Frank Steffel
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Die CDU-Fraktion hat heute eine Aktuelle Stunde zum Wissenschaftsstandort Berlin und zum Abgang des Präsidenten der Freien Universität, Prof. Lenzen, beantragt. Der Abgang von Prof. Lenzen ist ein schmerzlicher Verlust für Berlin und seine Kritik am Berliner Senat ein einmaliger Vorgang.
Wenn der Präsident der einzigen Exzellenzuniversität der deutschen Hauptstadt die Berliner Verhältnisse von Wissenschaft, Lehre und Forschung mit denen in der Volksrepublik China vergleicht, sollte uns dies nachdenklich stimmen.
Nun könnte man vermuten, dass der Abgang eines profilierten bürgerlich-liberalen Universitätspräsidenten nicht so wichtig ist und diesem Senat die schrillen alternativen Milieus genügen. Vielleicht genügt es dem rot-roten Senat, die Hauptstadt der Arbeitslosen und Hartz-IV-Bezieher zu sein. Vielleicht ist diesem Senat egal, ob nach der Wirtschafts- und Bildungspolitik nunmehr auch in der Wissenschafts- und Forschungspolitik intellektuelle Insolvenz anzumelden ist.
Oder ist es diesem Senat – und einigen Zwischenrufern – gerade willkommen, dass bürgerliche und liberale Eliten diese Stadt verlassen? – Das ist ein gefährliches Spiel. Mich erinnert das an die späten 70er-Jahre des damaligen Westberlin und die Neuwahlen mit einer neuen Regierung unter Richard von Weizsäcker. Wir verlieren eben mehr als nur einen der renommiertesten Wissenschaftler seines Fachgebiets – wir verlieren nach den Beleidigungen von
Investoren als „reiche Onkel aus Amerika“, den Beschimpfungen von Kulturschaffenden und Kirchen nunmehr auch in der Wissenschaft international und national an Reputation.
Nach dem Widerspruch gegen die verfassungsrechtliche Schuldenbremse, nach dem rot-roten Veto gegen den historischen EU-Reformvertrag sind wir unter den Bundesländern isoliert; das Verhältnis gegenüber den Verfassungsorganen ist nach mehrfachen Verfassungsbrüchen, Beschimpfungen der Bundesregierung und einzelner Länder dauerhaft gestört. Die peinlichen Streitereien bei dem vom Bund finanzierten Infrastrukturprojekt U 5 oder – ganz aktuell – der Autobahn A 100 lösen bei anderen Bundesländern und bei der Bundesregierung nur noch Kopfschütteln aus.
Wer so unnötig Porzellan in ganz unterschiedlichen Bereichen zerschlägt, der schadet den Interessen Berlins!
Wer Eliten in gute und schlechte, in willfährige und kritische, in bürgerliche und linke einteilt, der hat die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts nicht verstanden!
Als ich am 2. Dezember 1990 bei den ersten Gesamtberliner Wahlen erstmals in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt wurde, waren wir uns einig, Berlin für die Besten attraktiv zu machen.
Wir wollten die Starken in die Stadt holen, um die Schwachen zu schützen und zu stützen. Schon bei der ersten Sitzung in der Nikolaikirche wussten wir, dass wir die Herausforderungen gemeinsam nur bewältigen können, wenn die geschundene Stadt Berlin-West und die vor unglaublichen Veränderungen stehende Stadt Berlin-Ost für frisches Blut von außen, für Eliten aus Deutschland und der Welt Ausstrahlung haben. Wir ahnten damals nicht, wie schwierig es werden würde, die aus unserer Sicht historische Selbstverständlichkeit, Hauptstadt aller Deutschen zu werden, zu erreichen. Man fragt sich, was mit dieser Stadt geschehen wäre, wenn diese Entscheidung anders ausgegangen wäre.
Gemeinsam konnten wir dies erreichen, und es wird nunmehr wirklich Zeit, dass endlich alle Ministerien nach Berlin umziehen.
Dr. Wolfgang Albers
Ich habe in meinen 19 Jahren in diesem Parlament große Stunden erleben dürfen – zu viele, um sie hier aufzuzählen.
Mir bleibt die Sitzung nach dem 11. September 2001 natürlich in besonderer Erinnerung. Meine Rede – wie auch die vieler Kolleginnen und Kollegen – wenige Stunden nach den Terroranschlägen in den USA fand vor einem Plenum statt, das von Gemeinsamkeit und Trauer sowie Nachdenklichkeit geprägt war. Interessanterweise sind es die gemeinsamen Momente und nicht die trennenden, die mich zumindest an meinem letzten Tag in diesem Hause beschäftigen. Vielleicht sollten wir alle stärker daran arbeiten – trotz aller Unterschiede –, diese Momente gemeinsam zu erzeugen.
Natürlich erinnere ich mich auch – das wird Sie nicht wundern – an meine schwerste Rede: Am 16. Juni 2001 wurde der langjährige Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen, abgewählt. Diese Stunden haben sich in meiner Erinnerung tief eingeprägt, und ich habe damals und in der Zeit danach gelernt, wie wichtig ein angemessener Umgang der Regierung mit der Opposition ist. Gerade der Umgang mit der Opposition unterscheidet Demokratie und Diktatur. Opposition macht den Unterschied, Regierungen gibt es überall. Mehrheit und Minderheit, Rede und Gegenrede sind gerade der Reiz unserer Demokratie.
Bundestagspräsident Lammert hat vor wenigen Tagen in seiner Rede zur Konstituierung des 17. Deutschen Bundestages darauf hingewiesen, dass wir gewählt, aber nicht gesalbt sind. Für unseren befristeten Wählerauftrag gebe es keine automatische Verlängerung – und er hat recht. In meinen Jahren im Abgeordnetenhaus von Berlin habe ich fast ausschließlich Kolleginnen und Kollegen kennenlernen dürfen, denen es – bei allen Unterschieden in der Sache – am Ende um das Wohl unserer Stadt geht. Ich habe viele sehr fleißige Kolleginnen und Kollegen kennenlernen dürfen, die übrigens alle üblichen Vorurteile gegenüber Politiker problemlos widerlegen – auch das sollten wir bei allen Gegensätzen vielleicht etwas öfter betonen.
In meinen Reden und Beiträgen habe ich stets versucht, klar und präzise meine Auffassung zu vertreten, Unterschiede deutlich zu machen und trotzdem keiner Kollegin und keinem Kollegen persönlich weh zu tun. Wenn mir dies ab und zu nicht gelungen sein sollte, tut mir das leid.
