Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, es geht um das Thema „Azubiticket“. Wir haben das hier schon häufiger aufgerufen und wie Sie sehen, hat tatsächlich ein neuer Stil in diesem Hause Einzug gehalten. Danke an die CDU-Fraktion, die uns quasi bei der Erfüllung unseres Koalitionsvertrags hilft – vielen herzlichen Dank.
Auf sachfremde und ressentimentgeladene Beiträge werde ich allerdings jetzt nicht weiter eingehen. Bereits im Januar – Herr Tischner hat es ausgeführt – hat die CDU-Fraktion diesen Antrag ins Plenum eingebracht. Es ist ein durchaus bekanntes Spiel –
so nenne ich es einmal –, Anträge ehemaliger Oppositionsfraktionen zu kopieren. Auch das ist schon berichtet worden. Aber ich finde es gar nicht schlimm, denn die Sache ist uns wichtig, das Azubiticket, und in diesem Sinne haben wir den Antrag schon zu Anfang des Jahres begrüßt.
Es hat eine Anhörung stattgefunden und es ist hier auch schon von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern ausgeführt worden, es handelt sich hierbei durchaus um eine ausgesprochen komplexe Materie. Deswegen will ich noch mal ein wenig auf die Anhörung eingehen und welche Positionen uns da vorgetragen wurden.
Das Anliegen an sich wurde – das muss man zunächst feststellen – tatsächlich von allen Anzuhörenden begrüßt. Ich glaube, es ist deutlich geworden: Wir wollen Mobilität für junge Menschen gewährleisten. Das wollen auch alle Anzuhörenden. Ich unterstelle, das wollen selbstverständlich sowohl die Wirtschaft als auch alle Gewerkschaften. Uns ging es tatsächlich darum, die Benachteiligung, wie sie von vielen Auszubildenden empfunden wurde, gegenüber den Studierenden zu beenden und ein adäquates Angebot zu machen.
Aber erst noch einmal zu der Anhörung: Die Landesschülervertretung beispielsweise hat die hohen Fahrtkosten, die Realität sind, angeprangert, und eine adäquate Modifizierung der bestehenden Regelungen gefordert. Es ist eben schon darauf eingegangen worden. Ich werde das nachher noch einmal konkret ausführen. Dafür war es nötig, die entsprechende Richtlinie zu ändern. Das ist auf dem Weg.
Die Landeselternvertretung hat sich ein Azubiticket gewünscht, das solidarisch vom Land, den Wirtschaftsverbänden und den Jugendlichen selbst finanziert wird. Wer sich an die Debatte im Januar erinnert, wird wissen, dass ich ausgeführt hatte, dass für unsere Fraktion dieser solidarische Gedanke einen der Grundgedanken für ein Azubiticket darstellt.
Der Landkreistag hat ebenfalls großes Interesse am Azubiticket, hat aber ganz klar gefordert, dass es zu den Finanzierungsverantwortlichkeiten Festlegungen geben muss, die eine finanzielle Mehrbelastung der Landkreise ausschließen. Das wundert sicher nicht, dass der Landkreistag das sagt. Er hat zudem darauf verwiesen, dass eine Minderung der bisherigen Zuschüsse an den ÖPNV nicht erfolgen soll.
Die Industrie- und Handelskammern haben darauf hingewiesen, dass etwa 10 Prozent der Auszubildenden eine mehr als Zwei-Stunden-Fahrt pro Tag und Fahrt zwischen Ausbildungsstätte und Berufsschule zu absolvieren haben. Ein Azubiticket wäre also eine Lösung für zahlreiche Probleme, insbesondere auch für Auszubildende aus Familien, die
Die Verkehrsunternehmen, zum Beispiel der Mitteldeutsche Verkehrsverbund, haben darauf hingewiesen, dass es bei der Einführung eines Schüleroder Auszubildendentickets keine Einnahmerückgänge geben darf. Mögliche Risiken dürften den Verkehrsunternehmen nicht übertragen werden. Insbesondere müssten die Finanzierungsmodalitäten geklärt werden.
Der DGB hat betont, dass bei der Finanzierung des Thüringer Azubitickets vor allem die Wirtschaft in der Pflicht sei. Um einzelne Unternehmen nicht zu sehr zu belasten, solle das Geld aus den Zwangsbeiträgen kommen, so der DGB, die sie an die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern abführen müssen.
