Protokoll der Sitzung vom 29.05.2015

So weit zur Begründung des Antrags durch den Abgeordneten Herrgott. Ich eröffne nun die Aussprache und als Erste hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Berninger, Fraktion Die Linke.

Herzlichen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion! Sehr geehrte Frau Kruppa, herzlich willkommen! Meine Damen und Herren, um es ganz deutlich zu sagen: Ich halte den vorliegenden Antrag für einen ganz klassischen Schaufensterantrag.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn die Damen und Herren von der CDU ehrlich sind, dann müssten sie jetzt zugeben, dass sie eigentlich in dem vorvorletzten Tagesordnungspunkt zum Kommunalen Finanzausgleich ihre ganzen Argumente schon verschossen haben und sie den Antrag eigentlich hätten zurückziehen können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber wenn man solche Anträge, Ihre Presseverlautbarungen, Anfragen hier an die Landesregierung so liest, dann könnte eine unvoreingenommene Betrachterin, die nur oberflächlich darüber guckt, zu dem Schluss kommen: Sehr schön, die Landtagsfraktion der Thüringer CDU besinnt sich nun endlich auch auf ihre humanitäre Verantwortung und macht sich endlich für die Möglichkeit für Flüchtlinge stark, ihr Leben selbstbestimmt gestalten zu können dadurch, dass den Kommunen endlich mehr Mittel zugestanden werden sollen. Aber das ist nur die oberflächliche Betrachtung. Sie haben Ihren Antrag überschrieben mit „Verantwortung des Landes für Flüchtlinge wahrnehmen“. Diesem Satz kann ich aus vollem Herzen zustimmen, und zwar würde ich

(Vizepräsident Höhn)

dem auch gerne rückwirkend zustimmen, meine Damen und Herren, für die Zeit Ihrer Verantwortung für das Feld.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, die Flüchtlingszahlen sind enorm gestiegen, meine Damen und Herren. Für mich persönlich verbietet sich aber der Begriff „Flüchtlingsströme“ oder „Flüchtlingswellen“ oder auch die Bezeichnung „Flüchtlingsproblematik“. Diese Tendenz der gestiegenen Flüchtlingszahlen zeichnet sich aber nicht erst seit dem 5. Dezember 2014 ab, meine Damen und Herren, und es ist auch nicht erst seit Sommer 2014 klar, dass die in Ihrem Antrag benannten Krisen in der Welt fortbestehen werden, dass die Fluchtursachen kurz- und auch mittelfristig nicht behoben sein werden. Wie denn auch, wenn dazu kaum ernsthafte Anstrengungen von bundes- oder europapolitischer Seite unternommen werden? Aber die Frage der steigenden Flüchtlingszahlen oder gar, wie die Flüchtlinge in Thüringen gut und menschenwürdig untergebracht werden, an der Gesellschaft teilhaben können, war in der Vergangenheit bis zum Regierungswechsel für die Damen und Herren der CDU leider nicht erstrangig. In den letzten Jahren wurde nicht dafür gesorgt, dass Plätze vorgehalten werden oder die Kommunen gewappnet sein konnten, Flüchtlinge zum Beispiel vorrangig in Wohnungen unterzubringen. Im Gegenteil wurde Kommunen, die das selbstständig entschieden, lange Jahre sogar das Leben erschwert, weil sie gegen die restriktive Flüchtlingspolitik des CDUgeführten Innenministeriums selbst entschieden. Zuletzt, als klar war, dass immer mehr Landkreise und kreisfreie Städte trotzdem – zuletzt waren es Suhl, Eisenach und die Landkreise Sömmerda, Schmalkalden-Meiningen und Sonneberg, die sogar vollständig zu 100 Prozent zur Wohnungsunterbringung übergegangen waren, im Rest Thüringens waren es ungefähr fast 60 Prozent – anders bei der Unterbringung entscheiden – dieser Trend zur Wohnungsunterbringung –, da veränderten Sie, Herr Geibert – ich weiß gar nicht, ob er jetzt da ist –, die CDU in der Thüringer Landesregierung – das war sozusagen Ihre letzte restriktive flüchtlingspolitische Aktion – die Thüringer Flüchtlings-Kostenerstattungsverordnung dergestalt, dass Sie Investitionen lediglich in neu geschaffene Gemeinschaftsunterkünfte gewähren, und zwar nur in GUPlätze, die auch für fünf Jahre garantiert Gemeinschaftsunterbringungsplätze bleiben sollten. Sie machten also flüchtlingspolitisch einen Riesenschritt zurück, was den Thüringischen Landkreiskreistag sehr kritisch auf den Plan rief und selbst den Abgeordneten Kellner letztes Jahr in einer Podiumsdiskussion anlässlich des Tags des Flüchtlings sehr überraschte, sehr verwunderte und ihn dann sogar zu einer kritischen Anmerkung hinreißen ließ.

