Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Situation der Milchwirtschaft und damit auch der meisten Milchviehbetriebe ist äußerst kritisch. Wir haben das erst vor wenigen Tagen zum 20. Thüringer Milchtag auf der Erfurter Messe ganz deutlich hören können. Es wird also höchste Zeit, dass wir die Landesregierung auffordern, hier endlich etwas zu tun. Ziel der gemeinsamen, mit den Kollegen aus NordrheinWestfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen erarbeiteten Initiative ist es, die Milchwirtschaft zur Kooperation zu bewegen, um den Milchbauern Unterstützung zukommen zu lassen. Wir wollen ein Ende des ständigen Unterbietungswettbewerbs und faire und angemessene Preise für unsere Landwirte.

(Beifall CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Malsch. Für die Koalitionsfraktionen hat Abgeordneter Kummer das Wort zur Begründung.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Situation der Milchvieh haltenden Landwirtschaftsbetriebe ist gegenwärtig derartig brisant wie seit 1990 nicht. Nach Auslaufen der Milchquote sind die Milchpreise in einem ständigen Fall begriffen, und wo Betriebe eigentlich um die 40 Cent pro Liter Milch brauchten, um davon ordentlich leben zu können, haben sie gegenwärtig Preise von 25 Cent und drunter. Das bedeutet für die großen Milchvieh haltenden Betriebe, die wir in Thüringen haben, innerhalb eines Jahres Millionenverluste und bei Betrieben, die jeden Monat Gehälter zahlen müssen, die in ihren Regionen verankert sind, vielfältige Leistungen erbringen müssen, die dafür sorgen müssen, dass ihre Tiere ordnungsgemäß nach den Kriterien des Tierwohls gehalten werden, sind diese Leistungen, diese Verdienstaus

fälle nicht ohne Weiteres wegzustecken. Die Lage der Betriebe geht hin bis zur existenziellen Bedrohung. Deshalb ist es wichtig, dass sich der Thüringer Landtag verständigt, wie hier geholfen werden kann. Dementsprechend auch ein Dank an die CDU-Fraktion für ihren Antrag. Die Koalitionsfraktionen fanden es trotzdem wichtig, einen Alternativantrag dem gegenüberzustellen, weil wir glauben, dass es keine einfachen Lösungen gibt und auch nicht nur eine Lösung geben kann. Wenn man zum Vorhaben der CDU-Fraktion, ein Verkaufskontor zu bilden, liest, was in der Presse dazu geschrieben wird – in der „Milchwelt“ im März zum Beispiel, dass eine Befragung von Molkereien ergab, dass es keine Bereitschaft für diesen Weg gibt, oder in der „Bauernzeitung“ vom 4. März von Herrn Nüssel vom Raiffeisenverband, er würde sich wünschen, dass Politiker stärker in die Materie einsteigen, bevor sie der Wirtschaft solche Vorschläge machen –, sieht man, dass dieser Vorschlag nicht unumstritten ist.

Wir haben uns mit unserem Alternativantrag auf der einen Seite über den Bundesrat an Bund und EU gewandt. Wir wollen vor allem eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Es sollen die kompletten Mittel für die Strafzahlung aus der Superabgabe der Vergangenheit für Hilfsmaßnahmen verwendet werden. Auf EU-Ebene sollen verbindliche Regelungen zur Ausgestaltung von Milchlieferverträgen geschaffen werden, um die Milchproduzenten zu stärken, und es soll eine Verlängerung der Wertschöpfungskette geben. Auch ans Land gibt es klare Forderungen vonseiten der Koalition bezüglich einer frühzeitigen Prämienauszahlung und einer stärkeren Unterstützung der regionalen Vermarktung. Das sind Vorschläge. Ich denke, auch dazu würde es vielleicht von Herrn Nüssel kritische Worte geben, das mag sein. Deshalb wird es sicherlich erforderlich sein, dass wir uns mit der Frage sehr intensiv auseinandersetzen und das im Ausschuss auch weiter besprechen. Ich glaube, mit diesen beiden Anträgen liegt dafür eine gute Grundlage vor und ich wünsche uns eine gute Beratung. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kummer. Ich frage die AfD-Fraktion, ob jemand das Wort zur Begründung des Antrags wünscht? Nein, das ist nicht der Fall, sodass ich hiermit die Aussprache eröffne und das Wort der Frau Abgeordneten Mühlbauer für die SPD-Fraktion erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Hörer am Livestream, sehr geehrte Zuhörer! „Die Milch macht’s“, kann ich

