfel informiert sowie zu den Inhalten des Briefs an Frau Bundesarbeitsministerin Stellung bezogen. Die Landesregierung hat den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ebenfalls über die zentralen Ergebnisse des Mindestlohngipfels und den Brief an die Bundesarbeitsministerin informiert. Ich will zu diesem Brief noch einmal sagen: Ich sehe es als redlich an, die ver

schiedenen Positionen, die auf dem Mindestlohngipfel geäußert wurden, darzustellen, also auch jene der Wirtschaft, mit denen wir nicht mitgehen können. Auf der anderen Seite haben wir natürlich unsere eigenen Positionen geschildert, die sich ganz klar mit den Positionen der Koalition decken.

Zum Brief selber: Wir gehen zunächst auf den Schwellenwert für die Aufzeichnungspflicht ein. Die Verordnung zu den Dokumentationspflichten nach den §§ 16 und 17 des Mindestlohngesetzes regelt, dass die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen bis zu einem Schwellenwert von 2.958 Euro den Aufzeichnungspflichten unterliegen. Aus Sicht der Kammern und des Wirtschaftsverbandes sollte dieser Schwellenwert unter Berücksichtigung des Lohngefüges in Ostdeutschland und insbesondere in Thüringen auf 2.000 Euro gesenkt werden. Ohne hier einen konkreten Vorschlag machen zu wollen, halten wir eine Absenkung zumindest generell für überlegenswert, da der Durchschnittslohn, zum Beispiel in Thüringen, deutlich darunter liegt.

Des Weiteren wurden beim Gipfel die Aufzeichnungspflichten für geringfügig Beschäftigte kritisiert. Hier wurde gefordert, nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen, nicht aber Beginn und Ende. Diese Forderung teilen wir nicht, da gerade hier erhöhter Bedarf für Verbesserungen und damit auch entsprechende Kontrollen besteht. Ich will es noch einmal sagen: Zum einen ist die Dokumentation ein Schutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch den Wegfall der Arbeitszeitbegrenzung bei den Hartz-IV-Reformen besonders von Lohndumping betroffen waren. Wir haben immer noch das Problem, dass es einzelne Unternehmen gibt, die versuchen, dieses weiter zu unterlaufen, und in dem Sinne ist es auch ein Schutz für die Arbeitgeber, weil dadurch wettbewerbsverzerrendes Lohndumping verhindert wird.

Eine weitere Anmerkung im Brief betrifft die Doppelung von Dokumentationspflichten. So bestehen gleichzeitig unterschiedliche Aufzeichnungspflichten nach dem Arbeitszeitgesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Mindestlohngesetz. Erschwerend kommt hinzu, dass diese drei Gesetze durch verschiedene Kontrollinstitutionen geprüft werden und der damit verbundene Mehraufwand kaum zu rechtfertigen ist. Hier haben wir angeregt, eine Harmonisierung bestehender Regelungen in jedem Fall zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Auch aus meiner Sicht wäre eine Harmonisierung sinnvoll. Aus Sicht der Kammern und weiterer Wirtschaftsverbände wurde außerdem materiell-rechtlich insbesondere die verschuldenunabhängige Haftung von Generalauftragnehmern für alle Subunternehmen gerügt. Die Einführung einer verschuldenabhängigen Haftung, also bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, sei ausreichend. Nach Ansicht vieler Unternehmen ist mit dieser Regelung

(Ministerin Werner)

einerseits ein hoher Aufwand verbunden und andererseits wird die Schwierigkeit genannt, sich rechtlich dagegen abzusichern. Hier bin ich allerdings der Auffassung, dass diese Pflichten dem Generalunternehmer auferlegt werden können, da er in der Regel auch wirtschaftliche Vorteile mit der Vergabe an Subunternehmen verbindet, und im Übrigen ist diese Regelung auch im Arbeitnehmer-Entsendegesetz bereits seit Jahren im Wesentlichen verankert.

