Protokoll der Sitzung vom 05.11.2015

(Beifall AfD)

Jetzt kommen wir zum nächsten Redner bzw. der nächsten Rednerin und das ist Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag ist überschrieben mit „Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen“. Und das, was wir hier gehört haben, das war schon spannend. Denn auch ich erinnere mich sehr gut an den 5. September, denn es geht ja ganz ursächlich um den 5. September, glaubt man den Worten, die Sie zur Begründung auch Ihres Antrags genutzt haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch mal zurück an Anfang September, welche Situation wir da hatten. Und wir, damit meine ich nicht nur in Thüringen, sondern wir, damit meine ich deutschlandweit, vor allem die Situation in München, wo Tausende, ja Zehntausende Flüchtlinge aus Österreich ankamen und viele überwältigt waren von der Hilfsbereitschaft der Münchnerinnen und Münchner, die am Bahnhof Kleidung, Essen, Spielzeug für die dort ankommenden Flüchtlinge bereitgestellt haben. Es kamen Menschen, die teilweise seit Monaten auf der Flucht waren, die einen Teil ihrer Familie verloren haben auf dieser gefährlichen Flucht, die völlig erschöpft über Österreich in München ankamen und die auf ein besseres Leben hofften. Und München bzw. Bayern war nicht in der Lage, all die vielen Menschen, die dort ankamen, auch entsprechend unterzubringen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da gab es den Hilferuf aus Bayern an alle anderen Bundesländer, sich zu beteiligen, Menschen aufzunehmen. Und ich sage es hier noch einmal: Ich bin froh, ich bin auch stolz, dass Thüringen als ein Land, das eben nicht vor einer

solchen Situation wie München stand oder – in Anführungszeichen – dieser Herr werden musste, sofort gesagt hat: Ja, wir sind bereit, auch Flüchtlinge aufzunehmen. An dem 5. September fand die Mitgliederversammlung des Landesfrauenrats in Weimar statt, wo ich als Delegierte zugegen war. Gegen Mittag bekam ich dann den Anruf, dass es sein könnte, dass ein Zug mit Flüchtlingen aus München nun auch nach Thüringen kommt. Niemand wusste wann, niemand wusste genau wohin und es wusste schon gar niemand, wie viele Menschen sich in diesem Zug befinden. Trotzdem haben alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, sofort versucht, alles möglich zu machen, um die ankommenden Menschen hier herzlich willkommen zu heißen. Auch das hatte nicht nur einen guten Grund: Wir alle hatten die Bilder aus Sachsen vor Augen, wo ein wütender Mob auf Asylsuchende losgegangen ist und wo bittere Assoziationen an die Zeit der rassistischen Pogrome in Rostock vor vielen Jahren hochgekommen sind.

Uns war es wichtig, dass Flüchtlinge, die gerade dem Tod im Krieg entronnen sind, unter denen viele Kinder waren, in Thüringen herzlich willkommen geheißen werden. Dafür galt es, schnell eine Möglichkeit zu finden. Daraus nun den Vorwurf zu konstruieren, hier wäre zu spät informiert worden, wo selbst die Staatssekretärin, der Minister, die Beauftragte, das Landesverwaltungsamt bis zum frühen Abend nicht genau wussten, wann, wo und wie viele Menschen bei uns ankommen, das ist dann tatsächlich populistisch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ärgert mich auch so sehr an diesem Antrag.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie sollte man denn eher informieren, wenn man gar nicht eher genau wusste, was passiert? Ganz ehrlich, wir sind froh, dass in Thüringen keine Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden müssen. Wir hatten eine kurze Übergangszeit vor der Erstaufnahme in Eisenberg, wo Menschen ankamen, wo es Zelte brauchte.

Aber erinnern Sie sich mal an die Temperaturen vor wenigen Tagen, bei mir in Erfurt-Marbach auch minus 4 Grad – wenn jetzt Menschen in Zelten leben müssten. Da ist Ihr Vergleich, Herr Möller, mehr als zynisch, zu sagen, es würde deutschen Kindern zugemutet, in den Sommerferien während einer Freizeit mal in einem Zelt zu wohnen, während wir hier über die Unterbringung von Menschen reden, die geschwächt sind, die monatelang auf der Flucht waren und die keine Sommerferien machen, sondern die schlichtweg Frieden, die schlichtweg eine menschenwürdige Unterbringung suchen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

(Abg. Möller)

Ja, auch ich bin vielleicht manchmal ungeduldig, das gehört zu meinem Naturell, das Ministerium weiß das. Auch ich sage, ich wüsste gern manches eher, ich wüsste manches gern genauer, ich wüsste auch als Stadträtin in Erfurt sehr gern manches sehr viel eher, was, wo, wie passiert. Aber in der Not stellt man, glaube ich, nicht so viele Fragen, sondern in der Not hilft man oder man unterlässt es, so wie Sie, insbesondere von der AfD, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Thüringen hat sich entschieden zu helfen. Ich finde, das ist gut so. Da saßen zum Glück auch alle in einem Boot, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene. Deswegen halte ich es auch nicht für fair, jetzt Ebenen gegeneinander auszuspielen oder gar Institutionen gegeneinander auszuspielen.