hier nur sagen. Die vorliegenden Anträge der CDU und der regierungstragenden Fraktionen geben uns heute Gelegenheit, die mediale und politische Aufmerksamkeit auf die aktuellen Probleme der Landwirtschaft zu fokussieren. Die allgegenwärtige Berichterstattung über den Preisverfall für nahezu sämtliche landwirtschaftlichen Erzeugnisse begleitet uns bereits eine Weile. Die Internationale Grüne Woche hat das Thema nochmals in den Fokus der nationalen und internationalen Öffentlichkeit gerückt. In Thüringen haben wir Anfang der Woche den Landwirtschaftsgipfel abgehalten – Frau Ministerin Keller, ich bedanke mich –, auch dort wurden die Probleme erneut auf den Tisch gepackt und dort haben Sie auch Vorschläge mit unterbreitet, die vielleicht ein kleiner Baustein sein können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, woher rühren diese Probleme? Schauen wir uns zuerst den agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung von 2015 an. Da ist zu lesen, dass die Weltkuhmilchproduktion in den letzten 15 Jahren um rund 20 Prozent auf heute 650 Millionen Tonnen pro Jahr gestiegen ist. In den Hauptproduktionsregionen in Europa, den USA und Australien nahm sie auch im Jahr 2014 weiter zu. Es gibt mittlerweile in der Welt einen Angebotsüberhang. Deutschland hat 2014 circa 32,5 Millionen Tonnen Milch produziert und ist damit der größte Produzent in Europa. Von dieser Milch werden 49 Prozent exportiert. Daraus lese ich, dass in Deutschland mehr produziert als verbraucht wird. Verschärft wurde dieses Problem durch das politisch gewollte Russland-Embargo und natürlich auch durch das Ende der Milchquote.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn man nun noch die Besonderheit des Milchmarkts betrachtet, sprich die absolute Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels, die für mich mittlerweile ein Indiz für ein eklatantes Versagen des Markts ist, dann hat man ein rundes Bild. Ich will Ihnen diese Besonderheit auch kurz aufzeigen. Das gegenwärtige System der Lieferund Abnahmebeziehungen im Milchsektor, in dem die Milchviehhalter eine Pflicht zur Andienung ihrer Milch gegenüber den Molkereien haben und zum Zeitpunkt der Anlieferung ihrer Milch nicht wissen, welchen Preis sie letztlich dafür erhalten, ist in meinen Augen ein zutiefst unfaires System.

Sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie gehen ein halbes Jahr lang in den Supermarkt, nehmen die Lebensmittel mit, die Sie brauchen, und dann legen Sie sechs Monate später das Geld, das in ihren Augen angemessen ist, in eine Kasse des gegenseitigen Vertrauens. Sehr geehrte Damen und Herren, so funktioniert das auf dem Milchmarkt, aber so kann es nicht funktionieren und so kann es auch nicht bleiben. Wir reden hier nicht von irgendwelchen technischen Produkten. Wir reden hier von einem Nahrungsmittel, das von Lebewesen erzeugt wird. Die Preise, meine sehr geehr

ten Damen und Herren, sind so weit im Keller, dass mittlerweile circa 10 Cent pro Liter zu wenig erlöst werden. Und dementsprechend ist die Stimmungslage unserer Thüringer Bauern.

