Protokoll der Sitzung vom 22.04.2016

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schließen Sie nicht immer von sich auf andere!)

nämlich gegen diesen Unsinn! Danke schön.

(Beifall AfD)

Danke schön. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Marx für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Brandner hat sich ja weniger dem Thema angenähert als dem gestern schon zitierten Poster der Kollegin Herold, als er die Lobbyverbände hier kritisiert hat und vom Mästen gesprochen hat und der klammheimlichen Unterstützung überflüssiger Indoktrinationsversuche. Ich habe jetzt eigentlich nur noch darauf gewartet, dass das Wort „verfettet“ auch von Ihnen benutzt wird. Ja – und deswegen, da sind wir doch eigentlich auch ein bisschen an der Sache von gestern. Es kommt da nicht darauf an, in welcher Sprache man spricht, sondern es kommt immer darauf an, was und wie es gesagt wird, und das ist bei Ihnen ja schon ziemlich bezeichnend.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier um Ehrenamtler, es geht um Ehrenamtsförderung, es geht um Leute, die sich sehr viel Zeit ans Bein und die Backe hängen, um an solchen Gerichtsverfahren verantwortlich mitzuwirken, und das wird in einer zunehmend komplexeren Rechtsordnung eben auch schwieriger. Es ist ja nun nichts Neues, was wir hier noch einmal unterstützen wollen, sondern bereits von 2010 bis 2013 gab es eine entsprechende Förderung auf Grundlage einer Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums, damals hieß es TJM.

Seit Auslaufen der Verwaltungsvorschrift vergab man nur noch Lottomittel. Es geht ja nicht nur um den DGB oder andere Arbeitnehmereinrichtungen, es geht auch um die IHK. Das sind typische Verbände, die in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit ehrenamtliche Richterinnen und Richter stellen.

Dann haben Sie sich ja auch im Kreis gedreht. Sie haben auf der einen Seite gesagt, das sind diese Lobbyverbände, an die darf man überhaupt kein Geld geben – siehe Herold – und auf der anderen Seite haben Sie gesagt: Wir wollen jetzt wieder Gelder für staatliche Indoktrination freimachen. Also es geht dann wahrscheinlich nur eines von beiden, aber es ist sowieso dann interessant, wie Sie eigentlich bei jedem Thema, egal worum es hier in

(Abg. Brandner)

diesem Hause geht, am Ende immer auf die schlimme Weisheit zurückkommen: Keiner liebt mich – oh! Wir sind aber auch nicht so richtig traurig darüber.

(Beifall DIE LINKE)

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter haben nicht nur eine hohe zeitliche Belastung, sondern auch eine hohe inhaltliche Verantwortung. Sie haben neben den Berufsrichtern ein gleiches Stimmrecht. In einer streitigen mündlichen Verhandlung ist das Gericht nur mit Anwesenheit von ehrenamtlichen Richtern und Richterinnen ordnungsgemäß besetzt. Der Sinn der Beteiligung ist natürlich, dass die im Arbeitsleben erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in die Urteilsfindung einfließen sollen, die Praxisnähe. Dabei wird eine spezifische fachliche oder persönliche Eignung natürlich vorausgesetzt. Aber es hilft mir alles nicht, wenn ich zwar meine persönliche Sachkunde habe, aber die Rechtsgebiete, in denen ich unterstützend tätig werden kann, nicht ansatzweise kenne. Dafür halten wir die Fortbildung, die sich auch diese Verbände wünschen, für notwendig. Das ist anders als zum Beispiel bei Schöffen in der Strafgerichtsbarkeit. Da gilt das Mündlichkeitsprinzip in der Verhandlung sehr stark und da soll Lebenserfahrung und Menschenverstand das sozusagen aktuell bewerten, was dort von den Beteiligten vorgetragen wird.

In dem Sinne halten wir es natürlich für wichtig und richtig, dass wir diesen Antrag hier eingebracht haben, sonst hätten wir es auch nicht gemacht. Deshalb wollen wir insbesondere für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit hier wieder eine verbindliche Förderung vorsehen und natürlich wollen wir im Ausschuss auch gern noch weitere Möglichkeiten der Förderung diskutieren. Insofern bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag und dessen Überweisung an den zuständigen Ausschuss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Marx. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Berninger für die Fraktion Die Linke das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrter Herr Präsident, man mag es als Privileg bezeichnen, wenn beispielsweise der Deutsche Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen oder der Verband der Wirtschaft Thüringen e. V. das Vorschlagsrecht für ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit haben. Ich halte schon das für

eine verantwortungsvolle gesellschaftliche Funktion, die in dieser Vorschlagsberechtigung liegt.

