Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn der Zusammenhang zwischen Einbringung des Landeshaushalts und Finanzausgleichsgesetz

hier so skandalisiert wird, dass es ein unmöglicher Vorgang ist: Wir hatten das auch in vergangenen Jahren schon und es ist auch schon kommuniziert worden, dass Frau Ministerin Walsmann, CDU, im Jahr 2011 das Finanzausgleichsgesetz erst im November des laufenden Jahres vorgelegt hat. Damals war das für die CDU-Fraktion kein Problem.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Nein, das glaube ich doch nicht!)

Meine Damen und Herren, wir haben genügend Zeit zur Beratung des Gesetzes. Ich sehe auch, dass meine Redezeit zu Ende geht. Wir haben im Haushalts- und Finanzausschuss schon beschlossen, eine schriftliche und mündliche Anhörung durchzuführen. Wir wollen die Meinung der kommunalen Spitzenverbände aufnehmen und die Details in Ruhe prüfen. Ich hoffe, dass wir uns im Haushalts- und Finanzausschuss nicht mit Geschäftsordnungsdebatten beschäftigen müssen, sondern Zeit für einen konstruktiven Dialog haben. Ich beantrage hiermit die Überweisung an diesen Ausschuss. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächster hat Abgeordneter Kalich für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Gäste am Livestream und hier im Plenum! Rot-RotGrün steht an der Seite der Kommunen. Das zeigt auch die aktuelle Revision des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes. Dabei werden einige Faktoren geändert, die zu einem gerechteren und solidarischeren Ausgleich der Finanzen führen. Der Gesetzentwurf wird allen Kommunen zugute kommen, dabei aber nicht im Gießkannenprinzip ausfallen, sondern dafür sorgen, dass dort mehr Geld ankommt, wo es auch gebraucht wird. Das sind insbesondere Städte und Gemeinden mit überörtlichen Aufgaben, wachsende Kommunen und strukturell benachteiligte Regionen. Dies soll unter anderem mit einer Änderung in der Hauptansatzstaffel geschehen. Die im Vorfeld geäußerte legitime Kritik, dass diese Ansatzstaffel in einigen Fällen zu einem Absinken der Zuweisung führen kann, haben wir gehört; wir haben auch darüber diskutiert und gesprochen und werden baldmöglich, wie bereits angekündigt, einen Änderungsantrag aus den Regierungsfraktionen in die Diskussion einbringen.

Generell gilt für jede legitime Kritik, dass sie berechtigt ist und diskutiert werden kann, solange sie nicht den Rahmen von Argumenten und Fakten verlässt. Dies jedoch passiert – auch in der Presse – manchmal mit den geäußerten Stellungnahmen

