Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem die Zinsen am Markt ein historisches Tief erreicht haben, sehen auch wir hier Handlungsbedarf. Nun ist die Abgabenordnung – unser Mantelgesetz zum Steuerrecht – eine Angelegenheit in Bundesentscheidung. Eine Änderung der Höhe der Zinsen von Steuererstattungen und Steuerforderungen ist schon seit 2016 ein Diskussionsthema unter den Unionspolitikern. Deshalb fordern wir die Landesregierung in unserem Antrag auf, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für die Senkung der Zinsen auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen nach § 238 Abgabenordnung einzusetzen. Wir fordern hier eine Halbierung von einhalb auf ein viertel Prozent pro Monat, damit die Zinshöhe nur noch maximal 3 Prozent pro Jahr beträgt.

Sehr geehrte Damen und Herren der AfD, Ihren Antrag können wir nachvollziehen, ihm aber leider nicht zustimmen. Mit der Festlegung eines festen Zinssatzes hat man auch an die Praktikabilität gedacht. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzins oder an den Basiszins nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches würde wegen dessen Schwankungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären. Die Schaffung eines variablen Zinssatzes – so wie Sie es in Ihrem Antrag fordern – hätte bei mehrjährigen Zinsläufen – wie zum Beispiel bei Außenprüfungen, Einspruchsoder Gerichtsverfahren, was häufig der Fall ist – umfangreiche, höchst komplizierte und für den Steuerpflichtigen wie auch für die Mitarbeiter der Finanzbehörden schwer nachvollziehbare Zinsberechnungen zur Folge. Da so, wie Sie es vorschlagen, eine Kopplung an den Basiszins genau das bedeuten würde, lehnen wir diesen variablen Zinssatz ab. Noch etwas: Ob dieser Zins so niedrig bleibt und für die Zukunft bleiben sollte, ist auch offen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die gegenwärtige Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank enteignet nicht nur die Sparer in Deutschland, sie hat eine Immobilienblase in unseren Großstädten aufgeblasen und sie führt zu vielfältigen Verwerfungen. Ein Beispiel ist die eklatante Differenz zu den gesetzlichen Zinsen, wie ich es schon angemerkt habe, insbesondere zu den Steuernachzahlungen und Steuererstattungen nach § 238 Abgabenordnung. Dort beträgt der Zinssatz 0,5 Prozent, sodass ab dem 15. Monat die Maximalverzinsung von 6 Prozent fällig wird. Gegenüber dem Marktzins für Einlagen und Kredite ist dies ein schwer erträgliches Ungleichgewicht, für das unsere Bürger und Unternehmen zunehmend das Verständnis verlieren. Deshalb fordern wir als CDU-Fraktion die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, diesen Zinssatz

zu halbieren. Wir unterstützen daher auch eine entsprechende Forderung aus unserem Nachbarland Hessen, die dieses schon 2016 gefordert hatte. Zuvorderst sehen wir hier den Gesetzgeber berufen, zu handeln, denn die teils öffentlichkeitswirksamen Verfahren vor den Finanzgerichten auch in Thüringen bis hinauf zu den höchsten Bundesgerichten leben nur von der Hoffnung, dass die Verfassungswidrigkeit der Zinshöhe festgestellt wird. Dieses Argument sehen wir als ein sehr schwaches an, denn weder handelt es sich um einen Bezug auf einen Marktzins, um dem Staat den Vorwurf des Wuchers machen zu können, noch tritt diese Zinsdifferenz über die Jahrzehnte in allen Zinsphasen auf. Denken Sie an die Hochzinsphase der 80er-Jahre. Der Gesetzgeber ist also berufen, dieses ständige Ärgernis zu beseitigen, er wird sich auch nicht vorwerfen lassen müssen, übermäßig oft Änderungen durchzuführen, denn seit mehr als 50 Jahren blieb der Zinssatz unverändert. Die gegenwärtigen Rekordsteuereinnahmen von Bund und Land geben auch nach der Mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre ausreichend Gestaltungsspielräume für die Bürger und Unternehmen in Thüringen. Dieses Entlastungssignal kann sich in ein weit umfassenderes Entlastungsprogramm einfügen, das Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen verdient haben. Daher fordern wir insbesondere auch einen dauerhaften Abbau der kalten Progression sowie strukturelle Anpassungen im Tarifverlauf. Damit soll der Mittelstandsbauch abgeflacht werden und durch eine Anhebung des Betrags, bei dem der Grenzsteuersatz von 42 Prozent fällig wird, eine Entlastung erreicht werden. Diese liegt zurzeit bereits bei rund 54.000 Euro. Durch ein schrittweises Auslaufen des Solidaritätszuschlags können darüber hinaus alle Einkommen entlastet werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf die Ursache der Zinsdifferenz zwischen dem § 238 A0 und dem Nullzins der Europäischen Zentralbank eingehen. Die Europäische Zentralbank bewegt sich mit ihrer Null-Zins-Politik und Negativzinsen für bestimmte Einlagen von Geschäftsbanken am Rande ihres Mandats zur Wahrung der Geldstabilität.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Was hat denn das mit dem Thema zu tun?)

