Protokoll der Sitzung vom 02.10.2015

Als Letztes sage ich Ihnen: Der Verband der Opfer des Stalinismus und auch der Freiheit e. V. fordern den 17. Juni als Feiertag. Ohne andere Tage in Abrede zu stellen, ist für mich und auch für meine Fraktion der 17. Juni besonders wichtig. Der Freiheit e. V. sagt, auch hier zitiere ich: „Ohne diesen Tag“ – also den 17. Juni – „lässt sich die deutsche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte nicht erklären.“ Der Freiheit e. V. sagt auch: „Es wäre deshalb gut, den 17. Juni künftig als Gedenktag für Widerstand und Opposition gegen die kommunistische Diktatur zu begehen!“

(Beifall CDU)

Ich stehe genau zu dieser Forderung. Ich kann Ihnen versprechen und es haben alle anderen Fraktionen hier in diesem Haus – ich meine SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke – gesagt, dass wir gern ins Gespräch kommen wollen. Ich kann Ihnen sagen, dass ich in meiner Fraktion und auch bei diesen Diskussionen all meine Kraft dafür einsetze, dass der 17. Juni noch mal in einem anderen Rahmen diskutiert wird und ebenfalls zum Gedenktag ernannt wird. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pelke.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin während der Rede von Frau Kollegin Astrid Rothe-Beinlich von meinem Abgeordnetenplatz auch den Zwischenruf des Abgeordneten Höcke vernommen, in dem er den Begriff „Grundrechtsschänder“ verwendet hat. Dafür erteile ich ihm – auch wenn er jetzt nicht anwesend ist – einen Ordnungsruf.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Pelke)

Liebe Frau Pelke, für die Begriffe „dumm“ und „widerlich“ muss ich Ihnen leider auch einen erteilen.

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie hat doch recht!)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das gibt keinen Ordnungsruf? Das ist so was von par- teiisch!)

Als Nächster hat Abgeordneter Gruhner, CDUFraktion, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil ich schon finde, dass es sich einige Vertreter der Koalition zu einfach machen, über unseren Vorschlag des 17. Juni hinwegzugehen. Ich will das auch gleich begründen. Ich bin – das will ich vorwegsagen – Frau Pelke ausdrücklich dankbar für das, was Sie gesagt haben. Nur fehlt mir der Glaube, dass das zu 100 Prozent auch auf das zutrifft, was der Rest der Abgeordneten der Koalitionsfraktionen zu diesem Thema denkt.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich aber zunächst trotzdem noch mal sagen – ich habe das auch schon gesagt, als der Gesetzentwurf hier eingebracht wurde –, dass es gut ist, dass wir eine politische Debatte darüber führen, wie wir Gedenkkultur im Lande gestalten wollen und dass das durchaus auch der politischen Kultur im Lande zuträglich ist. Es ist zweitens vor allem deshalb zuträglich, weil wir uns durchaus in einer Zeit befinden, in der es richtig ist, dass wir uns noch einmal vergewissern, was unsere historischen Grundlagen sind, was unsere kulturellen Grundlagen sind, denn die Integrationsherausforderung, die auf uns zukommt, die wird durchaus auch eine Heraufforderung für das bedeuten, was unsere politische Kultur betrifft und was unsere Auseinandersetzung mit den Werten unserer Geschichte betrifft.

Dann will ich auch noch als Vorbemerkung sagen, lieber Herr Brandner und in Richtung der AfD, weil Sie davon gesprochen haben, die verschiedenen Vorschläge, die die CDU-Fraktion gemacht hätte, würden so eine Art Gedenktagsinflation bedeuten. Da will ich Ihnen nur trotzdem mal eines sagen. Es gilt nach wie vor der alte Satz: Nur wer sich seiner Geschichte bewusst ist, kann auch verantwortungsvoll Zukunft gestalten.

(Beifall CDU)

Nur habe ich gelegentlich den Eindruck – ich meine, wir reden über den 18. März und den 17. Juni –, ich weiß nicht, ob das redlich ist, dann von Gedenktagsinflation zu sprechen. Wenn ich dann solche

Dinge höre von Gedenktagsinflation, dann kann ich Ihnen nur sagen, offensichtlich sind Sie da leider etwas geschichtsvergessen. Den Vorwurf müssen Sie sich schon gefallen lassen.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Dann will ich aber schon noch mal mit Blick auf den 17. Juni sagen: Herr Ministerpräsident, Sie haben richtigerweise am Anfang der Legislaturperiode, als Sie ins Amt gekommen sind, hier vor dem Hohen Haus klar ausgeführt, dass Sie sich persönlich, aber auch Ihre Koalition im Gesamten in einer besonderen Verantwortung sehen, was die Aufarbeitung der SED-Diktatur betrifft. In dieser besonderen Verantwortung sind Sie in der Tat. Ich meine, wir müssen nicht immer wiederholen, was wir gelegentlich auch in Interviews sagen, aber es bleibt dabei: Ihre Koalition ist auch von ehemaligen Stasi-Spitzeln getragen, das gehört zur Wahrheit dazu und deswegen sind Sie in der Tat in einer besonderen Verantwortung.

