Protokoll der Sitzung vom 02.10.2015

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genauso ist das aus dem Ruder gelaufen mit den Feierlichkeiten des Dinosauriers der Antifa hier in Thüringen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau das wird da rauskommen. Denken Sie an meine Worte, wenn es so weit ist.

(Beifall AfD)

Was sollen wir denn davon halten, wenn – ich habe das gerade vorgelesen – draußen Plakate hochgehalten werden, wo Sie, auch von der SPD, davorgestanden haben: „Deutschland nie wieder“, „Patrioten sind Idioten überall“. Was sollen wir denn davon halten, wenn Sie davorstehen? Sie machen sich diese Propagandaplakate zu eigen. Es waren auch schon Sprüche – ich lese nur ein paar Sprüche vor – „Nazipack“. Jetzt werden Sie sagen, stimmt – dazu komme ich gleich noch. „Nazinutte“

(Abg. Gruhner)

wurde jemand beschimpft aus unserer Demonstration. Herr Gysi wird mit „Zum Glück sterben die Deutschen aus“ zitiert. Ja, ja, passen Sie mal auf! Jetzt kann man sagen, „Nazinutte“ ist ja nicht so schlimm, aber ist das nicht eine bodenlose Verharmlosung der NS-Verbrechen, wenn man junge Damen, die draußen an einer AfD-Demo teilnehmen, als „Nazinutte“ beschimpft? Was soll das denn sein? Damit stellen Sie doch all das auf den Kopf, was Sie bisher behauptet haben – die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen. Wollen Sie das jetzt mit einer AfD-Demo in Thüringen im September 2015 vergleichen? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein. Da müssten Sie mal auf Ihre Mitstreiter einwirken und sagen, Leute, das ist historisch zumindest nicht ganz so korrekt.

(Beifall AfD)

Zuletzt, Frau Rothe-Beinlich, habe ich mich sehr darüber gefreut, dass – wenn ich Sie richtig verstanden habe – wir im Ergebnis in unserer Auffassung, die wir als AfD vertreten, nicht weit oder sogar identisch mit der Auffassung sind, die die Stiftung Ettersberg vertritt. Und die kann ja dann so schlecht nicht sein – oder?

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Träumen Sie weiter, Herr Brandner!)

Jetzt habe ich noch eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter König, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gruhner, es kann ja sein, dass Ihnen die Stellungnahmen der einzelnen Anzuhörenden nicht zur Kenntnis gelangt sind, deswegen zitiere ich noch mal explizit für Sie aus der Stellungnahme der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer.

(Unruhe AfD)

In der heißt es – ich muss ehrlich sagen, ich finde es schon ein bisschen beschämend, wie hier dazu gesprochen wird –:

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Wir wollen einen Gedenktag zum 70. Jahrestag der Befreiung. Und wenn ich da aus der Stellungnahme der internationalen Widerstandskämpfer zitieren will, die dazu beigetragen haben, dass wir vom Hitlerfaschismus befreit wurden, die mit den Alliierten gekämpft haben, dann finde ich das so unsäglich

beschämend, wenn aus der CDU-Fraktion hier solche Töne kommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, Sie müssen aufpassen, wem Sie da – zumindest nonverbal – Zustimmung erteilen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nonverba- le Zustimmung – erklären Sie mir mal, wie das gehen soll!)

Die Föderation hat in ihrer Stellungnahme geschrieben: „Wir möchten jedoch dringend dafür plädieren, ein mögliches Votum für den 8. Mai als Gedenktag nicht durch die Vermengung mit anderen historischen Ereignissen zu verwässern. Damit würde der 8. Mai 1945 in seiner welthistorischen Bedeutung und auch in der europäischen Perspektive der Wahrnehmung der Befreiung von Faschismus und Krieg entwertet.“ Nehmen Sie das vielleicht einfach mal an, und – wie gesagt – stimmen Sie heute mit zu. Ich glaube, das wäre ein sehr gutes Zeichen. Alles andere wollen wir nicht nur besprechen, sondern wollen wir machen, aber eben nicht gemeinsam in Abstimmung mit dem 8. Mai.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Zu Wort hat sich der Ministerpräsident gemeldet. Bitte schön, Herr Ramelow.