Losgelöste Thüringer Lösungen für dieses gravierende Problem sind schwer möglich. Frau Keller hat einen Versuch gestartet. Dementsprechend zielt unser Antrag auch auf die Bundes- und die EUEbene. Aber nicht nur für uns Fachpolitiker ist klar: Was wir von hier aus tun können, das muss getan werden. Ich weiß, dass dieses Thema auch unserem Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee sehr am Herzen liegt, denn die Ernährungsbranche – und das ist unserem Wirtschaftsminister und dem Ministerium sehr wohl bewusst – ist einer der wesentlichen Wirtschaftsfaktoren in Thüringen. Bei uns ist klar, dass Thüringen nicht nur aus Opel, sondern auch aus Landwirtschaft, aus der Ernährungswirtschaft besteht. Genau aus diesem Grund wurde schon vor längerer Zeit das Netzwerk der Ernährungsbranche gegründet. Deswegen ist es ein ressortübergreifendes Problem, das wir annehmen. Ich sehe sowohl das Problem und das Problem-Erkennen in der Staatskanzlei, im Wirtschaftsministerium als auch im Hause von Frau Keller. Wir werden alle federführend unserer Landwirtschaftsministerin unter die Arme greifen, damit wir dieses Problem gemeinsam lösen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen die landwirtschaftlichen Unternehmen und wir haben Ansprüche an die bäuerliche Nutztierhaltung, die regional verträglich, artgerecht und flächengebunden sein soll und eben auch das Tierwohl gewährleisten muss.

Sehr geehrte Damen und Herren, nun bitte ich um Überweisung der Anträge der CDU und unserer regierungskoalitionstragenden Fraktionen an den zuständigen Landwirtschaftsausschuss, damit wir sie dort diskutieren und weiter qualifizieren können. Einstweilen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mühlbauer. Das Wort hat nun Abgeordneter Rudy für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Damen und Herren Abgeordnete, liebe Thüringer auf den Zuschauerrängen und vor den Rechnern! Ein wenig parteipolitisches Geplänkel zuvor: Wenn die CDU sich im Ausschuss verweigert, den AfD-An

(Abg. Mühlbauer)

trag zur Milchwirtschaft mitzutragen, dann ist das unsachlich und wird der Problematik nicht gerecht.

Wir wollten, bevor wir im Plenum darüber reden, die Landesregierung im Ausschuss um Stellungnahme zur Situation der Thüringer Milchwirtschaft bitten, um noch bessere, maßgeschneiderte Problemlösungen für unsere Milchwirtschaft anzubieten. Wir stimmen der Diagnose im CDU-Antrag zu. Es gibt tatsächlich ein Marktungleichgewicht im Lebensmitteleinzelhandel, wenn fünf große Handelskonzerne 85 Prozent und mehr des Markts konzentrieren. Die Milchwirtschaft ist im Nachteil gegenüber so einem Nachfrageoligopol und muss sich Preisforderungen stellen, die einen immer niedrigeren Milchpreis fordern.

Doch die Lage droht noch akuter zu werden. Der Marktanteil dieses Oligopols ist momentan im Wachstum begriffen. Obwohl das Bundeskartellamt die Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka untersagte, hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel sein Veto eingelegt und die weitere Konzentration beider Lebensmittelkonzerne erlaubt. Kaiser‘s hatte 2014 immerhin 2,1 Milliarden Euro Umsatz. Wenn Ihre Bundesregierung sich im Prozess befindet, die Situation der deutschen Landwirtschaft und speziell der Milchindustrie noch zu verschlimmern, indem ein weiterer kleiner Marktteilnehmer von einem großen übernommen wird, dann muss gehandelt werden. Sie sollten den Hörer in die Hand nehmen und die Nummer der CDU-SPDBundesregierung wählen und das verhindern.

(Beifall AfD)

Das Problem steht also fest. Deshalb befürworten wir den Alternativantrag zu kartellrechtlichen Konsequenzen, für die sich die Landesregierung auf EU- und Bundesebene einsetzen muss. Denn so gehen wir an die Wurzel der Probleme. Möglicherweise kann man einen Zusammenschluss zwischen Edeka und Tengelmann doch noch verhindern und auch noch weitere Optionen gegen die Marktmacht des Lebensmitteloligopols finden. Eine größere Vielfalt im Einzelhandel würde den Markt entspannen.