Wir sind bestrebt, das wieder umzukehren. Trotz der steigenden Zahlen ist es uns als Koalition wichtig, die Wohnungsunterbringung zur Regelunterbringung werden zu lassen und entsprechend starten wir in dieser Richtung auch mit einer baldigen Anpassung der Flüchtlings-Kostenerstattungsverordnung. Zumindest sind wir mit dem Ministerium so im Gespräch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir verstehen die Sorgen der Landkreise und kreisfreien Städte. Sie stehen vor sehr großen Herausforderungen und es ist nicht einfach, mit den steigenden Personenzahlen zurechtzukommen, teilweise auch kurzfristig Menschen unterbringen zu müssen. Nicht selten stehen dabei die Kreisstädte alleine da ohne die Unterstützung der kreisangehörigen Städte. Das ist auch ein Fakt, den das CDUgeführte Innenministerium in der Vergangenheit nie bestrebt war zu lösen. Selbstverständlich sollen die Gelder an die Kommunen weitergeleitet werden. Maßstab sind dabei aber nicht die, die sozusagen als die üblichen Verdächtigen – die ja eigentlich keine Verdächtigen sind, von ihnen erwartet man es inzwischen –, immer jammern auf hohem Niveau, die seit dem Regierungswechsel wohl so was wie eine Amnesie erlitten haben, was Kommunikation mit der Landesverwaltung angeht oder das Stellen von Investitionsförderanträgen. Ich meine Herrn Landrat Münchberg aus dem Weimarer Land und Frau Landrätin Schweinsburg aus dem Landkreis Greiz ganz insbesondere.

(Beifall DIE LINKE)

Maßstab sind die Landkreise und kreisfreien Städte bzw. die Verwaltungen in den Kommunen, die ihre Energie lieber in die Aufgabenerfüllung stecken und nicht zuerst in eine Pressemitteilung, wenn Hürden überwunden und Schwierigkeiten gelöst werden müssen.

Wir sind der Bundesregierung natürlich dankbar und auch erleichtert gewesen, dass für dieses und nächstes Jahr zweckgebunden mehr Geld angekündigt wird, pro Jahr 500 Millionen Euro für die Bundesländer. 13 Millionen Euro davon entfallen nach dem Schlüssel auf Thüringen. Ebenfalls für richtig halten wir die angekündigte bessere personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Freilich geht es uns dabei aber nicht um schnellere Abschiebungen, wie das von populistischer Seite gern mal pauschal gefordert wird, sondern uns geht es darum, dass die Menschen nicht über Monate und Jahre in Ungewissheit leben müssen. Wir erhoffen uns damit natürlich auch eine bessere Prüfung des Einzelfalls mit dem Ziel höherer Anerkennungsquoten.

(Beifall DIE LINKE)

