Protokoll der Sitzung vom 01.09.2017

(Abg. Kießling)

heute und jetzt etwas tun und nicht noch länger warten. Fonds sind aus den genannten Gründen ungeeignet. Hierzu kommt ganz aktuell, dass man – um wenigstens die Inflation ausgleichen zu können – mit ausgesprochen viel Risiko am Markt agieren muss. Der Aktienanteil müsste sehr hoch sein, um überhaupt eine Chance auf eine Dividende oder einen Inflationsausgleich erwirtschaften zu können. Unter den momentanen Finanzmarktbedingungen ist dieses Risiko für die öffentliche Hand schlicht und ergreifend nicht zu verantworten.

Ein konservatives Ansparen fällt durch die Niedrigzinsphase ebenfalls vollständig aus. Sondervermögen – und das ist ein Pensionsfonds ohne Zweifel – sind stets intransparent, genau wie alle anderen Vermögen, die parallel zum Haushalt angelegt werden.

Es bleibt die Möglichkeit, die uns nun hier als Gesetz vorliegt: eine Vorsorgemaßnahme, mit der wir gezielt die Schulden des Landes abbauen und uns zukünftig die Zinsen auf diese Schulden sparen. Und das Beste daran: Schuldenabbau ist absolut transparent und nachvollziehbar. Das ist das ganze Modell – vereinfacht ausgedrückt: Für jeden neu eingestellten Beamten geben wir einen Betrag in die Schuldentilgung und bauen dadurch den Schuldenberg nach und nach ab – simpel, einfach und nachvollziehbar. Die dann wegfallenden Zinszahlungen können wir stattdessen viel besser für die Pensionszahlungen unserer Beamten einsetzen. Im Grunde genommen schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir treffen auf der einen Seite Vorkehrungen für die anstehende Pensionierungswelle und wir bauen die Schulden des Landes weiter ab – Haushaltskonsolidierung nennt man das. Denn selbst wenn die Pensionierungswelle wieder abebbt, die Schuldenbelastung Thüringens bleibt dann weiter niedrig, solange sich die folgenden Regierungen genauso diszipliniert wie diese rot-rotgrüne Koalition verhalten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Eure lumpi- gen Euros – 60 Millionen!)

Das ist eine vorausschauende und nachhaltige Finanzpolitik, wie wir sie bisher von keiner Vorgängerregierung so erlebt haben. Wir investieren mit diesem Modell in den Schuldenabbau Thüringens. Das sind übrigens – und Herr Huster und mein Kollege Herr Dr. Pidde haben das bereits erwähnt – Ihre Schulden, werte Kollegen der CDU, die Sie hier über Jahre hinweg aufgebaut haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben damit begonnen, diese Schuldensuppe auszulöffeln – und wir werden Sie, soweit es geht, auch auslöffeln.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wo habt ihr denn die Rede abgeschrieben?)

Ja, Hunde, die bellen, beißen nicht.

(Unruhe CDU)

Bei meinen Kindern ist das auch so: Wenn ich sie bei irgendeiner Sache erwische, werden sie immer lauter. Das bestätigt sich auch bei Erwachsenen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Fonds, den Sie bisher für das Abfangen der Pensionierungswelle angespart haben, werden wir im Übrigen nicht anfassen. Der bleibt weiterhin so bestehen, wird allerdings nicht weiter gefüttert, denn er bringt nicht die Effekte, wie ich es Ihnen gerade eben schon erläutert habe.

Daher, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich auf die Anhörung und Beratung im Haushaltsausschuss und bin mir sicher, dass wir ein Modell gefunden haben, mit dem die Verbände nach Abschluss der Debatte glücklich sein werden und mit dem wir auch zukünftigen Generationen die Chance geben, mit den Landeshaushalt gestalten zu können und Handlungsspielräume für wichtige Investitionen zu haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Aussprache schließen kann. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschussüberweisung.

