Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass dieser Tourismusbeitrag durchaus eine Stärkung sein kann. Wir werden in einigen Jahren sehen, wie er angenommen wird, wie er in der Peripherie wirklich zum Wirken kommt, wie viele Kommunen damit arbeiten werden und welche Erfolge sie damit erzielen. Dann werden wir diesen Punkt auch evaluieren, verstetigen oder abändern, besser machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rot-RotGrün ermöglicht Mitbestimmung.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, wie bei Ihrer Gebietsreform!)

Rot-Rot-Grün erhöht die Möglichkeit zur Entscheidungsvielfalt auf der kommunalen Ebene. Dafür stehen wir und die CDU ärgert das enorm. Das hat die Debatte heute gezeigt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Kellner, CDUFraktion.

Herr Präsident! Herr Adams, jetzt haben Sie mich noch mal hier vorgetrieben – am späten Nachmittag. Was Sie jetzt gerade so erzählt haben, das zeigt mir nur eines: Sie haben nicht so richtig Ahnung von Kommunalpolitik.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie werden es wissen!)

Entschuldigen Sie, das muss ich mal so deutlich sagen. Was Sie alles erzählt haben, ist seit Jahrzehnten Realität: dass der Bürger mitgenommen wird, dass mit dem Bürger diskutiert wird, wenn die Straße gemacht wird. Das ist Realität seit 1991, seit 1990 – das muss ich hier mal richtigstellen!

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie konnten entscheiden, es nicht zu tun!)

Und dann haben wir noch was: 80 Prozent haben bisher dieses KAG angewandt. Was Sie gerade gemacht haben, ist eine Klientelpolitik für 20 Prozent, die keine Satzung hatten, die die Rückwirkung nicht akzeptieren wollten, womit sie gegen das Gesetz verstoßen haben. Sie machen Klientelpolitik für eine ganz kleine Minderheit. Die Spitzenverbände ha

ben übereinstimmend gesagt: Wir brauchen dieses nicht! Das muss man doch zur Kenntnis nehmen! Da können Sie doch nicht so tun, als hätten wir die ganze Zeit die Kommunen geknebelt, gegängelt, bevormundet, und jetzt kommt die Befreiung von Ihnen. Das ist ja wohl ein Witz!

Schauen Sie das Land an, wie das aussieht und wie oft bisher letztendlich auch über Straßenausbaubeiträge diskutiert wurde. Natürlich gibt es welche!

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie vertreten die Bürgermeis- ter, wir vertreten die Menschen in den Kom- munen!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Heiterkeit CDU)

Herr Adams, Sie sollten wirklich erst darüber nachdenken, was Sie sagen, bevor Sie es sagen. Was Sie jetzt gerade so rausgelassen haben, ist jenseits von Gut und Böse – es ist unterirdisch. Das muss ich ganz klar sagen. Es ist eine Unverfrorenheit, uns das zu unterstellen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber die Wahrheit!)

Wie sich dieses Land in den 20 Jahren entwickelt hat, spricht Bände. Und was Sie jetzt gerade erzählt haben von Entscheidungsfreiheit, die Kommunen können endlich entscheiden, was sie tun: Das konnten sie bisher auch!

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das konnten sie bisher nicht!)

Es wird doch Folgendes passieren: Wer kein Geld hat, das freizustellen, der wird gezwungen, nichts mehr zu machen. Das kann er aber wiederum auch nicht, weil die Kommune die Verkehrssicherungspflicht für Straßen hat! Die müssen irgendwann mal was machen und dann kostet es Geld. Und dann müssen sie sagen, wo sie das Geld hernehmen. Wenn Sie jetzt alle so „befreien“ wollen, dann muss man auch das Geld haben. Das ist das, was Sie suggerieren, die Gemeinden können endlich frei entscheiden: Ihr braucht keinen Beitrag mehr erheben. Denen bleibt es dann aber auch unbenommen, nichts mehr zu machen, weil sie keine Einnahmen mehr haben. Das muss man auch dazu sagen. Das ist meiner Ansicht nach ein vergiftetes Geschenk, was Sie hier vorschlagen. Herr Adams, ich weiß nicht, ob Sie da nicht zugehört haben, was die Spitzenverbände gesagt haben, oder wenn Sie im Land unterwegs sind, müssen Sie vielleicht mal auf die Dörfer gehen, nicht nur in den Städten Erfurt, Jena und Weimar unterwegs sein – da ist das Thema nicht das Thema. Aber im ländlichen Raum

(Abg. Adams)

hat das seit 20 Jahren eine andere Besonderheit gehabt und auch eine andere Entwicklung. Und ich sage mal: Was Sie hier dargestellt haben, hat mit der Realität draußen nichts zu tun.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Herr Kellner. Ihre Worte haben offenkundig jemand anderen wieder angetrieben, nämlich Herrn Abgeordneten Kuschel. Er hat jetzt das Wort.

Danke, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann ja den Frust bei der CDU verstehen, weil es Rot-Rot-Grün gelungen ist, eine Lösung im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern zu finden, an der Sie aus politischer Borniertheit gescheitert sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Heiterkeit CDU)

Ich empfehle Ihnen, einfach mal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern zu reden, mit der CDU in Sachsen, mit der CDU in Berlin, mit der CDU in Niedersachsen, mit der CDU im Saarland – überall dort ist das Ermessen eingeführt worden, was wir jetzt auch tun.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Wir reden über Thüringen!)