des Thüringer Landkreistags. Der Vorwurf der nicht ausreichenden und sinkenden Zuweisungen im Rahmen des FAG kann so nicht stehengelassen werden. Das eigentliche Volumen des Finanzausgleichs betrug 2014 1,85 Milliarden Euro, also deutlich weniger als ab 2015 und in den Folgejahren. 2013 wurde bei einer Novelle des Gesetzes der konkrete Zuschussbedarf der kommunalen Aufgabenbereiche anhand der aktuellsten verfügbaren Jahresstatistik von 2010 erfasst und auf das Finanzausgleichsjahr 2013 fortgeschrieben. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, seine Bedarfsermittlung in regelmäßigen Abständen zu überwachen, daher wurden im Thüringer Finanzausgleichsgesetz vom 31. Januar 2013 sogenannte große und kleine Revisionen eingeführt. Durch meine Vorredner wurde das ja schon angesprochen. Der Bedarf wurde also konkret an vorliegenden Rechnungsabschlüssen ermittelt und nicht wie bislang pauschal angenommen. In einer Übergangsevaluation aus dem Jahr 2015 wurden zum ersten Mal die Kosten konkret ermittelt und die finanzielle Mindestausstattung der Kommunen auskömmlich finanziert. Das hatte zur Folge, dass die Finanzausgleichsmasse von 1,861 Milliarden Euro im Jahre 2015 auf 1,901 Milliarden Euro in den Jahren 2016 und 2017 angestiegen ist. Rot-Rot-Grün hat bei der jetzigen Revision zwei weitere Kritikpunkte der Kommunen bei der Bedarfsermittlung aufgegriffen. Neben der Inflationsrate bei Sachkosten sind auch die Tariferhöhungen beim Personal mit eingerechnet. Zudem werden Städten und Gemeinden keine fiktiven Steuereinnahmen mehr unterstellt und damit der Druck nicht mehr aufgemacht, Grund- und Gewerbesteuer anzuheben. Schlüsselzuweisungen und Mehrbelastungsausgleich sind Teil eines Finanzausgleichssystems, das Ungerechtigkeiten zwischen den Gemeinden minimieren soll. Keinesfalls ist es die einzige Einnahmequelle der Gemeinden. Steigende Kosten sind kein allgemeines Argument für die Notwendigkeit steigender Schlüsselzuweisungen. Die Steuerkraft der Thüringer Kommunen ist im bundesdeutschen Vergleich unterdurchschnittlich. Nur 25 Prozent der Ausgaben können die Thüringer Kommunen über eigene Einkommen decken. Der Bundesdurchschnitt liegt hingegen bei 40 Prozent. Die Abhängigkeit von Landeszuweisungen ist daher besonders hoch. Sie stellen rund 60 Prozent der kommunalen Einnahmen für die Thüringer Kommunen dar. Sie erhielten von 2014 bis 2016 in Summe 166 Millionen Euro mehr aus direkten Zuweisungen, insgesamt sogar 382 Millionen Euro mehr, wenn man eigene Steuereinnahmen hinzurechnet.

Auch die Kritik, dass das Land Thüringen die Bundesmittel nicht durchreicht, ist nicht haltbar. Wie schon erläutert, erreicht das Land Thüringen mit den regelmäßigen Bedarfsermittlungen durch kleine und große Revisionen im Thüringer Finanzausgleichsgesetz die in der Verfassung geforderte und vom Verfassungsgericht eingerahmte auskömmli

(Abg. Dr. Pidde)

che Finanzierung der kommunalen Strukturen. Trotzdem werden die Kosten der Unterkunft, die Grundsicherung, die Eingliederungshilfe und die Integrationsmittel an die Kommunen weitergereicht. Das sind insgesamt über 200 Millionen Euro, allerdings außerhalb des Kommunalen Finanzausgleichs. Das zu verschweigen, fördert den konstruktiven Dialog nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Insgesamt umfasst diese Summe aus dem Bund, aus EFRE-Mitteln und aus dem Land über 1,1 Milliarden Euro pro Haushaltsjahr. Natürlich können wir im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses noch stärkere Hilfen für Kommunen möglich machen, wenn konkrete Probleme angesprochen werden. Übrigens: Die Mittel, die ich hier angesprochen habe, von 1,1 Milliarden Euro, sind nachzulesen in der Anlage 3 des FAG. Dort sind übrigens auch die 97 Millionen Euro eingestellt, die die Landkreise für Unterkunft, Krankenversicherung und Betreuung für Flüchtlinge bekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

All das, was ich angesprochen habe bzw. über was wir reden müssen, funktioniert nur in einem fairen Dialog und den werden wir auf jeden Fall führen.

(Beifall DIE LINKE)

Nach 25 Jahren systematischer Unterfinanzierung hat Rot-Rot-Grün seit 2015 endlich klare Regelungen beschrieben. Dass die Thüringer Kommunen aktuell eine Struktur haben, bei der viel Geld in der Verwaltung hängenbleibt und wenig in Investitionen geht, ist uns allen kein Geheimnis. Auch müssen wir aufpassen, dass die Kommunen nicht die Sparkassen der Kreise werden, die mit der Kreisumlage immer die Möglichkeit haben, ihre strukturelle Schwäche auf die Kommunen abzuwälzen. Das alles müssen wir gemeinsam im Blick haben und im Gesetzgebungsprozess sachlich im Interesse aller diskutieren. Ich beantrage die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Henke für die AfD-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste! Erst mal meinen Dank an Herrn Mohring – wunderbar seziert, diesen Kommunalen Finanzausgleich, besser geht es wahrscheinlich nicht. Da bleibt nicht mehr viel übrig.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da falle ich ja gleich wieder hin. Da hätte ich sit- zen bleiben müssen!)

