Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

E-Government ist ein Instrument, was vorrangig die elektronische Unterstützung des Verwaltungshandelns fokussiert. Also E-Government ist eine Teilmenge des Open Governments.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Sei- te 62, 63, 64, 68 und 103!)

Sie brauchen hier nichts zu zitieren. Wikipedia zu zitieren ist übrigens höchst unprofessionell.

(Beifall AfD)

Open Government hingegen fordert einen Kulturwandel, der auch landläufig als offene Staatskunst bezeichnet wird. Das heißt, ein E-Government, eine funktionierende Infrastruktur, eine funktionierende digitale Infrastruktur ist die Voraussetzung für Open Government.

Zum Thema „Finanzen“: Die Flickschusterei, die die Landesregierung in den letzten Jahren bei der Herstellung digitaler Infrastruktur betrieben hat, ist ein größeres Finanzdesaster als jetzt mal ein paar Euro in die Hand zu nehmen,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt haben wir ja eine an- dere Regierung!)

um dieses Thema Open Government allumfänglich zu beleuchten.

Vielleicht für alle hier im Saal: Thüringen steht beim Thema „Digitalisierungsstrategie“ hintenan. Es gibt im Vergleich zu allen anderen Bundesländern noch nicht einmal einen Chief Information Officer. Mit Open-Government-Konzepten kann den sich vergrößernden Entfernungen zwischen Rathaus und Bürger bei einer Gebietsreform auch wirkungsvoll begegnet werden. Das sollte man hier nicht unerwähnt lassen. Auch vor dem Hintergrund des aufzustellenden Landeshaushalts ist es wichtig, konkrete Umsetzungsmaßnahmen mit zeitlich fixierten Meilensteinen zu definieren und die gegebenenfalls auch Initialkosten vorab zu berücksichtigen. Genau dieses Strategiepapier der Landesregierung enthält keine fixierten Meilensteine. Das sind nur Willensbekundungen.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Die al- te Landesregierung. Ich erkläre es Ihnen nicht noch mal!)

(Abg. König)

Mit der Enquetekommission soll ein Arbeitsgremium geschaffen werden, um diese Willensbekundungen auch umzusetzen. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krumpe. Wir haben keine weiteren Wortmeldungen für die Aussprache. Gibt es seitens der Landesregierung den Wunsch? Das sehe ich auch nicht, sodass wir zur Abstimmung kommen. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden. Wir kommen also zur Abstimmung über den Antrag selbst. Ich frage: Wer für den Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/ 106 – Neufassung – ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Stimmen aus der AfD-Fraktion. Vielen Dank. Gegenstimmen? Aus den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Mindestlohnregelung unbürokratischer gestalten Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/135

Ich frage: Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Ina Leukefeld von der Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir haben einen Antrag der CDU-Fraktion vorliegen. Ich hatte zwar gedacht, dass Sie vielleicht doch noch etwas zur Begründung und zur Einbringung sagen, aber Sie werden dann noch reden. „Mindestlohn unbürokratischer gestalten“: Da will ich zumindest am Anfang sagen, wir sind sehr froh, dass es den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn seit dem 01.01.2015 gibt. Das war ein langer Weg, aber jetzt ist es auch im Vergleich zu 21 anderen europäischen Ländern gelungen, in Deutschland diesen Mindestlohn gesetzlich und verbindlich für fast alle einzuführen. Es hat nicht ganz unseren Intentionen entsprochen. Sie wissen, wir wollten keine Ausnahmen, wir wollten einen Mindestlohn von 10 Euro und wir wollen eine Lohnpolitik, die generell darauf ausgerichtet ist, dass Menschen ohne soziale Transferleistung von ihrer Hände Arbeit leben können. Aber es ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt und das sollte auch durch gar nichts verwässert werden, denn wir wissen, Thüringen ist immer noch ein Niedriglohnland, prekäre Beschäftigung betrifft 34 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Löhne von 3,50 Euro sind keine Seltenheit.

Wir wissen auch – das ist hier oft diskutiert worden –, dass ein Drittel aller erwerbsfähigen HartzIV-Empfänger Aufstocker sind, das heißt, trotz Arbeit sind sie abhängig von sozialen Leistungen.

So wurde heute zum Beispiel auch gesagt – das kann noch einmal nachgelesen werden im TA-Interview mit der Sozialministerin Frau Werner –, dass gerade Mindestlohn gut geeignet ist, Armut zu verhindern, Kaufkraft zu befördern und auch Fachkräfte anzuheuern, wobei natürlich der Mindestlohn nur das untere Level sein kann, die untere Schiene, die eingezogen wurde und wir natürlich für tarifgerechte und faire Entlohnung in allen Bereichen stehen und das auch weiter befördern wollen.