In den 19 Jahren im Landtag habe ich immer großen Wert auf meine persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit gelegt – das hilft, gerade in schwierigen Zeiten, und gerade deshalb sind mir Idealismus und Engagement bis heute geblieben. Die Arbeit in diesem Parlament hat mir viel Freude bereitet und viele Anregungen für mein Engagement im Ehrenamt und im Beruf gegeben. Ich habe mich bemüht, zum Wohle Berlins zu arbeiten, und möchte dies gerne mit Ihnen gemeinsam in den kommenden Jah
ren in einer neuen Aufgabe fortsetzen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die drei Parteien, die sich links von mir befinden, versuchen heute offensichtlich, eine Angstkampagne gegen Schwarz-Gelb auch noch einmal parlamentarisch zu begleiten, die ich mit zwei Bemerkungen hoffe, entkräften zu können. Erstens vergessen Sie bitte nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland 60 Jahre alt wird. Das ist ein eine ziemliche Erfolgsgeschichte. 50 Jahre haben in dieser Bundesrepublik Deutschland in der Bundesregierung christliche Demokraten oder freie Demokraten die Verantwortung getragen. Insofern ist Ihre Angstkampagne ebenso überflüssig wie unglaubwürdig.
Zweitens werden gegenwärtig 60 Millionen, also über 75 Prozent der deutschen Bevölkerung in ihren Bundesländern schwarz-gelb regiert. Das sind die Bundesländer, die in allen Rankings und in allen Vergleichen in der Bildung, in der Arbeitsmarktpolitik, in der Wirtschaftspolitik und auch in der Finanzpolitik immer auf den ersten Plätzen liegen. Also auch in diesem Punkt macht Ihre Angstkampagne deutlich, dass es Ihnen um Parteipolitik und nicht um Politik zum Wohl der Menschen in Deutschland geht.
Herr Kollege Stroedter! Sie spielen nun auch heute wieder den Oppositionsführer und machen viele Vorschläge. Ich finde das alles intellektuell auch ganz anregend, möchte Sie aber daran erinnern: Sie regieren in Berlin seit 20 Jahren. Sie regieren in der Bundesrepublik Deutschland seit elf Jahren. Sie hatten genug Zeit für Ihre Vorschläge. Jetzt würde ich empfehlen: Regeneration in der Opposition.
Es geht am 27. September um viel. Es geht darum, wie wir Deutschland aus der größten internationalen Wirtschaftskrise in eine gute Zukunft führen,
und es geht darum, wer unser Land durch diese schwierige Situation steuert. Es geht darum, ob wir diese Krise im Geiste des Zusammenhalts meistern oder ob die verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden.
Es geht darum, ob eine Politik für die Mitte unserer Gesellschaft gemacht wird oder ob wir gerade diese Mitte im Stich lassen.
Und es geht darum, ob wir weiterhin auf die Soziale Marktwirtschaft setzen oder auf sozialistische oder kommunistische Experimente, die auf der ganzen Welt zu Recht gescheitert sind. Wir sind davon überzeugt: Jetzt ist nicht die Zeit für Experimente. Experimente kann sich Deutschland nicht leisten, und deshalb brauchen wir eine Koalition der Mitte, gerade in den kommenden vier Jahren.
Erinnern wir uns an die Bilanz von Rot-Grün!
5,2 Millionen Arbeitslose! Völlig heruntergewirtschaftete Sozialsysteme! Rekordverschuldung mit jährlichen Blauen Briefen aus Brüssel! Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum in Europa! Und als politisches Ergebnis nach sieben Jahren vorgezogene Neuwahlen.
Vier Jahre später liest sich die Bilanz trotz Krise deutlich besser.
Bei den Staatsfinanzen war die Bundesregierung bis zur Krise auf dem besten Weg, 2011 zum ersten Mal seit 1969 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. 2007 und 2008 hatten wir gesamtstaatlich erstmals seit 1969 ausgeglichene Staatshaushalte. Dann kam die Krise, und eine höhere Verschuldung war unvermeidlich – übrigens nicht, um die Banken zu retten, sondern um schweren Schaden von den Bürgern, von den Sparern und vom Wirtschaftsstandort Deutschland abzuhalten.
Die Konjunkturpakete können Sie im Detail kritisieren. Auch ich tue das in mancher Kleinigkeit. Ich sage Ihnen aber, im Gesamtergebnis haben die Konjunkturpakete I und II Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland erhalten und viele Tausend Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt.
Die Zahl der Arbeitslosen liegt heute bei 3,4 Millionen. Im Herbst 2008 waren wir bei 2,8 Millionen und hatten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland über 40 Millionen Erwerbstätige.
Es haben so viele Männer und Frauen in Deutschland gearbeitet wie noch nie zuvor. Deshalb konnten wir trotz der schwierigen Haushaltslage die Steuer- und Abgabenlast maßgeblich senken. Die Lohnnebenkosten sanken von 42 auf paritätisch 38,6 Prozent. Das ist eine spürbare Entlastung für Arbeitnehmer und unseren personalintensiven Mittelstand.
Die CDU-geführte Bundesregierung hat Familien wieder dorthin gerückt, wo sie hingehören: in die Mitte unserer Gesellschaft.
Dabei wurde endlich die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf für Eltern verbessert – durch das Elterngeld, mehr Betreuungsplätze, die verbesserte Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten sowie die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages.
Eine der wichtigsten Maßnahmen in den vergangenen vier Jahren war die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, und sie werden auch 2009 und 2010 noch einmal um insgesamt 18 Milliarden Euro entlastet.
Um die soziale Debatte aufzugreifen: Der Grundfreibetrag in Deutschland wird ab dem 1. Januar 2010 8004 Euro betragen. Dieser Grundfreibetrag soll zukünftig auch für Kinder gelten. Das bedeutet: Eine Familie mit zwei Kindern – zwei Erwachsene, zwei Kinder – hat viermal 8 000 Euro steuerfrei. Durch die zusätzliche Absetzbarkeit von Krankenversicherung und Werbekosten bedeutet dies ganz konkret, dass eine Familie bis zum Jahresbruttoeinkommen von 41 000 Euro in Deutschland keinen Cent Lohn- und Einkommensteuer mehr zahlt. Das ist die sozialste Politik, die wir für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Familien in Deutschland machen können.
Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards. Sie war für uns immer – das gefällt Ihnen von der Linkspartei nicht! –
mehr als eine Wirtschaftsordnung. Sie ist eine Gesellschaftsordnung, eine Ordnung der Partnerschaft, in der der Starke den Schwachen unterstützt und die Gesellschaft zusammengehalten wird, eine Ordnung, in der sich Bürger frei entfalten können, aber dem Risiko des Lebens nicht schutzlos ausgeliefert sind. Die Soziale Marktwirtschaft glaubt weder an die Allmacht des Marktes noch an die Allmacht des Staates. Dies unterscheidet uns von der FDP und von den Linken. Sie setzt auf den Markt als Instrument, um Wohlstand zu schaffen und sozialen Ausgleich überhaupt finanzieren zu können, aber sie setzt gleichzeitig auf einen starken Staat als Hüter der Ordnung. Und so verbindet sie weltweit beispielgebend wirtschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit. Sie verbindet Freiheit und Sicherheit.
Wir setzen gerade in dieser schwierigen Zeit auf Zusammenhalt.
Das unterscheidet uns von der SPD. Die SPD schürt Neiddebatten und spielt gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aus.
Wir setzen auf den Dreiklang, auf Haushaltskonsolidierung, Investitionen in Bildung und Forschung und Entlastungen der Bürger. Nur so kommen wir zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum.
Nur was heute erwirtschaftet wird, kann morgen ausgegeben werden.
Die Sozialdemokraten sind nach elf Jahren an der Regierung ausgebrannt. Sie klammern sich an verstaubte Ideologien, Gleichmacherei, Steuererhöhung, Umverteilung.
Der wichtigste Punkt ist aber: Die SPD ist unglaubwürdig. Sie will einerseits die Politik zurückdrehen, die sie selbst mit Rot-Grün gemacht hat. Sie kämpft andererseits für das, was sie längst hätte durchsetzen können. Sie will eine Ampelkoalition mit der FDP,
attackiert dieselbe FDP, aber als Marktradikale. Sie schließt eine Koalition mit der Linkspartei im Bund aus, lässt sie aber auf Länderebene zu und wollte Bundespräsident Köhler mit den Stimmen der Linken stürzen.
Wer am Sonntag SPD wählt, weiß nicht, was er bekommt. Wer Steinmeier wählt, kann Lafontaine bekommen – und den brauchen wir in Deutschland nun wirklich nicht.
Ja, wir führen die Auseinandersetzung mit der Linkspartei.
Und obwohl wir Berliner sehr viel zu Ihrer Verantwortung für Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl sagen könnten, setzen wir uns insbesondere mit Ihren Inhalten auseinander,
mit dem, was Ihnen von der Zukunft in Deutschland vorschwebt. Und da sagen wir Ihnen: Die Linkspartei gibt keine Antwort auf die politischen Herausforderungen unserer Zeit. Sie spaltet die Gesellschaft, sie macht haltlose Versprechen, und wir bekennen uns dazu: Wir möchten keine sozialistisch-kommunistische Regierung in Berlin, und wir möchten sie auch nicht in Deutschland. Jawohl!
Das sehen Sie anders, und das ist auch völlig in Ordnung. Das sollen die Menschen wissen: Wer eine sozialistische Regierungsbeteiligung will, der muss Sie wählen. Wer das nicht will, muss uns wählen.
Wer vier Jahre Stabilität statt Koalitionsgezänk und Chaos will, der muss am Sonntag mit beiden Stimmen CDU wählen. – Vielen herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Rede, Herr Gaebler, und der Versuch, das Chaos der S-Bahn den Grünen, der FDP, der CDU oder der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben, ist einfach nur dreist!
Ich habe in den vielen Jahren in diesem Parlament so manches erlebt, aber das war schon eine bemerkenswerte Wahlkampfpirouette, die Sie eben zu diesem bedeutenden und wichtigen Thema gemacht haben, denn wenn ich mich recht erinnere, wurde Herr Mehdorn als Weggefährte von Bundeskanzler Schröder unter der rot-grünen Bundesregierung zum Chef der Bahn gemacht.
Und wenn ich mich auch recht erinnere, hat dieser Herr Mehdorn im Wahlkampf 2001 am Spendenessen für Herrn Wowereit teilgenommen und aus dem Topf der Deutschen Bahn AG 5 000 Euro an die Berliner SPD gespendet.
Wenige Monate danach hat das Land Berlin einen dilettantischen Vertrag mit eben dieser Bahn abgeschlossen, über dessen Folgen wir heute hier sprechen. So viel zur Historie, und so viel zur Wahrheit.
Mit diesem Vertrag hat sich der Senat wissentlich oder fahrlässig schlicht und ergreifend über den Tisch ziehen lassen. Der Regierende Bürgermeister saß bei den Vertragsverhandlungen am Tisch und trägt deshalb auch eine Schuld an diesem Desaster.
Ob Ahnungslosigkeit oder Amtsmüdigkeit – beides ist mit dem Amt des Regierenden Bürgermeisters unvereinbar. Der öffentliche Personennahverkehr ist eine Kernaufgabe der Daseinsvorsorge, und der Senat ist für die Ausgestaltung dieses Vertrages und damit auch für die damit verbundenen Konsequenzen politisch verantwortlich.
Obwohl es verlockend wäre, werde ich das Thema S-Bahn nicht zum Wahlkampfthema machen,
denn die betroffenen Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von uns, dass wir uns mit diesem Problem heute hier ernsthaft beschäftigen.
Was ist geschehen? – Bereits nach dem ersten erheblichen Störfall vom 6. bis 9. Januar dieses Jahres hat der Betriebsratsvorsitzende der S-Bahn hier im Parlament darauf hingewiesen, dass ohne eine Kurskorrektur bei der S-Bahn die Sicherheit der Fahrgäste nicht länger gewährleistet werden kann. Die zuständige Senatorin erklärte am folgenden Tag, dass 300 ausgefallene Züge nicht hinnehmbar seien; getan hat Sie nichts.
Ende Juni bricht das Chaos endgültig aus, und die gesamte S-Bahn-Geschäftsführung wird sehr zügig entlassen. Der Regierende Bürgermeister tut erst tagelang gar nichts, trifft sich dann mit dem neuen Bahnchef, um der staunenden Öffentlichkeit zu verkünden, dass man nunmehr endgültig alles im Griff habe.
Am Montag dieser Woche trinkt Frau Junge-Reyer mit der neuen S-Bahn-Geschäftsführung morgens Kaffee, und abends verkündet die S-Bahn, dass ab sofort 75 Prozent der Züge in Berlin nicht mehr fahren werden.
Einen Tag später bricht mit unbekannter Dauer für die Passagiere der S-Bahn das totale Chaos aus. Die Senatorin zeigt sich einmal mehr völlig überrascht und völlig unvorbereitet.
Es entsteht – vorsichtig formuliert – der Eindruck, dass die Bahn den Berliner Senat nicht wirklich ernst nimmt.