Es geht bei der Arbeit, die ehrenamtliche Richterinnen und Richter ausführen, nicht darum, die Interessen der vorschlagsberechtigten Organisationen zu erfüllen und zu vertreten, es geht um die Interessen der Rechtsuchenden in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Was der Abgeordnete Brandner hier vorgetragen hat, offenbart nicht nur ein fragwürdiges Verständnis, sondern gar kein Verständnis unseres Rechtssystems und beispielsweise des Artikels 86 der Thüringer Verfassung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir haben uns in unserem Antrag auf die schon erwähnte Verwaltungsvorschrift – ich zitiere mal den vollständigen Titel – „Gewährung von Zuwendungen für die Fortbildung von ehrenamtlichen Richtern der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit – Verwaltungsvorschrift des Thüringer Justizministeriums vom 3. Mai 2010“ – bezogen.

Frau Rothe-Beinlich hat schon angekündigt, dass wir sowohl den Antrag als auch den Alternativantrag der CDU-Fraktion gern im Ausschuss diskutieren wollen. Ich bin gespannt auf die Argumente der CDU, warum sich plötzlich nicht mehr nur auf die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit beschränkt werden soll, sondern auch auf die anderen Gerichtszweige. Vielleicht können wir in Hessen nachfragen, dort wurde im März 2015 ebenfalls eine Verwaltungsvorschrift – dort wird es „Erlass“ genannt – verabschiedet, ebenfalls für die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit.

Ich will mal versuchen zu begründen, warum wir uns auf diese beiden Gerichtszweige beschränkt haben. Es sind in Thüringen ungefähr 700 ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit tätig und etwa 500 in der Sozialgerichtsbarkeit. Es ist nicht nur wichtig für einen ehrenamtlichen Richter oder eine ehrenamtliche Richterin zu wissen, dass es ein Sozialgesetzbuch gibt, oder zu wissen, welche rechtlichen Regelungen im Arbeitsrecht gelten, sondern das sind zwei Rechtsmaterien, in denen es immer wieder, manchmal sehr grundsätzliche Veränderungen und Fortentwicklungen der jeweiligen Gesetze gibt.

Ich will mal ein paar Änderungen aufzählen, die 2016 in diesen beiden Rechtsmaterien auftreten. Sie wissen ja, in 18 Branchen gelten Mindestlöhne, die die Bundesregierung für allgemeinverbindlich erklärt hat. Seit 01.01.2016 gibt es neue Mindestlohnverordnungen, beispielsweise für die Branche der Dachdecker und in der Aus- und Weiterbildungsbranche. Die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld hat sich verlängert. Es gibt einen neuen Umlagesatz für das Insolvenzgeld. Die Sonderrege

(Abg. Marx)

lungen zum Arbeitslosengeld für überwiegend kurz befristete Beschäftigte sind verlängert worden. Mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz wurde ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt und es gibt jetzt fünf Pflegegrade anstelle der bisher drei Pflegestufen.

Zum Schluss will ich noch die Anpassungen des Kindergelds, der Regelsätze zum Arbeitslosengeld II und der Mietzuschüsse, beispielsweise für Haushalte mit geringem Einkommen, erwähnen. Das ist nur eine Auswahl der Änderungen, die in diesem Jahr in Kraft treten. Sie wissen, was das SGB angeht, hat es in den vergangenen Jahren und wird es auch noch weiterhin viele Änderungen geben. Es geht nicht darum, eine Einführungsveranstaltung für ehrenamtliche Richterinnen und Richter beispielsweise zu machen, oder – wie die CDU es in der Begründung ihres Antrags geschrieben hat – um die Vermittlung von Informationen über Status, Rechte und Pflichten, über die Prinzipien des jeweiligen Verfahrens und des materiellen Rechts. Es geht darum, den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern die Möglichkeit zu geben, sich über Fortentwicklungen und Veränderungen des materiellen Rechts zu informieren, fortzubilden, auszutauschen – nicht mehr und nicht weniger.

Ich bin sehr gespannt auf die Debatte mit Ihnen, Herr Scherer, im Ausschuss. Und darauf, was am Ende für ein Antrag oder Entschluss dabei rauskommt, bin ich auch gespannt. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann das jetzt relativ kurzhalten und mich den Worten von Sabine Berninger rundweg anschließen. Ich hatte, ehrlich gesagt, den Eindruck, als Herr Brandner hier einmal mehr am Pult stand, dass es ihm mehr um die Diskreditierung von der AfD missliebigen Vereinen und Verbänden geht, als sich tatsächlich mit der Thematik zu befassen. Sabine Berninger hat es angesprochen: Wir haben eine Sozialgesetzgebung, die ist bundeseinheitlich, und aus der Sozialgesetzgebung und auch aus der Arbeitsgesetzgebung geht hervor, welche Personenkreise, welche Institutionen etc. berechtigt sind, ehrenamtliche Richterinnen und Richter zu entsenden. Es handelt sich dabei in der Tat nicht nur um ein zeitaufwendiges Ehrenamt, sondern um eine überaus wichtige Arbeit, die diese