Außerdem halten wir das bloße Mehr an Personal nicht für die alleinige Lösung, vielmehr sollte es auch besser qualifiziert sein bis hin zu mehr interkultureller Kompetenz, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Die Weiterreichung der Bundesmittel an die Bundesländer hat ihren Ausgangspunkt in einem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz. Diese Mittel sind nicht zwingend und vollständig an die Kommunen zu geben. Sie sind auch für Aufwendungen gedacht, die die Länder für die Aufnahme und Unterbringung aufbringen müssen. Da bin ich noch mal bei dem Herzenswunsch: Verantwortung des Landes für Flüchtlinge wahrnehmen, das rückwirkend umsetzen zu können. Sie müssen eingestehen, dass die Situation der Landesaufnahmestelle ist, wie sie ist, nämlich viel zu eng, die hygienische Situation desolat, genauso wie der bauliche Zustand. Das wurde auf Nachfrage durch uns als Opposition oder wenn die Flüchtlinge selbst Kritik geübt haben oder Flüchtlingsorganisationen kritisiert haben, immer heruntergespielt, abgewiegelt, als unsachgemäße Bewertung abgetan. Dass die Situation in der Landesaufnahmestelle in Eisenberg aber ist, wie sie ist, das wussten Sie, sehr geehrter Herr ehemaliger Innenminister. Das wussten auch die Innenpolitikerinnen der vormaligen Regierungsfraktion CDU. Es ist ein Erbe, was Sie unserer Koalition hinterlassen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

für das Sie uns aber nicht zugestehen wollen, es mit den dafür unter anderem auch vom Bund zur Verfügung gestellten Finanzmitteln annehmen und sanieren zu können. Das ist unlauter, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Unterstellung, die Kommunen würden durch das Land nicht adäquat berücksichtigt, ist dies ebenso. Diesen Vorwurf muss ich im Gegenteil an Sie und die Vorgängerregierung zurückgeben.

Thüringen ist eines unter nur fünf Bundesländern, die bei der Kostenerstattung gegenüber den Kommunen schon jetzt mit den Bestandteilen der Pauschalen und auch der spitz abgerechneten Kosten auf eine Erfüllungsquote von über 95 Prozent kommen. Es darf auch nicht verschwiegen werden, meine Damen und Herren, dass es Kommunen gibt, die nach wie vor nicht die pauschal erstatteten Mittel komplett für den vorgesehen Zweck ausgeben. Zumindest die für 2013 vorliegenden Zahlen bestätigen das. 2014er-Zahlen gibt es noch nicht.

Die Bundesmittel für flüchtlingspolitische Kosten sind nach Verhandlungen mit den Ländern in ihrer haushalterischen Form vom Bund nicht als zweck

gebundene Unterstützung allein an die Kommunen ausgestaltet – das habe ich schon erwähnt –, sondern als Teil des Finanzausgleichs freilich mit dem Verwendungszweck der Flüchtlingspolitik. Diese Zusammenhänge hat Herr Minister Lauinger auch schon öffentlich in einer entsprechenden Pressemitteilung am 22. Mai deutlich gemacht. Das brauche ich hier nicht zu wiederholen. Aber angesichts dieser Tatsachen, auch dieser Veröffentlichung, sind daher weder die Klagen der Spitzenverbände noch der Antrag der CDU-Fraktion sachlich nachvollziehbar, meine Damen und Herren. Der Vorwurf, Thüringen würde die Bundesmittel nicht korrekt an die Kommunen weiterreichen, stimmt einfach nicht. Bei solchen neuerdings Oppositionsanträgen der CDU darf man aber immer noch die Frage stellen: Wie hat sich denn die vorherige CDURegierung bei dem Thema angestellt? Besser auf keinen Fall, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worauf im CDU-Antrag nicht eingegangen wird, ist die Tatsache, dass seit der Ankündigung der Bundesregierung über diese zusätzlichen finanziellen Mittel für 2015 und 2016, die ist vom Herbst 2014, dass nach der Ankündigung die Prognosen über die Flüchtlingszahlen für 2015 und 2016 mehrfach nach oben korrigiert worden sind. Die Höhe der zusätzlichen finanziellen Mittel wurde bisher aber nicht den höheren Zahlenprognosen angepasst.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Immer mehr Geld!)

Ich finde es eine lohnende Initiative der CDU Thüringen, dies bei Finanzminister Schäuble, der gehört ja zu Ihrer Partei, und den Thüringer CDU-Bundestagsabgeordneten mal anzumahnen. Für Menschen in Not, die sich zu uns flüchten, lohnte es sich allemal, Schäubles wie eine Monstranz hochgehaltene schwarze Null endlich aufzugeben. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht zu uns Herr Abgeordneter Kießling, Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, liebe Minister, „Bundesmittel zur Flüchtlingshilfe vollständig weitereichen“ ist das Thema. Die Große Koalition strebt an, die finanzielle Situation der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Falls Sie vergessen haben, wo es steht: Auf Seite 83 Ihres Koalitionsvertrags können Sie gern nachlesen.