Durch ihre aktuellen Entscheidungen nimmt sich die Europäische Zentralbank geldpolitische Spielräume, die sie bei einer neuerlichen Bilanz- und Wirtschaftskrise brauchte. Mit ihren Maßnahmen stützt die EZB Regierungen und notleidende Banken in den Eurokrisenstaaten, statt sich mit Zinsen für die richtigen Anreize für die erforderlichen Strukturreformen und für den notwendigen Abbau von Risiken einzusetzen. Deshalb fordern wir von der Europäischen Zentralbank eine verlässliche Geldpolitik. Das Übergreifen der Negativzinsen auf immer mehr Märkte ist ein Krisensignal und droht

einen substanziellen Vertrauensverlust in die Geldpolitik zu befeuern, insbesondere wenn Geschäftsbanken die Negativzinsen bald auch an Privatkunden weitergeben, werden nicht nur Sparanreize genommen. Damit steht vielmehr die Zukunft der Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten auf dem Spiel. Schon jetzt hat die Zinspolitik der EZB erhebliche negative Auswirkungen auf die private Altersvorsorge in Deutschland. Ein Ausweichen auf andere Vermögensmärkte ist bereits festzustellen und die Bundesbank hat wiederum eine beginnende Blasenbildung am Immobilienmarkt festgestellt, wie sie schon bei der letzten globalen Finanzmarktkrise Hauptursache waren.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns dem Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit im Steuerrecht an dieser überschaubaren Stelle der Abgabenordnung genügen. Hier kann der Bund angemessen auf eine der vielen Auswirkungen der verfehlten Geldpolitik der Europäischen Zentralbank reagieren. Vordringlich brauchen wir aber ein zügiges, verantwortungsbewusstes Ausstiegsszenario aus der Null-Zins-Politik der EZB. Den Antrag der AfD-Fraktion lehnen wir ab und bitten um Zustimmung zu unserem Alternativantrag. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Dr. Pidde das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir, die SPD-Fraktion, die Koalitionsfraktionen, wollen an der bestehenden langfristig richtigen Lösung festhalten. Wir wollen nicht dem Druck der Populisten und irgendwelcher Lobbyverbände nachgeben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die AfD sieht auch nur die Zahl „6 Prozent“. Dann kommt es wie immer, es wird schnell ein Antrag aus zwei Teilen geschrieben. In dem einen werden Fragen an die Regierung gestellt, im anderen wird aber schon gefordert, dass gehandelt werden soll. Fakten scheinen keine Rolle zu spielen. Es wird wieder einmal das Gefühl der Ungerechtigkeit geschürt. Ich bin der Meinung, dass nur das bezweckt ist.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Hintergründe anschauen, sehen wir, dass die AfD in diesem Punkt auf dem Holzweg ist. Es spricht einiges dafür, das bisherige System nicht eil- und leichtfertig über Bord zu werfen. Zwei gute Gründe möchte ich hier nennen.

