Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

(Beifall AfD)

Erstens dient das Asylrecht nicht der Nachwuchsbeschaffung, die übrigens auch die Wirtschaft sträflich verschlafen hat. Zweitens bestreiten wir, dass die häufig bildungsfernen und unserer Sprache nicht mächtigen Zuwanderer – illegalen Zuwanderer häufig sogar – mit akzeptablem Aufwand und Erfolg in unseren Arbeitsmarkt überhaupt integriert werden können. Für anders lautende Behauptungen gibt es keinen Beleg. Die Landesregierung musste mittlerweile offenlegen, dass es zu dieser Frage nicht mal Statistiken gibt.

Wenn ich höre, dass man Qualifikationen von Asylbewerbern mit Talentkarten erfassen will und man den Einstieg in die berufliche Qualifizierung von Migranten mit dem Sprachniveau B 1 erreichen möchte, dann bekomme ich eine ungefähre Ahnung, wo wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode mit der

Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt hinkommen.

Klar ist für uns, Sie werden den Antrag, den wir gestellt haben, ignorieren. Aber ich kann Ihnen versprechen: Mit unseren Forderungen und Argumenten werden wir nicht nur die Bürger in unserem Land weiter ansprechen, wir werden Ihnen auch weiterhin auf den Senkel gehen, solange, bis Sie entweder nicht mehr anders können und sich unwillig oder willig in Bewegung setzen oder – was wahrscheinlicher ist – bis Sie abgewählt werden. Danke schön.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordnete Rothe-Beinlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses arrogante Möchtegern-Herrenmenschen-Gehabe, was wir seit einigen Monaten wahlweise auf Straßen und Plätzen

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Herren- und Frauenmenschen muss es heißen!)

oder eben auch hier am Pult erleben müssen, spottet wirklich jeglicher Beschreibung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Gefährliche daran ist, dass niedrigste Instinkte bedient werden,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nur bei Ih- nen!)

dass damit Neid und Missgunst geschürt werden, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ihre Fantasie möchte ich haben!)

und dass Sie sich offenkundig auch nicht scheuen, sich zulasten derjenigen, die mit Kindern auf tödlichen Fluchtrouten unterwegs sind, hier lächerlich zu machen, Sie von der AfD. Ich schäme mich immer wieder, wenn ich Sie hier hören muss, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Für uns?)

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Sie müssen sich schämen, nur aus anderem Grund!)

Bereits im Januar haben wir hier im Landtag sehr ausführlich darüber gesprochen, dass sich die Landesregierung selbstverständlich an Recht und Gesetz hält. Deshalb braucht es auch keine Berichterstattung, da war die Landesregierung sehr konse

quent. Im Übrigen berichtet Minister Lauinger auch in jeder Ausschusssitzung im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz über die aktuelle Situation im Asylbereich und hat es auch in den letzten Wochen immer wieder getan. Ein Informationsdefizit – auch über die Umsetzung von Bundesgesetzen – gibt es also mitnichten.

Zu den Forderungen, die Sie aufgeführt haben, und da insbesondere auch zur Problematik der sogenannten Obergrenze: Die Anzahl der Asylsuchenden, die hier bei uns ankommen – das muss man ja immer noch hinzufügen, es sind nach wie vor Tausende von Menschen auf der Flucht –, ist aufgrund der Schließung der Balkanroute und durch den dreckigen Deal der EU mit der Türkei stark zurückgegangen.

(Beifall AfD)

Dennoch hält die AfD ihre Forderung nach einer Obergrenze aufrecht, wie man an diesem völlig veralteten und menschenverachtenden Antrag sehen kann. Es bleibt erneut zu betonen, dass eine solche Obergrenze dem individuellen Grundrecht auf Asyl widerspricht, was Sie ja abschaffen wollen, das haben wir verstanden, und mit internationalem europäischen Recht mitnichten vereinbar ist.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sie haben gar nichts verstanden!)

Eine Obergrenze ist ganz klar verfassungswidrig. Vielleicht sollte man Ihnen, den Befürwortern einer Obergrenze, mal ein Grundgesetz, und zwar auf Deutsch, schenken, vielleicht führt das zu einem Umdenken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da können Sie nachlesen, was das Grundrecht auf Asyl bedeutet. Abgesehen von der Frage der Umsetzung solcher Obergrenzen haben derartige Forderungen schlimme Folgen für die Betroffenen, für die Asylsuchenden. Die Menschen warten nämlich dann nicht mehr ab, bis der Winter vorbei und die See wieder ruhiger ist. Nein, sie versuchen, so schnell wie möglich und vor Erreichen der sogenannten Obergrenze anzukommen, was wiederum die Gefahr tödlicher Bootskatastrophen erhöht. Ich erinnere nur an die Zahl: Etwa 500 Menschen, über die wird gerade gesprochen, sind vermutlich in den letzten Tagen im Mittelmeer ertrunken. Wie Sie sich angesichts derartiger Tragödien dann hier derart aufführen und auf dem Rücken dieser Menschen Politik machen können, das müssen Sie von der AfD für sich selbst verantworten.

