Werter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Damen und Herren Minister! Gestatten Sie mir, dass ich als einer der jüngeren Abgeordneten in diesem Landtag, zumindest was die Dauer meines Aufenthalts hier in diesem Plenarsaal betrifft, Ihnen mal ganz persönlich meine Meinung zu diesem Tagesordnungspunkt nahebringe. Ich bin jetzt seit 22 Jahren Mitglied in einem Stadtrat in einer Gemeinde in Rudolstadt mit 23.000 Einwohnern. Ich bin seit vielen Jahren Vorsitzender dieses Stadtrats und engagiere mich da ganz besonders aktiv und bin besonders daran interessiert, dass sich die Bürger immer mehr an den Entscheidungsprozessen der Kommunen beteiligen.
Ich bin jetzt auch Mitglied im Kreistag. Wenn ich eines zur Erkenntnis bringen konnte in den letzten Jahren, dann ist es der Umstand, dass sich die Menschen immer weniger an demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Wir haben in den Kommunen durch die Kommunalgesetzgebung alle Möglichkeiten der Teilhabe an demokratischen Prozessen. Wir haben Einwohnerfragestunden – es kommen seit Jahren kaum noch Einwohner zu irgendeiner Veranstaltung.
Ja, wahrscheinlich, weil Sie dort sind, da ist es besonders interessant. Auf die interessante Abgeordnetentätigkeit komme ich noch zurück.
Wir haben die Möglichkeit, in allen Ausschüssen berufene Bürger zu berufen, die eigentlich nach dem Parteienproporz die Interessen der Menschen vertreten. Wenn wir eines machen müssen und wenn eines gelingen muss in den nächsten Jahren – und das ist heute aktueller denn je –, dann müssen wir die Menschen wieder durch Politik begeistern können, und das vor allem durch leidenschaftlich engagierte Abgeordnete, die wirklich die wahren Interessenvertreter der Menschen in unseren Kommunen sind.
Das ist ein Prozess, der politisch angegangen werden muss. Ich sage Ihnen, ich bin traurig darüber, dass sich immer weniger Menschen in die vorhandenen demokratischen Prozesse einbringen. Es wäre schon ein großer Gewinn, wenn man das ausnutzen würde, was es gibt. Ich bin der Meinung, wir sind da total konträr in der Entwicklung. Wenn ich von hier aus eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger vor allem hier im Freistaat Thüringen loswerden will, dann die: Nehmt mehr an den Veranstaltungen teil! Mischt euch mehr ein und nutzt all die Möglichkeiten, die es jetzt schon gibt! Und vor allem: Wählen Sie in Zukunft die Abgeordneten nicht immer nur nach Parteibuch, sondern wählen Sie vor allen Dingen Abgeordnete, bei denen Sie davon ausgehen können, dass sie wirklich Vertreter Ihrer Interessen sind!
Dort, wo sich ein Konsortium von ordentlichen Abgeordneten abbildet, gibt es letzten Endes auch immer die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen umzusetzen, wenn es wirklich wahr ist, dass sich jeder Abgeordnete den Interessen der Menschen in seiner Stadt widmen soll.
Um eines ist mir bange und da komme ich jetzt auf das Thema Gebietsreform, Herr Minister: Wir wissen, wir streiten um die Gebietsreform. Eine Sorge habe ich: Sollte die Gemeindereform umgesetzt werden, dann wird vor allen Dingen in den kleinen Gemeinden, wo die Gemeinderäte abgeschafft werden und keiner mehr direkten Einfluss hat auf politische Entwicklungen,
Wir brauchen keine direktere Demokratie, wir brauchen Menschen, die bereit sind für die demokratischen Prozesse, die allen Möglichkeiten bietet, dass sich die Menschen wieder an den vorhandenen politischen Möglichkeiten beteiligen. Das ist Aufgabe aller Parteien, aller Gruppierungen auch dieses Parlaments und deswegen möchte ich von hier aus sagen: Wir brauchen nicht mehr Demokratie. Wir haben ein repräsentatives Vertretungsrecht, wir haben Abgeordnete, die die Rechte der Bürger wahrnehmen sollten und müssen. Mehr Demokratie brauchen wir nicht, wir brauchen die jetzige Demokratie, dass sie wieder mit Leben erfüllt wird.
Herr Abgeordneter Wirkner, es gibt noch eine Zwischenfrage der Abgeordneten Müller, wenn Sie die zulassen würden.
Das freut mich sehr, Herr Wirkner, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. In dem Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, das Kopplungsverbot aufzuheben. Bedeutet das, dass man auch bei Kommunalwahlen Fragen, die die Bürger betreffen, auslegen kann? Dieses Kopplungsprogramm wird aufgehoben. Würden Sie mir da zustimmen, dass das eine Form sein kann, wie man Bürger wieder mehr in Entscheidungsprozesse mit einbeziehen kann?