Weitere, auf der Bundesebene verursachte Faktoren sind die Sanktionen gegen die Russische Föderation. Diese führen zu einer doppelten Problematik, denn die Einnahmen aus dem Russlandexport fallen weg. Diese Milch ist auf dem deutschen und europäischen Markt auch noch zusätzlich vorhanden und drückt auf die Marktpreise. Über die Höhe der Auswirkungen auf den Marktpreis lässt sich streiten, aber die psychologischen Auswirkungen auf den Markt sind da. Wir fordern deshalb alle Parteien auf, sich gemeinsam gegen die Fortführung der Russland-Sanktionen einzusetzen und somit zu einer Entlastung des Markts für Milch und die Thüringer Milchwirtschaft beizutragen.

(Beifall AfD)

Diese Sanktionen haben bereits jetzt irreparable Schäden in den Handlungsbeziehungen verursacht und in Russland das Vertrauen zu den deutschen Lieferanten zerstört, ganz abgesehen von den neuen Marktteilnehmern in Russland, die unsere Milch und Milchprodukte ersetzt haben. Wir möchten darüber hinaus dazu anregen, neue Absatzmärkte für die Thüringer Milch zu finden. Man hört, der Wirtschaftsminister würde so manche Reise unternehmen, um neue Märkte für die thüringische Wirtschaft zu erschließen. Da kann er unserer Milchwirtschaft mit ihren 400 Betrieben zusätzlichen Raum bei seinen Gesprächen geben und so tatkräftig zu einem Erhalt von Arbeitsplätzen beitragen.

Ebenso möchten wir die Landesregierung auffordern, weitere Maßnahmen zur besseren regionalen Vermarktung der Thüringer Milch und weiterer landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu ergreifen. In Bayern gibt es ein sehr gutes digitales Verzeichnis aller regionalen Hofläden, Bauernmärkte, Erlebnisbauernhöfe und weiterer regionaler Produzenten. Möglicherweise kann das den Thüringer Bauern als Orientierung dienen, um die Bauern zu einer Zusammenarbeit zu bringen.

Es gibt nicht nur am Absatzmarkt Probleme für die Milchbauern, sondern auch aufseiten der Produktionskosten. Auf der Kostenseite der Milchindustrie stehen hohe Energiepreise, die durch das EEG verursacht werden und somit kurz-, mittel- und langfristig ein großer Nachteil im Wettbewerb gerade mit den großen europäischen Konkurrenten sind. In Frankreich kostete 2013 die Herstellung des Kilogramms Milch je nach Region zwischen 29 und 44 Cent und im Gesamtdurchschnitt 39 Cent. Im Vergleich dazu lagen in Deutschland die Milcherzeugnispreise im Jahr 2013 bei 45,76 Cent und haben sich bis zum Juli 2015 nur um 1 Cent nach unten bewegt. Das sind mehr als 10 Prozent Kostenunterschied pro Kilogramm Milch im Vergleich zu Frankreich. Für die Kollegen: Die Milch wird in Kilogramm gerechnet, was erst mal ungewöhnlich klingt.

Die Strompreise im ersten Quartal 2013 befanden sich in Frankreich bei 14,7 Cent je Kilowattstunde und in Deutschland bei 29,2 Cent. 2015 kostete eine Kilowattstunde in Frankreich 16 Cent, in Großbritannien und den Niederlanden 21 Cent. Das sind die großen Konkurrenten in Europa. In Deutschland kostet der Strom weiterhin rund 30 Cent. Die Ausnahmen vom EEG gelten zwar für Lebensmittelhändler und Agrarhändler, aber nicht für die Produzenten. Die Strompreise sind natürlich nur ein kleiner Pinselstrich im großen Bild. Hier kommen auch Wasserkosten hinzu, die auch ohne die endlich verhinderte Wasserentnahmeabgabe in Thüringen deutschlandweit ganz oben sind. Pro gegebenem Kilogramm Milch braucht eine Kuh 4 bis 5 Liter

Trinkwasser. Hinzu kommen Wasserverbrauch im Melkstand, der Milchvorkühlung und für Reinigungsarbeiten.