Wir vollziehen also eine Entwicklung nach, die in anderen Bundesländern schon über lange Zeit eine Praxis erfahren hat, wo Erfahrungen vorliegen. Es ist nichts von dem eingetreten, was Sie hier beschrieben haben. Es werden dort trotzdem die Straßen errichtet und es gibt einen Dialog. Die Gemeinden begrüßen dieses Ermessen, weil sie endlich selbst entscheiden können. Was sie hier sagen. Die meisten Gemeinden haben sich doch nicht nur darüber beschwert, dass sie erheben müssen, sondern auch noch in einer gewissen Höhe. Bei uns gab es da nicht nur ein Ermessen, ob, sondern auch die Höhe war vorgegeben. Wir hatten die schärfsten Regelungen, die Gemeinden hatten überhaupt kein Ermessen, sie wollten aber dieses Ermessen. Nehmen wir mal die reinen Zahlen: 2011 hatten 292 Gemeinden, das ist ein Viertel, noch gar keine Satzung, die wollten keine Straßenausbaubeiträge erheben, hatten aber schon Straßen gebaut. Wenn Ihre Argumentationslinie stimmen würde, dass nur die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zum Straßenbau führt, wie soll das in einem Viertel der Gemeinden funktioniert haben? Das ist doch nicht so. Deswegen bitte ich Sie wirklich, den Blick auf die kommunale Ebene weiter so zu schärfen, dass Sie die Entwicklungen dort zur

Kenntnis nehmen. Eine davon ist – und das haben die Gemeinden nachgewiesen, sonst hätten sie doch alle ihre Satzungen gemacht –, Sie wollten keine Straßenausbaubeiträge erheben. Sie haben sie durch die gesetzliche Änderung 2011 gezwungen, rückwirkend bis 1991 zu erheben. Sie haben erst diese Situation herbeigeführt,

(Beifall DIE LINKE)

und zwar im Jahr 2011 erst. Dann stellen Sie sich hier hin und wollen Verfechter der kommunalen Ebene sein. Sie haben das erst verursacht und von daher reparieren wir das jetzt zum Teil, sicherlich nicht völlig zufriedenstellend. Ich bleibe dabei, ich halte die Straßenausbaubeiträge als Finanzierungsinstrument im 21. Jahrhundert für nicht mehr geeignet.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Dann hät- ten Sie sie abschaffen können!)

Ja. Aber wir machen jetzt den nächsten Weg und wir haben eine Vereinbarung in der Koalition getroffen. Ich betone es noch mal: Es ist ein richtiger, wichtiger Schritt und ich bin allen Beteiligten dort dankbar.

(Beifall DIE LINKE)

Im Übrigen, dass 292 Gemeinden nun rückwirkend erheben müssen, ist nicht akzeptabel. Sie haben formuliert, angeblich wurden von Anfang an die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidungen einbezogen, das wäre kommunale Praxis.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Natürlich!)

Wie können denn Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungen einbezogen werden, wenn Gemeinden gar nicht beabsichtigt hatten, Straßenausbaubeiträge zu erheben? Sondern sie haben die Straßen erst grundhaft ausgebaut und nach Jahren kommen die Gemeinden auf die Bürgerinnen und Bürger zu und sagen: Dafür müsst ihr aber jetzt noch bezahlen. Das ist die Realität Ihrer Politik.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Das war die Minderheit!)

Dann wundern wir uns, dass sich die Bürgerinnen und Bürger von der Politik abwenden. Jetzt haben wir es gelöst und gesagt, diese Rückwirkung gibt es nicht mehr, weil die Satzung vorliegen muss. Übrigens haben jetzt alle Gemeinden eine Satzung, nicht freiwillig, sondern auch auf Druck des Gesetzes. Die Kommunalaufsichten haben mit allen Mitteln, bis zur Ersatzvornahme, bis zum Jahr 2015 durchgesetzt, dass jede Gemeinde eine Satzung hat, nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Das relativieren wir jetzt wieder, dass die Gemeinden sozusagen selbst entscheiden können. Das ist doch wichtig. Deswegen bitte ich noch mal: Seien

(Abg. Kellner)

Sie uns dankbar, dass wir ein Problem gelöst haben, dass Sie verursacht haben! Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Haben Sie die Anhörung nicht wahrgenommen?)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Ich meine Wortmeldungen, nicht Zwischenrufe. Das sehe ich nicht. Dann gebe ich das Wort dem Ministerium für Inneres und Kommunales, Herrn Staatssekretär Götze.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Mit den heute hier vorliegenden Gesetzentwürfen zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes wurden wichtige Meilensteine im Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts und darüber hinaus erreicht. Damit kann ein Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden, welches im Frühjahr 2015 begonnen wurde. Ziel des von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes war neben der Stärkung der Entscheidungskompetenz der Gemeinden, der grundsätzlichen Erhöhung der Transparenz des Gesetzes sowie der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger insbesondere die Begrenzung der rückwirkenden Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Dieses Änderungsgesetz bzw. die darin genannten Ziele sollten insbesondere durch Einführung einer Stichtagsregelung erreicht werden. Am 31. Januar 2017 – das wurde hier bereits mehrfach erwähnt – fand hierzu die öffentliche Anhörung im Innen- und Kommunalausschuss des Thüringer Landtags statt. Hier machten verschiedene Anzuhörende deutlich, dass das angestrebte Hauptziel, nämlich die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, durch eine solche Stichtagsregelung wohl nicht rechtssicher zu erreichen sei.