Dialog für eine demokratische Hochschulreform Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1091 - Neufassung dazu: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1138
Besteht der Wunsch nach Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen? Herr Abgeordneter Wolf, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Rot-Grün darauf verständigt, eine längst überfällige Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes in dieser Wahlperiode anzugehen. Wir wollen, dass die Thüringer Hochschulen beispielhaft in den Fragen der demokratischen Mitbestimmung, der gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe, der Geschlechtergerechtigkeit und der Nachhaltigkeit werden. Wir wollen, dass gute Arbeit, gute wissenschaftliche Arbeit, Internationalität, Familienfreundlichkeit und eine offene Debattenkultur als Grundlage von Forschung und Lehre Normalität an den Thüringer Hochschulen sind.
Wir wollen – soweit möglich – Studierende von finanziellen Anforderungen entlasten und ein funktionierendes Studierendenwerk, welches bei Problemen und Notlagen schnell unter die Arme greifen kann. Wir wollen wieder Schwung in die Debatte um Zivil- und Sozialklauseln an unseren Hochschulen bringen. Denn nicht zuletzt die aktuellen Krisen in der Welt weisen auf die stets neu zu diskutierende Verantwortung der Wissenschaft für die Ergebnisse ihrer eigenen Forschung hin. Was uns besonders wichtig ist: Die Perspektiven dürfen nicht nur in Papieren festgehalten und dann irgendwann in Gesetzestexte gegossen werden, sondern müssen im Rahmen der Hochschulautonomie eine tatsächliche Umsetzung erfahren, um Thüringen als Studien-, Lehr- und Forschungsstandort nachhaltig zu stärken und für die Zukunft fit zu machen. Aus diesem Grund legt Ihnen unsere Koalition bzw. die Landesregierung nicht einfach irgendeinen Gesetzentwurf vor, sondern lädt die hochschulpolitischen Aktiven aus allen Bereichen zu einer umfassenden Diskussion der diskutierten Themenfelder ein, in deren Ergebnis dann die Novelle 2017 vorgelegt wird. Für uns ist wichtig, den demokratischen Anspruch, welchen wir zukünftig in den Hochschulen verwirklicht sehen wollen, auf diesem Wege auch vorab selbst zu leben. Breite Beteiligung und Dis
kussion statt Schnellschüsse. Kompromissfähigkeit statt hierarchische Weisungen. Wir freuen uns in diesem Sinne auf viele spannende Debatten im Rahmen des anstehenden Hochschuldialogs. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolf. Gibt es den Wunsch seitens der CDU-Fraktion zur Begründung des Alternativantrags? Das kann ich nicht erkennen. Okay, dann eröffne ich die Aussprache und erteile als Erster Frau Abgeordneter Henfling, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich natürlich immer, sprechen zu dürfen. Das ist überhaupt gar nicht despektierlich gemeint. Abgeordneter Wolf hat unseren Antrag schon eingeführt. Wir von Bündnis 90/ Die Grünen sind der festen Überzeugung, dass eine Veränderung in der Thüringer Hochschullandschaft so, wie wir sie dringend brauchen, sowie eine nachhaltige Stärkung der Qualität nur mit der Beteiligung der Studierenden und aller betroffenen Akteurinnen und Akteure realisierbar ist. Die Handlungspunkte für das neue Hochschulgesetz sind vielfältig, und um eine möglichst realitätsnahe Bearbeitung zu gewährleisten, muss die Gesetzgebung bottom-up erfolgen, also von unten nach oben. Dafür ist es notwendig, eine breite Diskussion zu ermöglichen.
Die wichtigen Punkte in unserem Antrag hat Abgeordneter Wolf angesprochen. Ich möchte noch mal ganz besonders auf die Punkte verweisen, die sich deutlich von dem Alternativantrag der CDU unterscheiden. Wir haben in unserem Antrag den Herrschinger Kodex aufgenommen, den wir für ganz entscheidend halten. Das Thema „Gute Arbeit an Thüringer Hochschulen“ ist uns ein Herzensanliegen. Das sieht man auch mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Des Weiteren denken wir, dass der Ausbau der Verwaltungstransparenz im Vordergrund stehen muss, inklusive der Fragen zur Familienfreundlichkeit, und natürlich – wie sollte es anders sein als Grüne – steht für uns das Thema „Nachhaltigkeit“ besonders im Fokus.
