(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da waren alle Fristen schon weg, da war das Verfahren schon eingeleitet!)
meistens der Bürgermeister oder eben der Landrat für den Stadtrat oder eben für den Kreistag kandidiert, obwohl er ganz genau weiß, dass er dieses Mandat nicht annehmen will. Und wenn man sich jetzt mal die Ergebnisse der Kommunalwahl ansieht, dann muss man sagen, es ist genauso gekommen, wie wir gesagt haben. Bürgermeister, Oberbürgermeister wie zum Beispiel Herr Bausewein hier aus Erfurt oder der Landrat Henning aus dem Eichsfeld haben kandidiert, haben auch mit Abstand die meisten Stimmen aufgrund ihrer Popularität und ihrer Amtsstellung eingefahren für ihre Partei, aber sie gehen nicht in den Kreistag und sie gehen auch nicht in den Stadtrat. Und was, meine Damen und Herren, ist das anderes als eine Täuschung?
Man sieht gerade an den jetzigen Kommunalwahlen, dass die Praxis der Scheinkandidaturen eine massive Manipulation des Wählerverhaltens darstellt. Und ich sage es mal ganz offen, warum macht man es denn auch sonst? Warum lässt man jemanden antreten, der tatsächlich dann gar nicht im Kreistag sitzen möchte, sondern weiter sein Amt als Oberbürgermeister oder als Landrat ausfüllen möchte, weil das eben auch viel lukrativer und viel mächtiger ist als die Position eines Stadtrats- oder Kreistagsmitglieds. Es ist in der Tat auch ein bisschen bedauerlich, dass schon in der ersten Lesung auf diesen Vorstoß, diese Scheinkandidaturen abzuschaffen, mit einer gewissen Arroganz reagiert worden ist, obwohl diese Forderung nicht nur von uns aufgemacht wird. Sie wird auch von Demokratieverbänden, von Demokratieforschern und auch von zahlreichen Juristen gefordert.
Abschaffung der Scheinkandidatur kommen. Frau Kollegin Marx hat es eben noch mal erwähnt, sie hat durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, sagt sie. Das ist natürlich an den Haaren herbeigezogen, denn schauen wir uns mal die Praxis in anderen Bundesländern an. Der Freistaat Bayern hatte lange Jahre eine entsprechende Regelung gehabt und die ist zwar abgeschafft worden, das ist richtig. Aber die ist nicht abgeschafft worden, weil ein Verfassungsgericht gesagt hat, es wäre verfassungswidrig, sondern aus rein politischen Erwägungen der Landesregierung – Machtkalkül, darum ging es, nicht um das Recht. Und wer Probleme hat, das Verbot von Scheinkandidaturen, also die Einschränkung der Wählbarkeit, in die Verfassung einzuordnen, dem helfe ich gern weiter, und zwar mit Blick auf Artikel 137 Abs. 1 Grundgesetz, der nämlich in relativer Eindeutigkeit regelt: Die Wählbarkeit von Beamten – das sind zum Beispiel Landräte und Oberbürgermeister –, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden kann gesetzlich eingeschränkt werden. Na so was! Also, diese angebliche Behauptung, dass man Scheinkandidaturen nicht verbieten könne, weil es verfassungsrechtlich Probleme bereiten würde, dieses Argument schlägt Ihnen die Verfassung selbst aus der Hand.
Es sind dann noch weitere Argumente gebracht worden, insbesondere auch von Herrn Kollegen Kellner, dass die Wähler ja alle alt genug seien, reif genug seien, klug genug seien, um eine Täuschung sozusagen aufzuklären und darauf nicht reinzufallen. Da frage ich mich natürlich, Herr Kellner, nach der Logik könnten Sie auch den Betrugstatbestand aus dem Strafgesetzbuch schreiben. Weil die Leute ja grundsätzlich alle klug und verständig genug sind, um auch Betrug zu erkennen. Denn um nichts anderes geht es hier. Ich täusche vor, dass ich kandidiere, in Wirklichkeit trete ich aber nicht an. Das hat im Grunde genommen, abgesehen davon,
dass ich mir keinen Vermögensvorteil verschaffe, alle anderen Tatbestandsmerkmale, die man landläufig unter Betrug subsumiert. Insofern muss ich sagen, konterkarieren Sie sich im Grunde mit Ihrem Argument schon wieder selbst, denn dann müssten Sie wie gesagt eigentlich auch im Strafgesetzbuch einige Änderungen vornehmen. Im Übrigen ist es
so, das Interesse der Wähler, über die Ernsthaftigkeit einer Scheinkandidatur zu entscheiden, das dürfte deutlich geringer ausgeprägt sein als das Interesse, vor Täuschungen durch Scheinkandidaten verschont zu bleiben, auch durch entsprechende Wahlverzerrung. Es sollte eigentlich ein Grundanliegen jedes Demokraten sein, solche Manipulationen am Wählerverhalten zu verhindern. Deswegen haben wir uns auch für diesen Gesetzentwurf starkgemacht. Sie haben sich alle für die Täuschung entschieden. Das bedauern wir sehr, aber führen Sie dann bitte auch in Zukunft nicht mehr als Abgrenzungskriterium zu uns das große Wort des Demokraten mit, denn das haben Sie hier wieder mal ordentlich widerlegt. Demokratische Aspekte haben bei Ihrer Entscheidung hier zu diesem Gesetzentwurf jedenfalls keine Rolle gespielt. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren heute das zweite Mal, zweite Lesung des Gesetzentwurfs der AfD-Fraktion zu Scheinkandidaturen. Herr Möller hat es gerade noch mal verteidigt, warum dieses Gesetz eingebracht wird.
