Diese Familien sollen Geld erhalten, weil der Staat selbstverständlich davon profitiert, aus der Stabilität der Familien heraus die eigene Stabilität zu erhalten. Die staatliche Gemeinschaft profitiert selbstverständlich davon, dass Eltern alle damit verbundenen Nachteile, auch die beruflichen, in Kauf nehmen und Zeit und Liebe in ihre Kinder investieren, und im Übrigen auch, weil Wahlfreiheit nicht nur Wahlfreiheit zwischen häuslicher Betreuung und Kindertagesstätte heißt. Neben der Betreuung durch die sogenannte Tagesmutter kommen auch alternative Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, um Erwerbsleben und Familienarbeit zu vereinbaren. Exemplarisch möchte ich da zuerst natürlich die Großeltern nennen, aber auch den Babysitter, das Au pair oder die sogenannte Leihoma. Diese Varianten bieten eine familiennahe Fremdbetreuung, die eine Erwerbstätigkeit in einem gewissen Rahmen ermöglicht, ohne dass man eine Kindertagesstätte in Anspruch nehmen muss. Auch solche Lebensentwürfe muss der Staat unterstützen. Auch so kann das Landeserziehungsgeld die Wahlfreiheit stärken.
Jetzt komme ich wieder auf unseren Herrn Ministerpräsidenten zurück. Wie ich eingangs sagte, ist Herr Ramelow der Meinung, dass das Landeserziehungsgeld Kinder von Bildung fernhalte.
Frau Siegesmund hat im Wahlkampf, wenn ich mich recht erinnere, auch gerne von der „Herdprämie“ geredet und allgemein steht immer der Vorwurf im Raum, dass Eltern das Geld lieber für Alkohol und Zigaretten ausgeben würden als für ihre eigenen Kinder.
Meine Damen und Herren, ich will nicht bestreiten, dass es einzelne Fälle geben wird, in denen das so sein kann, wohlgemerkt: Einzelfälle. Als jemand, der, wie schon gesagt, seine Kinder bis heute zu Hause erzieht und damit seine Kinder angeblich von Bildung fernhält, möchte ich Ihnen heute, lieber Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Abgeordnete der regierungstragenden Fraktionen, stellvertretend für alle Thüringer Familien, die ihre Kinder fürsorglich,
selbstbestimmt und im Bewusstsein gesellschaftlicher Verantwortung erziehen, für diese Familien möchte ich Ihnen eines sagen: Meine Kinder, alle Kinder, die eine vernünftige Bindung zu ihren Eltern haben, sind nicht ungebildet. Meine Kinder sind nicht unerzogen und meine Kinder haben auch keine Nachteile zu befürchten,
nur weil sie nicht täglich einen Kindergarten von innen sehen. Und wenn Sie mir nicht glauben wollen, dass ich der Normalfall und die Eltern, die ihre Kinder verwahrlosen lassen, der Einzelfall sind, dann können wir gern einmal einen Rundgang in Jena machen. Ich zeige Ihnen die Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern und vom Landeserziehungsgeld profitieren,
und Sie zeigen mir die Eltern, die es Ihrer Ansicht nach nicht verdient haben, das Landeserziehungsgeld zu beziehen.
Wo ich hier so oft den Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit höre, möchte ich ganz deutlich darauf hinweisen: Die Behauptung, eine
bestimmte Gruppe Menschen könnte nicht mit Geld umgehen und das Geld zum Wohl ihrer Kinder einsetzen,
ist vielleicht keine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, aber es ist gruppenbezogene Menschenverachtung.
Um den Kreis zu schließen: Das Landeserziehungsgeld soll nicht nur gestrichen, sondern die eingesparten Mittel sollen für das kostenfreie Kindergartenjahr eingesetzt werden. Nicht nur, dass die 20 Millionen in dem Zusammenhang wie der Tropfen auf dem heißen Stein verdunsten werden, nein, man fragt sich auch: Wo hat Die Linke ihr soziales Herz versteckt, das sie sonst doch immer so medienwirksam vor sich her trägt?
Ja, vielen Dank. Da Sie gerade auf Jena Bezug genommen haben: Ist Ihnen denn bewusst, dass gerade in Jena die Betreuungsquote der Kitas nahe bei 100 Prozent liegt? Wir kommen natürlich alle gern zu Ihnen und gucken uns Ihre drei Kinder an, ganz privat natürlich, aber in Jena werden Sie kaum jemanden finden, der Ihre Weltsicht teilt. Ganz im Gegenteil, die Jenaer sind froh, die Thüringer sind auch froh,
gute Kinderbetreuungseinrichtungen zu haben, die im Übrigen Bildungseinrichtungen sind. Und ich frage Sie: Wie hoch ist Ihrer Meinung nach tatsächlich der Anteil derjenigen, die in Jena Ihre Weltsicht teilen bzw. ihre Kinder selbst betreuen?