Der Antrag soll der Beginn eines Diskurses sein, in dem Problemlagen und Lösungsstrategien zur Thüringer Hochschullandschaft interdisziplinär unter Berücksichtigung möglichst vieler Interessen der beteiligten Akteurinnen und Akteure erarbeitet werden können. Transparenz – schon erwähnt – ist wichtige Voraussetzung für eine gelungene Novel
lierung, weil durch eine Einbeziehung der Akteurinnen und Akteure auch die Akzeptanz des Ergebnisses, was wir dann am Ende haben werden, tatsächlich erfolgen kann und wir Einzelgruppen besser berücksichtigen können. Die Nachhaltigkeitsforschung ist ein fester Bestandteil in der Wissenschaft geworden. Nicht nur in Bereichen wie Technik und Medizin, sondern auch in den Bereichen der Geisteswissenschaften erfahren wir den Einzug insbesondere von Nachhaltigkeitsforschung in Bezug auf Resilienzforschung, also die Widerstandsfähigkeitsforschung, wenn man es so übersetzen will. Es trifft es nicht ganz, aber es geht in die Richtung. Die Nachhaltigkeit in dem Bereich sollten wir auch stärken – wir hatten gerade das Thema „Bildungsbereich“, auch da ist Resilienzforschung mittlerweile angekommen und eine sehr wichtige Sache.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Alternativantrag der CDU verlieren. Ich hätte mir da mehr erwartet. Der Antrag der CDU ist in vielen Punkten deutlich zu eng gefasst, befasst sich teilweise ernsthaft nur mit Randthemen und schafft es nicht, die Zusammenhänge aufzuzeigen. Das tut unser Antrag deutlich besser.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch die Hochschullehrer haben wir übrigens mit dem Deutschen Hochschulverband aufgenommen. Das ist eine Kritik, die in dem CDU-Antrag steht. Die haben wir bei uns in der Aufzählung der Akteurinnen und Akteure drinstehen, die wir einbeziehen möchten. Die Liste ist nicht abschließend – auch das gilt es noch zu betonen –, das haben wir so formuliert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns auf den Prozess und hoffen, dass er fruchtbar wird und wir am Ende tatsächlich demokratisierte, autonomere und deutlich nachhaltigere Universitäten und Hochschulen in Thüringen haben werden. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, „Dialog für eine demokratische Hochschulreform“ ist Ihr Antrag, Frau Henfling. Unser Antrag ist zu eng gefasst, deswegen gebe ich mir Mühe, jetzt mal auszuleuchten, warum ich glaube, dass man den Dialog sehr begrüßen kann und auch die Herangehensweise, aber warum man sich schon für einen Weg entscheiden muss. Ich glaube, das macht Ihr Antrag nun wiederum nicht. Wir ha
ben eine Hochschulentwicklungsstrategie, darauf haben wir uns verständigt, sogar parteiübergreifend. Sie ist – nach meiner Kenntnis – immer noch Handlungsmaxime auch Ihres Koalitionsvertrags. Da stehen sehr konkrete Sachen drin – mit Zeitläufen, mit Zeitfristen.
Ich begrüße sehr, dass Sie alle hochschulpolitisch relevanten Akteure in Dialog und Diskurs einbinden wollen. Ich durfte es in der letzten Legislatur mit vielen anderen Kollegen auch schon drei Jahre machen. Daraus ist die Hochschulentwicklungsstrategie entstanden, das heißt, basierend auf einer Diskussion, die wir mit allen betroffenen Akteuren geführt haben – da waren Studenten dabei, da war der wissenschaftliche Mittelbau dabei, da waren die Professoren dabei, da waren die Hochschulverwaltungen dabei –, haben wir eine Hochschulentwicklungsstrategie.
Diese Hochschulentwicklungsstrategie muss jetzt in politisches Handeln umgesetzt werden. Der Jahresbericht des Rechnungshofs 2015 schreibt ganz eindeutig, man kann nicht nur alles in Dialogprozessen auflösen, aber dabei quasi die eigene politische Handlungs- und Steuerungsfähigkeit vernachlässigen. Das steht, glaube ich, auf Seite 77 im Rechnungshofbericht 2015. Das ist eine Kritik, die muss man erst mal ernst nehmen. Ich glaube, die greift ein bisschen zu weit, weil sie das sehr einseitig vonseiten des Rechnungshofs kritisiert. Ich glaube aber trotzdem, dass man sich im Klaren darüber sein muss, was man eigentlich mit einem jetzigen Dialog will.