Der eine ist: Die jetzige Steuerfeststellung erfolgt typisierend. Wenn wir das mit einer geforderten, fle

xiblen Zinsfestlegung vergleichen, ist der Verwaltungsaufwand, der dafür notwendig ist, ungleich höher. Das hat auch Frau Schulze in einem Nebensatz neben ihrer allgemeinen Kritik an der EZBZinspolitik und neben ersten Steuervorstellungen der Union für die bevorstehenden Wahlen gesagt. Frau Merkel wird sicher noch konkreter werden. Die SPD hat hier schon vorgelegt. Noch mal zurück zu diesem Punkt: Wenn wir von der typisierenden Steuerfeststellung abweichen, erzeugen wir enorme Verwaltungskosten. Diese zahlt dann wieder der Steuerzahler. Das kann doch wohl nicht der Sinn der Angelegenheit sein. Wir sehen das bisherige bestehende Verfahren in diesem Punkt als unschätzbaren Vorteil.

Der zweite Grund: Die Verzinsungspraxis für Steuerforderungen, aber auch für Steuerguthaben trägt grundsätzlich den Liquiditätsvorteilen Rechnung, die sich durch den unterschiedlichen Zeitpunkt von Steuerzahlungen ergeben können. Und – jetzt muss ich Ihnen widersprechen, Frau Schulze, oder Sie darauf hinweisen – das Ganze wirkt in beide Richtungen, einmal für den Staat und gegen den Steuerschuldner sowie ein andermal gegen den Staat und für denjenigen, der Steuererstattungsansprüche hat. Wir haben Jahre, in denen mehr Steuerforderungen entstehen, wir haben aber auch Jahre, in denen mehr zurückerstattet als einkassiert wurde.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: In wel- chem Jahr war das denn? Nennen Sie mir ein Jahr!)

Herr Brandner, regen Sie sich nicht so auf, gucken wir einmal in die konkreten Zahlen. Im Jahr 2014 wurden 4 Millionen Euro mehr zurückerstattet als vom Staat einkassiert. Im Jahr 2016 waren es 2 Millionen Euro.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: 2016 ist doch noch nicht abgeschlossen!)

Aber in den Fällen war es so, dass mehr an die Bürger ausgezahlt worden ist und sie den Anspruch auf die entsprechenden Zinsen hatten und davon profitiert haben. Deshalb kann man dem Staat nicht vorwerfen, er würde sich einseitig bereichern.

Frau Schulze hat auf die 0,5 Prozent pro Monat, die das nach Abgabenordnung sind – also 6 Prozent im Jahr –, hingewiesen. Nun dürfen wir doch nicht nur auf den Leitzins der EZB schauen, sondern müssen doch alle Zinsen nehmen. Ich will gar nicht anfangen bei Dispo-Krediten, wie hoch da die Zinssätze sind. Auch dazu habe ich eine andere Meinung. Aber wenn wir einmal die aktuellen Zinssätze für Konsumentenkredite nehmen und sehen, dass sie laut der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank vom März 2017 – also noch ziemlich neu – um die 5 bis 6 Prozent liegen, da muss ich doch feststellen, dass die aktuellen Zinsen für die Steuerforde

(Abg. Schulze)

rungen wie für die Steuernachzahlungen gar nicht so weit vom Marktpreis entfernt liegen.

Also noch einmal abschließend: Wir haben gute Gründe, am bewährten Verfahren festzuhalten – auch die CDU will das, sie will nur den Satz ändern, das ist erläutert worden. Deshalb werden wir die beiden vorgelegten Anträge ablehnen. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Besucherinnen und Besucher, werte Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Antrag der AfD und leider auch ein Stückchen weit der Alternativantrag der CDU sind in meinen Augen und in den Augen meiner Fraktionskollegen ein Antrag des Populismus und leider auch ein Antrag zur Anhäufung von weitergehender Bürokratie. Denn nichts anderes doch würde passieren, wenn wir hier einem der beiden Anträge folgen würden. Wir würden die Bürokratie fördern, anstatt sie abzubauen. Ich muss schon sagen, Sie werden normalerweise nicht müde, zu betonen, dass wir dringend Bürokratie abbauen sollten, und jetzt würden beide Anträge dafür sorgen, dass die Verzinsung von Steuernachzahlungen oder Steuererstattungen mit einer Anpassung an einen tagesvariablen Zinssatz wesentlich komplizierter werden würde.