(Abg. Berninger)

Die finanzielle Belastung der Kommunen durch die steigenden Asylbewerberzahlen, durch die die Aufnahme-, Unterbringungs-, Verwaltungskosten und die medizinischen Kosten explodieren. Die Landesregierung sieht eine Erhöhung der Mittel für die Erstattung der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in den Kommunen von fast 18,7 Millionen Euro im Jahr 2014, auf 43,5 Millionen Euro im Jahr 2015 vor – das ist schon mal nicht schlecht – und das auf der Grundlage von 8.160 Asylbewerbern. Wenn aber die von Berlin prognostizierten über 12.000 kommen, müssten die Erstattungsbeträge auf fast 64 Millionen Euro steigen. Deshalb braucht man kein Prophet zu sein, um zu sagen, dass Sie um den einen oder anderen Nachtragshaushalt nicht herumkommen werden, denn im Durchschnitt kommen momentan circa 45 Flüchtlinge pro Tag in Thüringen an und damit dazu.

Vor diesem Hintergrund sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Bundesmittel, die für die Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und medizinische Versorgung der Asylbewerber in den Kommunen vorgesehen sind, auch vollständig an die Kommunen weiterzugeben sind. Im Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern haben die Länder in den Fällen, in denen die Kommunen Kostenträger sind, eine Weitergabe der Finanzmittel des Bundes zugesagt. Bei der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und bei den medizinischen Kosten sind die Kommunen Kostenträger. Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Rheinland-Pfalz haben bereits beschlossen, die Bundesmittel vollständig weiterzugeben und damit im Sinne des Gesetzes zu handeln. Unsere Landesregierung jedoch positioniert sich da momentan noch nicht klar. Das Einzige, was man aus der TA vom 26.02.2015 entnehmen konnte, da hatte sich unser Ministerpräsident Ramelow wie folgt positioniert, ich zitiere: „Thüringen will diesen Menschen ein Zuhause geben, und ich sage auch: Thüringen braucht auch die Fähigkeiten und Qualifikationen dieser Menschen.“ Daher ist die Forderung der CDU eigentlich mehr als berechtigt, muss ich sagen.

Dabei sieht der Gesetzesentwurf die dringend benötigten Mittel auch explizit für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen vor. Die Verbesserung der Situation dieser besonders gefährdeten und schutzbedürftigen Flüchtlingsgruppe ist jedenfalls rhetorisch eines der wesentlichen Ziele der Asyl- und Flüchtlingspolitik dieser Landesregierung. Vielleicht tut es Ihnen einmal gut, wenn die Opposition Sie an Ihre eigenen Versprechen erinnert. Jedenfalls wird die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die in Thüringen aufgenommen werden, durch einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die