Ich bin mir nicht sicher, ob Debatten über Zivilklauseln genau das sind, was die Thüringer Hochschullandschaft jetzt braucht. Ich glaube, dass ein Dialog, wenn man ihn ernst meint, nur zwei Stoßrichtungen haben kann. Entweder: Man diskutiert gemeinschaftlich mit den Akteuren darüber, wie man jetzt die existierende Hochschulentwicklungsstrategie konkret umsetzen will – so, wie wir es in Teilen tun, Stichwort „duale Hochschule“. Ich begrüße das, ich bin da ganz bei Ihnen, das wissen Sie auch, Herr Staatssekretär. Das kann der eine Weg sein.
Oder: Ich entscheide mich dafür, eine längerfristige Perspektive einzunehmen und mir die Frage zu stellen, okay, die Hochschulentwicklungsstrategie ist unsere Handlungsmaxime bis 2020: Was sind eigentlich längerfristige Trends, wo wir den Hochschulraum Thüringen noch besser profilieren können? Das sind zwei Stoßrichtungen, sind aber unterschiedliche Zielsetzungen. Nur, um sich mal zu treffen und zu reden, brauchen wir keinen Dialog, sondern wir müssen diese Klarheit in der Ausrichtung haben.
Wir haben ganz klar gesagt, okay, wir wollen die zügige Umsetzung der Hochschulentwicklungsstrategie und deswegen sagt unser Antrag sehr kon
kret, worüber wir reden sollten, und zwar mit den betroffenen Beteiligten, um sie in dieser Umsetzungsstrategie mit einzubinden. Da geht es um die Fortentwicklung der unterschiedlichen Hochschultypen, da geht es um die Frage der Schaffung von überregionalen Hochschulverbünden, da geht es um die Weiterentwicklung von Kooperationsplattformen, da geht es um die Frage: Wie können wir das kameralistische System noch stärker in eine doppische Sichtweise überführen? Da geht es um die Fragestellung eines Campusmanagementsystems. All das sind Punkte, die wir ganz konkret in der Arbeit haben. Da geht es dann auch um die Frage der wissenschaftlichen Hochschulbibliotheken, Hochschulkarrieren, Evaluation der Juniorprofessuren. All das sind doch Debatten, die sehr konkret sind und über die wir auch wirklich mit den betroffenen Akteuren reden können.
Dann haben wir natürlich noch die vorliegende Beschlussfassung des Bundesverfassungsgerichts vom Juni letzten Jahres mit der Frage der Hochschulkliniken. All das sind Punkte, zu denen gibt es genügend Diskussionsstoff, da bin ich mir sicher und da kann man auch Dialog führen.
Ihr Antrag beschäftigt sich damit gar nicht. Ihr Antrag versucht, eine neue Hochschulentwicklungsstrategie zu formen in der Nichtbeachtung dessen, was schon da ist. Das, glaube ich, ist ein strategisch schwieriges Moment, was Sie da wählen, weil ich eben nicht glaube, dass wir in der Hochschullandschaft an zu wenig Reformen leiden, sondern ich glaube, dass wir in den letzten Jahren immer wieder mit einer hohen Intensität auf die Hochschulen eingewirkt haben. Ich glaube, wir sollten eher dafür Sorge tragen – und das ist unsere gemeinschaftliche Aufgabe als politisch Handelnde in diesem Freistaat –, darüber nachzudenken, wie wir die Betroffenen zu Beteiligten im Prozess machen, aber gleichzeitig nicht immer wieder durch permanente Reformitis – und das ist meine große Sorge, die ich bei Ihrem Antrag habe – auf die Hochschulen Einfluss zu nehmen. Es gibt den Hochschulforscher Huber, der erklärt hat, dass es so eine Art Hochschuldauerreform gibt, die zwei mögliche Situationen hat: Entweder wirken die Reformen nicht, wie sich die politischen Handlungsakteure das erwartet haben, dann wirft man ihnen gern Reformunfähigkeit vor, oder die Reformen wirken so gut, dann fühlen sich die politischen Akteure ermutigt, noch viel mehr Reformen ins System zu geben. Aber beide Wege führen letztlich dazu, dass die Hochschulen mit ihrer Reformbewältigungskapazität sehr schnell am Ende sind. Da glaube ich, bevor das nächste Reformansinnen im Anmarsch ist, sollten wir mal gemeinschaftlich festhalten, wo stehen wir – das ist die Hochschulentwicklungsstrategie – und wie setzen wir die in den nächsten Jahren um. Dann können wir gern, das ist meine zweite Sorge in Ihrem Antrag, über die längerfristigen Trends