Ja, manchmal Lob, wem Lob gebührt.

Herr Maier ist leider nicht da. Auch an Sie hätte ich ein paar Worte zu richten. Ich war in Hermsdorf zur Sitzung der VG-Chefs und Bürgermeister. Ich habe einen Satz, den Sie dort gesagt haben, nicht vergessen: Wir haben mit allen Parteien gesprochen außer mit einer. Ich hoffe nicht, dass das in den nächsten zwei Jahren Ihr Politikstil sein soll. Denn Sie grenzen dort automatisch einen Großteil der Bevölkerung in Thüringen aus.

(Beifall AfD)

Zum Gesetz: Der Gesetzentwurf zur Anpassung des Kommunalen Finanzausgleichs legt die Hand an die Wurzeln des ländlichen Raums in Thüringen. Er reiht sich ein in eine lange Liste der Angriffe auf die Thüringer Gemeinden durch die rot-rot-grüne Landesregierung. Diese Landesregierung will über eine Änderung der einwohnerbezogenen Zuweisung des Kommunalen Finanzausgleichs, der sogenannten Schlüsselzuweisungen, ihre gescheiterte Gebietsreform durch die Hintertür durchdrücken. Anders gesagt wird der ländliche Raum ausgetrocknet. Auch die jährliche Zahlung von 10 Millionen Euro ist ein Tropfen auf den heißen Stein. 10 Millionen Euro geteilt durch 750 betroffene Gemeinden bedeutet 13.333 Euro pro Gemeinde. Damit kann sich die Gemeinde umgerechnet 1,6 Kilometer Straße leisten. Das ist nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, heißt Tod auf Raten im ländlichen Raum. Übrigens ist in diesem Zusammenhang die Zahl von 10.000 Euro interessant. Diese Zahl sagt viel aus über das, wohin diese Landesregierung will und was sie mit Thüringen vorhat. Die Linke als größter Koalitionspartner ist bekanntlich schon immer dafür gewesen, die willkürlich gewählte Zahl von 10.000 als angebliche Kennzahl für die Effizienz einer Gemeinde anzusehen. Während sich Frank Kuschel und Co. beim Leitbild und dem inzwischen zu Recht auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgten Vorschaltgesetz bekanntlich damit nicht durchsetzen konnten, wollten sie es jetzt über den Kommunalen Finanzausgleich noch einmal versuchen. Wenn wir die Gebietsreform nicht über den rechtlichen Zwang hinbekommen, dann nehmen wir eben den finanziellen, werden sich die Ideologen wohl gedacht haben. Die finanzielle Austrocknung des ländlichen Raums soll die Gemeinden wohl in die Fusion treiben. Getreu dem alten Motto von Walter Ulbricht: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“,

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Welche Bücher ihr noch habt!)

(Abg. Kalich)

kann man für diese rot-rot-grüne Koalition formulieren: Es muss freiwillig aussehen, aber wir müssen die Zwangsmittel der finanziellen Zuweisung in der Hand behalten. Dazu passt auch, dass diese Landesregierung die Gemeinden finanziell benachteiligen will, wenn sie sich zu einer Verbandsgemeinde zusammenschließen wollen. Diese sollen nur 50 Euro als Fusionsprämie erhalten, während diejenigen, die die von Rot-Rot-Grün favorisierten Modelle der Land- und Einheitsgemeinden bevorzugen, doppelt so viel bekommen. Auch hier soll die kommunale Selbstverwaltung, die bei einer Verbandsgemeinde weitaus stärker ausgeprägt ist als bei einer Land- und Einheitsgemeinde, durch den sanften Zwang der Finanzen ausgehebelt werden.

Insgesamt gehen die Landesmittel für unsere Kommunen im Vergleich mit 2017 weiter zurück. Festzustellen bleibt: Dieser Kommunale Finanzausgleich gleicht nichts aus, sondern vertieft den Abstand zwischen dem abgehängten ländlichen Raum und den urbanen Regionen. Es ist nichts weiter als eine andere Verpackung für die Gebietsreformpläne der Landesregierung, eine Fortsetzung der Gebietsreform mit anderen Mitteln. Wir lehnen ihn daher ab. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Henke. Als Nächster hat Abgeordneter Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Kommunen erhalten eine solide finanzielle Ausstattung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Ergebnis der heutigen Debatte, dass die Zuweisungen des Landes weiterhin steigen, und das bei steigenden Einnahmen der Kommunen aus den eigenen Steuereinnahmen.