Es wurde beantragt, das Gesetz an den Haushaltsund Finanzausschuss zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Die sind nicht sichtbar – also einstimmig so beschlossen.

Es ist beantragt worden, an den Innen- und Kommunalausschuss zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? Keine. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Dann erübrigt sich die Abstimmung über die Federführung. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4368 ERSTE BERATUNG

(Abg. Müller)

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich und schließe die Beratung. Es hat sich niemand gemeldet. Aber ich würde mal sagen, ein Antrag auf Überweisung wäre nicht schlecht. Herr Blechschmidt.

Ich würde mal den Antrag stellen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit zu überweisen.

Sehr schön, tolle Idee! Jetzt frage ich, wer die gut findet, der hebt bitte die Hand. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Herr Blechschmidt, großer Erfolg. Der Gesetzentwurf ist überwiesen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe jetzt verabredungsgemäß auf den Tagesordnungspunkt 20

„Belastungen des Mittelstandes reduzieren – KMU-Test in Thüringen einführen“ Berichterstattung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft über den Stand der Ausschussberatungen auf Verlangen der Fraktion der CDU gemäß § 77 Abs. 4 der Geschäftsordnung Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4363

Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall, sodass ich jetzt Herrn Abgeordneten Wucherpfennig das Wort für den Bericht aus dem Ausschuss geben kann.

Herr Präsident, meine Damen und meine Herren, mit Antrag der CDU-Fraktion vom 22.08.2017 in der Drucksache 6/4363 wurde darum gebeten, einen Bericht nach § 77 Abs. 4 Satz 2 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags abzugeben. Gegenstand soll ein Bericht über den Beratungsstand zum Antrag der CDU-Fraktion „Belastungen des Mittelstandes reduzieren – KMU-Test in Thüringen einführen“ in der Drucksache 6/1752 sein.

Nun zum Bericht: Der besagte Antrag der CDUFraktion wurde in der 48. Plenarsitzung am 22. April 2016 im Landtag beraten. In dieser Sitzung haben sich alle Fraktionen einstimmig zur

Fortberatung des Sofortberichts nach Nummer I des Antrags im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ausgesprochen, die Nummer II „Entwicklung eines KMU-Tests, Leitfaden in der Gesetzesfolgenabschätzung“ und Nummer III „Kostenfolgen von Gesetzes- und Verordnungsvorhaben für die Thüringer Wirtschaft“ des Antrags wurden ebenfalls einstimmig an diesen Ausschuss überwiesen.

In der 20. Ausschusssitzung am 12. Mai 2016 erfolgte sowohl die Fortsetzung der Beratung des Sofortberichts als auch die zu den Nummern II und III des Antrags. Während der Sofortbericht zu Nummer I für erledigt erklärt wurde, bemerkte der Regierungsvertreter bezüglich der Nummern II und III des Antrags, dass hinsichtlich der Überführung dieses Tests in die Praxis Thüringens die im KMUTest eingeführten Maßnahmen im weitesten Sinne bereits eingeführt worden seien. Die Punkte, bei denen dies bislang nicht der Fall sei, würden in die Prüffragen aufgenommen. Im Rahmen der Erweiterung soll es dabei nicht nur bei einem Leitfaden bleiben, welcher den KMU-Test widerspiegelt, sondern es wird ein qualitativ höheres Niveau angestrebt. Man wolle nicht nur allgemeine Formulierungen, dass mittelständische Unternehmen unterstützt werden müssten, sondern anhand der Prüffragen sollten genaue Rückschlüsse gezogen werden können, mit welchen Auswirkungen von Gesetzen zu rechnen sei.