Ich versichere Ihnen, auch in Jena gibt es genug Familien, die das so handhaben, und gerade in Jena gibt es genug Familien, die eben, weil die Bedingungen so schlecht sind,
ihr Kind in die Krippe geben müssen – jetzt lassen Sie mich doch erst einmal antworten –, weil sie keine andere Möglichkeit haben, weil die Bedingungen so schlecht sind, wie ich es gesagt habe. Also, ich frage mich: Wo hat Die Linke ihr soziales Herz versteckt, das sie sonst doch immer so medienwirksam vor sich her trägt? Denn das kostenfreie Kindergartenjahr ist faktisch eine Umverteilung von Geringverdienern zu den Besserverdienern, denn die Geringverdiener sind ohnehin von den Kindergartenbeiträgen befreit
bzw. sind die Beiträge oberhalb der Grenze für die Beitragsfreiheit auch gestaffelt. Durch das kostenfreie Kindergartenjahr werden also nur die Besserverdiener, nicht aber die Geringverdiener entlastet. Mit der Abschaffung des Landeserziehungsgeldes unter Verwendung der Gelder für das kostenfreie Kindergartenjahr begehen sie also einen doppelten Fehler. Wir von der AfD wollen eine Familienpolitik, die ihren Namen auch verdient. Deswegen lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf ab und werden uns auch weiterhin inner- und außerparlamentarisch für den Erhalt und den Ausbau des Landeserziehungsgeldes einsetzen. Aber auch die Überweisung des Gesetzentwurfs zur Abschaffung des Landeserziehungsgeldes an den Ausschuss lehnen wir ab, denn jede weitere Beschäftigung mit diesem Gesetzentwurf ist Lebenszeitverschwendung.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Muhsal. Und nun hat das Wort von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Pfefferlein.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Landtagsabgeordnete, über das Thema „Thüringer Erziehungsgeld und das Betreuungsgeld des Bundes“ wurde in diesem Hause schon mehrfach debattiert – siehe auch heute wieder –, um den Sinn oder Unsinn; vor allen
Ich bin froh, dass sich jetzt mit der Koalition eine Mehrheit gefunden hat, die untersetzt durch die Studie – ich wiederhole es gern – des Landesrechnungshofs sowie zahlreiche andere Studien von renommierten und unabhängigen Wissenschaftlern die fehlende Wirkung des Landeserziehungsgeldes einsieht und dieses nun abschafft.
Der Landesrechnungshof konstatiert in seinem Gutachten, dass beim Einsatz der wirklich großen Summe – ich wiederhole es auch noch einmal – von 240 Millionen Euro über die letzten Jahre hinweg das Thüringer Landeserziehungsgeld nicht die familienpolitische Intention des Gesetzentwurfs erfüllt hat.
Das Thüringer Erziehungsgeld sollte drei Dinge erreichen: Erstens die Wahlfreiheit zwischen den Betreuungsformen ermöglichen, zweitens die Erziehungsleistungen honorieren und drittens das Kindeswohl und die Kindergesundheit verbessern helfen. Alle drei Ziele konnten laut Thüringer Rechnungshof durch das Thüringer Erziehungsgeld nicht erreicht werden. Außerdem bestätigt der Rechnungshof, dass die Nachfrage der Thüringer Eltern nach einem Betreuungsplatz für ihre Kinder auch schon ab dem zweiten Lebensjahr immer noch nicht gedeckt hoch ist und immer noch erhebliche regionale Unterschiede im Angebot an Kinderbetreuungsplätzen insbesondere hinsichtlich der Bereitstellung bestehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Thüringer Erziehungsgeld ist aus meiner Sicht neben der Doppelführung durch das Betreuungsgeld des Bundes die scheinbare Entlohnung von Eltern dafür, dass sie ihre Kinder länger zu Hause betreuen, und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keine Art der Familienförderung, die den Kriterien der Nachhaltigkeit standhält. Aus diesem Grund werden wir dieses Gesetz, welches seine eigenen Ziele nicht erreicht, abschaffen und die frei werdenden Mittel für eine nachhaltigere und gerechtere Familien- und Sozialpolitik einsetzen.
Markierungspunkte guter Familienpolitik hat schon das 2006 gegründete Kompetenzzentrum für familienbezogene Leistungen des Bundesfamilienministeriums formuliert, nach denen Leistungen bewertet werden sollten. Das sind erstens frühe und gute Förderung von Kindern, zweitens wirtschaftliche Stabilität sowie drittens die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter. Diese Ziele hat sich die rot-rot-grüne Koalition auf die Fahnen geschrieben und daran wird sie sich auch messen lassen. Erstens: Wir wollen eine Stärkung der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Zweitens: Wir
wollen Eltern befähigen, Erwerbsfähigkeit und Familienleben zu verbinden, denn eine wirtschaftlich stabile Situation von Familien und eine effektive Bekämpfung von Kinderarmut können nur über gesicherte Arbeitsverhältnisse der Eltern und hochwertige Bildungsangebote für die Kinder garantiert werden.