Die Wirtschaft und einzelne Unternehmen haben wiederum betont, dass viele Betriebe schon jetzt die Fahrtkosten ihrer Lehrlinge übernehmen und die Einführung eines Azubitickets nicht zu Mehrbelastungen der Wirtschaft führen dürfe. Zudem müsse geklärt werden, welches Modell eines Azubitickets überhaupt machbar ist. Im Gespräch sind ein Solidarmodell, ein Angebotsmodell oder eine gesetzlich regulierte Rückerstattung von Fahrtkosten für einen bestimmten Personenkreis.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen, es ist kein einfaches Unterfangen. Viele Partner müssen an einen Tisch gebracht werden. Wäre es so einfach, hätte es vielleicht auch eine Vorgängerregierung schon auf den Weg gebracht. Weil wir uns dessen schon bei der Vereinbarung des Koalitionsvertrags bewusst waren, dass es nicht so einfach ist, haben wir zunächst vereinbart, als ersten Schritt die Richtlinien zur Kostenerstattung für Berufsschülerinnen für die Fahrt- und Unterbringungskosten kurzfristig zu überarbeiten. Das Ziel war und ist, den Kreis der Anspruchsberechtigten auszuweisen, die Richtlinie aber auch besser zu bewerben und diese anzupassen, denn wir mussten feststellen, dass viele die bisherige Richtlinie gar nicht kannten. Genau das werden wir – das ist auch hier schon dargestellt worden – zum 1. Januar 2016 umsetzen. Die Richtlinienänderung ist in der Umsetzung. Vielen Dank an dieser Stelle auch an das dafür zuständige Bildungsministerium.
Im Wesentlichen werden sich die Bezuschussungsregelungen nunmehr an den Regelungen zu Fahrtkostenzuschüssen in Sachsen-Anhalt orientieren. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten – so, wie wir das vorhatten – ausgeweitet. Galt dies nämlich früher nur für Härtefälle, sollen künftig auch alle Auszubildenden, die weniger als 600 Euro Auszubildendengehalt beziehen, die Möglichkeit erhalten, Fahrtkostenzuschüsse gewährt zu bekommen.
Ich will ganz kurz ausführen, was das konkret bedeutet. Auszubildende, die bis 450 Euro verdienen, erhalten 80 Prozent der nachgewiesenen Fahrtkosten erstattet, Auszubildende mit einem Verdienst bis 500 Euro erhalten 60 Prozent, die Auszubildenden, die bis 550 Euro verdienen, erhalten 40 Prozent der nachgewiesenen Fahrtkosten, und diejenigen, die bis zu 600 Euro verdienen, 20 Prozent der nachgewiesenen Fahrtkosten. Dafür haben wir im Landeshaushalt, den wir in der nächsten Plenarsitzung diskutieren werden, auch die Mittelansätze entsprechend angepasst und es stehen 40.000 Euro mehr zur Verfügung.
Unser gemeinsames Ziel ist es, mehr Mobilität für Auszubildende zu ermöglichen. Das braucht selbstverständlich tragfähige Lösungen, die aber auch rechtlich Hand und Fuß haben müssen und durchfinanziert sind. Deshalb ist es völlig richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir uns bei diesem wichtigen Thema keinen Parteienstreit leisten, sondern gemeinsam vorangehen und ein tragfähiges Modell entwickeln. Der CDU-Antrag – ich sagte es vorhin schon – war eine gute Grundlage, er bestand ja auch zu über 90 Prozent aus einem Oppositionsantrag der Fraktion Die Linke aus der letzten Legislatur.