Auf die Frage, ab wann der neue Prüffragenkatalog gelten werde, wurde geäußert, man strebe den 1. August 2016 an – vergleiche Ausschussprotokoll der Sitzung vom 12. Mai 2016. In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft am 25. August 2016 erfolgte die Weiterberatung der Nummern II und III des Antrags. In diesem Zusammenhang teilte der Regierungsvertreter mit: Die Einführung des KMU-Tests solle Bestandteil weiterer geplanter Anpassungen der Vorgaben zur Gesetzesfolgenabschätzung im Rahmen einer Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Landesregierung sowie für die Ministerien und die Staatskanzlei des Freistaats werden. Da die Planungen des Gesetzesvorhabens noch nicht abgeschlossen seien und eine gebündelte Umsetzung vorgesehen sei, könne der KMU-Test nach entsprechendem Kabinettsbeschluss voraussichtlich im Laufe des Jahres 2016 eingeführt werden – vergleiche Ausschussprotokoll der Sitzung vom 25. August 2016.

Nach diesen Ausführungen beschloss der Ausschuss einstimmig, den Tagesordnungspunkt nicht abzuschließen und wieder aufzurufen, wenn dem Ausschuss nach dem betreffenden Kabinettsbeschluss der Prüfbogen habe zur Verfügung gestellt werden können – vergleiche Ausschussprotokoll der Sitzung vom 25. August 2016.

(Präsident Carius)

Nachdem nun nahezu exakt ein Jahr ohne Vorlage des für 2016 zugesagten KMU-Prüfbogens vergangen ist, stellte die CDU-Fraktion am 22. August 2017 in der Drucksache 6/4363 den Antrag, über den Stand der bisherigen Beratung im Landtagsplenum zu berichten. Ich hoffe, diesem Anliegen hiermit nachgekommen zu sein. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Wucherpfennig. Als Erster hat für die Beratung des Berichts Abgeordneter Helmerich für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, im Grunde genommen stehen wir Ihrem Vorschlag, den KMU-Test des Bundes in Thüringen einzuführen, offen gegenüber. Dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen, von denen es immerhin gut 95.000 in Thüringen gibt, eine entscheidende Rolle für unsere Wirtschaftsstruktur spielen, ist unbenommen. Dass diese Unternehmen speziell bei der Entlastung vermeidbarer Bürokratiekosten besondere Aufmerksamkeit erfahren müssen, stellt ebenfalls niemand infrage, auch nicht das Thüringer Wirtschaftsministerium. Ich kann mich noch gut erinnern, dass durch die Vertreter des Ministeriums in den beiden Ausschusssitzungen, in denen wir das Thema besprochen haben, deutlich gemacht wurde, dass dieser Leitfaden als Anregung für die Erarbeitung eines eigenen Fragenkatalogs herangezogen wird und dass es somit eines CDU-Antrags gar nicht bedurft hätte. Ich bin der festen Überzeugung, dass dies auch geschehen wird.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Es ist ja nichts passiert, seit wir den Antrag gestellt haben!)

Ein solcher Prüfbogen entsteht nicht von heute auf morgen. Kammern, Verbände, Vereine und auch Fachleute aus der Wirtschaft müssen bei der Erarbeitung einbezogen werden. Ich will mir die Reaktionen gar nicht ausmalen, wenn dieser Prüfbogen ohne entsprechende Beteiligung der Unternehmerseite erstellt worden wäre. Insofern bin ich dem Thüringer Wirtschaftsministerium dankbar, dass diese Angelegenheit nicht in einer Art Galopp abgehalten wird. Diese Prozesse benötigen schlichtweg Zeit. Insofern lassen Sie uns das Ergebnis abwarten und dann können wir mit Sicherheit noch vortrefflich über Inhalte diskutieren.