Nun zu Ihrer Forderung nach der Einschränkung des Familiennachzugs: Sie wollen diesen für anerkannte Asylsuchende massiv einschränken, indem die Voraussetzungen für die Beantragung des Familiennachzugs verschärft werden, so durch die Maßgabe des erfolgreichen Asylantrags durch Ver

(Abg. Möller)

wandte ersten Grades, die konkrete Aussicht auf dauerhaftes Aufenthaltsrecht binnen eines Jahres und keine Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Diese Forderungen von Ihnen entstammen einer Zeit, als die Große Koalition im Bund über das sogenannte Asylpaket II diskutierte und im Zuge dessen den Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre ausgesetzt hat. Ich sage das hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Wir halten das für eine fatale Entscheidung und eine riesengroße Fehlentscheidung der Großen Koalition. Auch die Forderung der AfD nach einer weiteren Verschärfung des Familiennachzugs ist voll und ganz abzulehnen.

Gern behaupten Sie ja, dass Hunderttausende bis Millionen Personen dank des Familiennachzugs nach Deutschland nachreisen würden. Wenn Sie sich allerdings die Zahlen einmal anschauen, werden Sie merken, dass dies einer kritischen Betrachtung mitnichten standhält. Die Anfrage der GrünenBundestagsfraktion hat beispielsweise ergeben, dass im Zeitraum 2014 und 2015 nur etwa 18.400 Personen zu hier anerkannten syrischen Flüchtlingen nachgereist sind. Auch bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen lässt sich feststellen, dass das Elternnachzugsrecht nach der Anerkennung kaum genutzt wurde. In den ersten elf Monaten des Jahres 2015 wurden lediglich 442 Visa zwecks Elternnachzugs erteilt.

Ich will aber noch einmal deutlich machen, gerade unbegleitete Minderjährige gehören zu den schutzbedürftigsten Menschen. Es sind Kinder und Jugendliche und wie Sie hier über diese reden, ist beschämend. Diese Kinder und Jugendlichen haben jede Anerkennung und jede Unterstützung verdient. Kinderrechte kennen zum Glück keine Grenzen, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahlen machen jedenfalls deutlich, dass nur wenige Personen tatsächlich im Rahmen des bestehenden Familiennachzugs nachreisen. Allerdings sind die Gründe dafür vielfältig. Zum einen dauern die Asylverfahren noch immer lange, manche Geflüchtete warten über ein Jahr auf Anerkennung und es gibt deutschlandweit noch immer etwa eine halbe Million Menschen, die bisher keinen Asylantrag stellen konnten. Uns wurde im Ausschuss berichtet, dass es in Thüringen etwa 10.000 sind. Erst im Anschluss kann eine Familienzusammenführung überhaupt beantragt werden. Hierzu braucht es wiederum einen Termin bei einer deutschen Botschaft. Auch darauf wartet man oft lange. Je nach Botschaft dauert es zwischen drei und zehn Monaten.

Den Familiennachzug gibt es in der Praxis besonders deshalb so wenig, weil er bereits viel zu stark reglementiert ist. Wird dieser weiter verschärft, ver

suchen die Menschen auf gefährlichen Wegen nach Deutschland zu kommen, um wieder – und das ist, meine ich, völlig nachvollziehbar – mit ihren Familien zusammenleben zu können. Laut dem UNHCR hat sich der Anteil der flüchtenden Frauen und Kinder, die mit dem Boot nach Griechenland kommen, Anfang 2016 auf über 50 Prozent erhöht. Auch dies ist eine Folge der bestehenden Beschränkungen. Die Menschen riskieren die Überfahrt, da sie den regulären Wegen nach Europa nicht vertrauen können.