Diese neuerlichen Einschränkungen sind zumindest in meinem Leben hier in Berlin eine einmalige Erfahrung, und sie übertreffen alles bisher Dagewesene, denn sie beeinträchtigen die Leistungsfähigkeit unserer Stadt massiv. Über eine Million Menschen sind für Monate, möglicherweise länger, in ihrer Mobilität eingeschränkt und erreichen beispielsweise ihre Arbeitsplätze vielfach nur sehr verspätet. Die Straßeninfrastruktur ist vielfach überfordert und belastet Ökologie und Ökonomie. Die Krise trifft besonders diejenigen, die auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind, also Schüler, Rentner und sozial Schwache. Zahlreiche Einzelhändler im Umfeld der Bahnhöfe werden seit Monaten an den Rand des Ruins gedrängt, weil ihre Kunden schlicht und ergreifend nicht mehr fahren können und nicht mehr kommen. Nachhaltige Auswirkungen hat dieser Imageschaden Berlins auch für den Messe- und Kongressstandort sowie für den Tourismus insbesondere dadurch, dass das Chaos während der Leichtathletik-Weltmeisterschaft oder jetzt jüngst im Rahmen der Internationalen Funkausstellung stattfindet. Was ist zu tun?
Erstens: Es müssen Sofortmaßnahmen eingeleitet werden, um einen zuverlässigen öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen. Die Wiedereinsetzung der sogenannten S 21, die Wiederaufnahme des Bahnhofs Zoologischer Garten als Haltepunkt für Fernverkehrszüge,
die Taktverdichtung auf allen Bus-, Tram- und U-Bahnlinien der BVG, zusätzliche Haltepunkte für ExpressLinienbusse der BVG, mehr Regionalverkehrszüge auf der Stadtbahn sowie in Richtung Spandau und beispielsweise Wannsee, Ersatzbusverkehr auf allen von der SBahn nicht mehr bedienten Streckenabschnitten.
Zweitens: Sicherheit und Service müssen sofort verbessert werden. Alle verfügbaren Werkstätten müssen genutzt werden, um Reparaturen schnellstmöglich durchzuführen. Wir fordern die Wiederaufnahme der stillgelegten Werkstatt in Friedrichsfelde. Das Personal in den Werkstätten und auf den Bahnsteigen muss unverzüglich aufgestockt werden, um die Sicherheit und den Service zügig zu erhöhen.
Drittens: Entschädigung der Fahrgäste und des Einzelhandels. Die S-Bahn ist in einer Bringschuld. Die Fahrgäste zahlen für ihren schnellen und sicheren Transport und können deshalb zu Recht erwarten, dass die S-Bahn die ihnen zugesagte Leistung erbringt. Die Fahrgäste, die eine Monatskarte und ein Abonnement besitzen, müssen mindestens zwei Monate gratis fahren dürfen. Die S-Bahn muss die Voraussetzung für eine schnelle und unbürokratische Entschädigung schaffen. Die Parkraumbewirtschaftung in der Innenstadt muss zeitlich ausgesetzt werden. Nehmen Sie als Senat die 15 Millionen Euro, die Sie gerade gestern der Bahn abgezogen haben, und erstatten Sie den betroffenen Einzelhändlern zumindest anteilig deren Mieten, die sonst existenzgefährdend für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze wären.
Viertens: Vorfristige Kündigung des Vertrages mit der S-Bahn. Der Senat ist in der Pflicht, den bestehenden Verkehrsvertrag aufgrund der Nichterbringung der vereinbarten Leistung – in Verbindung übrigens mit einer massiven Gefährdung der Sicherheit von Millionen Fahrgästen – mit sofortiger Wirkung zu kündigen.
Eine Abmahnung ist lächerlich und hätte bereits im Januar, spätestens aber im Juni dieses Jahres erfolgen müssen. Bis zur Klärung der Ursachen und der Wiederherstellung der vollständigen Leistung sind sämtliche Zuschüsse an das Unternehmen einzustellen.
Es muss unverzüglich ein neuer, besserer Vertrag verhandelt und vereinbart werden.
Wir erwarten vom Senat ein konsequentes Krisenmanagement, und zwar nicht nur heute und in den nächsten Tagen, sondern in den kommenden Monaten; wir erwarten die Führung der Krise durch den Senat und nicht das Abschieben der Verantwortung auf andere, auf die Bahn oder die Bundesregierung.
Unser Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der S-Bahn und übrigens auch dem Betriebsrat, denn erst seine Aufklärung hat dazu beigetragen, dass wir das Problem in der ganzen Dimension erkennen konnten.
Unser Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BVG,
die nicht lange gezögert haben, als es darum ging, Sonderschichten zu fahren und zur Lösung des Problems beizutragen – auch das ist keine Selbstverständlichkeit, gerade in der Wettbewerbssituation, und deswegen sollten wir dies hier und heute würdigen.
Unser Dank gilt auch den Berliner Taxifahrern und den vielen kleinen Busunternehmen, die bereit sind, in dieser
Situation flexibel zu reagieren und den Schaden und die negativen Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger in Grenzen zu halten.
Und ich sage es sehr bewusst: Der Dank der CDUFraktion geht auch an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Berlin, die sehr flexibel reagieren, vielfach früher aufstehen und länger arbeiten, um den Schaden auch für ihre Unternehmen in Grenzen zu halten, der durch ihre Abwesenheit beispielsweise gerade kleineren Dienstleistungsfirmen sehr schnell entsteht.
Der Dank gilt auch den Berliner Unternehmen, gerade den kleinen und mittleren Unternehmen, die mit sehr großem Verständnis das Problem nicht zum finanziellen Problem ihrer Mitarbeiter machen, sondern flexibel und vernünftig damit umgehen, dass Menschen in eine Situation kommen, die sie selbst nicht haben beeinflussen können.
Unser Dank geht einmal mehr – wen überrascht es wirklich – an die Berlinerinnen und Berliner, die in einer schwierigen Situation zusammenrücken und mit bemerkenswerter Gelassenheit auf ein ziemliches Chaos reagieren.
All diese Menschen haben einen besseren Senat verdient, einen Senat, der sich wirklich und ernsthaft um ihre Sorgen und Probleme kümmert. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens nach dieser Debatte verstehe ich, warum sich Herr Trittin gestern für Verhandlungen mit FDP und CDU entschieden hat.
Die Aggressivität und übrigens auch die Albernheit in der Debatte, die insbesondere die Antworten des Senats gekennzeichnet haben, sind dem Thema nicht angemessen.