Sehr geehrter Herr Gruhner, Sie haben mich persönlich angesprochen zum Umgang mit der SEDVergangenheit und auch den Verbrechen in der DDR-Zeit, Menschenrechtsfragen, Verbrechen und der Frage, wie wir damit umgehen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: An den Taten muss man unser Handeln messen. Da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht. Wir haben uns deswegen von Anfang an in der Staatskanzlei um eine ganze Reihe von weiteren Themen gekümmert, die nicht nur im Koalitionsvertrag stehen, sondern wir haben mit der Familie Domaschk darüber geredet, dass der ganze Fall Domaschk erneut aufgerollt wird, obwohl er juristisch ausgeurteilt ist und eine große Schwierigkeit besteht. Die Angehörigen aber sagen: Es ist zu viel unklar. Können wir noch mal die Kraft entwickeln, den Fall genau anzusehen und möglicherweise neue Hinweise zu finden? Wir wollen das tun. Deswegen fand ich Ihre Ausführungen auch berechtigt. Ich fühle mich motiviert, in dem Zusammenhang dann zu sagen, wir haben den Fall des Grenztruppenoffiziers gehabt. Das ist eine sehr komplizierte Situation. Ich will einfach sagen, Herr

(Abg. Brandner)

Gruhner, die zuständigen Richter haben sogar gesagt, sie lehnen es ab. Wir haben gesagt, wir finanzieren die Exhumierung – es ist für die Angehörigen und die Menschen in dem Ort eine seelische Herausforderung –, um zu wissen: Hat die Stasi den Mann ermordet oder nicht? Kann man Gewissheit verschaffen oder nicht. Das ist jenseits von juristischer Aufarbeitung und jenseits von juristischer Gerechtigkeit eine notwendige Arbeit, die wir gesellschaftlich leisten müssen, und dem stellen wir uns.

Das Thema „Zwangsadoptierte“ habe ich nicht nur in Interviews gesagt, sondern auch hier im Hohen Haus, und bin dafür im Gespräch mit Herrn Dietrich, wie man das richtig einordnet. Sehr geehrter Herr Gruhner, ich habe heute Morgen mit unserer Staatssekretärin, Frau Dr. Winter, den Bund der Zwangsausgesiedelten hier im Landtag getroffen und eine sehr intensive Besprechung gehabt mit dem Bund der Zwangsausgesiedelten über die Fragen nicht nur der politischen Bewertung. Ich glaube, da sind wir uns einig, das, was den Menschen in der Aktion „Kornblume“ und in der Aktion „Ungeziefer“ angetan wurde, war schlimmste Menschenrechtsverletzung.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es ist eine Menschenrechtsverletzung, die bis heute fortwirkt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Wer das rechtfertigt, wer da drüberschwurbelt, der wird den Menschen nicht gerecht. Deswegen hat es heute Morgen eine intensive Beratung gegeben. Der Bund der Zwangsausgesiedelten sagt, sie fühlen sich seit 25 Jahren nicht ordentlich und nicht gerecht begleitet. Das sagen sie an die Adresse aller Akteure. Deswegen sage ich das überhaupt nicht parteipolitisch, sondern sage, wir müssen uns daran messen lassen. Die Entschädigungsverfahren bei den Zwangsausgesiedelten sind bis heute nicht ordentlich geregelt, sondern man hat ihnen die Häuser noch mal weggerechnet – in einer Art und Weise, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte –, indem man sagt, man hat 1997 einen Bescheid gegeben und 2004 sollen sie Geld bekommen. Dann stellen sie fest, sie sollen das Haus noch mal bezahlen, denn sie hätten ja zu DDR-Zeiten schon Geld dafür bekommen. Das ist ein unglaublicher Vorgang.

