Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Da müssen wir mal aufpassen!)

Aber jetzt geht er schon, schade.

Damit soll die Attraktivität der beruflichen Bildung verbessert und die Benachteiligung gegenüber der akademischen Bildung in diesem Bereich beseitigt werden. Denn wir alle wissen, dass die Studenten bereits mit einem Ticket in Thüringen fahren können. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Ungerechtigkeit besteht.

Wir sind mit der Einführung eines landesweiten Azubitickets in den Wahlkampf gegangen und meine Fraktion hat dieses Anliegen in ihrer Jahresagenda noch einmal mit einer besonderen Dringlichkeit versehen, um eine nicht hinnehmbare Benachteiligung zu beseitigen. Es reicht nicht aus, Bewerberengpässe in der beruflichen Bildung und die Aushöhlung des bewährten dualen Bildungssystems zu beklagen, man muss auch etwas für die Attraktivität dieses Ausbildungs- und Berufszweigs tun.

Ich möchte einige wenige Entwicklungen nennen, die die Notwendigkeit eines Azubitickets unterstützen. Häufig ist es gerade bei schulischen Ausbildungen so, dass die Ausbildungsentgelte minimal sind. Man kann zudem häufig beobachten, dass die finanziellen Belastungen, die sich für Auszubildende bei Fahrtund Unterkunftskosten ergeben, schneller ansteigen als die Ausbildungsvergütungen. Und drittens wird niemand bestreiten, dass nicht alle Auszubildenden ein Ausbildungsentgelt

erhalten. So müssen zum Beispiel Auszubildende in vollzeitschulischen Ausbildungen oft noch für ihre Ausbildung bezahlen. Mit dem Willen, ein Azubiticket einzuführen, setzt der Thüringer Landtag heute ein Zeichen für die Stärkung der dualen Ausbildung. Angesichts des künftigen Fachkräftemangels und eines Trends zum Studieren muss die Berufsausbildung weiter attraktiv für junge Menschen bleiben und darf schon gar nicht an zu hohen Fahrtkosten scheitern.

Da das Thema schließlich nicht nur in das Regierungsprogramm der CDU, sondern auch in den Koalitionsvertrag von Linken, SPD und Bündnis 90/Die Grünen Eingang gefunden hat, wollten wir mit unserem Plenarantrag das Thema Anfang des Jahres auf die Tagesordnung setzen und auf eine zügige und zeitnahe Einführung dringen. Aufgrund der langen Beratungsdauer ist das bislang noch nicht gelungen, dennoch ist es angesichts des Ergebnisses gut, dass wir intensiv beraten haben und schließlich eine breite Unterstützung für dieses Anliegen erreichen konnten. Ich freue mich sehr darüber, dass der Antrag der CDU in den Ausschüssen diese breite Unterstützung gefunden hat und nur hinsichtlich der geforderten Zeitschiene Abänderungen vorgenommen wurden. Mit großem Interesse sehen wir nun dem Konzept der Landesregierung entgegen. Frau Ministerin hat schon einige Eckpunkte angedeutet, in welche Richtung es gehen könnte. In diesem Sinne fordere ich für meine Fraktion, dass trotz der nun nicht mehr vorhandenen Zeitschiene die Beratungen mit den entsprechenden Akteuren zügig beginnen und wir im nächsten Jahr die Einführung des Tickets feiern können. Heute ist ein guter Tag für die Berufsschüler und Auszubildenden in unserem Freistaat. Hoffen wir, dass die Landesregierung bald weitere gute Tage in diesem Sinne folgen lassen wird.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Natürlich!)

Der Ball liegt nun in Ihrem Feld.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Tischner. Als Nächste redet Frau Engel für die Fraktion der Linken.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Besucherinnen, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen, im vorliegenden Antrag fordert die CDU die Landesregierung auf, ein Konzept zur Einführung eines vergünstigten, thüringenweit einheitlichen Schüler- und Auszubildendentickets zu entwickeln. Die Fraktion Die Linke unterstützt natürlich diesen Antrag, denn es ist ja unserer. Die CDU hat nämlich

(Abg. Tischner)

fast wortgenau den Antrag der Fraktion Die Linke von 2014 eingereicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das ist nicht wahr!)