Das ist schon recht bemerkenswert, aber ich muss Ihnen auch sagen, dass die rot-rot-grüne Koalition für Bürokratieabbau steht und für eine Vereinfachung und nicht für die Verschlimmbesserung wie das, was uns hier erwarten würde.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Aber Sie machen genau das Gegenteil!)

Schauen wir einmal in die Umsetzung in den Finanzämtern. Da wird schnell klar, dass diese beantragten Änderungen zu einer weiteren Verkomplizierung innerhalb der Erstattungen führen würden. Würde man die Anknüpfung an den Basiszins oder einen Marktzins durchführen, würde eine solche Anpassung bei mehrjährigen Zinsläufen und gegebenenfalls mehreren Änderungen der Steuerfestsetzung, was nicht unüblich ist, zu umfangreichen und höchst komplizierten und sowohl für die Mitarbeiter der Finanzverwaltung als auch den Steuerbürgern kaum nachvollziehbaren Ergebnissen führen. Ebenso hat sich auch beispielsweise das Bundesministerium der Finanzen im Jahr 2014 auf eine

parlamentarische Anfrage im Bundestag geäußert. Denn wann kommt die Verzinsung überhaupt zum Tragen? Es hört sich jetzt hier gerade so an, als ob am ersten Tag des Feststellens einer Steuerschuld diese tatsächlich auch angewandt wird. Der Zinssatz beträgt gemäß §§ 233 a und 238 der Abgabenordnung 0,5 Prozent für jeden vollen Zinsmonat. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass im Regelfall keinerlei Verzinsung erfolgt, weil der Verzinsungszeitraum erst 15 Monate nach Entstehung der Steuer überhaupt beginnt. Also davor ist es egal, was passiert, es bleibt, wie es ist. Auch berechnet sich die Verzinsung selbst bei langen Zinszeiträumen anders als bei Banken ohne Zinseszinseffekt ausschließlich auf der Basis der Hauptsteuerbeträge. Beides zusammen genommen relativiert den angeführten Jahreszinssatz von 6 Prozent, der tatsächlich nur in sehr wenigen Fällen erreicht wird.

Schauen wir in die aktuell gültige Rechtsprechung: Da stellt das Bundesfinanzgericht bei der Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bewertung des pauschalierten Zinssatzes unter anderem fest, dass die Vollverzinsung nach § 233 a Abgabenordnung gleichermaßen zugunsten wie zulasten der Steuerpflichtigen wirkt, das ist auch schon ausführlich festgestellt worden. Kommt es aufgrund einer Überzahlung des Steuerpflichtigen zu einer Erstattung, hat der Staat dem Steuerpflichtigen den anstehenden Zins- und Liquiditätsnachteil in der pauschalierten Höhe zu ersetzen. Dies sei nach Auffassung des Gerichts gerade dann von Bedeutung, wenn sich der Steuerpflichtige die erforderlichen Mittel zur Erhaltung seiner Liquidität gegebenenfalls anderweitig, zum Beispiel auf dem Kapitalmarkt, leihen müsste. Mein Kollege Herr Pidde hat in ähnlicher Richtung schon berichtet.

Unterstellt man allgemein, der Steuerpflichtige befände sich bei der Überzahlung von Steuerbeträgen stets in einer Geldanlagesituation, berücksichtigt man die Interessen der letztgenannten Steuerpflichtigen nicht ausreichend. Die Vollverzinsung ist zumindest für die bisher entschiedenen Zinszeiträume verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber muss aus verfassungsrechtlichen Gründen den Zinssatz nicht an die Entwicklung der Zinsen im Kapitalmarkt anpassen.

