Protokoll der Sitzung vom 05.05.2017

Und schließlich der dritte Punkt, wenn Sie sich mal anschauen, wie unsinnig – und das ist wirklich Unsinn, muss ich ganz ehrlich sagen – Ziffer 2 Ihres Antrags ist, wonach der Thüringer Landtag die Betroffenen für das erlittene Unrecht und sich daraus ergebende negative Folgen um Entschuldigung bittet. Der Thüringer Landtag bittet um Entschuldigung für irgendetwas, womit der Thüringer Landtag nicht ansatzweise irgendetwas zu tun hat, meine Damen und Herren, wie kann denn so was in so einen Antrag reingeschrieben werden?

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Redezeit ist jetzt leider gleich um. Aber wenn sich der Thüringer Landtag einmal auf diesen Pfad begibt, für irgendwelche Dinge, mit denen er nichts zu tun hat, um Entschuldigung zu bitten, muss ich Ihnen sagen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich entschuldige mich dafür, dass Sie hier im Landtag sitzen!)

da fallen mir in der Menschheitsgeschichte aus dem Stegreif 100, 200 Sachen ein, für die sich der Thüringer Landtag entschuldigen könnte. Da muss ich sagen, machen wir vielleicht mal eine Sondersitzung und machen das Thema „Entschuldigungen des Thüringer Landtags für alles Mögliche“.

(Beifall AfD)

Da kann dann jeder so zwei, drei Dutzend Sachen einbringen, die ihm in der Menschheitsgeschichte nicht gefallen haben. Wenn wir einmal anfangen, dieses Fass aufzumachen, kriegen wir dieses Fass nie mehr wieder zu. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sie sind so überheblich! Das ist unglaublich!)

Es gibt eine weitere Wortmeldung von Frau Abgeordneter Henfling, Bündnis 90/Die Grünen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das war das praktische Beispiel von der 180Grad-Wende, von der Herr Höcke hier gesprochen hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist genau das, was Sie praktisch umsetzen wollen. Keine Verantwortung übernehmen für das, was in diesem Land geschehen ist, weder im Nationalsozialismus noch dafür, was andere Menschen auch in einem Rechtsstaat erlitten haben. Wenn Sie das wirklich wahr machen würden, was Sie hier

(Staatssekretär Krückels)

vorne gesagt hatten, dann würden hier auch alle sagen, in Ihrem Duktus, sie übernehmen auch keine Verantwortung für erlittenes Unrecht in der DDR. Das ist genau das, was Sie hier sagen. Die Verantwortung haben wir als politisch Handelnde. Wenn Sie das nicht kapieren, haben Sie vielleicht in diesem Parlament einfach nichts zu suchen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt, deshalb stelle ich den Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/3741 zur Abstimmung. Herr Abgeordneter Brandner?

Wir beantragen namentliche Abstimmung, Herr Präsident.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Aber gern!)

Dann bitte ich die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

So, bis auf den Präsidenten hatten wahrscheinlich alle die Gelegenheit? Es gibt immer noch welche? Nur mit der Ruhe. Jetzt stelle ich trotzdem die obligatorische Frage: Hatten alle die Gelegenheit, ihre Karte abzugeben? Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann bitte ich um Auszählung.

Meine Damen und Herren Auszählende, wir können den Vorgang abbrechen. Ich muss um Wiederholung des Abstimmungsvorgangs bitten. Eine Abgeordnete hat einen Abstimmungsfehler bekannt, also gehen wir noch mal in die Abstimmung. Ich bitte, den Vorgang zu annullieren, die Schriftführer, sich auf ihre Positionen zu begeben und dann stimmen wir erneut über die Drucksache 6/3741 ab. Frau Abgeordnete Schulze überlegt sich, wie sie das wieder gutmachen kann.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre richtige Stimmkarte abzugeben? Es erhebt sich kein Widerspruch, dann bitte ich um Auszählung.

Wir haben ein Ergebnis zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 6/3741. Es wurden 74 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 66, mit Nein 8, es gab keine Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 2). Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20

Frontalangriffe auf gegliedertes Schulsystem stoppen – Vielfalt der Schularten erhalten Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/3742 dazu: Vielfalt fördert alle – Differenziertes Schulsystem in Thüringen stärken Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/3861

Gibt es den Wunsch der antragstellenden Fraktion nach Begründung? Für die AfD-Fraktion Frau Abgeordnete Muhsal.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Abgeordnete, das gegliederte Schulsystem in Deutschland hat eine lange Tradition. Es bestand und es besteht ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass unterschiedliche Berufe, unterschiedliche Berufszweige auch über einen unterschiedlich geprägten Ausbildungsverlauf erreicht werden. Dieser gesellschaftliche Konsens wird politisch leider nur noch durch die AfD abgebildet. Wir setzen uns für das gegliederte Schulsystem ein. Wir wollen alle Schularten, ob Grundschule, ob Regelschule, ob Förderschule oder Gymnasium erhalten.