Wir gehen davon aus, dass das Statement aus Thüringen, sicher auch die Stellungnahmen anderer Bundesländer in den Diskussionen des BMAS als auch die Gespräche im Kreis der Regierungskoalition Einfluss gefunden haben. Wie vor Kurzem verlautbart, sieht die schwarz-rote Koalition im Bund allerdings gegenwärtig keinen Änderungsbedarf am Gesetz und lässt die Regelungen zum Mindestlohn vorerst unangetastet. Das betrifft dann auch die damit verbundenen Verordnungen etwa zur Dokumentation der Arbeitszeit.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat im Koalitionsausschuss über die Erfahrungen seit der Einführung des Mindestlohns am Jahresbeginn berichtet. Dieser Bericht liegt uns nicht vor. Ich gehe auch davon aus, dass er offiziell nicht verteilt werden wird. Wir wissen nur, dass es bei den Koalitionspartnern weiterhin unterschiedliche Standpunkte gibt.

Wir selbst sind sehr gespannt, zu welchen Ergebnissen die Mindestlohnkommission im Juni nächsten Jahres kommen wird, denn dann wird ja auch im Licht der volkswirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Erfahrungen über eine mögliche Anpassung des Mindestlohns gesprochen. Eine solche Änderung würde dann zum 01.01.2017 in Kraft treten. Für uns ist wichtig, den Erfahrungsaustausch mit den verschiedenen Akteuren in Thüringen in Gang zu halten, also den Mindestlohngipfel auch weiterzuführen. Am 01.07.2015 soll der Erfahrungsaustausch mit den Spitzenvertretern auf Landesebene von Verbänden, der Arbeitsagentur, der Gewerkschaften, der Sozialversicherungsträger sowie Arbeitsmarktexperten fortgesetzt werden. Es ist vorgesehen, Vertreter des BMAS und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit einzuladen. Der Termin wird derzeit vorbereitet, wir gehen aber schon jetzt davon aus, dass Dokumentation und Art und Weise der Kontrollen eine große Rolle spielen werden. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Es gibt inzwischen auch eine App vom Bundesministerium, um die Dokumentationspflichten zu vereinfachen und das unterwegs leisten zu können. Ich denke, das ist wirklich eine gute Unterstützung für die Unternehmer und Unternehmen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Das Wort hat nun der Ministerpräsident, Herr Bodo Ramelow.

(Beifall DIE LINKE)

Liebe Abgeordnete! Herr Dr. Voigt hatte eine mündliche Zwischenfrage gestellt, und da ich nicht mehr dem Hohen Haus angehöre, kann ich nicht als Parlamentarier darauf antworten, nehme aber Gelegenheit, hier doch noch einmal für das Protokoll sauber darzulegen, was ich spontan zurückgerufen habe.

Herr Dr. Voigt führte aus, dass immer dann, wenn in Deutschland Mindestlohn beschlossen wurde und allgemein verbindliche Regelungen durchgesetzt wurden, dies von der CDU beschlossen worden wäre. Darauf habe ich geantwortet, dass es zehn Jahre in Thüringen einen allgemein verbindlichen Einzelhandelstarifvertrag gegeben hat, der damit gesetzlicher Mindestlohn war. Für diesen Tarifvertrag war die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen durch ihren Vorsitzenden Bodo Ramelow zuständig, und es war gut für diese Branchen. Sie brauchen sich nicht zurücklehnen und zu sagen, dass, wenn etwas Gutes in Deutschland geschieht, es die CDU gemacht hat und alle anderen vorher offenkundig nur Unsinn gemacht haben. Da kann ich nur sagen, ich darf Sie daran erinnern, dass dieses Mindestlohngesetz, lieber Herr Dr. Voigt und liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Landtagsfraktion, das Sie hier so scharf kritisieren, von Ihrer eigenen Partei beschlossen worden ist, und wir setzen uns damit auseinander, was Ihre Partei im Deutschen Bundestag als Gesetz ins Bundesgesetzblatt hineingeschrieben hat. Wir gehen jetzt damit um und versuchen es gesetzestreu umzusetzen. Es ist schon eine Paradoxie, dass nun ausgerechnet Ihre Partei, die dieses Gesetz auf den Weg gebracht hat, hier Rot-Rot-Grün in die Verantwortung stellt für Mängel, die offenkundig von Ihnen selber eingebaut worden sind, um sich hinterher öffentlich darüber zu echauffieren.

(Beifall DIE LINKE)