Ich halte es nicht für richtig, dass wir primär Schuldzuweisungen vornehmen und dass der Senat die Probleme beschreibt, aber keinerlei Lösungsansätze aufgreift oder selbst in die Debatte einführt. Herr Regierender Bürgermeister! Ihr Auftritt – gestatten Sie mir, das zu sagen! – war aus meiner Sicht unangemessen und außergewöhnlich überheblich.
Das wird – auch losgelöst von Parteipolitik – nicht den Erwartungen der Menschen gerecht, die uns heute Gott sei Dank mal wieder zuschauen, denn das ist ja auch nicht die Regel hier im Landtag. Im Übrigen wäre auch ein Wort des Bedauerns und der persönlichen Verantwortung die Aufgabe des Stadtoberhaupts der Stadt Berlin in dieser Situation gewesen.
Ich möchte auf einen Punkt eingehen, wo ich den Eindruck habe, dass wir aneinander vorbeireden: Herr Regierender Bürgermeister! Wenn Sie nachhaltig Nachverhandlungen und Kündigungen am bestehenden Vertrag ausschließen, halte ich das in Anbetracht der Tatsache, dass der Vertrag bis 2017 weiterläuft, für einen weiteren schweren politischen Fehler.
Und ich sage heute – damit es nicht in einiger Zeit heißt: Jetzt kommen die Klugschwätzer aus den Ecken! –:
Es wäre jetzt Ihre Pflicht, für die nächsten acht Jahre sicherzustellen, dass sich das, was wir in diesem Jahr in Berlin erlebt haben, kein zweites Mal wiederholen kann. Auch dafür tragen Sie die Verantwortung.
Ich will Ihnen das kurz beschreiben: Jede kleine Ausschreibung in Berlin – da können Sie die Malermeister, die Handwerker, die Schlosser und die Klempner fragen – beinhaltet selbstverständlich die wesentlichen Merkmale und technischen Eigenschaften des Produkts oder der Dienstleistung. Es ist doch absurd, einen Verkehrsvertrag zu diskutieren und zu sagen: Die wesentlichen technischen Anforderungen, die wesentlichen Merkmale des Produkts werden von uns in den Vertrag nicht aufgenommen, und wenn derjenige, der den Vertrag unterschrieben hat, sie nicht erbringt, haben wir einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5 Prozent. Lächerliche 5 Prozent, wo im Grunde genommen 99,9 Prozent der Leistung nicht vernünftig erbracht werden!
Das ist eine Politik, die Probleme beschreibt, sich aber um die Lösungsansätze und die konkreten Antworten herumdrückt.
Und ich möchte Ihnen noch einen Vorwurf machen, weil ich auch das in der Debatte bedauerlich finde: Ich habe mich bemüht, Ihnen aus der Gesamtverantwortung für die Stadt – ich bin kein Verkehrsexperte – zu sagen, was ich für wichtig halte. Das betrifft z. B. die Frage: Was tun wir für die kleinen Einzelhändler? – Ich habe in den letzten drei Tagen ein halbes Dutzend getroffen, die mir sagten: Wir sind am Ende. Auf unseren Bahnhof kommen keine Kunden mehr. Wir können die Mitarbeiter nicht bezahlen. Wir können unsere Produkte nicht mehr bezahlen. Wir können die Miete nicht mehr bezahlen. Wir müssen die Leute entlassen. – Herr Regierender Bürgermeister! Sie müssen diesen kleinen Einzelhändlern in Berlin helfen und nicht die Leute beschimpfen!
Ihre Rede – wie auch die Rede der Senatorin – hat Probleme beschrieben, Schuld verteilt – an uns, an alle möglichen Menschen, deren Namen ich zum Teil vor einigen Tagen noch nicht einmal kannte – und vor allem nicht deutlich gemacht, welche Vorstellungen der Senat hat, um das Problem in den kommenden Monaten für die Berlinerinnen und Berliner zu lösen, es so gering wie möglich zu halten und im Ergebnis dafür zu sorgen, dass es endlich wieder einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr in Berlin gibt. Denn das ist das, was die Menschen in Berlin interessiert. Alles andere interessiert niemanden. Wann fährt die S-Bahn wieder vernünftig? – Diese Frage müssen Sie beantworten, Herr Wowereit, und nicht die Opposition.
Herr Senator Wolf! Ich teile Ihre Analyse in weiten Bereichen, komme natürlich aber zu einer anderen Conclusio
und will deshalb präzise nachfragen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die deutschen Geschäftsbanken verstaatlichen, d. h. Hunderttausende von Kleinaktionären zwangsenteignen wollen? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie aufgrund Ihrer Bedeutung als Bürgermeister und Wirtschaftssenator der deutschen Hauptstadt die Frage klar mit „Ja, ich will verstaatlichen“ oder „Nein, ich werde nicht verstaatlichen“ beantworten könnten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Senatorin Knake-Werner! Ich nehme Ihnen ausdrücklich ab, dass Sie ein Herz für die Betroffenen haben und Ihnen die Probleme der Menschen am Herzen liegen. Aber ich habe den Eindruck, dass Ihnen am Erfolg der Arbeitsmarktpolitik nicht wirklich gelegen ist, sondern dass Sie aus politischen Gründen geradezu ein Interesse daran haben, dass der gesamte Komplex, den Sie fälschlicherweise mit Hartz IV verbinden, scheitern soll und Sie damit insgesamt in Berlin Parteipolitik über die Interessen der Betroffenen stellen. Das halte ich für einen schweren Fehler bei einem Senatsmitglied, das genau für diese Menschen zuständig ist.
Der Kollege Hoffmann hat sehr viel zu Details gesagt. Es ist sicherlich wichtig und richtig, dass wir über Details reden. Ich glaube allerdings, dass wir aufpassen sollten, das gesamte Thema nicht in einen kleinteiligen Rahmen zu rücken. Denn Sie werden bei allem berechtigten Optimierungsbedarf, bei allem, was Sie an Möglichkeiten aufgezeigt haben mit diesen kleineren und größeren zu verändernden Maßnahmen, Dinge zu optimieren und zu verbessern, eines niemals erreichen: Sie werden durch eine andere Verteilung der staatlichen Mittel niemals das ersetzen können, was das Wesen einer Marktwirtschaft ist, nämlich einen leistungsfähigen ersten Arbeitsmarkt, leistungsfähige kleine Unternehmen, leistungsfähige Mittelständler und Investitionen der privaten Wirtschaft. Da können Sie Staatspolitik betreiben, solange Sie wollen, Sie werden die Probleme in Berlin mit Ihrem Politikansatz bei aller Berechtigung in den Details auch in dieser
Legislaturperiode nicht lösen können, und Sie werden damit scheitern. Ich sage Ihnen das voraus.
