Protokoll der Sitzung vom 05.05.2017

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das hat übrigens nichts mit Homosexualität zu tun!)

begegnet aber durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und ist daher abzulehnen. Ihren Antrag lehnen wir selbstverständlich auch ab. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von Bündnis 90/Die Grünen ist die nächste Rednerin.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Kapriolen, die Herr Möller gerade hier vorn geschlagen hat, machen deutlich, dass die AfD eine zutiefst intolerante Partei ist, zutiefst intolerant und homophob.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wurde überdeutlich dadurch, wie Sie hier argumentiert haben. Denn nimmt man das ernst, was Sie gerade gesagt haben, dann frage ich: Was ist eigentlich mit Vergewaltigung in der Ehe? Sie ist erst seit 1997 strafbar in unserem Rechtsstaat und da muss man sich ja fragen: Waren also Vergewaltigungen in der Ehe vor 1997 in Ordnung, weil sie in einem Rechtsstaat quasi nicht geahndet wurden? Das ist natürlich mitnichten so und das hat auch nichts mit Zeitgeist zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr wohl aber mit einer Geisteshaltung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Jegliche Mo- ral…, aber das verstehen Sie nicht!)

Ich verstehe das schon sehr gut, ich habe Sie auch sehr gut verstanden. Sie haben hier vorn versucht, darüber hinwegzutäuschen, was Sie hätten auch mit einfachen Worten sagen können und was man ja auch aus Ihren Kleinen Anfragen beispielsweise lesen kann. Viele von Ihnen erinnern sich sicherlich an die Kleine Anfrage der Abgeordneten Herold, in der sie nach der Anzahl der Homosexuellen in Thüringen fragte, oder aber auch an die vielen Kleinen Anfragen der Abgeordneten Muhsal, in der es um die Förderung der Magnus-Hirschfeld-Tage ging. Sie alle haben deutlich gemacht, dass Sie eine zu

(Abg. Möller)

tiefst homophobe Partei sind, und das müssen Sie sich hier auch sagen lassen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das sage ich Frau Weidel!)

Das können Sie gern Frau Weidel sagen, denn auch Frau Weidel kann mit ihrem Interview heute, was sie gegeben hat, eben nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie, wie ich schon einführte, eine zutiefst intolerante Partei sind. Da hilft es auch nichts, wenn Sie quasi eine Person jetzt hier auch noch in gewisser Weise vorführen, die ja nicht mal ihren Wohnsitz in Deutschland hat. Sie wird ihre guten Gründe dafür haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das, was Herr Möller zu Beginn seiner Rede ausgeführt hatte, nämlich dass es gar kein Gesetz dafür braucht, ernst nimmt, würde das bedeuten, dass jeder einzelne Betroffene klagen müsste. Eine Zumutung, wenn man sich gerade das Alter der Betroffenen anschaut. Genau deshalb wollen wir es ja gesetzlich geregelt wissen, dass es endlich zu einer umfassenden und zeitnahen Rehabilitierung nach 1945 verurteilter homosexueller Menschen kommt.

Lassen Sie auch mich noch einmal kurz erinnern: Einvernehmliche homosexuelle Handlungen unterlagen in der Bundesrepublik Deutschland bis 1994 und in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1989 einer weitergehenden Strafbarkeit, als dies bei heterosexuellen Handlungen der Fall gewesen ist. Diese Ungleichbehandlung, das ist hier auch schon erwähnt worden, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 1981 als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention bewertet, das war also schon weit nach dem Gerichtsurteil von 1957, auf was Sie von der AfD hier immer so abgestellt haben. Den Eingriff in die Menschenrechte sieht der Gerichtshof übrigens als so schwerwiegend an, dass er Klägern, die von Verfolgung aufgrund diskriminierender Strafrechtsnorm betroffen waren, mehrfach Entschädigungen zugesprochen hat. Der Deutsche Bundestag hat dann am 7. Dezember 2000 in einer einstimmig getroffenen Entschließung festgestellt – ich zitiere –, „dass durch die nach 1945 weiter bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind“. Erst jetzt, das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, 17 Jahre später und nach vielen weiteren Anträgen im Bundestag und Entschließungen im Bundesrat, liegt endlich ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums vor, der die Aufhebung der strafgerichtlichen Urteile wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen vorsieht, die in beiden deutschen Staa