Mit einigen Änderungen, die durch die Beschlussempfehlung aufgenommen wurden, werden wir dem Antrag heute zustimmen. Ich werbe auch bei Ihnen um Ihre Zustimmung. Zum Antrag der AfD kann ich Folgendes sagen: Das ist wieder so ein typischer Schaufensterschnellschuss. Es wurde im Ausschuss nicht mitgearbeitet, ein Solidarmodell wird ebenfalls abgelehnt. Und was Sie als AfD ansonsten hier zum Besten gegeben haben, hatte auch herzlich wenig mit dem Thema zu tun. Aber ich bin guten Mutes, dass wir heute mit einer soliden Mehrheit einen guten Antrag verabschieden. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich ausdrücklich noch mal beim Infrastrukturministerium für die geleistete Vorarbeit bedanken, ebenfalls für die sehr konstruktive Diskussion im Ausschuss und bei der Bearbeitung dieses Themas. Wir hatten schon eine Plenardebatte dazu. Ich möchte, bevor ich zwei, drei Sätze zur verkehrstechnischen Bedeutung dieses Azubi
tickets sage, noch einmal mit einem Vorurteil aufräumen. Bitte konstruieren Sie keinen Ungerechtigkeitstatbestand gegenüber dem Semesterticket der Studenten. Die Studenten bezahlen dafür: in Erfurt 138,30 Euro im Semester, in Jena 121,60 Euro im Semester, in Weimar 90,10 Euro und in Nordhausen 54,60 Euro. Die unterschiedliche Höhe kommt durch die verschiedenen Bausteine zustande. Während man in Nordhausen nur mit der Bahn und dem dort örtlichen Verkehr fahren kann, kann man in Erfurt, Jena und Weimar im VMT-Bereich und mit der Bahn fahren. Sie sehen, das Solidarmodell hat den Vorzug, dass mit einem vergleichsweise geringen Beitrag eine große Mobilität für die Studenten möglich ist. Das gibt es bei den Azubis nicht. Nun haben die Azubis den Nachteil, dass sie weder eine Form eines Studentenwerks haben, das Verhandlungspartner gegenüber der Bahn ist, noch eine thüringenweite Azubivertretung, die das Mandat hat, für die Azubis mit den Bus- und mit den anderen Verkehrsunternehmen, beispielsweise der Deutschen Bahn, zu verhandeln. Das sind organisatorische Schwierigkeiten, die die Ministerin schon aufgezählt hat.
Weiterhin haben wir nach wie vor keinen thüringenweiten Verkehrsverbund. Das heißt also, wir haben eine unterschiedliche Aufgabenträgerstruktur, unterschiedliche Tarifstrukturen. All das muss bei der konzeptionellen Diskussion mitbedacht werden.
Wir haben auch die Frage: Wie finanziert sich dieses Konstrukt eines Azubitickets? Da wurde schon von den verschiedenen Kollegen erwähnt, dass beispielsweise in Tarifverträgen mitunter die Mobilität der Auszubildenden schon enthalten ist, dass teilweise die Arbeitgeber schon steuerfreie Zuschüsse an die Auszubildenden geben, dass auf der anderen Seite natürlich manche aufgrund ihres geringen Azubigehalts dann weniger Chancen haben. Auch der ÖPNV ist nicht flächendeckend im ländlichen Raum. Das heißt also, es könnte die Frage auftauchen: Kann ich denn überhaupt den öffentlichen Personennahverkehr nutzen? Wenn wir ein Konzept in Anlehnung an das Semesterticket erstellen – die strategische Bedeutung wurde auch schon von den Verkehrsunternehmen erkannt –, hier arbeitet beispielsweise der Verband der Verkehrsunternehmen an einem Konzept, das sich auf dem Solidarmodell mit aufbaut, also von dem, was die AfD gerade abgelehnt hat, würden sich hier natürlich auch für die Verkehrsunternehmen viele verkehrs- und umweltpolitische Effekte ergeben: Einmal bindet man eine gesamte große Nutzergruppe an den ÖPNV. Abo-Inhaber sind routiniert, sie nutzen den ÖPNV wesentlich häufiger als beispielsweise diejenigen, die ein Einzelticket kaufen. Über die Umweltfreundlichkeit der Bus- und Bahnunternehmen brauchen wir, glaube ich, gar nicht mehr zu sprechen. Dadurch, dass feste Finanzen von vornherein planbar sind – wie beim Semesterticket
wäre das dann –, kann natürlich auch der ÖPNV eventuell im ländlichen Raum oder im Stadtbereich noch ausgebaut werden. Diese Chance besteht auch. Das alles zu bearbeiten, zu erarbeiten, das kostet doch Zeit. Im Zusammenspiel mit den Verkehrsunternehmen, mit den Azubivertretungen, mit Elternvertretungen, mit dem DGB und den Arbeitgeberverbänden, die übrigens – das muss man ausdrücklich betonen – sehr interessiert daran sind – beispielsweise hat die IHK Südthüringen auch schon ein Azubiticket favorisiert –, haben wir natürlich noch einiges zu tun. Es bleiben auch weiterhin noch ungelöste Fragen. Wie sieht es mit länderübergreifenden Regelungen aus? Wenn die Physiklaboranten aus Jena beispielsweise in Selb ihren Berufsschulblock haben, was haben sie für Möglichkeiten? Wie Sie schon sehen, gibt es noch nicht mal ein einheitliches Semesterticket im Freistaat. Es bleibt also viel zu tun und wir sollten gemeinsam mit dem Ministerium dieses Verfahren weiterführen, daran arbeiten, es unterstützen. Ich danke allen für die Diskussion und nochmals dem Ministerium für die Vorarbeit.