Wenn das Gesetz jetzt greift – so ist es im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft auch ausgeführt worden –, werden 24 Prozent aller Thüringer Beschäftigten davon profitieren. Der DGB, der auch eine Mindestlohn-Hotline eingerichtet hat, die gut angenommen wird, hat das noch etwas differenzierter gesagt: Es wird 17,6 Prozent der Vollbeschäftigten betreffen, die davon profitieren, 130.000 Teilzeitbeschäftigte und 83.000 Menschen in Minijobs, die damit mehr in der Tasche haben und letztendlich auch mehr ausgeben können. Wenn man sich das noch mal geschlechterspezifisch anschaut, betrifft es vor allen Dingen Frauen, nämlich fast 26 Prozent der Frauen im Niedriglohnbereich, die davon profitieren, und 12,6 Prozent der Männer. Es wird direkte Zugewinne durch den Mindestlohn geben.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen von der CDU, ja, es ist richtig, dass damit natürlich auch mit diesem Bundesgesetz – es ist kein Landesgesetz, es ist ein Bundesgesetz – Bedingungen geschaffen werden mussten, um die Einführung und Umsetzung des Mindestlohns zu kontrollieren. Auch wir – das kann ich Ihnen sagen, auch aus vielen Gesprächen – wollen keine überdimensionierte Bürokratisierung. Das ist wohl richtig. Aber wir brauchen so viel, wie nötig ist, eine entsprechende Kontrolle bei Umgehung oder Aushöhlung des Mindestlohns, bei den Versuchen, die es jetzt schon gibt, den Mindestlohn tatsächlich nicht zahlen zu müssen oder durch überdurchschnittliche Arbeitsbelastung zu unterlaufen, da das kontrolliert und letztendlich auch beseitigt werden muss.

Jetzt, verehrte Kollegen, im Thüringer Landtag hier einen Antrag einzubringen, der auf ein Bundesgesetz zielt, welches von der CDU federführend mit zu verantworten ist – entschuldigen Sie bitte, eine gewisse Ironie kann ich da nicht ganz verbergen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Koalitionsklima scheint da auch nicht ganz besonders gut ausgeprägt zu sein. Die CDU, das wissen wir, hat sich schon immer mit vielen Argumen

(Abg. Krumpe)

ten bemüht gehabt, die Einführung eines Mindestlohns zu blockieren. Als ich gestern, verehrter Herr Abgeordneter Wirkner, Ihren Beitrag gehört habe, habe ich mir gleich an den Rand geschrieben: Arbeit erhalten, Arbeit schaffen, Arbeit gut entlohnen. Da sehe ich also eine gewisse Nähe und das sagt zumindest auch der erste Halbsatz bei Ihnen, dass wir schon gemeinsam daran arbeiten wollen, diesen Mindestlohn zum Erfolg zu führen, wirksam zu machen. Wir werden uns dann natürlich dafür einsetzen, sehr schnell zu einer Erhöhung des Mindestlohns zu kommen. Das ist vereinbart, dass da die Tarifpartner eine entsprechende Rolle spielen, die ihnen auch zukommt.

Herr Wirkner, dann vielleicht noch!

Entbürokratisierung darf nicht bedeuten, dass am Ende Kontrolle von Verstößen unmöglich wird. Deswegen, sage ich einmal, muss auch kontrolliert werden, weil die Beispiele in der Praxis das schon zeigen; ich hatte es schon versucht anzudeuten. Gerade im Reinigungsgewerbe kann ich Ihnen sagen, dass also die Flächen und die Arbeitszeiten total verändert wurden, und die Bitte ist – das war gestern auch Thema mit der Vergabepraxis –, dass natürlich der öffentliche Dienst bemüht ist, einmal zu gucken, wie das jetzt real aussieht, gerade im öffentlichen Dienst, bei wem man auch Einfluss darauf hat. Ich will die Möglichkeit nutzen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sagen: Ihr müsst für eure Rechte und für den Erhalt des Mindestlohns eintreten und ihr müsst selber einen Beitrag leisten, damit ihr ihn natürlich auch erhaltet.

Was kann man also jetzt tun? Entbürokratisierung, das will ich nur am Rande sagen, wäre ja auch eine Möglichkeit, wenn man die zahlreichen Ausnahmen beim Mindestlohn abschaffen würde.