Frau Müller, das ist vielleicht Ihrerseits gut gedacht, aber wissen Sie, wenn Sie etwas auslegen, dann haben Sie nicht unbedingt den direkten Kontakt zu dem, den Sie wählen wollen. Ich bin der Meinung, wenn man Fragen hat, soll man diejenigen, die sich zur Wahl stellen, persönlich angehen und fragen, weil man dann auch den persönlichen Kontakt zu den späteren Abgeordneten hat. Wenn ich etwas auf dem Tisch liegen habe und eine Frage stelle, weiß ich ja nie, wer sie mir beantwortet, und insofern finde ich auch das überflüssig. Danke.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wirkner. Nun gibt es keine weiteren Wortmeldungen aus dem Plenum, sodass ich Herrn Minister Poppenhäger das Wort gebe. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Ausführungen voranstellen: Die Landesregierung begrüßt den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf. Ein wesentliches Element unserer Demokratie ist die aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden und Landkreisen. Hierdurch wird das Interesse der Bürgerschaft für kommunale Angelegenheiten geweckt und damit natürlich auch zu einer bürgernahen und immer lebendigen Demokratie beigetragen.
Direkte Demokratie auf kommunaler Ebene umfasst dabei nicht nur die Einflussnahme auf Personalentscheidungen durch den regelmäßigen Gang zur Wahlurne, sondern auch die aktive Mitwirkung bei Sachentscheidungen auf kommunaler Ebene.
Die Erfahrungen der letzten Jahre bei der Anwendung der Regelungen zu den direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene haben gezeigt, dass diese einer gründlichen Überarbeitung bedürfen. Die Koalitionspartner haben deshalb in ihren Koalitionsvertrag im Jahr 2014 als einen wesentlichen Eckpunkt verankert, durch die
Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen die kommunalen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Mit dem vorliegenden Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur direkten Demokratie auf kommunaler Ebene wird dieses Ziel des Koalitionsvertrags umgesetzt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf einige Merkmale des Gesetzentwurfs eingehen. Zur Stärkung der direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene sieht der Gesetzentwurf zunächst eine anwenderfreundlichere Ausgestaltung der Verfahrensabläufe vor. Entsprechend dem Aufbau des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid beschränken sich zukünftig die Regelungen in der Thüringer Kommunalordnung auf die wesentlichen Festlegungen zu den direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten.
Die einzelnen Verfahrensschritte werden in einem eigenen Thüringer Gesetz über das Verfahren bei Einwohnerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid geregelt. Dadurch werden die einzelnen Verfahrensschritte für die Bürgerinnen und Bürger einfach, verständlich und nachvollziehbar.
Damit sich die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene lebendig und vielfältig weiterentwickeln kann, ist es wichtig, den Dialog zwischen kommunalen Mandatsträgern, Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Diesem Ziel trägt der Gesetzentwurf durch die Einführung der sogenannten Alternativvorlage Rechnung. Soweit ein thematischer Bezug zu dem Entscheidungsvorschlag der Bürgerinitiative besteht, hat die kommunale Vertretung nunmehr die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern einen eigenen Alternativvorschlag zur Abstimmung vorzulegen.
In den meisten Flächenländern der Bundesrepublik gehört auch der Bürgerentscheid auf Initiative der Volksvertretung bereits zum kommunalen Verfassungsrecht.
Wichtige Sachfragen, die von den Bürgerinnen und Bürgern entschieden werden, genießen eine hohe Akzeptanz und schaffen Rechtsfrieden. Sie können eine dauerhafte Auseinandersetzung und Unzufriedenheit in der Bevölkerung verhindern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Möglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger vor, ein Bürgerbegehren zur Abwahl eines Bürgermeisters bzw. Landrats einzuleiten. Derzeit kann ein solches Abwahlverfahren nur über einen Antrag und die anschließende Beschlussfassung in den Gemeinderäten bzw. Kreistagen eingeleitet werden. Erst danach entscheiden die Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgerentscheid. Bürgermeister und Landräte werden direkt von den Bürgerinnen und Bürgern der Ge
meinden und Landkreise gewählt. Aus Gründen der demokratischen Spiegelbildlichkeit soll es für diese auch möglich sein, eine Abwahl auf direktdemokratischem Weg einzuleiten. Im Interesse einer funktionierenden Verwaltung ist in diesem Zusammenhang möglichst zu vermeiden, dass tagespolitische Entscheidungen einer Verwaltungsspitze allzu leicht zur Einleitung eines Abwahlverfahrens benutzt werden. Das Abwahlverfahren durch die Bürgerinnen und Bürger kann daher als letzter Ausweg im Wesentlichen dann in Betracht kommen, wenn der Bürgermeister oder Landrat von der Bürgergesellschaft vor Ort partout nicht mehr getragen wird.
