Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, so viel Janusköpfigkeit darf man Ihnen einfach nicht durchgehen lassen.

(Unruhe CDU)

Um es noch mal klar zu sagen: Offenkundig haben Sie sich auch mit den gesetzlichen Grundlagen der Arbeitszeitregelungen nie auseinandergesetzt. Das, was Sie hier so lautstark und vehement kritisieren, hat nach der deutschen Arbeitszeitordnung immer schon Gesetzeskraft gehabt. Die gesetzliche Dokumentation der Arbeitszeit ist die Grundlage, um auf dieser Basis überhaupt Löhne ausrechnen zu können. Insoweit hat es immer schon eine prüffähige

(Ministerin Werner)

Dokumentation gegeben. Und als es noch ausreichende Gewerbeprüfdienste gab, wurden diese sogar regelmäßig durch staatliche Institutionen geprüft. Ich muss sagen, das war sogar richtig. Dagegen haben Sie und die FDP immer gewettert und haben gesagt, das sei die Überbürokratisierung. Jetzt wird es wieder eingeführt, um Rechtssicherheit zu schaffen, um Umgehungstatbestände zu vermindern, und Sie beklagen sich schon wieder darüber. Das ist mir zu widersprüchlich.

Deswegen wollte ich nur sagen: Ja, lieber Herr Dr. Voigt, hätten wir flächendeckende Tarifverträge, die komplett allgemein verbindlich wären – und als ehemaliger aktiver Gewerkschafter würde ich mir das wünschen –, bräuchten wir kein Mindestlohngesetz. Das Mindestlohngesetz ist erst eingeführt worden, als die betrieblichen Verhältnisse so zerstört worden sind und Lohnverbindlichkeiten so atomisiert worden sind, dass wir heute die Notwendigkeit haben, über dieses Gesetz Reparaturmaßnahmen in den Branchen zu ergreifen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich hoffe auf starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeberverbände, die ihre Branchen in Zukunft selber organisieren und selber durchsetzen. Und ich hoffe dann auf Ihr Mitwirken, dass die Allgemeinverbindlichkeit im Einzelhandel – die verhandeln nämlich seit gestern wieder in Thüringen –, dass die Allgemeinverbindlichkeit wieder zum Standard wird, weil dann Versandhandelsbetriebe in Thüringen oder Hessen, in Bad Hersfeld sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen können, indem sie so tun, als ob sie gar kein Versandhandelsbetrieb mehr wären. In diesem Sinne würde ich mir sogar noch stärkere Tarifverträge wünschen, die weit über dem gesetzlichen Mindestlohn Standards durchsetzen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung, sodass wir direkt über den Antrag abstimmen. Herr Abgeordneter Emde?

Herr Präsident, ich möchte namentliche Abstimmung beantragen.

Gut, dann bitte ich die beiden Schriftführer, hier vorn die Abstimmungsurnen bereit zu halten. Wir stimmen nun namentlich über den Antrag ab.

Hat jeder Gelegenheit gehabt, seinen Stimmzettel abzugeben? Das ist der Fall. Dann schließe ich damit den Abstimmungsvorgang und bitte um Auszählung.

Wir haben ein Ergebnis. Es wurden abgegeben 88 Stimmen, Jastimmen 44, Neinstimmen 44 (na- mentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt. Ich darf alle Kollegen bitten, sich auf ihre Plätze zu begeben. Das gilt auch für die Regierung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Thüringen stärken – Kommunen finanzstark machen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/499

Ich frage: Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall, sodass ich nunmehr dem Abgeordneten Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort erteile. Herr Kollege Adams, Sie können reden. Ich bitte den Saal noch mal um mehr Aufmerksamkeit.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Die AfD hat vor längerer Zeit schon einen Antrag eingebracht. Manchmal ist das so, dass Anträge auf der Tagesordnung durch Gesetze immer wieder nach hinten geschoben werden und dann nicht behandelt werden können.

Herr Kollege Adams, ich unterbreche noch mal ganz kurz. Ich bitte den Saal wirklich um mehr Aufmerksamkeit, ich bitte auch die Kollegen, sich auf ihre Plätze zu setzen, sonst können wir die Beratung nicht fortführen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Heu- te ist Weltspieletag. Vielleicht liegt es daran!)