Einführung der Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel auch für diese Flüchtlingsgruppe vorsieht, sprunghaft ansteigen. So gab es 2014 nur 18 Minderjährige, die in Thüringen einen Asylantrag gestellt haben. Wenn man bereits 2014 die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel genommen hätte, wonach Thüringen 2,7 Prozent Asylbewerber aufgenommen hätte, hätte der Freistaat schon damals rund 119 minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. Sehr viele dieser Flüchtlinge kamen 2014 aus Afghanistan oder Syrien, aus den Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht, wo sie um ihr Leben fürchten mussten. Wir von der AfD unterstützen vor diesem Hintergrund eine menschenwürdige Aufnahme dieser besonders gefährdeten, oftmals auch durch Kriegserfahrungen traumatisierten Flüchtlingsgruppe. Vor dem Hintergrund der oft benötigten besonderen sozialen und psychologischen Betreuung dieser Flüchtlinge beliefen sich bereits im Jahr 2013 die Kosten für die Maßnahmen nach Inobhutnahme auf rund 200 Millionen Euro bundesweit. Auch deswegen steht die Landesregierung in der Pflicht, die für diesen wahrhaft humanitären Zweck vorgesehenen Bundesmittel vollständig und bis auf den letzten Cent genau an die Kommunen weiterzugeben, zumal 2015 vor dem Hintergrund der stark steigenden Asylbewerberzahlen auch mit einem weiteren Anstieg der Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu rechnen ist. Doch die im Jahr 2015 insgesamt 13 Millionen Euro an Bundesmitteln für Thüringer Kommunen, falls sie denn von dieser Landesregierung vollständig an die Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise in unserem Land weitergegeben werden, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn man die Gesamtsituation sieht, muss man zum Beispiel berücksichtigen, dass den Kommunen auch Verwaltungskosten für diese vermehrte Aufnahme, Unterbringung, Betreuung, medizinische Leistung und die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entstehen. Diese sollten im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs (Mehrbe- lastungsausgleich nach § 23 des FAG) abgegolten werden. Dabei sind die im Rahmen des FAG für 2015 insgesamt geplanten rund 1,853 Milliarden Euro kaum ausreichend, um die steigenden finanziellen Belastungen der Kommunen nach dem jetzigen Gesetzesvollzug auszugleichen, die unter anderem durch wachsenden Verwaltungsaufwand und damit steigende Personalausgaben entstehen. Selbst die von der Landesregierung geplante Untergrenze von 1,9 Milliarden Euro wird in diesem Jahr unterschritten. Vollkommen zu Recht fordern die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände hier eine Nachbesserung auf mindestens 2 Milliarden Euro. Die Landesregierung steht hier insgesamt in der Pflicht, die Kommunen nicht allein im Regen stehen zu lassen.

Laut der kleinen Revision, die wir gestern um 18.22 Uhr bekommen hatten, obwohl ich den Fi

nanzausschuss schon vorher darum gebeten hatte, dort mal Einsicht zu bekommen, wird ausgeführt, dass die Kommunen noch nicht alle ihre Einnahmen ausgeschöpft hätten. Da war ich sehr überrascht. Aber dort heißt es, im Bereich Grundsteuern, Gewerbesteuern sollte man die Einnahmesituation erhöhen. Dort wird mit fiktiven Einnahmen gerechnet, und zwar fiktive Einnahmen bei der Grundsteuer A von 1,2 Millionen Euro, Grundsteuer B 5,2 Millionen Euro. Dazu kommt noch Gewerbesteuer, da geht es um 14,5 Millionen Euro. Also insgesamt 20,9 Millionen Euro. Da muss man sich wirklich mal die Frage stellen: Ist denn die Landesregierung der Meinung, dass diese fiktiven Einnahmen von den Kommunen einzufordern sind? Das heißt ja letztendlich, so, wie ich das lese, werden dann die Bürger genötigt, dort entsprechend mehr Geld zu zahlen. Das heißt, im Durchschnitt sind 10 Prozent bei der Grundsteuer und 5 Prozent bei der Gewerbesteuer mehr zu zahlen. Ist das wirklich im Sinne der Landesregierung?

Die Kommunen brauchen das Geld und sie brauchen es jetzt. Wenn Sie jetzt an den Regularien nichts ändern, eine schnelle und unbürokratische Bereitstellung der dringend benötigten Finanzmittel ist nämlich wichtig, weil sie die Planungssicherheit für unsere Gemeinden schafft. Rot-Rot-Grün zeigt, wie es nicht geht. So sieht die Landesregierung zwar im Koalitionsvertrag und durch die zahlreichen Äußerungen ihrer Vertreter zum Beispiel auf dem Flüchtlingsgipfel des Landes die Schaffung einer Investitionspauschale für die Schaffung von dezentralen Unterbringungsplätzen vor, lässt aber die Kommunen, die Planungssicherheit brauchen, mit dem Problem allein. Wieso schaffen Sie keine Vorgriffsregelung, die die Finanzierung der Schaffung von dezentralen Unterbringungsplätzen bereits heute gewährleistet? Wir haben es gerade von den Linken gehört, dass sie das gern forcieren wollen.