sprechen. Da, finde ich, mangelt es Ihrem Antrag – offen gestanden – sowohl an visionärer Kraft als auch an Mut, mal über die realen Trends in der Hochschullandschaft zu reden. Ich glaube, dass Fortschritt natürlich nicht nur in der Frage besteht, das zu verbessern, was mal gewesen ist, sondern eher den Blick dafür zu schärfen, was kommen wird. Wenn wir uns das dann mal anschauen, dann kann man mindestens sechs Megatrends feststellen, über die wir dann gern in so einem Dialogforum sprechen sollten, aber dann bitte nicht mit der Engführung, die Sie haben. Das eine – vielleicht erster Trend – ist die Frage der Prioritätenverschiebung weg von einer dualen Ausbildung hin zu einer sehr viel stärkeren akademischen Ausbildung. Wenn 50 Prozent eines Jahrgangs mittlerweile aufs Gymnasium gehen und der überwiegende Teil dann auch studiert und wir im Jahr 2013 in Deutschland zum ersten Mal die Situation haben, dass es mehr Studenten gibt als Auszubildende, dann gibt es da offensichtlich eine Schieflage, über die man reden muss. Entweder man akzeptiert diesen Trend oder man sagt, wir müssen was anderes dagegensetzen. Aber dann muss man in der Sache auch darüber nachdenken, wie wir das tun. Oder wir schauen uns an, wie sich die Studienanfängerzahlen in Thüringen verändert haben. Von 2005 bis 2014 ist der Anteil von Landeskindern in unseren Hochschulen von 52 Prozent auf 30 Prozent zurückgegangen. Man kann das auf der einen Seite begrüßen, aber man muss festhalten, das ist der zweitniedrigste Wert, den es deutschlandweit gibt. Wenn wir das sehen, dann geht damit auch unterschwellig genau das einher, was beim Hochschulpakt sehr intensiv diskutiert worden ist, nämlich die Fragestellung: Gibt es einen demografischen Schnitt, der letztlich dazu führt, dass die Ost-Hochschulen zum Vorteil der West-Hochschulen entleert werden? Das ist ja die Debatte, die im Ministerium auch geführt wird, über die Frage: Halten wir überhaupt unsere Studienanfängerzahlen stabil? Also all das sind Fragen, über die wir gern gemeinschaftlich nachdenken können, wenn wir über die langfristigen Trends in der Hochschullandschaft reden.
Sie sprechen in Ihrem Antrag Dinge an, die übrigens Bundesgesetzgebung sind. Wenn ich das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nehme, das übrigens gestern im Bundestag zum ersten Mal gelesen worden ist, wo übrigens auch konkrete Verbesserungspotenziale drinstecken, zum Beispiel, dass die Bindung der Beschäftigungsverhältnisse an die Dauer und Länge eines Forschungsvorhabens oder an die Dauer eines Drittmittelprojekts gekoppelt ist, dann, finde ich, ist es genau das, was wir brauchen, ist aber eine Bundesgesetzgebung, die man gern in Thüringen überführen kann, es ist aber natürlich auch etwas, was auf die Bundesebene gehört.
Zweiter Trend: Klarheit im Profil und Kooperation in der Sache. Auch hier sollten wir eher darüber re
den, was unsere Thüringer Landschaft braucht. Ich habe vorhin schon über die Fragestellung der kooperativen Verbünde gesprochen, der Kooperationsplattform, da können wir sicherlich noch einmal nachdenken: Wie entwickeln wir den Gesundheitscampus besser, wie entwickeln wir überhaupt die Leitidee eines Campus Thüringen vielleicht noch besser? Wir haben es in der Hochschulentwicklungsstrategie nur mit der Frage des Verwaltungsmanagements begriffen. Da gehört das Thema kooperative Promotionen zwischen Unis und Fachhochschulen hinein. All das sind ja Debattenfelder, die das Ministerium teilweise schon aufgemacht hat, aber wenn man es ernst nimmt, dann muss man natürlich sagen, wo wir hinwollen. Da gehört natürlich auch der Aspekt der Teilverselbstständigung der Bibliotheken oder dualen Hochschulen hinein.