Das gilt für alle Fraktionen. Wenn Sie Gespräche führen wollen, tun Sie das gern draußen. Herr Adams, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Wie gesagt, der Antrag ist schon ein älterer Antrag aus früherer Zeit. Ich denke, auch die Debatten, die wir in den letzten Plenarsitzungen schon geführt haben, zum Beispiel

(Ministerpräsident Ramelow)

zum Kommunalfinanzübergangsgesetz, hätten es gerechtfertigt, den Antrag zurückzuziehen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will dennoch kurz auf die vier Punkte, die Sie dort angesprochen haben, die Sie fordern, eingehen. Das Erste ist, die Verteilung der Bundesmittel nach einem anderen Schlüssel vorzunehmen. Wenn Thüringen das allein bestimmen könnte, hätten wir das bestimmt gemacht. Wir brauchen dazu aber die anderen Länder und die anderen Länder haben signalisiert, dass man das nicht tun wird. Das hat auch Frau Ministerin Taubert hier schon ausgeführt. Damit ist die schöne Idee, die das gesamte Plenum hatte, die gesamte politische Öffentlichkeit, weggefallen.

Zweitens fordern Sie die Durchreichung der Bundesmittel. Auch da ist Ihr Antrag hinter der Realität zurückgeblieben. Im letzten Plenum haben wir das mit dem besagten Gesetz, dem Kommunalfinanzierungsübergangsgesetz, schon beschlossen. Auch der Punkt ist abgehakt.

Drittens: Bei Gesetzen fordern Sie eine Folgenabschätzung. Da kann ich nur sagen, wer sich so ein Gesetz der Landesregierung einmal anschaut und auch durchliest, wird unter „D“ jedes Mal auch eine Beurteilung der Kosten finden und damit auch eine Abschätzung, was die Kommunen hier belasten wird. Das ist also ein Punkt, den es in der Tat schon gibt, das muss man nicht mehr in einem Antrag fordern.

Viertens haben Sie eine regelmäßige Überprüfung auf der einen Seite der Bereitstellung der finanziellen Mittel und auf der anderen Seite dessen, was wir von den Kommunen hier in Thüringen verlangen, gefordert. Auch das passiert schon. Die Debatte um den KFA wird Ihnen sicherlich noch transparent sein. Da haben wir eine regelmäßige Anpassung daran, was haben wir von den Kommunen per Gesetz verlangt, dass sie es für das Land übernehmen, oder in ihren Auftrag gestellt. Und dagegen rechnen wir, wie wir das finanzieren. Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich der Antrag der AfD erübrigt. Und ich denke, dadurch, dass Sie ihn nicht einmal mehr eingebracht haben, haben Sie auch signalisiert, dass Sie nicht dazu stehen, diesen Antrag eigentlich aufrechtzuerhalten. Wir von der Koalition werden diesen Antrag ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Adams. Das Wort hat nun Kollege Thamm für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, werte Gäste im Saal, der Kollege Adams hat im Wesentlichen alles schon gesagt, hat die Punkte einzeln aufgeführt. Der Titel „Thüringen stärken – Kommunen finanzstark machen“ klingt gut in der Antragsformulierung, nur ist der Inhalt allein dagegen schwach.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Rot- Rot-Grün macht das ja, das ist in Ordnung!)

Die CDU wird sich diesem Antrag nicht anschließen. Nichtsdestotrotz, all diese angesprochenen Aspekte gehören meiner Meinung nach zur normalen gesetzlichen täglichen Arbeit einer Landesregierung, die sie umzusetzen hat. Die Landesregierung ist hier in der Verantwortung bei der Gestaltung des Landes und der Gesetzgebung. Da ist der Veränderungsbedarf immer gegeben. Also, wir lehnen es ab und wir würden Sie natürlich bei jeder anderen Gelegenheit, wenn Sie Gesetze evaluieren wollen und einbringen zur Evaluierung, unterstützen und konstruktiv mitarbeiten. Danke.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Thamm. Das Wort hat nun Kollege Henke von der Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! Sie haben ja alles, Herr Adams, schön ausgeführt, aber leider hilft das unseren Kommunen nicht weiter. „Die Thüringer Kommunen sind das Rückgrat unseres Landes“, das hat der Herr Staatssekretär Götze bei der öffentlichen Anhörung zur Reform des Thüringer Kommunalfinanzübergangsgesetzes 2015 gesagt. Genau deshalb treten wir mit dem vorliegenden Antrag dafür ein, dass dieses Rückgrat gestärkt und nicht gebrochen wird. Denn die Kommunen leisten vor Ort grundlegende Aufgaben, die für die Zukunft Thüringens entscheidend sind. Sie kümmern sich um die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen wie um Kindergartenplätze. Sie gewährleisten den Brandschutz und den Denkmalschutz. Sie sind es, die für Inklusion geradestehen müssen. Doch haben sie, die Kommunen, die notwendigen finanziellen Mittel, um all diese vielfältigen Pflichtaufgaben angemessen erfüllen zu können? Dabei gehen die Kommunen sparsam mit ihrem Geld um. So haben die Landkreise zum Beispiel im Zeitraum von 1994 bis 2013 die Hälfte ihres Personals – von 20.000 auf 10.000 – abgebaut. Wegen der vielen neuen Aufgaben und Standards, die in der Zwischenzeit vom Land gesetzt wurden, wächst der Schuldenstand der Thüringer Kommunen weiter. Die Personal- und Sozial

