Rainer Ueckert
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir heute Abend hier erleben, ist nicht gerade eine Sternstunde dieses Parlaments.
Hier sind sich eigentlich fünf Fraktionen, teilweise über 13 Jahre, einig, dass in Lichtenrade nur ein Tunnel gebaut werden kann – und dann heute diese Diskussion, diese Zuspitzung auf eine Abstimmung, die völlig unverständlich ist. Da fragen die einen, warum stellt ihr überhaupt den Antrag, ihr könnt den Antrag doch auch zurückziehen, dann bräuchten wir heute nicht darüber abzustimmen. – Herr Gaebler! Dann kann ich genau so schön zu Ihnen sagen: Warum haben Sie sich nicht Mühe gegeben, daraus einen Änderungsantrag zu machen, worüber dann wirklich alle fünf Fraktionen gestanden hätten? Was heute gefordert ist, ist ein Zeichen. Hier muss ein Zeichen gesetzt werden gegenüber dem EBA, das den Planfeststel
lungsbeschluss beschließen muss, und es muss ein Zeichen der Geschlossenheit dieses Parlaments sein. Stattdessen befürchte ich, dass wir in Kürze – in wenigen Minuten – hier ein Ergebnis bekommen, bei dem sich das EBA zurücklehnen und sagen kann: Guck doch an, die sind sich ja selbst nicht einig.
Sie argumentieren hier auf sehr schwachen Füßen. Zu den sehr schwachen Argumenten gehört auch das Argument der Finanzierung. Das haben Sie vorgebracht, das hat auch Frau Eichstädt-Bohlig vorgebracht. Das Argument der Finanzierung zieht doch hier überhaupt nicht. Schon Herr Debuschewitz, seinerzeit Konzernbeauftragte der DB, hat in mehreren Diskussionen immer wieder klargestellt, dass es hier um den Planfeststellungsbeschluss geht. Und das, was planfestgestellt wird, muss der Bund und wird der Bund bezahlen. Das war eine glasklare Aussage. Und diese Aussage ist auch noch heute gültig, wenn inzwischen ein anderer Konzernbeauftragter ist oder wir inzwischen einen anderen Chef bei der Deutschen Bahn haben. Was planfestgestellt ist, wird der Bund bezahlen müssen, oder es wird überhaupt nicht gebaut, das ist die ganz klare rechtliche Lage. Wir können nicht gegen eine Planfeststellung ein Bauvorhaben durchziehen.
Dann sage ich Ihnen hier ganz ehrlich: Dann will ich lieber gar keine Bahn über die Dresdner Bahn fahren lassen, die ebenerdig fährt mit diesen unerträglichen Auswirkungen für die Lichtenrader Bürger und für unser Stadtbild, sondern dann würde ich darauf ganz verzichten. Die Bahn hat inzwischen andere Lösungen, wie sie auch zum BBI kommt. Das sind alles Scheinargumente. Sie haben heute nicht kapiert, dass es hier um das Zeichen der Geschlossenheit geht, das wir hier zu setzen haben. Das ist sehr, sehr traurig. Die Verantwortung dafür tragen Sie hier alle, wenn über diesen Beschluss jetzt so abgestimmt wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Diskussion nicht unnötig verlängern, aber ich glaube, ein paar Punkte muss ich doch noch einmal ansprechen. Ich kann auf allgemeines gegenseitiges Beschimpfen, wie das andere gemacht haben, verzichten, und ich möchte auch nicht auf die ideologischen Irritationen von Frau Hämmerling eingehen, die einfach überhaupt nicht diskussionswürdig sind und auch nicht dadurch besser werden, dass Sie sie jede Woche im Ausschuss und im Plenum wiederholen.
Ich spreche mich dagegen aus, dass die Entscheidung auf dem SPD-Parteitag, die knapp war, aber immerhin doch mehrheitlich für den Weiterbau der A 100 ausfiel, nun heruntergeredet wird. Das ist ein Zeichen, eine Umkehr, und ich würde mir wünschen – und deswegen stehe ich auch hier –, dass möglichst noch mehr Menschen in dieser
Stadt diesen Schritt mitgehen und diese Umkehr, weg von der Ideologie, schaffen.