Trend drei: Die Frage des Forschungsstandorts Thüringen. Das kommt in Ihrem Antrag gar nicht vor, aber man muss sich mal die Frage stellen, wenn wir im Länderranking den zweitletzten Platz vor Hamburg haben, wenn es um die Frage von Drittmittelakquise geht, dann kann man doch schon mal genauer darüber nachdenken, wie wir eigentlich Strategien, vielleicht auch hochschulübergreifend, auch zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen finden können. Wir haben mit der RIS3-Strategie schon erste Wege gemacht, wo wir an dem Punkt besser werden. Ich glaube, die Forschungslandschaft ist total unterbelichtet. In unserem Antrag, das sage ich ganz bewusst, konzentrieren wir uns auf das Thema Hochschulstrategie.
Trend vier: Internationalität. Ich finde es bemerkenswert: Im Jahr 2005 hatte Thüringen 11 Prozent ausländische Studenten, im Jahr 2014 sind es 22 Prozent. Wir hatten mit weitem Abstand die stärkste Steigerungsrate aller Bundesländer, 91 Prozent Steigerung in zehn Jahren. Das ist bemerkenswert. Aber was machen wir daraus? Was ist quasi unser langfristiger Ansatz? Mit dem Staatssekretär habe ich gestern über die Fragestellung geredet, wie zum Beispiel die TU Ilmenau versucht, internationale Studenten auf die Studienqualität in Deutschland vorzubereiten. Das sind alles Fragestellungen, über die wir gern reden würden.
Trend fünf, den wir im Blick behalten sollten, ist die Frage der regionalen Wirkungsstärke. Das ist besonders für Ost-Universitäten so viel wichtiger, das, was quasi in der Fachdiskussion immer unter dem Aspekt der Third Mission zusammengefasst wird, also die Frage, wie wirkt das in die Region hinein, welche Potenziale gibt es dort. Da gibt es einen sehr großen Stand, auch das Institut für Hochschulforschung in Halle, die sich damit sehr intensiv in einem drei- oder vierjährigen Forschungsprojekt beschäftigt haben. Das ist für uns die Fragestellung, wie entwickeln wir RIS3 vertiefend weiter. Der Stif
terverband hat ausgerechnet, was die Investitionen im Hochschulbereich für Thüringen bedeuten. Er kommt darauf, dass wir quasi eine Bruttoinlandsproduktsteigerung pro Kopf um 1.700 Euro haben. All das sind Aspekte, die würde ich gern mit Ihnen diskutieren oder auch mit den Akteuren. Aber noch mal: Da ist der Fokus ein komplett anderer als in Ihrem Antrag beschrieben. Meiner Meinung nach führt das auch nicht zu einer Umdefinition der Hochschulentwicklungsstrategie.
Last, but not least, vielleicht ein sechster und letzter Megatrend: die Digitalisierung. Es gibt das Hochschulforum Digitalisierung, das hat gerade im September 2015 jetzt wieder einen neuen Bericht vorgelegt und in dem wird relativ deutlich, dass es Bundesländer gibt, die auf dem Weg gut unterwegs sind oder auf dem Weg weniger gut unterwegs sind. Ich glaube, dass wir gemeinschaftlich mehr darüber nachdenken sollten, was eigentlich Digitalisierung im Hochschulbereich bedeutet. Da hat Thüringen trotz mancher geografischer Herausforderung oder Größenherausforderung im Hochschulbereich – Sie müssen sich vorstellen, die RWTH Aachen hat fast so viele Studenten wie wir in Thüringen in einem gesamten Hochschulraum. Wie können wir da vielleicht auch die Digitalisierung nutzen, um in die Vorhand zu kommen, Vorreiter zu werden? Ich denke da über Beispiele nach. Wenn ich mir die Arizona State University anschaue, die ist zwar eine der größten Campusuniversitäten der Welt mit 70.000 Studenten – aber was macht die? Die bietet quasi ein Jahr komplett kostenfreies Studium an, wenn die Leute sich weltweit digital dort einwählen. Da wird quasi sehr stark Wert auf Lehre gelegt. Warum versuchen wir nicht gemeinschaftlich, solche Wege mal zu diskutieren? Das können wir