Meine Damen und Herren, ich wollte zwei Sachen richtigstellen. Frau Lukin, wenn Sie sagen, wir würden ein Solidaritätsmodell ablehnen, dann ist das etwas falsch formuliert. Was wir ablehnen, ist eine weitere Zwangsabgabe. Ihr Solidaritätssystem ist nichts anderes als eine Zwangsabgabe. Alle müssen bezahlen und nur wenige profitieren.
Genau das lehnen wir ab, da haben Sie recht. Aber das hat mit fehlender oder mangelnder Solidarität bei uns nichts zu tun.
Wenn Sie unseren Antrag mal gelesen hätten – vielleicht haben Sie es gemacht –, das steht da ausdrücklich drin:... das auf dem bereits existierenden lokalen Fahrkartensystem aufbaut. – Nichts anderes wollen wir. Eine Fortentwicklung ist da angedacht.
Frau Lehmann, wenn Sie Anträge von uns zum Haushalt vermissen: Wir haben noch gar keine eingereicht. Ich weiß nicht, ob Sie das schon gemacht haben. Aber die Fristen laufen noch. Sie mögen einiges vermissen, aber vielleicht machen Sie sich erst einmal über die parlamentarischen Zeitabläufe kundig, bevor Sie sich hier vorn hinstellen und ir
gendwelchen Unsinn erzählen. Natürlich haben wir noch keinen Antrag dazu eingereicht, weil wir an diesen Anträgen noch arbeiten. Abgesehen davon ist es auch so, dass unser Modell nicht dazu führen wird, dass aus Steuergeldern irgendetwas bezahlt werden soll. Ich habe gerade zitiert, worum es uns geht. Vielleicht lesen Sie von der SPD auch unsere Unterlagen erst einmal, bevor Sie Reden in Auftrag geben. Davon wären wir dann ganz begeistert.
Nein, schreiben lässt, habe ich gesagt. Also bevor man Reden schreiben lässt, sollte man vielleicht unsere Unterlagen lesen.
Wir haben vorhin über unser Übernachtungsprivileg gestritten, sozusagen AfD gegen den Rest der Welt. Es gibt noch weitere Privilegien. Wir haben auch noch ein Fahrkartenprivileg. Das darf ich auch noch mal in Erinnerung rufen. Wir haben als Abgeordnete, als gut Verdienende mit über 5.000 Euro brutto im Monat das Privileg, noch eine Erste-Klasse-Thüringen-Fahrkarte umsonst obendrauf zu bekommen, meine Damen und Herren. Jetzt streiten Sie hier allen Ernstes, ob Sie Schülern und Auszubildenden, die zwischen gar nichts und ein paar Hundert Euro im Monat haben, ob Sie denen vergünstigte Fahrkarten geben wollen.
Also ich muss ganz ehrlich sagen, da verlieren Sie auch so ein bisschen die Realität aus den Augen. Warum zahlen wir unsere Fahrkarten aus den 5.000 bis 7.000 Euro, die wir im Monat haben, nicht selber? Das könnten wir uns doch locker leisten, oder?
Und den armen Schülern, die nichts haben und den Auszubildenden, die wenig verdienen, knöpfen wir das Geld ab. Das ist doch seltsam, vor allem vor dem Hintergrund – wie man lesen kann –, dass es noch weitere Fahrkartenprivilegien in Deutschland gibt. Beispielsweise habe ich der Presse entnommen, dass alle Asylbewerber umsonst mit dem Zug fahren dürfen, ohne einen Cent zu bezahlen. Die müssen nur sagen, wohin sie wollen, kriegen dann