ten ergangen sind. Die Urteile werden pauschal durch Gesetz aufgehoben; genau darum geht es uns auch, das ist, glaube ich, auch tatsächlich das überfällige und richtige Signal. Denn mit der Aufhebung der Urteile ist für die einzelnen betroffenen Menschen eine Entschädigung wegen des durch die Verurteilung erlittenen Strafmakels verbunden. Der Rechtsausschuss des Bundesrats hat erst in seiner Sitzung am 26. April dieses Jahres eine Stellungnahme beschlossen und breite Zustimmung signalisiert. Auch der Thüringer Landtag, einige werden sich erinnern, hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit der Rehabilitierung verurteilter homosexueller Menschen befasst; ein Ergebnis wurde damals aber leider nicht erreicht. Während die im Nationalsozialismus ergangenen Urteile nach § 175 Strafgesetzbuch durch Gesetze im Jahr 2002 aufgehoben wurden, steht die Rehabilitierung der nach 1945 Verurteilten noch aus. Das ist ein Schandfleck unseres Rechtsstaats, den es endlich zu beseitigen gilt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist deshalb an der Zeit, dass auch der Thüringer Landtag das Unrecht beim Namen nennt und die noch lebenden betroffenen Menschen um Entschuldigung bittet. Da schließe ich bei meiner Kollegin Birgit Pelke an. Außerdem unterstützen wir die Entschließung des Bundesrats aus den Jahren 2012 und 2015 und auch den nun vorgelegten Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums. Besonders wichtig ist uns und vor allem, glaube ich, auch allen Betroffenen, dass das Gesetz zeitnah verabschiedet wird und die vorgesehene Entschädigung schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden kann, damit den betagten betroffenen Menschen Genugtuung zuteilwird. Hierfür wünschen zumindest wir von Rot-Rot-Grün uns, dass heute durch den Thüringer Landtag ein starkes Zeichen gesetzt werden kann. Ich bin sehr dankbar, dass auch die CDU hierfür heute ihre Unterstützung signalisiert hat. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Jetzt hat Frau Abgeordnete Stange, Fraktion Die Linke, das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße die Haltung der CDU – der Kollege Worm hat sie hier gerade darlegt –, dass Sie unserem Antrag zustimmen wollen. Denn an der Stelle habe ich noch mal einen Blick in die dritte Legislatur geworfen. Da war die Auffassung der damaligen CDU-Kollegen in der CDU-Alleinregierung in diesem Themenbereich eine andere. Ich erinnere nur

(Abg. Rothe-Beinlich)

an das Lebenspartnerschaftsgesetz, da hat die Thüringer CDU damals eine Klage gegen den Gesetzentwurf eingereicht. Darum finde ich es gut, dass man jetzt auch in dieser Thematik vollkommen neue Gedankenwege mitgeht. Ich finde es zeitgleich auf meiner rechten Seite eine Schande, wie über Personen, die in den zurückliegenden Jahren diskriminiert und verurteilt worden sind, gesprochen wurde und wie Sie sich über ihre Schicksale hier ausgelassen haben. Ich sage an der Stelle, Sie als Fraktion sind eine Zumutung und eine Schande. Ich bin glücklich, dass sich in der Bundesrepublik auch in den letzten fünf Jahren der Zeitgeist geändert hat und dass endlich politische Mehrheiten gefunden worden sind, die sich für eine Rehabilitierung der nach § 175 Verurteilten und eine Entschädigung derer stark gemacht haben. Das finde ich sehr, sehr gut.

(Beifall DIE LINKE)

Ich möchte nicht noch einmal auf die bereits durch meine Vorrednerinnen genannten inhaltlichen Aspekte eingehen. Die sind alle mehrfach erwähnt und es ist auch mehrfach erwähnt worden, warum es unbedingt jetzt an der Notwendigkeit ist, diesen Antrag noch mal von dem Thüringer Landtag aus zu stellen.

Ich will aber an der Stelle auch noch mal auf Herrn Worm eingehen und sagen, warum der Antrag heute kommt. Denn der Gesetzentwurf der Bundesregierung des Bundesministers Maas hat natürlich noch ein paar Hürden zu überwinden. Diese Hürden liegen unter anderem auch in der Kürze der Legislaturzeit, die es in Berlin noch gibt. Noch weiß keiner von uns hier im Thüringer Landtag, ob dieser Gesetzentwurf all diese Hürden wirklich nimmt. Darum ist es gut und richtig, dass wir als Thüringer Parlamentarierinnen und Parlamentarier hier ein deutliches Signal auch an unsere Kolleginnen und Kollegen in den Bundestag senden und sie damit auffordern, den Gesetzentwurf, so wie er eingebracht worden ist, zu verabschieden, mit all seinen Möglichkeiten der Rehabilitierung, der Entschädigung, denn das haben die noch lebenden Opfer endgültig verdient, dass an der Stelle das politische Signal kommt, werte Kolleginnen und Kollegen.