Wir wissen um die schwierige Situation, auch in den Kommunen. Trotzdem haben sie immer wieder getan, was sie konnten, das gilt auch für Hermsdorf, das gilt im Übrigen auch für Bad Lobenstein. In Bad Lobenstein ist das offenkundig so gut gelungen, dass sich die Kommune sogar vorstellen kann, diese Einrichtung – die ehemalige Polizeistation – auch als eine kommunale Einrichtung fortzuführen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir alle wissen um die Zahlen von Flüchtlingen, die auch heute Tag für Tag hier ankommen. Es wird immer kälter, und ich sage Ihnen, natürlich muss informiert werden, natürlich brauchen wir ein gutes Miteinander, eine gute Projektsteuerung, wie Sie es genannt haben, und gelingende Steuerungsprozesse. Vor allem aber braucht es auch den Willen, das gemeinsam schaffen zu können. Wenn dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier wiederum nur Angst gemacht wird von der AfD-Fraktion, von der ich allerdings auch nicht sehr viel mehr erwarte, dann muss ich sagen, das ist grob fahrlässig. Vergewaltigungsmythen wurden gestreut, wir wissen das alle. Das ist in den Zeitungen zum Glück klargestellt worden. Da wurden Ängste geschürt, da wurde Angstmacherei betrieben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Fakten!)

Das finde ich, geht nicht. Wir müssen Ängste ernst nehmen und keine Dinge erfinden, wie Sie von der AfD es immer wieder tun, indem Sie sie auch noch über Ihre Netze etc. weiterverbreiten.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was haben wir denn erfunden?)

Ich habe mir gestern auf dem Domplatz Ihre Rede angehört, Herr Möller, ich habe sehr genau zugehört und das fällt wirklich schwer. Ich habe mir auch die Rede von Herrn Brandner angehört. Nein, Sie brauchen sich gar nicht bemühen, ich werde Ihnen keine Frage beantworten, Herr Brandner.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nennen Sie doch mal ein Beispiel! Das können Sie nicht!)

Ich werde jetzt ein Beispiel bringen.

Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandner.

Das mag sein, aber ich habe nicht den Wunsch, diese zu beantworten.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das ist schade, sehr schade!)

Ich möchte ein Beispiel benennen, was ich wirklich bitter finde. Auch wenn es sich nicht in Thüringen zugetragen hat, so ist es doch symptomatisch. In Berlin ist ein vierjähriger Junge vor einer Gemeinschaftssammelstelle verschwunden. Was mussten sich die Eltern für rassistische Unterstellungen gefallen lassen, sie würden ja nur, um Asyl zu bekommen, behaupten, das Kind wäre weg. Ich sage ganz deutlich: Unsere Anteilnahme ist bei den Eltern, die ihren Jungen vor wenigen Tagen begraben mussten. Mir ist völlig egal, welche Nationalität – das muss ich sagen – der Täter hatte. Menschen, die anderen Menschen Schaden zufügen, Menschen, die aber auch angebliche Vergewaltigungen etc. erfinden, nur um andere Menschen in Misskredit zu bringen, handeln schlichtweg unmenschlich. Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie ist auch migrationspolitisch nicht zu relativieren. Werte Kollegen von der AfD, lassen Sie sich das gesagt sein.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das haben wir auch nicht gemacht!)

Ich habe keine Angst vor Flüchtlingen – das unterscheidet uns vielleicht –, aber ich habe Angst vor Menschen, die als Brandstifter unterwegs sind und Brandreden halten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wir haben Angst vor Ihnen, Frau Rothe-Beinlich!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist einen Ordnungsruf wert!)