Aber lassen Sie mich auch kurz auf Ihren ursprünglichen Antrag eingehen. Da ist unter anderem von negativen Auswirkungen auf die mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur in Thüringen die Rede. Interessanterweise zeigt die Bruttowertschöpfung

im Freistaat nur nach oben. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt permanent. Zudem spiegelten Expertenbefragungen im Rahmen des Thüringer Mittelstandsberichts 2015 eine überwiegend positive Einschätzung der Entwicklung des Thüringer Mittelstands wider, insbesondere im Blick auf Unternehmensgrößen, Produktivität und Umsatzentwicklung und branchenspezifisch auch in Bezug auf internationales Engagement sowie Forschung, Entwicklung und Innovation. Positiv wurde zudem die in einigen Bereichen an Tiefe gewonnene Wertschöpfung erwähnt. All dies spricht nicht gerade für ein negatives Wirken der Landesregierung in Wirtschaftsfragen. Wachstumshemmnisse wurden in erster Linie bei der Verfügbarkeit von Fachkräften, der flächendeckenden Breitbandversorgung und dem Lohngefälle im Vergleich zu anderen Standorten gesehen. Als besondere Herausforderung der Zukunft wurde darüber hinaus die steigende Bedeutung von gut ausgebildeten Fachkräften identifiziert. Ich akzeptiere das Argument, dass Bürokratiekosten zusätzliche Kosten für kleine und mittelständische Unternehmen verursachen und die Einführung neuer Regularien abgewogen werden muss. Nicht akzeptieren kann ich das überzogene Argument, dass eben diese Bürokratiekosten das drängendste und einzige Problem der Thüringer Wirtschaft sind. Der Handlungsbedarf beispielsweise beim Breitbandausbau wurde durch die rot-rot-grüne Landesregierung erkannt und angegangen. Allein die Breitbandinfrastrukturinvestitionen beliefen sich laut dem Bericht 2016 auf rund 245,7 Millionen Euro.

Sehr geehrter Herr Dr. Voigt, Ihrer Darstellung, kleine und mittelständische Unternehmen in Thüringen würden negativen Entwicklungen ausgesetzt, steht entgegen, dass zwischen 2010 und 2015 rund 2,5 Milliarden Euro für die Wirtschaftsförderung des Mittelstands in Form von direkten Zuschüssen, Projektmitteln, Darlehen und Bürgschaften zur Verfügung gestellt wurden.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Das stimmt, das meiste ist aber aus den Jahren 2010 und 2014!)

Einige dieser Programme wurden durch Wirtschaftsminister Tiefensee nochmals ausgewertet, wie das Thüringer Invest-Programm, das höhere Zuschüsse für KMU eröffnet und darüber mit Förderdarlehen kombiniert werden kann. Das versetzt Unternehmen in die Lage, neue Investitionen zu tätigen und ihre Produktivität zu erhöhen. Dank dieses Förderprogramms konnten in der Vergangenheit 3.146 neue Arbeitsplätze geschaffen und 534 Existenzgründungen ermöglicht werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was den weiteren Abbau von Bürokratiehemmnissen für Unternehmen angeht, kann ich nur sagen:

(Abg. Wucherpfennig)

Es muss eine Deregulierung mit Augenmaß sein. Forderungen, wie sie der Landesverband der CDUMittelstandsvereinigung in seinem Positionspapier zur Thüringer Wirtschaftspolitik 2014 bis 2019 formuliert, sind mit uns nicht zu machen. Dort wird festgehalten, ich zitiere: „Bei der Deregulierung darf weder auf Verbands- noch auf Einzelinteressen Rücksicht genommen werden. Ausschlaggebendes Kriterium hierfür darf allein der Markt sein.“ Wohin diese ungezügelte Deregulierung zugunsten eines wildgewordenen Marktes führt, haben uns die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 und ihre Auswirkungen gezeigt. Dass Bürokratieabbau im Einvernehmen mit der Wirtschaft ohne Frage möglich und notwendig ist, belegen die bereits heute existierende Clearingstelle im Thüringer Wirtschaftsministerium und die Verbesserungen für die Thüringer Unternehmen bei der Bürokratieentlastung. Ich möchte an dieser Stelle auszugsweise die Ausweitung der Möglichkeiten bei der elektronischen Übermittlung von Formularen und Dokumenten, die Einführung elektronischer Mahnverfahren und die Schaffung eines gemeinsamen Mahngerichts für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nennen.