(Beifall AfD)

Die Regierung und die Koalitionsfraktionen wollen dies nicht. Im Gegenteil, sie setzen alles daran, ihr neues Weltbild durchzusetzen. Nach links-grüner Ideologie soll der Einheitsmensch vom Einheitslehrer an einer Einheitsschule unterrichtet werden. Das ist genau der falsche Weg, erst recht, wenn es um Bildung geht.

(Beifall AfD)

Die Öffentlichkeit, die Thüringer Bürger wollen diese Totalrevolution des Thüringer Schulsystems durch Sie nicht. Und durch den öffentlichen Protest gegen die Pläne der Landesregierung musste die Landesregierung zumindest von ihrem ursprünglichen Plan, bereits mit Beginn des nächsten Schuljahrs keine Schüler mehr an Förderschulen einzuschulen, Abstand nehmen.

Doch die Landesregierung gibt nicht auf, sondern nimmt den Weg durch die Hintertür. Die Thüringer Gemeinschaftsschule, die also nach Vorstellung der Regierungsfraktionen die Einheitsschule darstellen soll, wird zunächst nicht offiziell zur einzigen Schule gemacht. In offiziellen Verlautbarungen heißt es lediglich, die Gemeinschaftsschule solle aufgewertet werden. Außerdem sollen die Lehrkräfte an den Gemeinschaftsschulen eine bessere Be

(Abg. Henfling)

zahlung erhalten – Klammer auf – Was ist mit den Lehrern an anderen Schulen? – Klammer zu –. Und die Landesregierung meint, dass sie durch den Abbau von Hürden bei der Errichtung von Gemeinschaftsschulen die Gemeinschaftsschule für – Zitat –: „deutlich mehr Kinder zugänglich“ machen will. Was passiert mit den anderen Schulen? Für alle Schulen werden Vorgaben gemacht für Mindestschülerzahlen, für die Schulen als solche, für Jahrgangsstufen, für Klassen und Kurse sowie für die Anzahl notwendiger Parallelklassen. Mit anderen Worten: Schulschließungen und damit die Abschaffung der Schularten durch die Hintertür sind in vollem Gange.

Diese Vorgehensweise ist ein Frontalangriff auf unser gegliedertes Schulsystem und diesen Angriff müssen wir stoppen. Als AfD-Fraktion setzen wir uns für den Erhalt des gegliederten Schulsystems, also für ein vielfältiges Schulsystem, ein und dafür werben wir mit unserem Antrag. Die Regelschule ist kein Auslaufmodell, wenn sie nicht von Ihrer Politik dazu gemacht wird. Die Regelschule steht für Leistung und Qualität, genauso wie der Meisterbrief für deutsche Wertarbeit steht.

(Beifall AfD)

Wir dürfen die Regelschule nicht einem unverantwortlichen Akademisierungswahn zum Opfer fallen lassen. Wir müssen sie schützen und wir müssen die Regelschule wieder zu dem machen, was sie einmal war, nämlich zum Herzstück des Thüringer Bildungssystems.

(Beifall AfD)

Dieser Weg bedeutet nicht nur passgenaue Bildung, der bedeutet auch, dass wir der Wirtschaft den Rücken stärken. Denn es gibt eigentlich nichts, was unsere Thüringer Wirtschaft lieber wollte als gut ausgebildete, motivierte Schulabgänger, die für ihr Unternehmen zur Verfügung stehen. Wir wollen das Gymnasium als die Schule, die auf die Studierfähigkeit, auf die allgemeine Hochschulreife hin ausbildet, erhalten. Wir setzen uns für den Erhalt und die Stärkung der Förderschule ein, die beeinträchtigten Kindern – im Gegensatz zur Inklusion, wie sie momentan von der Landesregierung übers Knie gebrochen wird – die optimalen Voraussetzungen für ihre Entwicklung in personeller, räumlicher und materieller Hinsicht bietet.