(Beifall CDU)

Ich finde, gerade weil wir morgen den 25. Jahrestag der deutschen Einheit begehen, wäre doch das heute die Chance gewesen, dem, was Sie immer blumig ankündigen mit den Worten „wir sind in einer besonderen Verantwortung“, tatsächlich auch Rechnung zu tragen. Sie hätten heute die Gelegenheit, zu sagen, wir stimmen den Vorschlägen der Unionsfraktion zu, den 17. Juni in diesem Gedenkund Feiertagsgesetz zu verankern. Das wäre ein klares Signal am Vorabend des 25. Jahrestags der deutschen Einheit und es würde Ihrem eigenen Anspruch auch gerecht werden.

(Beifall CDU)

Wenn Sie das heute ablehnen, bleiben Sie wiederholt hinter Ihrem eigenen Anspruch.

Im Übrigen ist nicht nur der Ministerpräsident mit seiner Partei in der Verantwortung, sondern gerade eben auch SPD und Grüne. Nun hätte ich nicht erwartet, dass die Linken mit wehenden Fahnen hier den 17. Juni als politischen Gedenktag gesetzlich verankern wollen, aber ich hätte es von SPD und Grünen in der Tat erwartet. Deswegen ist das, was Sie heute hier gesagt haben, enttäuschend, denn wir haben vor allem Ausflüchte gehört, warum Sie der Überzeugung sind, der 17. Juni könne heute hier so nicht gesetzlich verankert werden.

(Beifall CDU)

Frau König, es ist nicht konsistent, wenn Sie sagen, es sei eine Verwässerung des 8. Mai, wenn wir in das Gesetz heute hineinschreiben, dass auch der 17. Juni oder der 18. März politischer Gedenktag ist. Das ist nicht konsistent, denn gleichzeitig sagen Sie, ja, wir sind möglicherweise bereit, das irgendwann in das Gesetz zu schreiben. Dann wäre das auch eine Verwässerung des 8. Mai, wenn wir das

(Vizepräsident Höhn)

künftig in das Gesetz schreiben. Deswegen ist doch dieses Argument rein von der Gesetzessystematik her inkonsistent.

Im Übrigen will ich insbesondere sagen: Die Opfer der SED-Diktatur wollen doch nicht von Ihnen dauernd hören, dass Sie bereit sind, Gespräche zu führen. Sie wollen nicht dauernd vom Ministerpräsidenten hören, dass Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sind. Sie wollen konkrete Taten sehen und diese konkreten Taten, die müssen Sie hier im Haus vollziehen und nicht in blumigen Reden an Gedenk- und Feiertagen.

(Beifall CDU)

Dann, Frau Kollegin Marx, fand ich schon sehr bemerkenswert, dass Sie zwar richtigerweise gesagt haben, der 8. Mai hat eine historische europäische Dimension. Selbstverständlich hat er das. Aber dann den Rückschluss zu ziehen, der 17. Juni könne nicht in dieses Gesetz, weil er eine Art „lokales Ereignis“ wäre, da muss ich Ihnen schon sagen, das finde ich eine ausgegorene Frechheit – mehr und nicht weniger.

(Beifall CDU)

Deswegen kann ich nur sagen: Treten Sie heute den Beweis an, dass Sie es tatsächlich ernst meinen mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur! Sorgen Sie dafür, dass diese Frage nicht auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben wird! Anders habe ich Sie nicht verstanden, Frau König. Gespräche führen ist nett, Taten sind wichtiger und besser. Aber weil Sie all das heute offensichtlich nicht tun wollen, verstärkt sich leider der Eindruck, dass es Ihnen in der Tat – und das habe ich schon vor wenigen Wochen hier gesagt, als Sie das Gesetz eingebracht haben – nur um eins geht, Sie wollen das SED-Geschichtsbild in das 21. Jahrhundert hinüberretten. Diesen Eindruck haben Sie leider selbst zu verschulden, weil Sie heute unsere Vorschläge ablehnen. Schönen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: So dumm!)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Herr Abgeordneter Brandner, bitte schön.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nee, setzen Sie sich wieder hin!)

Haben wir jetzt Schafe im Plenum oder was? „Mäh“ – Herr Harzer.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Wir las- sen uns nicht als Schafe bezeichnen!)

Bei mir kommt so etwas hinten raus, was bei Ihnen oben rauskommt.

(Heiterkeit und Beifall AfD)

Herr Gruhner, Ihre Rede hat schwach angefangen, aber stark aufgehört. Die Transformation des SEDGeschichtsbilds in die Jetztzeit, das sehen wir genauso. Das Thema wird Herr Hoff wahrscheinlich gleich auch noch ein bisschen vertiefen. Ich werde das nicht verfolgen können, weil ich dann zum Essen gehe, aber ich denke mal, das kommt dann bei Ihnen da raus – oben.

Frau Rothe-Beinlich, was Sie gerade vorgelesen haben, war kein Flyer von mir, das war eine Zeitungsanzeige, die ich vor vielen Monaten geschaltet hatte.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die ist von Ihrer Homepa- ge!)

Ja, aber ein Flyer ist doch etwas anderes – oder worüber reden wir? Das ist eine Zeitungsanzeige, die mehrere Monate alt ist. Respekt erst mal zu Ihrer knallharten Recherche, die Sie heute auf den Tisch gelegt haben. Das macht die Sache allerdings nicht

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht besser – genau, nicht besser!)

unwahrer. Wie soll ich sagen, ich stehe natürlich nach wie vor zu dem, was da steht. Sie werden sehen, wenn Ihre Kollegin König die ersten Demos am 8. Mai organisiert, was da rauskommt, und hinterher sagen, Herr Brandner, Mensch, Sie hatten recht.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)