Lassen Sie mich noch auf einen Forderungskatalog zurückgreifen, den die Kolleginnen und Kollegen des LSVD in den letzten Tagen veröffentlicht haben. Ich will die Punkte ganz bewusst hier nennen, denn nach den Reden der AfD-Fraktion ist es umso wichtiger, zu sagen, es geht nicht nur um eine Rehabilitation der Opfer, sondern es geht um mehr. Es geht um eine gesellschaftliche politische Haltung, werte Kolleginnen und Kollegen, und die scheint noch nicht bis zum Ende in all den Köpfen zu sein.

Ich will diese Punkte hier gern formulieren, damit wir auch wissen, was in den nächsten Wochen diesbezüglich noch gemeinsam zu bereden ist. Der

Landesverband, der LSVD, fordert erstens: Ein respektvolles, gesellschaftliches Miteinander und Akzeptanz der unterschiedlichsten Lebensformen im Alltag stärken. Er fordert, endlich eine Ehe für alle und die volle Anerkennung der Regenbogenfamilien durchsetzen. Das haben wir auch noch nicht geschafft. Er fordert des Weiteren, die Diskriminierung gegen LSTBI gesetzlich zu beseitigen. Er sagt, wir brauchen ein Recht auf Respekt in allen Lebensaltern. Dies ist zu verwirklichen. Des Weiteren sprechen sie sich eindeutig auch dafür aus, dass endlich eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung sichergestellt wird. Ein vorletzter Punkt, der genauso interessant und auch intensiv diskutiert werden sollte und sicherlich diskutiert wird. Die LSTBI sagt, wir brauchen eine inklusive Flüchtlings- und Integrationspolitik. Wir wissen doch alle, dass eine Vielzahl von Flüchtlingen genau aus diesen Gründen geflohen sind, weil ihre Lebensart und ihre Lebensweise in den Ländern nicht akzeptiert worden sind. An der Stelle haben wir als Thüringen vielleicht nicht allzu viel mit Außenpolitik zu tun, aber wenn Thüringer Ministerinnen und Minister ins Ausland reisen, denke ich, ist das schon ein Grund, darauf hinzuweisen, dass natürlich gleichgeschlechtliche Lebensweise schon unterstützt wird, auch von einer Thüringer Regierung in den Ländern, wo es noch nicht so ist. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Gibt es weitere Wortmeldungen? Aus den Reihen der Abgeordneten kann ich das nicht erkennen. Die Landesregierung hat das Wort, Herr Staatssekretär Krückels.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, das ist ja ganz interessant. Ich war in der Sitzung zugegen, als es Herr Bausback, der bayrische Justizminister, im Bundesrat vorgetragen hat. Auch da war es schon nicht besonders überzeugend. Es kam einem doch so vor – ich glaube vielen Leuten im Bundesrat –, als dass er für die bayrische Staatsregierung findige Argumente suchte, um einem solchen Antrag auf Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 verurteilen homosexuellen Menschen nicht entsprechen zu müssen. Dass Sie sich das jetzt angeschaut haben und sagen, okay da ist ein Rechtsprofessor, der eine bestimmte Argumentation vorträgt, die können wir uns einfach zu eigen machen, dann müssen wir uns in der Sache nicht verhalten. Das kann man so tun. Ich glaube, dass es ziemlich unpolitisch ist und auch auf die tatsächlichen Bedürfnislagen und das tatsächliche Unrecht, das tatsächlich aus Sicht der Landesregierung geschehen ist, nicht angemessen