(Beifall DIE LINKE)

So kann festgestellt werden, dass im Jahr 2006 unsere Kommunen nur knapp 1 Milliarde Euro eigene Steuereinnahmen hatten, nämlich genau 992 Millionen Euro, also nicht ganz 1 Milliarde Euro. Zehn Jahre später haben die Kommunen im Jahr 2016 festgestellt 1,57 Milliarden Euro eigene Steuereinahmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Faktor von fast 1,6, nämlich 1,58, um genau zu bleiben. Absehbar in der Prognose werden die Kommunen in diesem Jahr noch einmal 95 Millionen Euro mehr eigene Steuereinnahmen haben, und das ist gut so, das ist gut angelegtes Geld, das

bei unseren Kommunen ankommt, um sie leistungsfähig zu machen und ihre Leistungsfähigkeit dauerhaft zu steigern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Mohring hat in seiner Rede mehrfach das System des Kommunalen Finanzausgleichs, das überhaupt niemand antastet, das unter dem Finanzminister Voß eingeführt wurde, gelobt und gesagt, dass sich daraus gute, richtige Schritte ergeben, um Kommunen leistungsfähig zu machen. Ja, das ist so und deshalb muss man an dieser Stelle am heutigen Tag auch sagen: Wenn im Jahr 2014 unsere Kommunen noch mit 1,839 Milliarden Euro zufrieden sein mussten, erhalten sie nun im Haushalt für das nächste Jahr 1,957 Milliarden Euro, das heißt 118 Millionen Euro seit Einführung des KFASystems von Herrn Voß mehr. Das heißt, unsere Kommunen erhalten mehr Geld, um ihre eigenen Aufgaben und die ihnen übertragenen Aufgaben lösen zu können.

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Welche Kommunen erhalten denn mehr Geld?)

Nur ein Scharlatan würde etwas anderes behaupten, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur ein Scharlatan! Noch nie waren das Land und die Kommunen so nah beieinander. Beide profitieren von der guten wirtschaftlichen Situation, beide profitieren von einer guten Aussicht, die durch die gute Verhandlung des Länderfinanzausgleichs ermöglicht wurde. Mittelfristig bis langfristig haben deshalb Land und Kommunen eine gute finanzielle Aussicht und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss die Aussage aus dieser Debatte hier im Thüringer Landtag sein. Wir haben Sicherheit geschaffen, finanzielle Sicherheit, für unsere Kommunen und diese Kommunen sind gut ausgestattet, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle will ich mir nur zwei Punkte aus der Rede von Herrn Mohring herausnehmen und eins deutlich machen: Herr Mohring ist dafür bekannt – und dafür beneide ich ihn manchmal auch ein bisschen –, dass er mit rhetorischen Werkzeugen wie das Anheben der Stimme

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Das ma- chen Sie doch auch!)

oder mal das Leiserwerden einen ganz besonderen Eindruck erwecken kann, nämlich dass es hier einen großen Konflikt gibt, den er bearbeiten müsste. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer auf die Worte geachtet hat, die nachher im Protokoll stehen werden, bei denen wir Herrn Mohring dann auch packen können und in die politische De

(Abg. Henke)

batte ziehen, da hat er gut aufgepasst, dass er keine falschen Zahlen oder Behauptungen aufstellt. Zum Beispiel hat er versucht, immer wieder zu sagen, dass ja der Kommunale Finanzausgleich, wie ihn Herr Voß aufgestellt hat, ein Regelwerk, total gut ist, nur das, was wir daraus machen würden, sei total falsch. Er hat überhaupt nicht darlegen können, wo wir denn davon abweichen. Deshalb ist es ein gutes Finanzausgleichsgesetz – das unterstreichen wir dreimal –, es ist ein gutes Finanzausgleichsgesetz auf den Regeln, die Herr Voß aufgestellt hat,

(Beifall SPD)