Ich sage Ihnen, was wir brauchen. Was wir brauchen, das sind endlich sichere und legale Fluchtwege für die Betroffenen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen weiterhin, für die Geflüchteten ist die Familie ein ganz wichtiger Integrationsfaktor. Die Abwesenheit von Eltern, von Ehepartnern, von Kindern destabilisiert die Menschen und behindert das Ankommen und natürlich auch die Integration. Wer hier in ständiger Angst um die Nachkommenden und um die Angehörigen lebt, hat es sehr schwer, sich auf die neuen Herausforderungen der Integration einzulassen. Im Gegensatz zur Bundesregierung ist für uns Grüne das Recht auf Familiennachzug gerade der Schlüssel zur Integration. Wer hierbleibt, muss schnellstmöglich seine Familie nachholen können. Wer keine Angst mehr um seine Lieben haben muss, der hat viel mehr Möglichkeiten, sich zu integrieren, sei es in der Schule, in der Ausbildung oder auch am Arbeitsmarkt. Übrigens waren auch die Familien aufgrund der Flucht ohne die neuen geplanten Wartefristen oftmals lange, viel zu lange getrennt. Hinzu kommt, wie gesagt, mit der Einschränkung des Familiennachzugs werden ganze Familien, Frauen und Kinder auf lebensgefährliche Fluchtrouten gezwungen.

Nun noch zur Streichung des Anspruchs auf Erteilung einer befristeten Niederlassungserlaubnis für Ausländerinnen und Ausländer, die seit mehreren Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Wer eine Niederlassungserlaubnis besitzt, darf für eine unbefristete Zeit hier leben und arbeiten. Wir meinen, es ist vollkommen richtig, dass, wenn Asylsuchende bereits drei Jahre lang in Deutschland leben und ihre Asylgründe entsprechend weiter vorliegen, sie dann auch dauerhaft eine Perspektive durch eine Niederlassungserlaubnis erhalten können. Die Niederlassungserlaubnis ist ein gutes Instrument, da es den Aufenthalt der Menschen am stärksten verfestigt und sichert und mit ihr ein besonderer Ausweisungsschutz verbunden ist.

Nun noch zu Ihrer typischen Forderung, die Asylsuchenden ausschließlich mit Sachleistungen zu versorgen. Auch dazu haben wir hier bereits mehrfach diskutiert. Wir lehnen dies definitiv ab. Thüringen

nutzt seinen Ermessensspielraum vollkommen zu Recht, indem sich das Land dafür entschieden hat, das Taschengeld selbstverständlich bar auszuzahlen. Die Forderung, nur noch Sachleistungen auszugeben, zeugt von nichts anderem als von einer diskriminierenden Attitüde der AfD, übrigens leider auch von anderen Konservativen. Wir sind froh, dass die Landesregierung sehr genau darauf achtet, den Verwaltungsaufwand in einem vertretbaren Maß zu halten. Diesen Spielraum gibt das Asylbewerberleistungsgesetz den Ländern ganz ausdrücklich. Sie können es gern nachlesen in § 3 Abs. 1 Satz 4, da heißt es: „Soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, sollen diese durch Sachleistungen gedeckt werden.“ Ihre Forderung nach Sachleistungen ist absolut abzulehnen und auf die anderen Punkte will ich gar nicht weiter eingehen.

Die Forderungen des AfD-Antrags gehen vollkommen an der Realität vorbei, gehen in die falsche Richtung und dienen lediglich dazu, Ressentiments zu bedienen. Das entspricht nicht den Prinzipien

(Beifall DIE LINKE)

einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik, denen wir uns als rot-rot-grüne Landesregierung verschrieben haben.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Gedanken vortragen. Da wir hier vorhin hören mussten, wie sich Griechenland und die Türkei – Sie nannten es – mit Schutzgeldern quasi finanzieren. Wer die Situation in Idomeni kennt oder auch in den Lagern, in denen Flüchtlinge jetzt in der Türkei untergebracht sind, die menschenunwürdigen Bedingungen dort, der sollte vielleicht mal darüber nachdenken, ob es so richtig ist, dass in Thüringen beispielsweise im Moment 5.000 Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die wir geschaffen hatten, leer stehen. Ich will dies nur als Gedankenanstoß verstanden wissen. Ich glaube, jeder, dem die Menschlichkeit am Herzen liegt, tut alles dafür, um den Menschen zu helfen, die gerade unter unmenschlichen Bedingungen und unter einer unmenschlichen Flüchtlingspolitik leiden müssen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Abgeordneter Gentele, fraktionslos.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Von der Fa- milienpartei!)

(Zwischenruf Abg. Gentele, fraktionslos: Ja, genau, von der Familienpartei! Ganz richtig erkannt!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, vor uns liegt ein Antrag in der Drucksache 6/1645 der AfD, Thema „Wirksame Maßnahmen gegen die Asylkrise ergreifen“. Ein Antrag, der einzig und allein wieder darauf abzielt, keine wahrhaftigen Lösungen für unseren Freistaat zu finden und zu erörtern. Nein, es geht nur weiter darum, Ängste und Hass zu schüren. Ich gehe auf einzelne Punkte ein.