Frau Senatorin, ich werfe Ihnen das nicht vor. Ich würde mir nur wünschen, dass Ihr Pendant, der Herr Wirtschaftssenator,
an dieser Stelle seine Leidenschaft entwickelt. Dass Sie keine haben, ist auch kein Vorwurf; die Menschen sind eben unterschiedlich, Gott sei Dank. Aber eines attestiere ich sehr wohl: Sie haben von den Problemen in kleinen Unternehmen, bei Einzelhändlern, bei Handwerkern, bei kleinen Industriebetrieben, bei Freiberuflern, bei Produktionsbetrieben überhaupt keine Ahnung! Und es gibt im Senat offenkundig auch aufseiten des Wirtschaftssenators niemanden, der dieses Korrektiv bildet und sagt: Bei aller Bedeutung von Sozialpolitik – die beste Sozialpolitik, die beste Arbeitsmarktpolitik in Deutschland und in Berlin ist eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik, Investitionspolitik und Mittelstandspolitik. Das muss klar gesagt werden.
Liebe Frau Grosse! Wenn Sie hier reden, merkt man bei Ihnen sowohl die persönliche Betroffenheit als auch die Kompetenz im Detail.
Ich spreche Ihnen das ausdrücklich zu. Aber auch die Tatsache, dass Sie in jeder Rede, die Sie hier halten, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik von Wirtschaftspolitik abkoppeln, zeigt, dass Sie den falschen Politikansatz haben. Sie werden mit Staatspolitik, mit staatlichen Beschäftigungsgesellschaften, mit einer Rekommunalisierung, wie Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung schreiben, also mit einer Verstaatlichung von Unternehmen, die Probleme nicht lösen. Die werden Sie nur lösen im Zusammenwirken von Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Ist eigentlich jemandem aufgefallen, dass kein Redner bisher einmal das Wort Unternehmer in den Mund genommen hat, einmal das Wort Mittelstand, einmal das Wort erster Arbeitsmarkt? – Das sind die Bereiche, über die wir reden müssen. Nur so können wir die Probleme in Berlin lösen und nicht mit Umverteilung von begrenzten staatlichen Mitteln,
die übrigens auch erst einmal erwirtschaftet werden müssen.
Die Zwischenrufe von links, lieber Herr Doering! – Ich habe bewusst darauf verzichtet zu sagen: Frau KnakeWerner, bei Ihnen wundert mich das ideologisch nicht, dass Sie als langjähriges Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei in Westdeutschland diesen politischen Ansatz haben, ist doch logisch. Sie müssten ja Ihr
gesamtes politisches Leben ad absurdum führen, wenn Sie sich nicht für die Verstaatlichung, wenn Sie sich nicht für den dritten Arbeitsmarkt einsetzen würden.
Aber die Sozialdemokraten in Berlin sollten sich eher an ihrem Bundesvorsitzenden Beck und am Vizekanzler Müntefering orientieren, die in der Bundesregierung beweisen, wie man erfolgreiche Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik im Ressort Müntefering im Zusammenwirken mit Minister Glos zum Wohle der Menschen in Deutschland hinbekommt.
Das ist doch der entscheidende Punkt. Ich nenne Ihnen ein Beispiel – bei aller Kritik im Detail –: Die Senkung der Lohnnebenkosten, die Tatsache, dass wir die Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf 4,2 % gesenkt haben, zum Wohle von Arbeitsplätzen und Arbeitnehmern, ist die beste Sozialpolitik, weil sie Arbeit schafft, Arbeitnehmer entlastet, Unternehmen entlastet und insgesamt dazu beiträgt, dass Deutschland leistungsfähiger wird und wieder mehr Arbeitsplätze in Deutschland entstehen.
Ich sage Ihnen – weil Sie immer lauter rufen – sehr klar: Öffentlicher Beschäftigungssektor, dritter Arbeitsmarkt, allgemeingültige Mindestlöhne, Verstaatlichung oder Rekommunalisierung, all das schafft Arbeitsplätze, aber nicht in Deutschland, nicht in Berlin, sondern in Osteuropa und in Asien.
Mindestlöhne ist ein gutes Stichwort. Ich will Ihnen, Frau Senatorin, dazu sagen: Es gibt in Deutschland einen Mindestlohn. Das ist die Höhe der Lohnersatzleistungen. Der Mindestlohn ist das, was heute an Hartz IV, an Sozialhilfe, an Arbeitslosenhilfe, an Arbeitslosengeld, an Subventionen, an Unterstützungen, an Vergünstigungen – öffentlicher Personennahverkehr, vieles andere mehr – jedem Menschen, der keine Arbeit hat, zuteil wird. Denn unter diesem Lohn, diesen sogenannten Lohnersatzleistungen, fängt in Deutschland niemand an zu arbeiten. Der geht doch nicht arbeiten dafür, dass er weniger hat, als wenn er nicht arbeitet. Insofern ist die ganze Mindestlohndebatte nicht mehr als eine Verlagerung von Arbeitsplätzen östlich der deutschen Grenze, damit noch mehr Menschen von Ihren staatlichen Beschäftigungsprogrammen leben und immer weniger Menschen vernünftig im ersten Arbeitsmarkt eine langfristige Perspektive haben.
Das hat übrigens mit Hartz IV wenig zu tun. Da gibt es vieles, was nicht in Ordnung ist. Und was der Mann ansonsten gemacht hat, ist auch nicht in Ordnung. Da sind wir uns alle einig.
Aber mit dem Problem, dass Berlin unverändert eine Riesenarbeitslosigkeit hat, hat das alles überhaupt nichts zu tun.
Ich will Ihnen zwei Zitate vorlesen. Das erste Zitat stammt von der IHK – sie lobt immer Herrn Wirtschaftssenator Wolf, ist also kein uns in jeder Frage nahestehender Verband –:
Der Senat muss daher auf die Einrichtung eines öffentlichen Beschäftigungssektors dringend verzichten. Er sollte besser Wachstumsimpulse für die Stadt setzen, die Beschäftigung schaffen, und nicht über einen dritten Arbeitsmarkt zusätzlich Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt infrage stellen.
Und die Handwerkskammer sagt: Erheblicher Missbrauch beim dritten Arbeitsmarkt! Beispielsweise 12 000 illegale Kräfte, während wir 6 000 arbeitslose Maler haben! – Und wörtlich:
Die Pläne, einen dritten Arbeitsmarkt zu eröffnen, sind das Einfallstor für weiteren Missbrauch und eine massive Gefährdung regulärer Beschäftigung in Handwerk und Mittelstand.