(Beifall DIE LINKE)

Da wäre es auch ein bisschen einfacher, das für alle – so, wie wir das auch wollen – durchzusetzen, also beispielsweise wenn Langzeitarbeitslose oder Menschen unter 18 Jahren eingestellt werden. Aber wir wissen auch, dass schon weitere Maßnahmen ins Auge gefasst sind, beispielsweise der Mindestlohngipfel, der für März durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie mit allen Akteuren organisiert werden wird. Es gibt auch einen spannenden Vorschlag der Linken in Sachsen, die ein Mindestlohn-Monitoring, also eine systemische Prozessbegleitung, installieren wollen. Auch darüber könnten wir nachdenken und diskutieren.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, wir könnten es jetzt so machen, wie wir das immer erlebt haben, als wir in der Opposition waren: Also es läuft schon alles, es wird schon alles, es ist eh ein Bundesgesetz, wir lehnen Ihren Antrag ab. Das tun wir nicht. Ich denke, wir haben Diskussionsbedarf,

wie das zusammen gut auf den Weg gebracht und für alle umgesetzt wird. Deswegen möchte ich namens meiner Fraktion eine Überweisung dieses CDU-Antrags an die zuständigen Fachausschüsse für Arbeit und Soziales und den Wirtschaftsausschuss beantragen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Abgeordnete Leukefeld, Sie haben Herrn Abgeordneten Wirkner noch eine Zwischenfrage zugelassen.

Wenn er sie noch hat!

(Zwischenruf Abg. Wucherpfennig, CDU: Die vergisst er nicht!)

Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Wirkner.

Frau Abgeordnete, man hat immer Zwischenfragen, auch wenn man sich manchmal sehr zurückhalten muss. Ich möchte noch einmal auf etwas Politisches hinweisen: Ist Ihnen als Abgeordnete bewusst, dass all die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt – Minijobs, organisierte Altersarmut – das Ergebnis rot-grüner Politik seit 1999 durch die Agenda 2010 waren? Ist Ihnen das bewusst?

Ja, die Agenda-Parteien waren aber mehr. Ich erinnere mich sehr gut, dass die CDU das letztendlich alles mit toleriert hat und auch mit im Bundesrat auf den Weg gebracht hat.

So einfach …

Herr Wirkner …

Dieses Problem hat sich seit 1998 aufgespielt.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Das hätten Sie ja ändern können!)

Gut. Jetzt erteile ich Frau Abgeordneter Pfefferlein, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, thematisch macht der Antrag der CDUFraktion schon seit letzter Woche die Runde in der allgemeinen Presse. Faktisch wird hier ein Gespenst des Mindestlohngesetzes an die Wand gemalt. Die Schlagzeilen setzen sich zusammen aus: „Neuer Mindestlohn führt zu bürokratischem Chaos in Betrieben“ und „Mindestlohn spaltet Thüringen“ – „Thüringer Allgemeine“ vom 19.01.2015 –, Erfurter Taxifahrer bangen um ihre Existenz – Bild Thüringen. Aber auch differenziertere Überschriften gibt es wie zum Beispiel „Preiserhöhungen nicht in allen Branchen“ – auch aus der „Thüringer Allgemeinen“. Darüber bin ich froh und ich plädiere auch in diesem Haus für einen differenzierten Blick auf dieses Mindestlohngesetz. In Ihrem Antrag wollen Sie vier Wochen nach der Einführung das von Ihrer Bundestagsfraktion mit beschlossene Mindestlohngesetz unter dem Mantel der Entbürokratisierung aushöhlen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus meiner Sicht ist vor allem das Ansinnen, die Arbeitszeiten von Minijobbern nicht mehr dokumentieren zu lassen, gefährlich. Gerade in diesem Bereich sind Niedrigstlöhne und Umgehung von Standards bislang an der Tagesordnung gewesen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass ohne eine Dokumentationspflicht der Lohnbetrug weiterginge. Zudem gab es schon in der Vergangenheit Aufzeichnungspflichten für Arbeitgeber, denen diese ohne Probleme nachgekommen sind. Die nun heraufbeschworene Belastungswirkung ist deswegen wenig glaubhaft. Ich frage mich tatsächlich, wie Sie Beschlüsse infrage stellen können, die Sie noch vor Kurzem mit breiter Mehrheit unterstützt haben. Angesichts solcher durchsichtigen Manöver ist es kein Wunder, dass die Politikverdrossenheit wächst.

In Ihrem Antrag sorgen Sie sich vor allem um die Entbürokratisierung, die Verwaltungsvereinfachung und die Prüfpflichten der Unternehmer. Kein Satz findet sich in diesem Antrag zu den Vorteilen des Mindestlohns. Mit dem Mindestlohngesetz werden 2,5 Millionen Beschäftigte, die im Jahr 2012 weniger als 6 Euro und 5,25 Millionen Beschäftigte, die unter 8,50 Euro pro Stunde verdienten, nun von ihrem Lohn leben können. Der politische und gesellschaftliche Skandal hat ein Ende. Denn Menschen, die tagtäglich schuften und dann nicht genügend verdienen, um ihren eigenen Lebensunterhalt zu decken, waren und sind ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.