Bei einem Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit den Marktzinsen sind nach Auffassung der Gerichte nicht allein die Zinssätze für Festgeldanlagen, sondern auch für Dispositionskredite und Darlehen heranzuziehen. Die gesetzlichen Verzugszinsen sowie die banküblichen Zinsen für Dispo-Kredite liegen über bzw. nicht wesentlich unter dem Zinssatz gemäß §§ 233 a und 238 Abgabenordnung, insbesondere wenn man die lange zinsfreie Zeit mit einbezieht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Steuerverwaltung nicht durch einen marktüblichen Zins in Konkurrenz zur Kreditwirt

(Abg. Dr. Pidde)

schaft treten will, sondern die zeitnahe Vereinnahmung von Steuern zum Ziel hat.

Woher kommt nun die Idee mit der niedrigeren Verzinsung? Da hilft möglicherweise ein Blick in die anderen Bundesländer, beispielsweise nach Hessen, wo der dortige Finanzminister Schäfer das Thema vor gut einem Jahr in die Öffentlichkeit getragen hat. Der Bund der Steuerzahler hat seinerseits das Thema entsprechend aufgenommen und Ungerechtigkeiten gewittert, die – wie gerade beschrieben – weder nach verfassungsgemäßen Gesichtspunkten noch nach der aktuellen Rechtsprechung vorliegen. Auch unter den Bundesländern gibt es keine Mehrheit, um das System zu verändern.

Ich stelle daher fest, dass sowohl die AfD als auch die CDU mit ihrem Antrag als Tiger starten und vielleicht als ausgestopfter Bettvorleger enden. Unsere Koalition steht für Verlässlichkeit

(Zwischenruf Abg. Floßmann, CDU: Zum Thema!)

und Sicherheit in allen fiskalischen Belangen – und so werden wir auch beide Anträge hier im Interesse der thüringischen Steuerzahler ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat sich Abgeordneter Möller zu Wort gemeldet. Ich nehme an, Herr Abgeordneter Kießling, Sie reden für die Fraktion der AfD?

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Abgeordnete! Ich muss schon sagen, Herr Müller von den Grünen, Sie haben was gemeinsam mit der SPD und Herrn Dr. Pidde: Immer wenn wir Gerechtigkeit fordern, holen Sie die Populismuskeule raus, das ist schon System, was Sie hier machen. Und Ihre Rede, na ja, reden wir mal lieber nicht darüber. „Tiger“ und „Bettvorleger“ sind wahrscheinlich Sie dann irgendwo, wenn Sie hier so ein Zeug erzählen.

Sehen wir uns mal lieber das Fachthema an. In Deutschland haben viele fleißige Sparer, die heute immer wieder enttäuscht werden, dieses Problem der Verzinsung. Wenn sie viel Glück haben, dann können sie bei einer Anlage ihres Vermögens mit einer Verzinsung im Bereich von null Komma x Prozent rechnen, also quasi mit fast gar keinen Zinsen. Wenn man mal die Inflationsrate von 2 Prozent dagegenstellt, fragt man sich halt. Hier findet eine Entwertung und keine Vermögensmehrung statt.