Ich kann nur sagen: Ich fühle mich motiviert, mit Ihnen zusammen und wenn Sie helfen, bei der Bundeskanzlerin an dieser Stelle auch zu intervenieren, ich fühle mich jedenfalls berufen, meine Ministerpräsidenten-Kollegen aus den neuen Ländern einzuladen und zu sagen: Darüber muss erneut geredet werden, das kann man so nicht machen. So kann man mit den Menschen, die in der Aktion „Kornblume“ und in der Aktion „Ungeziefer“ behandelt worden sind, im 25. Jahr der deutschen Einheit nicht umgehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sage ich, Herr Gruhner, ohne abzulenken von der Verantwortung der SED und damit dem Parteibuch, das ich habe. Deswegen ist das keine billige Adressierung an jemand anderen. Das Unrecht beginnt mit der Grenzsicherung, als man glaubte, im vermeintlich höheren Recht Menschenrechte mit Füßen zu treten. Daran sollten wir denken, wenn im Moment wieder von Zäunen und Mauern und dem Wort „Schusswaffengebrauch“ geredet wird. Dann sind wir wieder auf einem ganz gefährlichen Weg, wo wir aufpassen müssen, welche Konsequenzen wir ziehen.

Deswegen ausdrücklich – Frau Kollegin Pelke hat meine Presseerklärung vom 17. Juni verlesen, ich will es von dieser Stelle aus wiederholen: Ich finde den Vorschlag, den Herr Mohring unterbreitet hat, über den 17. Juni, über den 18. März, über den 25. Oktober zu reden, richtig. Ich habe ihn ergänzt um den 9. November. Ich finde, diese Diskussion sollten wir führen. Deswegen ist die Ablehnung, es jetzt mit dem 8. Mai zu verbinden, keine Ablehnung gegen die Gedenktage und gegen die richtige Initiative.

Ich erspare mir auch den Hinweis: Hätte meine Fraktion nicht den 8. Mai auf die Tagesordnung gesetzt – unsere Fraktionen waren es gemeinsam, Entschuldigung. Wir haben es schon mal zu einer anderen Zeit getan, da sind wir gleich abgebügelt worden, da gehörte ich der Fraktion noch an, da hat es Mecklenburg-Vorpommern damals in die Verfassung aufgenommen. Die haben es sogar gemeinschaftlich mit der CDU in die Verfassung aufgenommen und ich finde es wichtig. Deswegen sage ich: Es ist gut und richtig, dass aus dieser einen Initiative die zweite Initiative entstanden ist. Meine Bitte an die Parlamentarier ist: Wir müssen gemeinsam über diese Gedenktage nicht nur reden, sondern eine gemeinsame Entscheidung vorbereiten.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu zählen für mich ausdrücklich der 17. Juni, der 9. November, der 18. März und der 25. Oktober. Ich sage, das ist ausdrücklich keine Gedenktagsinflation, sondern es sind markante Punkte unseres gesellschaftlichen Lebens. Meine Damen und Herren, in Tagen, an denen auf einmal von „Lügenpresse“, „Volksverrätern“ und „Altparteien“ die Rede ist – das sind Original-Hitler-Begriffe, das ist OriginalDiktion der 20er-Jahre.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genauso ist die Vorbereitung der Ausgrenzung, die Vorbereitung der Vernichtung und der Aufbau von Vernichtungslagern mit vorbereitet worden. Wer von „Lügenpresse“, „Volksverrätern“ und „Altparteien“ redet, redet eindeutig NS-Jargon. Mit diesem

(Ministerpräsident Ramelow)

NS-Jargon will man wieder das Feld öffnen, um Menschenrechte mit Füßen zu treten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandner?

Was bei Ihnen hinten rauskommt – Entschuldigung –,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Hinten rauskommt?)

ist braune … – und ich sage es nicht. Deswegen lasse ich keine Frage von Ihnen zu, weil, Sie sind ein Mensch, der die Stimmung anheizt, damit in dieser Gesellschaft kein Platz mehr für diejenigen ist, die die Menschenrechte achten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Form der Überheblichkeit – „Lügenpresse“, „Volksverräter“ und „Altparteien“...

Herr Höcke, Sie brauchen gar nicht fragen.