Diese Belastungen sind nicht nur exklusiv für den Milchviehhalter, sondern betreffen auch die Thüringer Bürger. Andere Unternehmen leiden auch unter diesen Kosten. Was für die Milchwirtschaft exklusiv ist, sind bürokratische Anforderungen auf EU-Ebene, die sie zwingen, neugeborene Kälber innerhalb von sieben Tagen zu melden. Beim Überschreiten dieser Zahlen drohen Strafen. Dies ist ein Beispiel für verschiedene bürokratische Hürden, für deren Fall sich die Landesregierung einsetzen sollte.

Die Milchwirtschaft ist nicht der einzige Bereich, der momentan so massiv unter Druck geraten ist, auch die Schweinehaltung und der Weizenanbau leiden unter Niedrigpreisen. Deswegen lohnt es sich, der Landwirtschaft gute Voraussetzungen zu bereiten, damit diese sich dem weltweiten Markt stellen kann. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rudy. Als Nächster hat Abgeordneter Primas für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lage auf dem Milchmarkt – sowohl auf dem nationalen, als auch auf dem europäischen und dem Weltmarkt – ist extrem angespannt. Die Schwäche in der Nachfrage, aber auch das Russlandembargo führen in Verbindung mit dem Auslaufen der Quotenregelung nach wie vor zu einem Überangebot an Milch. Das ist die eine Seite der Medaille.

Mit der anderen Seite der Medaille beschäftigt sich unser Antrag. Vier große Handelskonzerne bündeln 85 Prozent des Absatzes bei Molkereiprodukten. Ihnen stehen 149 milchverarbeitende Unternehmen und mehr als 77.000 Milcherzeuger gegenüber. Der Einzelhandel profitiert von dieser Marktmacht in den Preisverhandlungen mit den Molkereien. In der Folge sinken die Auszahlungspreise für die Milcherzeuger. Um hier Abhilfe zu schaffen und die Verhandlungspositionen der Molkereien gegenüber dem Handel zu stärken, halten wir eine Stärkung der Bündelung der Verkaufsmengen in eigenen Kontoren für sinnvoll. Wir haben natürlich bei den Molkereien nachgefragt, Herr Kummer, sie finden den Vorschlag natürlich nicht gut, weil dann ihre Macht, die sie einzeln haben, eingeschränkt wird, das ist logisch. Wir haben aber auch die Landwirte gefragt und die haben das für gut befunden, dass wir dort was machen. Also in dieser zwiespältigen Situation befinden wir uns schon und wir müssen

das auch noch mal zur Kenntnis nehmen, damit die Problematik deutlich wird. Denn letzte Woche hat zum Beispiel Aldi angekündigt, den Preis für die Butter noch mal um 4 Cent zu senken. Dann brauchen wir nicht lange zu warten, wann das bei der Milch ankommt, und dann sind wir noch mal einen Zacken schärfer in der Not. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, wie Herr Malsch das vorhin gesagt hat, in fast allen Ländern diesen Antrag zu stellen, um alle daran zu beteiligen, damit wir diesen Milchkontor deutschlandweit organisieren und ein Stückchen Marktmacht auch dem Einzelhandel gegenüberstellen.