(Abg. Stange)

reagiert. Die Unterstrafestellung und Verfolgung von einvernehmlichen homosexuellen Handlungen stellt nämlich nicht nur eine Benachteiligung dar, sondern auch eine wesentliche Ursache für gesellschaftliche Ausgrenzung, Ächtung sowie für die individuelle Angst und Unterdrückung. Es folgte durch sie eine Verhinderung einer selbstbestimmten Lebensführung für Generationen. Dann sagen Sie: Das war damals anders. Jetzt hat sich das mit dem Zeitgeist geändert. Ja, aber aus unserer Beurteilung von heute war es in diesem Maße eine Einschränkung sozusagen und ich glaube, wenn man sich den Bundestag anguckt, wird das auch eine ganz übergroße Mehrheit so sehen. Insofern muss auch eine Gesellschaft die Kraft haben, alte Urteile, die strafrechtliche Verurteilungen sind, insofern immer nur zum Vorteil von Leuten geschehen, auch aufheben zu können und den Menschen zumindest etwas Gerechtigkeit widerfahren lassen zu können.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Herr Staats- sekretär, Sie haben die Rechtsfolgen nicht im Blick!)

Über Jahrzehnte wurden Menschen zur permanenten Selbstverleugnung gezwungen und durch staatliche Stellen verfolgt und bestraft. Ich würde mal sagen, die schlimmste Form der Diskriminierung, nämlich die staatliche, der man sich nicht entziehen kann. Dies führte zu Brüchen in Lebensbiografien, zu massiven gesundheitlichen Schädigungen bis hin zu zahlreichen tragischen Selbstmorden. Das hier aufgrund gesetzlicher Normen verursachte menschliche Leid ist nicht wieder gutzumachen – das ist immer so in solchen Fällen. Die Tatsache, dass diese Normen aufgrund der Menschen mit homosexuellen Orientierungen in Konzentrationslagern der Nationalsozialisten litten und umkamen, auch nach 1945 – und zwar in beiden Teilen Deutschlands – noch fortgalten, ist heute zutiefst beschämend. Die heute noch lebenden Opfer und Zeitzeugen, die für das ihnen erlittene Unrecht bis heute nicht rehabilitiert wurden, sind nunmehr zwischen 70 und 90 Jahre alt und häufig immer noch traumatisiert. Das Festhalten am sogenannten Schwulenparagrafen durch Parlamente und Justiz stellt eine fundamentale Menschenrechtsverletzung dar. Wenn Sie auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1957 hinweisen, dann muss man auch nicht jedes Urteil in alle Ewigkeit forttragen. Ich glaube, heute würde das Bundesverfassungsgericht anders urteilen. Wenn Sie denken, es würden die selben Maßstäbe angelegt werden wie damals, dann bringen Sie es vor das Bundesverfassungsgericht, dann werden wir sehen, wie es ausgeht. Ich bin relativ sicher, dass Sie keinen Erfolg haben werden.

(Beifall DIE LINKE)

Die Straftat und die hierauf beruhenden Verurteilungen waren menschenrechts- bzw. grundrechtswid

rig. Sie stellten einen Verstoß gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sowie eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung dar. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung im Oktober 2012 sowie im Juli 2015 auf, Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung für die nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten vorzuschlagen. Geschehen ist dann erst mal bis 2016 nichts, aber jetzt schon. Schon deshalb kann man auch unter Berücksichtigung auf den Schutzauftrag der Thüringer Verfassung, wonach niemand wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt werden darf, von einer Verpflichtung sprechen, sich hier und heute bei den Opfern dafür zu entschuldigen, dass es erst jetzt zu einem ernsthaften Versuch der Korrektur dieses nicht erträglichen Zustands auf Bundesebene kommt. Es ist daher zu begrüßen, wenn mit dem Ihnen vorliegenden Antrag nachdrücklich gefordert wird, dass der am 22. März vom Bundeskabinett beschlossene und dem Bundestag zugeleitete Entwurf eines „Gesetzes zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen“ noch vor dem Ende der Legislaturperiode Gesetzeskraft erlangt. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass das ein ziemlich knapper Zeitplan ist, wenn man das noch vor der Bundestagswahl schaffen möchte. Aber wir sind ganz zuversichtlich, dass es gelingen kann.