Lassen Sie mich jetzt zum Schluss kommen. Das Land erstattet den Kommunen annähernd 100 Prozent ihrer Kosten über die Flüchtlingserstattungsverordnung. Unbürokratisch können Investitionsmittel zur Schaffung von weiteren Unterbringungsplätzen abgerufen werden. Wir haben die Mittel für die

Sozialbetreuung in den Kommunen zum 01.10.2015 auf 38 Euro und zum 1. Januar auf 46 Euro aufgestockt, sodass auch hier die Kommunen von der Landesregierung weiterhin unterstützt werden. Auch im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, die jetzt ab 1. November noch verstärkt zu uns kommen werden – meines Wissens sind es etwas über 700 unbegleitete Kinder und Jugendliche, die im Moment schon in Thüringen sind –, übernimmt der Freistaat die wesentlichen Kosten, die den örtlichen Trägern der Jugendhilfe entstehen. Es lässt sich sicher noch vieles verbessern, auch in der Kommunikation, da bin ich mir auch sicher. Wir sehen beispielsweise auch Handlungsbedarfe bei der Asylverfahrensberatung oder bei der Koordinierung des Ehrenamts. Wir brauchen natürlich dringend auch die schon lange versprochenen Stellen beim BAMF. Noch immer haben wir gerade mal zwölf Entscheider, wenn ich es richtig weiß, in Hermsdorf sitzen. Das sind viel zu wenige, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Dieses Antrags der CDU jedoch bedarf es nicht und deshalb werden wir ihn ablehnen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun hat Frau Abgeordnete Lehmann, SPD-Fraktion, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es kommt, ehrlich gesagt, selten vor, dass ich sprachlos bin. Wenn Sie meine Eltern fragen würden oder meine Freunde, dann würden die sagen, dass das eher der Ausnahmefall ist, aber ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht mehr, was ich sagen soll, wenn hier im Parlament offen rassistische und fremdenfeindliche Lügen verbreitet werden. Ja, dann beugt das Ängsten und Vorurteilen nicht vor, sondern das schürt Ängste und Vorurteile.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann muss man sich eben auch den Vorwurf gefallen lassen, dass man rassistische und fremdenfeindliche Hetze verbreitet.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Bringen Sie doch mal ein Beispiel!)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wer macht denn so was?)

Grundsätzlich ist es natürlich richtig, was im CDUAntrag steht, es braucht einen engen Austausch zwischen Kommunen und Land, wenn wir über

Flüchtlingspolitik sprechen. Es freut mich sehr, dass das auch die CDU erkannt hat. Ich frage mich ganz im Ernst, warum Sie das eigentlich nicht umgesetzt haben, als Sie selbst in Regierungsverantwortung waren und selber das damals noch zuständige Innenministerium geführt haben.

Frau Abgeordnete Lehmann, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten...

Ich schließe mich den Worten von Frau RotheBeinlich an, ich habe nicht den Wunsch, sie zu beantworten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sehr schüchtern von der linken Seite!)

Das hat nichts mit Schüchternheit zu tun.

Ich frage mich, warum sie das, als sie selbst in Regierungsverantwortung waren, nicht umgesetzt haben, und ich möchte noch mal ein anderes Beispiel als die Einrichtung der Erstaufnahme in Suhl bringen, nämlich die Frage, wie frühzeitig eigentlich Kommunen informiert wurden, wenn Flüchtlinge aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Kommunen verteilt wurden. Als Ende des vergangenen Jahres die Regierung gewechselt hat, gab es eine relativ intensive Debatte damals, dass den Kommunen die drei Tage, in denen sie bis dahin die Information vom Landesverwaltungsamt bekommen haben, zu kurzfristig waren, und da haben wir noch über ganz andere Flüchtlingszahlen gesprochen, wo es durchaus möglich gewesen wäre, da eine längerfristige Planung zu haben, vor allem weil die Menschen, die da in Thüringen waren, einfach schon viel länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen gewesen sind, als wir sie in dem Fall in Hermsdorf bzw. Saalfeld hatten. Zur Redlichkeit gehört es nämlich auch, darzustellen, in welcher Situation die Belegung in Hermsdorf passiert ist. Wenn wir daran denken, dass fast 20.000 Menschen am Münchner Hauptbahnhof standen, davon 600 Menschen ungefähr nach Saalfeld gekommen sind, dann ist das eine Notsituation und vor allem nicht unbedingt für die Kommunen, sondern für die Menschen, die das betrifft. Da frage ich mich auch, wie in der Situation Einbindung ganz praktisch aussehen kann. Herr Herrgott, Sie haben bestimmt noch ein bisschen Redezeit, vielleicht können Sie uns das noch mal erklären: Sollten die 600 Menschen in Saalfeld am Bahnhof stehen bleiben, bis die Kommune in Hermsdorf da ausreichend informiert worden ist? Ich kann mir das schlicht und ergreifend nicht vorstellen. Hätten die draußen schla

(Abg. Rothe-Beinlich)