(Abg. Adams)

ausgaben steigen und das strukturelle Defizit beträgt 200 Millionen Euro pro Jahr.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist Blödsinn!)

Warum? Zu einem großen Anteil gehen die Ausgabensteigerungen darauf zurück, dass das Land durch Gesetzgebung Aufgaben an die Kommunen delegiert oder neue Standards setzt, ohne dass ausreichend über eine entsprechende finanzielle Ausstattung der Kommunen nachgedacht wurde. Das ist so, als wenn Sie ins Restaurant gehen, ein Drei-Gänge-Menü bestellen, aber nur für den ersten Gang bezahlen. Der Unterschied ist nur, im Restaurant wird der Eigentümer die ihm entstandenen Ausgaben nötigenfalls auf dem Rechtsweg einklagen. Die Kommunen bleiben auf den Kosten sitzen.

(Beifall AfD)

Beispiel Kindertageseinrichtungen: Die Betriebskosten für diese sind für die Haushalte vieler Kommunen mittlerweile der größte Kostenfaktor. Bereits durch die Reform des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes aus dem Jahr 2010 wurde ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr festgeschrieben – § 2 Abs. 1 –, der Personalschlüssel erhöht – § 14 – und ein Recht für behinderte Kinder geschaffen, in allen Kindertageseinrichtungen gemeinsam mit nicht behinderten Kindern gefördert zu werden – § 7 Abs. 2 –. Gleichzeitig ist in § 18 des Kindertageseinrichtungsgesetzes festgeschrieben, dass bei kommunalen Kindergärten Gemeinden die durch Elternbeiträge nicht gedeckten Betriebskosten – Personal- und Sachkosten, Kosten für Fortbildungen – tragen müssen. Bei anderen Trägern müssen diese Gemeinden für die Elternbeiträge und durch den Trägeranteil nicht gedeckte Betriebskosten aufkommen. Die Kommunen bleiben auf den erhöhten Betriebskosten sitzen. Die Landespauschale für ein Kind von einem bis drei Jahren liegt gerade bei 270 Euro monatlich, während die Kommunen ein Vielfaches davon als Kosten tragen müssen. Kein Wunder, dass manche Kommunen wie WuthaFarnroda im Wartburgkreis ihre Kindergartengebühren um 40 Prozent anheben müssen. Und Sie wollen dazu noch das erste Kita-Jahr beitragsfrei stellen. Wir fordern: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Wenn Rot-Rot-Grün ein Drei-Gänge-Menü an üppigen Standards will, kann es nicht sein, dass es wie die Vorgängerregierung nur für die Vorspeise zahlt.

(Beifall AfD)

Berücksichtigen Sie bei allen Gesetzentwürfen die Auswirkungen für die kommunalen Personalausgaben, für das Mehr an Verwaltungsaufwand und Sachkosten, überprüfen Sie bestehende Gesetze, ob die Kommunen mit den ihnen vom Land zur Verfügung gestellten Mitteln die vom Land gesetzten Standards auch erfüllen können. Logischerweise

gibt es da nur zwei Wege: Sie senken die Standards oder Sie erhöhen die Finanzmittel. Für welchen Weg Sie sich vor dem Hintergrund von Haushaltskonsolidierung, der Schuldenbremse und dem Zurückgehen von EU-Mitteln auch entscheiden: Lassen Sie nicht die Kommunen zurück. Ein Land ist nur so stark wie seine Kommunen. Thüringen braucht finanzstarke Kommunen und die Kommunen brauchen das Land. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Vonseiten der Regierung liegt mir auch keine Wortmeldung vor. Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt, sodass wir direkt über den Antrag abstimmen. Die Frage: Wer ist für den Antrag der Fraktion der AfD? Das sind die Stimmen der AfD. Gegenstimmen? Mit den Stimmen der Koalition und der CDU ist dieser Antrag abgelehnt.

Damit schließen wir diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4