Letzter Punkt: Sie loben die Arbeitslosenstatistik. Ich freue mich über jeden Menschen, der in Berlin Arbeit findet, und freue mich, dass der deutsche Aufschwung auch an Berlin nicht ganz vorbeigeht. Aber Ihre Arbeitslosenstatistik im Januar lebt primär davon, dass 13 000 Menschen mehr in Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind und Sie im Januar 5 000 Lehrer eingestellt haben. Wenn Sie diese 20 000 abziehen, ist Berlin wieder der absolut letzte Platz in Deutschland mit dem höchsten Anstieg an Arbeitslosen. Das werden Sie mit staatlicher Politik nicht lösen.
Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist die beste Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Das wollte ich hier einmal geraderücken. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grosse! Ich nehme Ihnen Ihr Engagement für Arbeitsplätze, für soziale Gerechtigkeit, für vieles andere ausdrücklich ab, habe allerdings den Eindruck, dass das Interesse beim Senat bei dieser wichtigen Aktuellen Stunde außerordentlich begrenzt ist. Zumindest stelle ich bei dem Regierenden Bürgermeister fest, dass – wie in den letzten fünf Jahren auch – ihn auch heute das Thema nicht wirklich interessiert. Andere Senatoren, das überrascht mich nicht, aber ich möchte es dennoch erwähnen, – Finanzen, Bauen, Bildung, Wissenschaft, Kultur – sehen offensichtlich keinen inhaltlichen Zusammenhang zu ihren Ressorts und dem Thema Arbeitsplätze und all dem, was Sie in Ihrer Rede zu Recht damit verbunden haben.
Das Thema der Aktuellen Stunde von SPD und Linkspartei.PDS deutet nach unserer Einschätzung entweder auf eine Verlängerung des Wahlkampfes hin, auf ziemliche Realitätsverweigerung, oder es ist ein Pfeifen im dunklen Wald, denn wie Sie angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Lage sehr vieler Berlinerinnen und Berliner, des Berliner Mittelstandes, der Berliner Arbeitnehmer, aber gerade auch der Lage von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern ernsthaft zu der Aussage einer positiven Entwicklung am Berliner Arbeitsmarkt kommen, entzieht sich zumindest beim Studium der Zahlen meiner Kenntnis.
Seit fünf Jahren ist Berlin in allen relevanten Statistiken im Wirtschafts- und Arbeitsmarktbereich stets auf dem letzten, vorletzten, maximal drittletzten Platz aller Bundesländer. Die Frage war bis zur Abwahl von Herrn Höppner in Sachsen-Anhalt, welches der drei rot-roten Länder hat die rote Laterne, welches hat den vorletzten, welches den drittletzten Platz.
Mittlerweile hat selbst Ministerpräsident Höppner nicht nur dafür die Quittung von den Wählerinnen und Wählern erhalten, sondern hat selbst in Mecklenburg-Vorpommern Herr Ringstorff erkannt, dass offenkundig mit rot-roten Konzepten erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nicht möglich ist. Ich wette heute mit Ihnen, dass das, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung vereinbart haben, dazu führen wird, dass Mecklenburg-Vorpommern mit der rot-schwarzen Koalition in 5 Jahren in allen Indikatoren vor Berlin liegt. Denn wenn wir uns die Indikatoren anschauen, dann müssen wir leider feststellen, dass die Rahmenbedingungen unverändert dramatisch sind. Und ich neige nicht dazu, den Standort schlechtzureden, weiß Gott nicht. Aber wir haben – –
Hören Sie zu und lassen Sie uns dann inhaltlich im Ausschuss oder wo auch immer diskutieren. Wir haben ja so eine Zwischenphase: Der Senat ist nicht gewählt, Sie wollen aber ein wesentliches Thema diskutieren, aber der Senat, der dafür zuständig ist, ist eigentlich gar nicht anwesend oder kaum noch im Amt.
277 000 Arbeitslose haben wir, 300 000 Sozialhilfeempfänger. Über 1 Million Berlinerinnen und Berliner leben von Sozialhilfe, das sind mehr Menschen als diejenigen, die sich in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen befinden. Wir haben 175 000 Kinder in Berlin in relativer Armut, davon 80 000 unter 8 Jahren. Ich will das nicht dramatisieren, aber ich finde, es gehört zu einer ehrlichen Betrachtung, wenn Sie von einer positiven Entwicklung sprechen, der Redlichkeit halber dazu: 435 000 Personen in Berlin sind als arm definiert. Das sind fast 13 % der Berliner Bevölkerung. Und Sie reden heute und in anderen Reden des Wirtschaftssenators, des Regierenden Bürgermeisters so, als ob wir uns mitten in einem Wirtschaftswunder befänden. Man muss attestieren, dass es offenkundig auch dem rot-roten Senat nicht gelungen ist, den bundesweiten Aufschwung ganz zu unterbinden, und trotz der Politik der rot-roten Landesregierung hat man sich gegen Teile des Aufschwungs, insbesondere im Finanzbereich bei den Steuereinnahmen durch den Länderfinanzausgleich, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die damit verbundenen Effekte für Berlin, nicht wehren können.
Ich will Ihnen aber sagen, wie Sie Ihre Statistik in Berlin manipulieren, ich benutze bewusst kein anderes Wort. Der Unternehmerverband hat am 3. November 2006 darauf hingewiesen, dass man nach genauer Prüfung der Da
tenlage zu folgendem Ergebnis kommt: Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat um 10 300 gesunken. Es wurden aber im Oktober 11 500 Personen mehr mit Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik gefördert als im September. Es gibt also 1 000 Menschen weniger in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, und nur deshalb ist die Statistik geschönt, weil Sie rechtzeitig im Wahlkampf 11 000 Berliner in den so genannten zweiten und dritten, d. h. den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt geschafft haben, ohne auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, wie diese Menschen jemals dort wieder herauskommen und wieder Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt erreichen sollen.
Der UVB stellt weiter fest: Die Unterbeschäftigung, d. h. die Zahl der Arbeitslosen und die der mit Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik Geförderten, ist gestiegen. Ich wiederhole: Die Unterbeschäftigung ist gestiegen. Und das in einem Monat, wo bundesweit die niedrigste Arbeitslosigkeit seit langen, langen Jahren bei einer Rückführung des zweiten und dritten Arbeitsmarkts festzustellen ist. Hervorzuheben – so endet der UVB – ist also die wachsende Unterbeschäftigung und keineswegs die sinkende Zahl der statistisch falsch ausgewiesenen Arbeitslosen. – Das ist die nüchterne Bilanz dieses Senats.