Menschen in ihrer Freizeit wahrnehmen, eine verantwortungsvolle Tätigkeit. Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen, auch in Thüringen, Dank aussprechen, die sich dieser Aufgabe stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir konnten im Übrigen erst unlängst in den Thüringer Zeitungen nachlesen, dass viele Schöffinnen und Schöffen die Arbeitszeit, die sie aufgrund der Übernahme dieses Ehrenamts versäumen, nacharbeiten müssen, dass sie also in jeder Hinsicht quasi vieles extra noch mitbringen müssen. Das verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre bei der AfD fast schon üblichen und mantraartigen Diskreditierungen von Vereinen wie Gewerkschaften oder aber auch dem Verband der Wirtschaft gehören offenkundig zur Folklore, die Sie hier am Pult immer wieder betreiben. Sie zeigen aber auch sinnbildlich, dass es Ihnen eben nicht annähernd um die parlamentarische Arbeit geht.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich möchte hier noch einmal herausstellen: Wir ringen tatsächlich darum, bestmögliche Bedingungen auch und gerade im Ehrenamt zu schaffen – meine Kollegin Sabine Berninger hat es ausgeführt –, und es gibt mir schon zu denken, wenn jemand, der sagt, Jura studiert zu haben, offenkundig die Verfassung nicht kennt; Artikel 86, Sechster Abschnitt: Die Rechtspflege. Denn da ist deutlich benannt, wer genau in diesem Bereich tätig wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch das ist hier schon gesagt worden, viele Länder haben entsprechende Richtlinien erlassen. Es ist gerade die Richtlinie aus Hessen schon benannt worden, wir haben aber auch entsprechende Richtlinien beispielsweise in Rheinland-Pfalz oder in Niedersachsen. Uns geht es in der Tat um eine Diskussion miteinander, wie wir die Finanzierung künftig gestalten können, um den ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern gerade in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, wo sich doch immer wieder vieles ändert – Sabine Berninger ist auf die Änderungen im Jahr 2016 bereits eingegangen –, auch die Möglichkeit zu geben, „tatsächlich“ die neuesten Änderungen nachvollziehen und deshalb auch sachgemäß entscheiden zu können. Dass sie dafür kein Jurastudium brauchen, erschließt sich von selbst, sonst wären sie ja keine ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

Ich hatte es vorhin schon erwähnt: Uns ist ein Schreiben der Vertretung der Schöffinnen und Schöffen zugegangen, und die Fraktion der CDU hat dieses mit zum Anlass genommen, denke ich,

(Abg. Berninger)

für ihren Antrag, den sie hier eingebracht hat. Wir freuen uns auf eine konstruktive Debatte im Ausschuss. Es geht nicht darum, irgendwelche Lobbyvereine zu unterstützen, sondern die wichtige Arbeit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter auch in der Form von Landesseite zu unterstützen, dass ihre Aus- und Fortbildung gewährleistet ist. Deswegen werben wir noch einmal für die Überweisung an den Ausschuss. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster hat Herr Abgeordneter Scherer für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war eigentlich der Meinung, dass man bei dem Antrag hier in 5 Minuten fertig ist, weil man dann im Ausschuss darüber reden kann. Wir hätten uns auch viel Lebenszeit erspart, wenn der Herr Brandner hier nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie müssen Ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, Herr Scherer!)

Aber eigentlich ist es ganz einfach: Es sollen hier ehrenamtliche Richter gefördert werden, nach den Vorstellungen der Regierungskoalition nur die aus der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Nach unserer Vorstellung ist es notwendig, wenn man das schon macht, alle ehrenamtlichen Richter in einer bestimmten Art und Weise fortzubilden, und das verstehe ich eben anders als die Regierungskoalition. Wir wollen hier keine „Richter Light“ ausbilden, das wäre der falsche Ansatzpunkt,

(Beifall AfD)

sondern es ist genau das, was in unserem Antrag steht: die Vermittlung von Informationen über Status, Rechte und Pflichten, über die Prinzipien, also über die Grundprinzipien des jeweiligen Verfahrens und des materiellen Rechts – mehr nicht. Darauf haben aus meiner Sicht alle Schöffen einen Anspruch, auch die Schöffen der Strafgerichtsbarkeit, im Übrigen auch die Schöffen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, das ist sicher genauso kompliziert, wenn man schon auf die Komplexität abstellt, wie Sozialgerichtssachen oder Arbeitsgerichtssachen. Auch die ehrenamtlichen Richter in der Finanzgerichtsbarkeit haben dann einen Anspruch und dem sollte man folgen. Deshalb sollte man, wenn man Fortbildung fördert, sie für alle Schöffen fördern.