Der parteilose Landrat des Weimarer Landes, Herr Münchberg, wies sehr richtig darauf hin, dass Flüchtlingsunterbringung eine Landesaufgabe ist. Wird sie an die Kreise delegiert, entsteht ein übertragener Wirkungskreis, für den ein finanzieller Ausgleich zu schaffen ist. Das sind nicht nur wohlbegründete Forderungen der Landräte, der Bürgermeister, der vor Ort tätigen und sich mit dem Problem auskennenden Kommunalpolitiker. Es sind verfassungsgemäße Grundsätze. Artikel 91 Abs. 3 und Artikel 93 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen sind daher auch für Sie eine ebenso spannende wie lehrreiche Lektüre. Ziehen Sie die richtigen Lehren daraus! Die vollständige Weiterleitung der Bundesmittel an die Kommunen in 2015 wie in 2016 wäre zumindest ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Noch besser wäre es, es gar nicht dazu kommen zu lassen, dass den Kommunen überhaupt Kosten für Aufnahme, Unterbringung, Betreuung und medizinische Ver

sorgung entstehen. Schätzungen zufolge liegen die Kosten für einen Asylbewerber pro Person pro Jahr insgesamt bei rund 8.000 Euro. Hier sind die Kosten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die Kosten für die Unterbringung, Krankenkosten und die Förderung von Integrationspauschalen inbegriffen. Die oben erwähnten Verwaltungskosten kommen übrigens noch dazu.

Wir fordern die Landesregierung daher auf, den Vorschlag des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Herrn Landsberg, umzusetzen und sämtliche Asylbewerber bis zur Entscheidung über einen Asylantrag in den Erstaufnahmestellen des Landes zu belassen. In einem ersten Schritt sollten zumindest die aussichtslosen Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in den Landeseinrichtungen verbleiben. Dadurch würden die Kommunen, die im Übrigen bei der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge Aufgaben des Landes übernehmen, entlastet. Gleichzeitig würde dadurch der Druck auf das Land steigen, vollziehbar Ausreisepflichtige möglichst schnell abzuschieben,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Völliger Blödsinn!)

anstatt zum Beispiel teure und unsinnige Winterabschiebestopps zu verhängen.

(Beifall AfD)

Der Bundesminister der CDU, Minister de Maizière, fordert schnellere Abschiebung. Nachlesen kann man das in „ZEIT ONLINE“ vom 17.04.2015. Dort wird auch weiterhin ausgeführt, dass sich der Konflikt um die Finanzierung der Flüchtlingsheime verschärft, denn der Bundesminister wirft den Ländern vor, ihren Teil der Kostenreduzierung nicht zu erfüllen. Ich wiederhole: Die Länder erfüllen nicht den Teil zur Kostenreduktion. Der Bundesminister hat die Länder aufgefordert, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben, dadurch können Steuergelder nämlich gespart werden. Ich zitiere hier den Herrn Minister: „Man kann nicht hohe Kosten beklagen, dem Bund zuschieben, diese Verfahren zu beschleunigen und selber gleichzeitig den eigenen Teil nicht erfüllen.“ Es gibt Länder, wie gesagt, die nehmen den Kommunen 100 Prozent dieser Mehrkosten ab. Es gibt aber auch andere, die hier nur 50 Prozent der Kostenübernahme vollziehen. Thüringen sollte sich mal ein Beispiel an den Mitteilungen des Bundesministers nehmen, was hier gefordert wird.

Streben Sie daher die finanzielle Entlastung der Kommunen nicht nur an, sondern handeln Sie im Sinne und Interesse der Gemeinden unseres Landes. Die Kommunen sind unser Rückgrat, doch auch ein starker Rücken geht bei übermäßiger Belastung kaputt. Denn selbst die rot-grüne Landesre

gierung, und zwar in Baden-Württemberg, hat erkannt, dass hier die Verfahren beschleunigt werden müssen. Auch die AfD hat gefordert, hier eine eigene Stelle einzurichten. Denn dort hat man zum Beispiel ein Pilotprojekt gestartet, 30 zusätzliche Mitarbeiter abgestellt, um die Verfahrensbearbeitung zu beschleunigen und hier nicht aufnahmefähige – und wo von vornherein klar ist, dass sie nicht aufgenommen werden können – Flüchtlinge abzuschieben, um hier Steuergelder zu sparen. In diesem Sinne vielen Dank für die Aufmerksamkeit.