Und auch der DGB – um nicht nur auf der falschen Seite in die Statistiken zu schauen – kommentiert die Oktoberstatistik; Herr Senator Wolf, wie folgt:
Wenn die Oktoberstatistik zur Arbeitslosigkeit als Herbstaufschwung von politisch Verantwortlichen verkauft wird, sollte endlich Realismus angebracht sein. Wer von Abbau der Arbeitslosigkeit und steigenden Zahlen sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze spricht, darf keinesfalls vergessen, dass 73 000 Arbeitsplätze öffentlich gefördert werden.
Der UVB ergänzt: Das sind 80 000 mehr als im Jahr 2000. – Das nur zur Wahrheit. Das ist die Wahrheit, hat nichts mit schlechtreden und dramatisieren zu tun, lediglich mit Wahrheit und mit den Fakten, die die Menschen zu Recht wissen sollten, wenn sie Politik in Berlin beurteilen.
Jetzt schauen wir uns an: Was hat der Senat, was hat die rot-rote Regierung, die ihre Arbeit fortsetzen möchte, in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen? – Ich zitiere mit aller Vorsicht die relevanten Verbände. Die Handwerkskammer teilt mit:
Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und PDS müssen jeden enttäuschen, der sich eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Berlin erhofft hat.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK teilt mit:
Die Koalition verspielt leichtfertig die Chancen zur Sanierung des Landeshaushalts und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts.
Die Unternehmerverbände teilen mit:
Rot-Rot hat wieder einmal das Wachstumsproblem der Stadt nicht konkret angepackt.
Ich könnte die Zitate beliebig fortführen und neige nicht dazu, politische Diskussionen über Zitate von Dritten zu führen. Aber Sie sollten mindestens zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur die Opposition im Landtag, sondern offenkundig fast jeder, der sich in Berlin mit Wirtschaftspolitik beschäftigt, den Eindruck hat, dass Mittelstand, kleine und mittlere Unternehmen, Arbeitnehmer, viele andere Fragen, Existenzgründungen usw. in Ihrer Politik, in Ihrer Koalitionsvereinbarung – das Interesse des Senats zeigt das – offenkundig überhaupt nicht vorkommen.
Sie haben überhaupt nicht erkannt, dass das wesentliche Ergebnis der neuen Steuerschätzung nicht der glückliche Umstand ist, dass Sie etwas mehr Geld in die Kassen bekommen. Darüber freuen wir uns alle. Die wesentliche Erkenntnis ist die, dass Sie nur mit Wirtschaftswachstum, mit Schaffung von Arbeitsplätzen, mit neuen Arbeitsplätzen, mit weniger Sozialhilfeempfängern, mit mehr sozialen Leistungen durch Arbeitsplätze überhaupt die staatlichen Probleme in Finanzen und sozialen Sicherungssystemen in den Griff bekommen. Und dafür tut dieser Senat nichts, aber auch gar nichts.
Was fällt dem Finanzsenator – in Wirtschaftskreisen teilweise geschätzt – ein? – Der Finanzsenator artikuliert sich: Berlin spielt nicht in der Liga von Hamburg oder München, sondern er vergleicht Berlin mit Duisburg und Dortmund. – Sie begrüßen das, das ist mir klar. – Unabhängig davon, dass ich die Aussage für sich genommen für verheerend halte, aus vielerlei Gründen, die wir nicht vertiefen müssen – ich würde mich sehr darüber freuen, wenn wir gemeinsam Berlin eher mit Paris, Rom und London vergleichen und nicht mit Duisburg, Dortmund, Recklinghausen oder Osnabrück.
Aber nicht einmal diesen Vergleich bestehen Sie! Denn wenn Sie wenigstens die Arbeitslosenzahlen von Duisburg und Dortmund hätten, wäre ich ja zufrieden.
Wir haben in Berlin 16,5 % Arbeitslose. Die von Stahl und Kohle und vielen Strukturproblemen gebeutelten Großstädte Duisburg und Dortmund haben eben keine 16,5 % Arbeitslosigkeit, sondern Duisburg 15,7 % und Dortmund 15,9 %. Ich wäre schon dankbar, wenn Sie es wenigstens schaffen würden, in den wesentlichen Kennziffern auf das Niveau von Duisburg und Dortmund zu kommen. Aber selbst das schafft Ihre Politik zurzeit nicht.
Es gibt übrigens noch ein Zitat von Sarrazin, das beschreibt das Problem der SPD-Faktion, Frau Grosse, sehr deutlich. Sarrazin sagt:
In Berlin leben rund 4 % der deutschen Bevölkerung, aber allein 10 % der deutschen Hartz-IVEmpfänger.
Da hat er zweifelsfrei recht. Aber wie Sie dann zu dieser Überschrift kommen, die da hinten hängt: „Positive Entwicklung am Berliner Arbeitsmarkt“, ist mir völlig schleierhaft. Wie kann man eine solche Verblödung von Menschen, die dieser Debatte zuhören, im Parlament zwischen den Wahlen veranstalten?
Übrigens, eins haben Sie getan in Ihrer Koalitionsvereinbarung: Sie haben die Ressorts Wirtschaft und Arbeit getrennt. Was bedeutet das? – Sie docken das Arbeitsressort am Sozialressort an. Sie machen also Arbeit zu einer Betreuungsfrage, zu einer Frage von Verteilungsgerechtigkeit, aber nicht zu der Frage: Wie verbinden wir Wirtschaftswachstum mit der Schaffung von Arbeitsplätzen?
Und das beides noch in PDS-Hand liegt, zeigt, wo die Bedeutung der Sozialdemokratie für den Arbeits- und Wirtschaftsstandort Berlin liegt.
Herr Präsident, ich habe gesehen, dass 10 Minuten immer noch 10 Minuten sind. Insofern mache ich es sehr kurz und sage Ihnen, dass Sie auch in den wesentlichen Standortfaktoren große Fehler machen. Einheitsschule schreckt ab, Universitäten werden geschliffen, weil Studiengebühren nicht dazu führen, dass Lehre und Forschung mehr Geld erhalten, Sie haben Gleichmacherei, Erhöhung der Grund- und Grunderwerbssteuer statt Senkung der Steuern und vieles andere beschlossen. Ich bin mir sehr sicher, mit Ihrer Politik werden wir in 5 Jahren weitere Rekorde feiern, werden noch mehr Arbeitslose haben, noch mehr Sozialhilfeempfänger, weniger Unternehmen, weniger Existenzgründer. Im Ergebnis wird dieser Senat es schaffen, Mecklenburg-Vorpommern vom letzten Platz aller Statistiken abzulösen. – Herzlichen Dank!