Ganz anders sieht es da aber aus, wenn wir von der Verzinsung von Steuernachzahlung und Steuererstattung nach § 233 a Abgabenordnung reden. Dort heißt es, dass, wenn die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer zu einem Unterschiedsbetrag führt, dieser zu verzinsen ist. Der Zinslauf beginnt in der Regel 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Aus § 238 Abgabenordnung ergibt sich, dass die Verzinsung einhalb Prozent pro Monat beträgt, also 6 Prozent im Jahr. Nun könnte man denken, dass die 6 Prozent eine Strafe für Steuerhinterzieher darstellt oder Säumige dazu bringen soll, pünktlich entsprechende Zahlungen zu leisten. Aber das ist schlicht und einfach falsch. Der hohe Zinssatz muss auch dann aufgebracht werden, wenn der Steuerzahler gar keine Schuld an der verspäteten Zahlung hat, zum Beispiel wenn das Finanzamt zu lange für die Bearbeitung der Steuerfälle braucht oder aber wenn zum Beispiel bei einer Betriebsprüfung plötzlich Steuernachzahlungen festgesetzt werden, die vielleicht sogar falsch sein können und dann sogar die Steuerzahlungen geringer sind als die Zinszahlungen. Das heißt dann, dass Betriebe mehr Steuerzinsen nachzahlen müssen, als die eigentliche Steuer ist. Das kann auch Betriebe mal in Existenznot bringen. Das soll man mal nicht vergessen. Noch viel klarer wird es, wenn man sich ansieht, dass der jährliche Zins auch auf eine Steuererstattung anfällt. Eine Strafgebühr finden wir hier also nicht. Im Gegenteil, das Finanzamt bietet eine garantiert hohe Verzinsung weit über dem Kapitalmarktzinsniveau. Und da sagt Herr Pidde: Das wollen wir gerne so lassen, das finden wir gut so. Wir sagen: Nein, das finden wir schlecht. Warum also überhaupt diese Verzinsung? Ganz einfach, sie dient allein dem Zweck, die potenziellen Liquiditätsverluste auszugleichen. Dies ist keine Strafe und keine Belohnung. „Die Entscheidung für einen einheitlichen Zinssatz fiel bereits im Jahr 1961“, so heißt es in der Begründung entsprechend des Gesetzes vom 4. März 1961. Ich zitiere: „Für alle zu verzinsenden Beträge soll ein einheitlicher Zinssatz von einhalb vom Hundert für jeden Monat festgesetzt werden.“ 1961 – das ist lange her, meine Damen und Herren –, damals war noch Adenauer Bundeskanzler, man bekam 3 Prozent Zinsen auf das Tagesgeld und die Rendite festverzinster Wertpapiere lag bei etwa 6 Prozent. Heute können wir sagen, dass dieser seit über 50 Jahren bestehende Zinssatz im deutlichen Widerspruch zur globalen Zinsbewegung steht, vor allem in Deutschland und in der EU. Sehen wir uns den Leitzins an, der betrug im Jahr 2008 4,25 Prozent und heute stehen wir bei 0 Prozent. Schauen wir uns den Basiszins an, der betrug im Jahr 2008 3,3 Prozent und steht inzwischen bei minus 0,88 Prozent. Jetzt sagen Sie immer: Das kann man gar nicht nachvollziehen mit dem Basiszins, Riesenberechnungen usw., bla, bla,

(Abg. Müller)

bla. Da kann ich nur sagen, die Deutsche Bundesbank als Institution legt diesen Zinssatz fest, diesen Basiszins, und zwar zweimal im Jahr – zum 01.01. des Jahres und zum 1. Juli. Das kann jeder nachvollziehen, jeder nachlesen, es wird veröffentlicht. Deswegen frage ich mich, warum Sie etwas erzählen von nicht nachvollziehbar. Quatsch! Es wird veröffentlicht. Nur der Zinssatz nach der Abgabenordnung beträgt noch immer 6 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Aber Sie vergleichen doch Äpfel mit Birnen!)

Zu Recht stellt man sich die Frage, warum die Abgabenordnung nicht von Anfang an ein dynamisches Element enthalten hat, das erlaubt, sich an Zinsschwankungen anzupassen. Der einzige Grund, der jemals dafür angeführt wurde, dies nicht zu tun, ist die Praktikabilität, sprich Verwaltungsaufwand. Das hatten wir schon als Kritikpunkt angeführt. Mehr Verwaltungsaufwand wäre für die Verwaltung nicht mehr zu händeln, sagten Sie. Es gibt aber heutzutage Computersysteme, die das ruckzuck rechnen. Man kann das über eine einzelne Excel-Tabelle machen. Zweimal werden die Zinssätze im Jahr festgelegt.