Mit dem Zulassungsquorum von 21 vom Hundert wurde das Dreifache des normalen Zulassungsquorums als Schutzhürde gewählt – Abgeordneter Höhn hat das bereits ausgeführt – und damit ein Ausgleich verschiedener Interessen geschaffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden nicht nur die direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auf der Gemeinde- bzw. Landkreisebene, sondern darüber hinaus auf der Ortsebene der Einheits- und Landgemeinden ermöglicht. Zukünftig haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, Bürgerbegehren an die Ortsteilräte der Gemeinden oder die Ortschaftsräte der Landgemeinden zu richten. Die Einführung dieser direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten geht mit einer weiteren Stärkung des Ortsteil- und Ortschaftsrechts in dem von der Landesregierung verabschiedeten Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform im Freistaat Thüringen einher. Das von der Landesregierung auf der Grundlage des Leitbilds vom 22. Dezember 2015 geplante Vorschaltgesetz sieht eine Erweiterung der Entscheidungs- und Vorschlagsrechte des Ortsteilrats und des Ortschaftsrats vor.
Ergänzt um die mit diesem Gesetzentwurf geschaffene Möglichkeit von Bürgerbegehren in Ortsteilen und Ortschaften erhält das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger in bisher selbstständigen Gemeinden auch bei der zukünftig gebildeten Einheits- oder Landgemeinde eine gute, neue Grundlage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Anspruch der Koalitionsfraktionen, mehr Demokratie in den Kommunen zu schaffen, wird der vorgelegte Gesetzentwurf gerecht. Mit dem Gesetzentwurf sorgen Sie dafür, dass sich die starke, die bewährte Demokratie auf kommunaler Ebene auch zukünftig lebendig, bürgernah und vielfältig weiterentwickeln kann. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Dr. Poppenhäger. Ich schließe damit die Aussprache und wir kommen zur beantragten Ausschussüberweisung. Es wurde beantragt, den Gesetzentwurf an den Innen- und Kommunalausschuss sowie an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu überweisen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die Überweisungen, dann in Folge zur Federführung.
Wer für die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen plus die fraktionslosen Abgeordneten. Vielen Dank, damit überwiesen.
Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ebenfalls Stimmen aus allen Fraktionen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Federführung. Die Federführung soll beim Innen- und Kommunalausschuss liegen, wurde beantragt. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen Dank, aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Die gibt es nicht. Die Federführung liegt damit beim Innen- und Kommunalausschuss.
Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Bevor ich den nächsten aufrufe, bitte ich die Parlamentarischen Geschäftsführer nach vorn und unterbreche die Sitzung für 5 Minuten.
Wir sind noch genug im Plenarsaal, sodass ich sagen würde, wir fahren – auch wenn die 5 Minuten noch nicht ganz um sind – dennoch fort.
Thüringer Milcherzeuger stärken – Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels durch Gründung eines Milchabsatzkontors begegnen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1751 dazu: Alternativantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1860
Die CDU-Fraktion wünscht das Wort zur Begründung, wurde mir signalisiert. Damit erteile ich Herrn Malsch zunächst das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn 85 Prozent aller Molkereiprodukte von nur fünf Großhandelsketten abgenommen werden, dann wirkt sich dieses Ungleichgewicht spürbar negativ auf die Preise der Landwirte und Molkereien aus. Aus dieser Position wollen und müssen wir raus. Die CDU-Agrarsprecher mehrerer Bundesländer haben sich deshalb verabredet, mit einer abgestimmten gemeinsamen Initiative in den Parlamenten faire Preise für die Erzeuger zu erreichen und dem Ungleichgewicht auf dem Milchmarkt zu begegnen. Wir wollen den Molkereien die Möglichkeit geben, mit gemeinsamen Vermarktungsplattformen der Macht des Lebensmitteleinzelhandels größeres Gewicht entgegenzusetzen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Situation der Milchwirtschaft und damit auch der meisten Milchviehbetriebe ist äußerst kritisch. Wir haben das erst vor wenigen Tagen zum 20. Thüringer Milchtag auf der Erfurter Messe ganz deutlich hören können. Es wird also höchste Zeit, dass wir die Landesregierung auffordern, hier endlich etwas zu tun. Ziel der gemeinsamen, mit den Kollegen aus NordrheinWestfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen erarbeiteten Initiative ist es, die Milchwirtschaft zur Kooperation zu bewegen, um den Milchbauern Unterstützung zukommen zu lassen. Wir wollen ein Ende des ständigen Unterbietungswettbewerbs und faire und angemessene Preise für unsere Landwirte.