gern machen. Was ich Ihnen vorwerfe und warum wir einen Alternativantrag vorgelegt haben, ist, dass ich in der Sache nicht überzeugt bin, was eigentlich die Stoßrichtung Ihres Dialogs sein soll. Soll Ihr Dialog dafür Sorge tragen, dass die Hochschulentwicklungsstrategie sinnvoll implementiert wird? Dann, würde ich sagen, ist Ihr Antrag komplett verfehlt, dann können Sie unserem zustimmen. Oder soll Ihr Antrag deutlich machen, wohin wir uns eigentlich in 15 Jahren in Thüringen entwickelt haben wollen, dialogisch? Einen Fokus müssen Sie sich gemeinschaftlich schon aussuchen. Sie haben keinen gewählt und ich gewinne eher den Eindruck, man will jetzt über einen erneuten Dialogprozess Errungenschaften zurückdrehen, die wir in der Thüringer Hochschullandschaft haben. Ich habe den Eindruck, dass Sie einen Generalangriff auf die Hochschulstrukturen und das Hochschulmanagement vorhaben, das heißt, dass Sie den Hochschulrat entkräften und auch das Präsidium schwächen wollen. Da wird die CDU nicht mitmachen, weil ich glaube, die Thüringer Hochschullandschaft ist gut gemanagt, sie ist auf einem guten Weg und sie ist mit ihrem Internationalisie
rungsgrad – 97 Prozent unserer Studienplätze sind quasi bolognafähig – eigentlich bestens aufgestellt. Deswegen lassen Sie uns lieber konkret in der Sache und nicht in Wolkenkuckucksheim diskutieren und dann werden wir – glaube ich – erfolgreich sein. Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächstem erteile ich Herrn Abgeordneten Schaft, Fraktion Die Linke, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen hier und am Livestream! Herr Voigt, ich habe das Gefühl, Sie haben unseren Antrag nicht gründlich gelesen, denn wir haben eine ganz andere Intention. Uns geht es nicht darum, die Hochschulstrategieentwicklungsplanung 2020 komplett neu zu schreiben, uns geht es darum, Grundlagen dafür zu schaffen, dass wir das Gesetz ändern. Das sind zwei komplett verschiedene Themen, die wir hier diskutieren. Uns geht es darum, das Thüringer Hochschulgesetz, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart steht, so zu gestalten, dass wir tatsächlich endlich von einer demokratischen Mitwirkung aller Statusgruppen an den Hochschulen reden können, und dann entsprechend die anderen thematischen Aspekte mit zu diskutieren.
Vielleicht noch eine Anmerkung: Sie haben vorhin gesagt, dass bei der Entwicklung der Hochschulstrategie 2020 alle Statusgruppen einbezogen wurden, dass auch mit Studierenden gesprochen wurde, dass mit Lehrenden gesprochen wurde etc. Ich wüsste das. Ich war zu dem Zeitpunkt Sprecher der Konferenz Thüringer Studierendenschaften. Wir haben zwar regelmäßig mit Abgeordneten gesprochen, in der Regel auch mit Abgeordneten aus Ihrer Fraktion oder mit Ihnen – das ist richtig –, aber wir haben dabei nie einen Dialogprozess gehabt, bei dem wir uns so eingebunden gefühlt haben, dass wir sagen, wir arbeiten gerade konkret an einer Hochschulstrategie 2020 mit.
(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das müs- sen Sie bei Herrn Merten und bei Herrn Mat- schie abladen – nicht bei mir!)
Das ist richtig. Unsere Kritik haben wir auch im alten Bildungsministerium regelmäßig kundgetan. Da gebe ich Ihnen recht.
Wie gesagt, ich will noch einmal deutlich machen, wir reden jetzt über das Thüringer Hochschulgesetz und nicht über die Hochschulstrategie 2020. Da ge
he ich mit Ihnen vollkommen d’accord, da sind viele Dinge auch im Koalitionsvertrag, wo wir gesagt haben, dies wird eine der Handlungsmaximen der Hochschulpolitik in den nächsten Jahren, das tragen wir mit – Sie haben es auch gesagt –, die Umwandlung der Berufsakademie zur dualen Hochschule Gera-Eisenach ist dabei nur ein Beispiel.