An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank für die abgenommene Arbeit.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Warum hat es denn so lange gedauert?)

Wir brauchen in Thüringen ein Auszubildendenticket. Darin sind wir uns einig. Denn bisher besteht für Auszubildende weder ein gesetzlicher Anspruch auf Beförderung noch auf Erstattung ihrer Fahrtkosten. In den Verkehrsverbünden sind lediglich unterschiedliche Angebote für Schüler- und Azubimonatskarten vorhanden, die aber meist nicht wesentlich günstiger sind, zumal auch diese Kosten in der Regel allein von den Schülerinnen und Auszubildenden aufgebracht werden müssen. Durch den demografischen Wandel, der bekanntlich auch vor Thüringen nicht haltmacht, sind wir mit einer abnehmenden Anzahl von Klassen und Schulen konfrontiert. Das hat zur Folge, dass die Wege zwischen Wohnort und Berufsschule für Auszubildende immer länger werden, während gleichzeitig ihre Ausgaben für Fahrt- und Unterbringungskosten stetig steigen. In der Vergangenheit sind daher wiederholt Fälle bekannt geworden, in denen sowohl Schülerinnen als auch Auszubildende den Schulort oder den Ausbildungsgang gewechselt haben, weil für sie die Fahrtkosten nicht zu bewältigen waren oder aber der Schul- oder Arbeitsort zu schlecht mit dem öffentlichen Personennahverkehr zu erreichen war. Dies sind auch die Erfahrungen, die die Jugendberufshilfe Thüringen in den letzten Jahren gemacht hat. Die Jugendberufshilfe weist außerdem darauf hin, dass viele Jugendliche aus diesen Gründen gar nicht erst eine Berufsausbildung beginnen, sondern sich gleich für eine wohnortnahe Alternative entscheiden. An dieser Stelle sind wir schon allein durch das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Bildung und freie Berufswahl gezwungen zu handeln, sowohl was die Fahrpreise als auch die flächendeckende Absicherung des öffentlichen Personennahverkehrs betrifft.

Mobilität ist gerade für junge Menschen ein wichtiges Thema, welches sich nicht nur auf den Bereich der Schule und Ausbildung beschränkt, sondern auch in den Bereich von Freizeit und Familie hineinwirkt. Dadurch beeinflusst Mobilität die Lebensqualität von Jugendlichen im erheblichen Maße und dies vor allem im ländlichen Raum.

Außerdem ist eine bessere Unterstützung Auszubildender auch ein wichtiger Punkt, um die Ausbildungsattraktivität in Thüringen zu stärken, Abbrüche zu vermeiden und der Abwanderung junger

Fachkräfte entgegenzuwirken. Um so eine Verbesserung schnell voranzubringen, hat das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport die Richtlinie für die Zuschüsse für Fahrt- und Unterbringungskosten an Berufsschülerinnen bereits überarbeitet – das hat ja Ministerin Keller auch kurz angesprochen. Gegenüber der derzeitigen, noch bis Jahresende gültigen Fassung wurden einige grundlegende Veränderungen vorgenommen. Antragsberechtigte sind nicht mehr nur Auszubildende, die von sozialer Härte betroffen sind, denn eine Kostenrückerstattung erfolgt nun gestaffelt nach der Höhe der Ausbildungsvergütung. Auch Auszubildende, die keinen Blockunterricht besuchen, haben nun das Recht, einen Antrag zu stellen. Die Mindestfahrzeit wurde von täglich vier Stunden auf zwei Stunden halbiert. Damit wurde der Kreis der Antragsberechtigten enorm ausgeweitet. Außerdem können Anträge jetzt bereits nach drei Monaten gestellt werden, ohne das als Härtefall begründen zu müssen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, die rotrot-grüne Regierung hat ihr Wort gehalten. Und da die CDU zumindest in diesem Punkt nun auch ihre sozialen Wurzeln entdeckt hat, sehe ich der Einführung eines Schüler- und Azubitickets doch sehr positiv entgegen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Engel. Nun spricht zu uns Frau Lehmann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! Es ist unstrittig – und das ist in der vergangenen Plenardebatte schon deutlich geworden –, dass wir uns alle oder zumindest überwiegend für ein Azubiticket aussprechen und dass wir ein Azubiticket brauchen, also ein Nahverkehrsticket für Auszubildende für den öffentlichen Nahverkehr. Das macht nicht nur der steigende Fachkräftebedarf deutlich, der uns zeigt, dass wir mehr dafür werben müssen, dass junge Menschen sich für eine Ausbildung in Thüringen entscheiden, denn schon heute haben wir weniger Auszubildende als Ausbildungsplätze. Schon jetzt haben wir da ein Delta von mehr als 2.000 Bewerberinnen und Bewerbern für Ausbildungsstellen. So stehen heute schon 12.000 Stellen nur 10.000 Bewerbern gegenüber und de facto sind momentan sogar 4.000 Stellen unbesetzt, weil es eben nicht alles ganz passgenau ist. All das macht deutlich, dass es notwendig ist, dass wir hier auch daran arbeiten, dass eine Ausbildung in Thüringen attraktiv wird, und Mobilität ist da ein ganz entscheidender Punkt. Auch deswegen haben wir uns entschieden, dass das Azubi