Ein gemeinsames Handeln und Auftreten der Molkereien in den Verhandlungen mit dem Einzelhandel würde tatsächlich den Milcherzeugungskosten der Landwirte besser als in der Vergangenheit Rechnung tragen und die bisherigen Tiefstpreise verhindern. Ziel muss sein, dass die Thüringer Milcherzeuger in eine bessere Marktposition kommen. Das ist ganz wichtig, meine Damen und Herren. Egal, wie man in dieser Frage vorankommt, in erster Linie müssen unsere Milchviehbetriebe profitieren. Das Geld muss bei den Bauern ankommen. Wir fordern deshalb in unserem Antrag die Landesregierung auf, die Initiative zu ergreifen und die Akteure der Milchwirtschaft einzuladen und an einen Tisch zu holen. Es geht konkret darum, die Bereitschaft der Akteure und die kartellrechtlichen Möglichkeiten auszuloten, um durch gemeinsame Vermarktungsplattformen die Angebotsseite in die Lage zu versetzen, mit dem Lebensmitteleinzelhandel auf Augenhöhe zu verhandeln. Das Kartellrecht lässt hier durchaus einen angemessenen Korridor zu.

Nun habe ich gelesen, dass Frau Ministerin Keller einen Gesprächskreis „Milch in Thüringen“ initiieren und alle Marktbeteiligten an einen Tisch holen möchte. Vielen Dank, Birgit, liebe Ministerin,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass Sie unseren Ball aufnehmen und mit der gesamten Branche gemeinsame Lösungsvorschläge entwickeln wollen. Ich freue mich, dass das zustande kommt. Damit ist das Ziel unseres Antrags schon erreicht. So ehrlich bin ich.

Meine Damen und Herren, wir fordern in einem zweiten Schritt, die Zusammenarbeit mit den Länderkollegen zu suchen, um einer Milchvermarktungsplattform zur Gründung zu verhelfen, die sowohl geografisch als auch in Bezug auf die gebündelte Menge ein Schwergewicht bilden kann. Es ist dringend geboten, die Molkereien stärker in die Verantwortung zu nehmen, ihre kartellrechtlichen Möglichkeiten gegenüber dem Einzelhandel auszuschöpfen und so ihrem Auftrag gegenüber ihren Lieferanten und Eigentümern gerecht zu werden und deren Existenz nachhaltig zu sichern. Die Poli

(Abg. Rudy)

tik soll hierzu den Rahmen bieten, die Vertreter der Molkereien und Milchwirtschaft zu Verhandlungen und Gesprächen einzuladen, um einen Impuls zur Lösung der derzeitigen Milchpreiskrise zu geben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist die Zielrichtung. Denn in den von uns geforderten Verhandlungen und Gesprächen gehört es dazu, gemeinsam mit den Akteuren eine mögliche Organisationsstruktur zu erarbeiten und im Bedarfsfall die nötige Anschubfinanzierung bereitzustellen.

Meine Damen und Herren, nicht nur der Deutsche Bauernverband hat die Bildung eines Verkaufskontors im Trinkmilchbereich angeregt. Wir haben auf dem Milchtag auf der Erfurter Messe vor wenigen Wochen vernommen, dass der Thüringer Bauernverband unsere Initiative ausdrücklich unterstützt. Ich denke, Frau Ministerin Keller hat das gehört und ich bin überzeugt, Frau Keller ist da ganz bei uns. Wir haben es vernommen.

Ich möchte aus der Pressemeldung des Ministeriums vom 22.02. kurz zitieren: „Die Landwirtschaft schafft durch die Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Dabei ist die Tierhaltung das Herzstück der Agrarwirtschaft. [...] Wir wollen die regionalen Wertschöpfungsketten stärken. Hierzu gehören Milchbauern, Molkereien, Lebensmittelhandel und Verbraucherinnen und Verbraucher an einen Tisch.“ Recht hat sie, Frau Ministerin. Ich kann nur hoffen, dass die drei Fraktionen, die die Landesregierung tragen, der Frau Keller angehört, Ihre Ministerin, uns die nötige Unterstützung geben und unseren Antrag im Ausschuss weiterberaten.

Für Ihren Alternativantrag sage ich zu, dass wir ihn gern an den Ausschuss mit überweisen. Ich freue mich sehr, dass in der Regierungskoalition offenbar wieder Vernunft Einzug gehalten hat oder meinetwegen auch die Grünen an die kürzere Leine genommen werden.