Wir wollen, dass es auch in Zukunft Gymnasium, Regelschule und Förderschule in Thüringen gibt und dass Bildung vom Kind her gedacht und nicht durch Ihre Ideologien gesteuert wird. Wir fordern die Landesregierung auf, ihre Totalrevolution des Thüringer Schulsystems zu beenden und bitten deswegen um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Weitere Begründungswünsche sehe ich nicht. Damit eröffne ich die Aussprache und als Erstem gebe ich Herrn Abgeordneten Wolf, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Frau Muhsal, Sie müssen sich schon mal entscheiden, wozu nun das Bildungssystem dienen soll. Sie haben jetzt eben hier lang und breit ausgeführt, dass wir Fachkräfte bilden sollen. Ich dachte immer, wir bilden Menschen, und zwar junge Menschen, Kinder. Und diese Menschen haben natürlich ein Anrecht darauf, dass es Anschlussfähigkeit geben muss. Dafür tut ja die Landesregierung, auch die vorhergehenden Landesregierungen sehr viel, dass wir den Kindern und Jugendlichen einen Abschluss ermöglichen. Aber Ihre Argumentation, die Sie hier ausgeführt haben, überzeugt mich überhaupt nicht. Deswegen muss ich darauf auch gar nicht weiter eingehen.

Ich würde ganz gern zu dem Alternativantrag der CDU sprechen, und zwar überschrieben mit: „Vielfalt fördert alle – Differenziertes Schulsystem in Thüringen stärken“. Erst einmal will ich meiner Verwunderung Ausdruck geben, dass uns anderthalb Stunden vor der Diskussion hier im Plenum ein Alternativantrag hingelegt wird. Das ist ein bisschen sportlich, sich dazu dann auch noch zu verhalten. Ich denke, das kriegen wir als demokratische Fraktionen besser hin. Da würde ich doch darum bitten, dass das zukünftig früher verteilt wird.

Das Zweite ist, dass ich aber der CDU durchaus danken will. Denn Sie haben mit diesem Antrag bewiesen, dass mit einer Mehrung der Abgeordneten nicht automatisch einhergeht, dass eine Mehrung der Kompetenz stattfindet. Denn das, was Sie hier vorgelegt haben, ist bestenfalls sehr dünn, man könnte fast sagen wie im Frühling jetzt, wo die Bäume sprießen, aber ich sehe noch nicht mal Grünes an den dürren Zweigen Ihres Antrags. Das sieht man schon an der Überschrift. Wenn Sie nämlich ein differenziertes Schulsystem fordern – eine Differenzierung ist in der Didaktik umschrieben mit organisatorischen und methodischen Maßnahmen, um den individuellen Begabungen, Fähigkeiten, Neigungen, Interessen von Schülern bzw. Schülergruppen innerhalb einer Schule oder Klasse gerecht werden zu können.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Wo haben Sie das denn her? Literaturangabe! Uner- träglich!)

Das heißt nichts anderes als ein inklusives Schulsystem. Genau das fordern Sie, am Ende des Tages hier mit Punkt 1 abzuschaffen. Dann nehmen

(Abg. Muhsal)

Sie auch noch die Kinder in Haftung: „... im Interesse der Kinder Förderschulen als Alternative zum inklusiven Unterricht in der Fläche zu erhalten“. Nun will ich Sie mal daran erinnern, dass es in der letzten Legislatur einen abgestimmten Entwicklungsplan Inklusion gab. Und wenn ich mich daran richtig erinnere, gab es 2012 einen Auftrag des Landtags dazu, der dann von der CDU-/SPD-Regierung auch entsprechend umgesetzt worden ist mit der Vorlage des Entwicklungsplans „Inklusion“. Aus dem Entwicklungsplan „Inklusion“, Ihnen noch mal zur Erinnerung, auch wenn es Ihnen wahrscheinlich heute wehtut: „Inklusion meint, dass alle Kinder und Jugendlichen von Anfang an – unabhängig davon, unter welchen Bedingungen sie aufwachsen – ein umfassendes Recht auf Bildung, auf soziale und gesellschaftliche Partizipation haben. Zur Durchsetzung dieses Rechts haben sie Anspruch auf Unterstützung. Diese Unterstützung ist so anzulegen, dass Kinder und Jugendliche nicht“ – ich betone „nicht“ – „von ihren Altersgleichen getrennt werden, sondern sich mit ihnen gemeinsam, verankert in ihrer Generation entwickeln können. In inklusiven Bildungseinrichtungen können sie von Anfang an miteinander lernen. Ihre soziale, emotionale und kognitive Verschiedenheit ist hier nicht Randbedingung oder Störfaktor, sondern der zentrale Bezugspunkt des pädagogischen Handelns, von dem aus gemeinsame Bildungsangebote geplant, realisiert und reflektiert werden.“ Und dann weiter unten, letzter Satz jetzt als Zitat: „Der Gemeinsame Unterricht als wesentliche Voraussetzung für umfassende Inklusion realisiert die Rechte aller Kinder und Jugendlichen auf gleichberechtigte Bildung, auf soziale und gesellschaftliche Teilhabe.“