(Abg. Engel)

ticket ein zentraler Punkt im Koalitionsvertrag ist. Das ist ein Projekt, an dem wir nicht nur festhalten wollen, sondern das wollen wir in den nächsten Jahren auch umsetzen. Ich freue mich, dass wir dazu hier im Haus über alle demokratischen Fraktionen hinweg einen großen Konsens erzielt haben. Ich muss sagen, dass auch ich es erstaunlich finde, dass die AfD, nachdem sie sich im Ausschuss überhaupt nicht positioniert hat, jetzt einen Antrag vorgelegt hat, der weder durch ein Konzept noch durch Haushaltsanträge untersetzt ist. Das ist schon eine spannende Sache. Dann ist es aber eben auch nicht mehr als Schaufensterpolitik.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, der Konsens, den wir hier im Haus erzielt haben, ist einer, der sich auch in der Anhörung wiedergefunden hat, trotzdem gibt es jetzt noch eine Reihe von Fragen, die zur Umsetzung geklärt werden müssen. Es war auch in der letzten Sitzung, als die CDU den Antrag eingebracht hat, klar, dass es kein ganz einfacher Weg ist. Das ist uns auch klar gewesen, als wir das im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dass wir mit einer ganzen Reihe von Akteurinnen und Akteuren sprechen müssen, mit den Nahverkehrsgesellschaften, mit den Kammern und Unternehmen, mit den Kommunen, mit den Auszubildenden – wie auch immer –, die vertreten werden, mit den Berufsschulen. Der erste wichtige Schritt ist jetzt, dass das Infrastrukturministerium ein Konzept vorlegt, wie wir dieses Ticket umsetzen können, mit wem wir zu welcher Zeit Gespräche führen müssen.

Ich finde es ein starkes Signal, dass wir diesen Antrag heute hier koalitions- und oppositionsübergreifend annehmen. Das zeigt, wie wichtig uns das Thema ist. Ich hoffe, dass wir gemeinsam konstruktiv weiter an dem Thema arbeiten, und bitte um Zustimmung zum Antrag.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lehmann. Sie haben übrigens noch ziemlich viel Redezeit übrig gehabt.

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Rudy für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuhörer im Plenum und vor den Geräten, ich möchte als Erstes auf den Herrn Tischner zurückkommen. Die Studenten zahlen 150 Euro im Semester im Rahmen ihrer thoska für

diese Karte. Das wollte ich nur noch mal sagen, weil Sie sagten, dass sie kostenlos fahren. Es geht uns darum, Nägel mit Köpfen zu machen und Schülern sowie Erstauszubildenden die Möglichkeit zu geben, endlich kostengünstig mit einer Fahrkarte durch ganz Thüringen zu reisen

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE)

nicht irgendwann, sondern zu Beginn des Schulund Ausbildungsjahrs 2016/2017. Es ist ein Trauerspiel, wenn junge Thüringer unverhältnismäßig viel zahlen müssen, um durch unser wunderschönes Bundesland zu fahren, ob zur Arbeitsstelle, zur Berufsschule, zu einem Kulturort oder auch nur zum Amüsement. Deshalb haben wir uns die Beschlussempfehlung angeschaut und wir sind weiterhin mit der Grundrichtung des Antrags der CDU einverstanden, aber letztendlich ist uns die Beschlussempfehlung doch etwas zu wenig konkret.