Ziel ist die Aufhebung der strafrechtlichen Urteile per Gesetz und die Zahlung einer Entschädigung nach einem pauschalierten Modus, durch welchen angesichts des hohen Alters vieler Betroffener eine zügige Bearbeitung garantiert werden soll. Die Thüringer Landesregierung unterstützt dieses Anliegen und wird dem Gesetzentwurf in der kommenden Sitzung des Bundesrats in der nächsten Woche – ich sage mal, vorbehaltlich der Kabinettsbefassung am nächsten Dienstag, das muss natürlich formal beschlossen werden, aber ich habe keine anderen Signale bis jetzt erfahren – in allen Punkten zustimmen. Wir hoffen, dass das Gesetz noch im weiteren parlamentarischen Verlauf in der Sommerpause auch durch den Bundestag und im zweiten Durchgang durch den Bundesrat kommen wird. Der Bund schätzt die Gesamtsumme für die vorgesehene Individualentschädigung auf circa 30 Millionen Euro, wobei von einer Anzahl von höchstens 5.000 Betroffenen und einer Laufzeit von fünf Jahren für die Entschädigungsverfahren ausgegangen wird. Im Entwurf heißt es – das wurde heute auch schon erwähnt –, dass jeder rehabilitierten Person nach Aufhebung eines Urteils eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro sowie 1.500 Euro je angefangenem Jahr erlittener Freiheitsentziehung zusteht. Dem Bundesjustizminister mag man zustimmen, wenn er in seiner Rede im Bundestag letzte Woche ausführte, dass dies ein symbolischer Betrag sei, aber als Symbol dennoch wichtig und richtig ist. Gleichwohl

(Staatssekretär Krückels)

wäre es angesichts des Schicksals der Betroffenen wünschenswert, wenn man sich zur Zahlung einer Opferrente hätte durchringen können. Aber gerade wenn sich diese Forderung auch nicht umsetzen lässt, ist uns der vorliegende Antrag umso wichtiger, und zwar als ausdrückliches Bekenntnis zur mitmenschlichen und historischen Verantwortung für die Opfer. Er setzt ein notwendiges Zeichen gegen Ausgrenzung, gegen Diskriminierung, auch gegen staatliche Diskriminierung besonders und für gesellschaftliche Toleranz und Lebensvielfalt in einer pluralen Gesellschaft in der Bundesrepublik und auch in Thüringen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Es gibt noch eine Wortmeldung vom Abgeordneten Brandner, AfDFraktion.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich drei Punkte noch mal ansprechen. Ein Punkt betrifft Sie alle und die beiden anderen Punkte betreffen dann insbesondere unsere Freunde von der CDU. Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um Gefühle bei dieser Geschichte, sondern es geht um die Frage der Rechtsstaatlichkeit. Wenn Sie diesem Antrag hier zustimmen, leisten Sie Beihilfe zum Verfassungsbruch. Verfassungsbruch insoweit, als dass Sie die Gewaltenteilung dadurch tangieren, dass die Legislative in die Judikative eingreift und diese Gewaltenteilung aufgelöst wird. Sie sollten diesem Antrag schon allein aus diesen formellen Gründen nicht zustimmen.

Jetzt noch mal zwei Punkte an die CDU. Herr Worm, wir haben uns schon gefragt, ob wir vielleicht Ihre Rede für unsere Facebook-Seite haben können, damit die CDU-Anhänger nachlesen können, was Sie hier so von sich gegeben haben. Es ist ja vertretbar, sage ich mal. Aber Sie haben doch von Frau Stange gehört, in welche Richtung das läuft. Es geht nicht um die Homosexuellen, die verurteilt wurden, um diese Sache geht es hier nur vordergründig. In Wirklichkeit geht es der Frau Stange und den Rot-Rot-Grünen weiterhin darum, einen weiteren Pflock einzurammen, einen weiteren Weg zu bereiten in den Regenbogenfamilienirrsinn. Frau Stange sagte, das wäre ein weiterer Schritt, die gesellschaftliche und politische Ordnung in Deutschland zu ändern. Vor diesen Karren lassen Sie sich spannen, wenn Sie diesem Antrag hier heute zustimmen. Darüber sollten Sie sich klar sein.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Habe ich so nicht gesagt!)

Und schließlich der dritte Punkt, wenn Sie sich mal anschauen, wie unsinnig – und das ist wirklich Unsinn, muss ich ganz ehrlich sagen – Ziffer 2 Ihres Antrags ist, wonach der Thüringer Landtag die Betroffenen für das erlittene Unrecht und sich daraus ergebende negative Folgen um Entschuldigung bittet. Der Thüringer Landtag bittet um Entschuldigung für irgendetwas, womit der Thüringer Landtag nicht ansatzweise irgendetwas zu tun hat, meine Damen und Herren, wie kann denn so was in so einen Antrag reingeschrieben werden?