Wir sehen das nach wie vor anders. In der ersten Lesung haben wir als CDU-Fraktion deutlich gemacht, dass es aus unserer Sicht keine Scheinkandidaturen gibt. Es steht jedem frei, es muss jedem freistehen dürfen, sich für ein Mandat zu bewerben, sich für eine Wahl aufstellen zu lassen und wenn er das Mandat erworben hat, dieses anzunehmen oder auch wieder zurückzugeben. Das steht jedem frei. Deswegen ist unserer Ansicht nach Ihre Argumentation völlig fehlgeleitet, dass im Vorhinein klar ist, dass er das Mandat nicht annimmt.
Das unterstellen Sie. Aber es ist ja nicht gesagt, dass es auch hinterher so gemacht wird. Deswegen muss man auch die Möglichkeit zulassen. Es ist doch auch nicht verboten, aber das darf man auch keinem Amtsträger verwehren, wenn ich in die Wahl gehe, dass Parteiprogramme dahinterstehen, dass ich dafür auch werbe, dass ich hinterher eine starke Mannschaft bekomme, die dieses Programm letztendlich unterstützt, das die Partei oder auf der
kommunalen Ebene die Gemeinderäte aufgelegt haben. Deswegen kann ich doch auch dafür werben. Ich denke, das ist auch mehr als legitim. Aber Sie rücken das in eine Ecke, ich sage mal, Sie kriminalisieren das geradezu, Wählertäuschung und was Sie hier alles vorgebracht haben. Ich finde, das ist nicht redlich. Es muss jedem möglich sein für sein Programm, für seine Politik zu werben, und da schließe ich letztendlich auch die Amtsträger mit ein.
Staatssekretär Götze hat auch in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass es verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Sie haben gerade gesagt, das ist alles nicht so.
Sie haben auch den Artikel genannt. Aber spätestens was die Kollegin Marx gesagt hat, wenn im Jahr 2024 gewählt wird, dann wollen Sie einen ganzen Teil Amtsträger von vornherein ausschließen, die sich nicht zur Wahl stellen können. Deswegen bin ich schon der Auffassung, dass der Staatssekretär Götze auch in der ersten Lesung zu Recht darauf hingewiesen und festgestellt hat, hier liegt eine unzulässige Einschränkung des passiven Wahlrechts vor, weil es Personen, in diesem Fall Amtsträger, von den Wahlen ausschließen will. Das hat er auch noch mal gesagt und bekräftigt und das kann ich auch nur unterstreichen. Genau das ist es, was Sie letztendlich vorhaben: Sie wollen eine Gruppe ausschließen. Gerade die nächste Kommunalwahl wird dann deutlich zeigen, dass es letztendlich ein Problem geben wird.
Bei der Scheinkandidatur, die Sie immer so ansprechen, bringen Sie vor, dass der Wähler getäuscht wird. Auch hier hat die Kollegin Marx darauf hingewiesen. Es wird ja regelmäßig gerade vor Kommunalwahlen stets und ständig in der Öffentlichkeit berichtet, dass sich Amtsträger zur Wahl stellen und unter Umständen das Mandat nicht annehmen. Das ist ja nun kein Geheimnis. Ich sage mal, wenn ich jemanden täusche, dann ist das etwas anderes. Das ist etwas anderes. Es wird auch breit kommuniziert. Und Sie sorgen regelmäßig dafür, das zu skandalisieren, was hier abläuft, etwas anderes tun Sie hier nicht. Ich muss sagen, da machen Sie es sich zu einfach. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass Sie keine Amtsträger haben. Vielleicht, wenn das mal eintreten sollte, was ich nicht hoffe, bin ich mal gespannt auf Ihre Argumentation, die Sie dann bringen, das wird wahrscheinlich genauso sein, der muss doch wählen können, der muss doch letztendlich werben können für seine Partei, für seine Programme.
Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, was die AfD hier vorlegt, ist für mich wieder ein klassisch populistischer Antrag, der kurz vor der Wahl ins Leben gerufen wurde, um noch mal darauf hinzuweisen, wie die anderen Parteien den Wähler täuschen wollen. Ich kann nur sagen, an dieser Stelle kann ich mich wiederholen: Auch der Wähler weiß ganz genau, was er wählt, wen er wählt. Und er weiß das sehr gut einzuschätzen. Davon bin ich fest überzeugt. Deswegen lehnen wir nach wie vor Ihren Gesetzentwurf ab. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, eigentlich wollte ich nicht noch mal nach vorn, denn Kollegin Marx hatte ja unsere Position für die Koalition zusammengefasst. Ja, wir machen keinen Hehl daraus, wir haben natürlich auch in der Koalition über die Abschaffung der Scheinkandidaturen diskutiert und debattiert.
Was mich noch mal nach vorn getrieben hat, war die Unterstellung der AfD-Fraktion, wir wären nicht demokratisch, wir würden den Wählerwillen nicht berücksichtigen und wir wären das Schlimmste, was den Menschen im Freistaat Thüringen passieren könnte. Da will ich mal die Wahlrechtsreform ansprechen, die wir in dieser Legislatur umgesetzt haben. Jetzt gibt es also das Wahlalter ab 16 auf kommunaler Ebene. Wer hat dagegen geklagt? Das war die AfD. Sie ist kläglich gescheitert vor dem Verfassungsgericht. Das muss man auch mal deutlich sagen.
Da sind wir beim zweiten Beispiel, da sind die Wahlrechtsausschlüsse für die Menschen, die unter Betreuung stehen. Auch die haben wir abgeschafft. Wer hat dagegen votiert und eine unglaublich schlimme Rede hier im Landtag gehalten? Das war auch wieder die AfD-Fraktion.
Da frage ich mich doch, wenn so eine rechtspopulistische Partei von Scheinheiligkeit redet, wo eigentlich die Scheinheiligkeit ist. Nämlich bei Ihnen,
der AfD-Fraktion. Wenn man zwei Wochen vor der Wahl – und das wurde auch schon mehrfach gesagt – einen Gesetzentwurf hier in den Landtag einbringt zu Scheinkandidaturen, die man abschaffen will, wo die Fristen schon abgelaufen sind, um Wahllisten aufzustellen in den Kommunalparlamenten, dann dient das nur dazu, irgendein Klientel zu bedienen und kein … – Wie bitte?
Ja, und da hat Frau Marx Ihnen auch deutlich erklärt, 2024 gibt es eine Angleichung. Wahlrechtsgesetze sollten wir am Anfang einer Legislatur diskutieren und nicht zwei Wochen vor einer Wahl, nachdem Fristen abgelaufen sind. Deswegen ist und bleibt Ihr Antrag einfach populistisch und dient nur einem Zweck: Wahlkampf zu machen im Zuge des Wahlkampfs. Von dem her lehnen wir das ab. Danke Ihnen.
Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Herr Minister Maier, Sie haben das Wort für die Landesregierung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu dem von der Fraktion der AfD vorgelegten Gesetzentwurf für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes hat der Staatssekretär schon in der Sitzung im Mai ausführlich dargelegt, dass der Gesetzentwurf aufgrund der hier bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt wird.
Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf der AfD müssten Bewerberinnen und Bewerber für das Amt des Gemeinderats- bzw. Kreistagsmitglieds, die in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis im Sinne von § 23 Abs. 4 oder § 102 Abs. 4 Thüringer Kommunalordnung stehen, bereits mit ihrer Kandidatur eine unwiderrufliche Freistellung von ihrem Dienst- oder Arbeitsverhältnis vorlegen. So wird ihnen von vornherein die Freiheit genommen, sich erst im Falle der erfolgreichen Wahl für die Wahrnehmung des kommunalen Mandats oder die Weiterführung des jeweiligen Dienstverhältnisses zu entscheiden. Dies stellt nach unserer Auffassung eine unzulässige Einschränkung des passiven Wahlrechts der Bewerberinnen und Bewerber für das Amt des Gemeinderats- oder Kreistagsmitglieds dar. Dies halte
Die Landtagsmehrheit hat sich daher bisher aus guten Gründen für die Beibehaltung der in der Thüringer Kommunalordnung geregelten Amtsantrittshindernisse ausgesprochen.
Ein weiterer Punkt ist das, was Herr Kellner schon dargelegt hat. Diese Dinge sind ja ausführlich auch in der Öffentlichkeit diskutiert worden, sehr ausführlich diesmal, die Zeitungen waren voll davon. Die Wählerinnen und Wähler wissen, was sie tun. Ich gehe davon aus, dass die Wähler aufgeklärt sind und tatsächlich wissen, was sie tun. Man konnte sich darüber informieren und eine Wählertäuschung liegt aus unserer Sicht aufgrund dieser ausführlichen Berichterstattung nicht vor.
Eine unzulässige Wahlbeeinflussung, die die Entschließungsfreiheit der Wahlberechtigten und damit den Grundsatz der Freiheit der Wahl nach Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz und Artikel 95 Thüringer Verfassung verletzt, ist nicht erkennbar. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.