Je eher eine thüringenweit gültige Fahrkarte eingeführt wird, desto besser. Deswegen haben wir in unserem Alternativantrag dafür gesorgt, dass mit dem Ausbildungsbeginn 2016/2017 ein festes Datum verankert ist. Die Formulierung aus der Beschlussempfehlung, bei der kein genauer Termin vorgemerkt ist, gibt der Landesregierung zu viel Freiraum, das Projekt „Schüler und Auszubildendenfahrkarten“ auf den Sankt Nimmerleinstag hinauszuschieben. Die Landesregierung will eine unausgegorene Kommunalreform durchsetzen, will Zehntausenden Asylbewerbern Heim und Brot geben, möchte eine Wasserentnahmegebühr einführen und die Grunderwerbsteuer erhöhen, aber eine thüringenweit gültige Schüler- und Auszubildendenfahrkarte, die dazu führt, dass Thüringen attraktiver Lebensraum für junge Menschen wird, soll erst in unbestimmter Zeit real werden. Das sehen wir nicht so.

(Beifall AfD)

Wir fordern deswegen die Landesregierung mit unserem Alternativantrag zum zügigen Handeln auf. Von besonderer Bedeutung ist für uns allerdings, dass eine solche Karte nicht unter der Bedingung eingeführt werden darf, dass für alle Schüler und Auszubildenden gleichermaßen der Zwang besteht, eine solche Fahrkarte zu erwerben. Eine Anlehnung der Ausgestaltung an das System der thoska kommt für uns daher nicht in Frage. Wir haben auch eine Deutsche Bahn, die den Transport von mehr als einer Million Asylbewerbern meistert, oft ohne dies den betreffenden Personen in Rechnung zu stellen. Da muss ein kostengünstiger Transport von Schülern, Auszubildenden, ohne dass es einen Zwang zum Kauf der Fahrkarten gibt, doch problemlos möglich sein.

Wir hatten im Schuljahr 2014/2015 51.318 Schüler an berufsbildenden Schulen und 184.567 Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Das sind potenziel

(Abg. Lehmann)

le Kunden für die Verkehrsbetriebe, die es zu binden gilt. Das sollte den Verkehrsbetrieben etwas wert sein. Es ist eine Chance, die endlich genutzt werden muss. Dann kann die 18-jährige Schülerin aus Suhl kostengünstig zum Nationaltheater in Weimar, wenn Prof. Hoff es stehen lässt, und am Wochenende auch die Diskothek in Erfurt besuchen oder das Planetarium in Jena, ohne jedes Mal eine Fahrkarte zu kaufen und die Vor- und Nachteile des Besuchs abzuwägen. Dass sie in der Woche auf den Schulwegen innerhalb von Jena und Erfurt auch die neue Fahrkarte benutzen kann, versteht sich von selbst.

Wir haben Tausende unbesetzte Lehrstellen. Viele Betriebe fürchten um die Zukunft, da es ihnen nicht mehr gelingt, ausreichend junge Menschen davon zu überzeugen, gerade in ländlichen Regionen in Thüringen ihre Ausbildung zu absolvieren. Sind wir doch so mutig und sagen diesen jungen Leuten, dass sie nicht in ihrem Kleinstunternehmen in Schmalkalden festhängen werden, sondern mit ihrer Auszubildendenkarte in ganz Thüringen preiswert mobil sein können. Nehmen wir jungen Familien die Angst davor, sich im ländlichen Raum anzusiedeln, indem wir ihnen versichern, dass sie dort nicht nur umfängliche Angebote des öffentlichen Nachverkehrs vorfinden, sondern auch, dass diese für sie finanzierbar sind.

(Beifall AfD)

Dann kann uns etwas gelingen, das in Thüringen auch in Zukunft eine große Bedeutung haben muss: die Herstellung und Aufrechterhaltung der Attraktivität ländlicher Regionen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als Nächste hat die Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.