Diese Verlängerung der A 100 hat – das ist auch schon angesprochen worden – erst einmal einen großen wirtschaftlichen Gewinn für die Stadt. Durch einen wirtschaftlichen Gewinn werden Steuereinnahmen generiert, und letzten Endes steigern sie die Lebensqualität unserer Stadt, was unser aller Ziel sein sollte, wie es auch von Kammern und Verbänden ständig vorgetragen wird.
Der zweite Punkt, der von Frau Haußdörfer bereits angesprochen wurde, wofür ich ihr sehr dankbar bin, ist das Herausstellen, dass dieser Autobahnbau ein ökologischer Gewinn für die Stadt ist. Er schafft Entlastung für etwa 60 000 Menschen, die im Augenblick unmittelbar an den Straßen wohnen, die jetzt vom Verkehr überlastet sind, die nachher entlastet sind, wenn dieses Autobahnstück fertiggestellt sein wird. 60 000 Menschen! Die sollten uns nicht egal sein, und wir sollten auch nicht so tun, als sei das eine sehr geringe Zahl. Nein, sie sollten es uns wert sein, diese Autobahn zu bauen, diesen Schritt zu tun.
Ich möchte auch noch mit einem kleinen Märchen aufräumen, das immer vor allem durch die Medien geistert, weil da vielleicht nicht die richtigen Zahlen oder das Verständnis dafür nicht vorliegen. Dieses Autobahnteilstück, 3,2 Kilometer, ist angeblich überteuert. Ja, es kostet 420 Millionen Euro, aber es ist nicht überteuert. Natürlich kann man 3,2 km Autobahn auch einfach flach, ebenerdig, von einem Punkt A zu einem Punkt B bauen, und dann kostet das alles noch – weil es ja auch in der Stadtlage ist – vielleicht so um die 250 oder 270 Millionen Euro. In den Planungskosten sind aber 420 Millionen Euro berücksichtigt und vom Bund bewilligt. Etwa 250 Millionen Euro gehen wirklich nur in Umweltschutzmaßnahmen.
Fast die gesamte Strecke wird in Tunnellage und in Troglage gebaut, hier entsteht der sicherste Tunnel Deutschlands, hier werden Regenwasseraufbereitungs- und Regenerierungsanlagen gebaut, wie sie in Deutschland einmalig sind. Hier wird der Lärmschutz in herausragender Weise durch Flüsterasphalt, durch schallabsorbierende Trogwände gewährleistet, und das alles kostet in Summe 250 Millionen Euro mehr als wenn man das einfach so als Straße durch die Landschaft bauen würde. Dies ist es aber dem Bund wert, und dies sollte es uns und unsere Bürgern dieser Stadt auch wert sein, denn es bleibt bei meiner These: Autobahnbahn, insbesondere die Verlängerung der A 100, ist aktiver Umweltschutz. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht heute um meine, um unsere Berliner S-Bahn, die in dieser Stadt bereits länger als 100 Jahre fährt und selbst nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so dahinsiechte wie im Jahr 2009. Es geht um unsere Berliner S-Bahn, die nicht immer nur eine verkehrliche, sondern zumindest von 1961 bis zum Mauerfall auch eine politische Funktion in dieser
Stadt zu erfüllen hatte. Gerade für ältere Berliner ist sie deshalb auch eine leidvolle und zugleich kraftvolle Erinnerung an die Teilung der Stadt. Ich erinnere an den Slogan: „Wir bezahlen doch nicht Ulbrichts Stacheldraht!“
Es macht deshalb mehr als traurig, wenn man sich den augenblicklichen Zustand ansieht. Ich habe die Fäuste in der Tasche und einen dicken Hals. Teilweise verschlägt es mir auch die Sprache – wie Herrn Wowereit am Dienstag bei seiner Pressekonferenz –, weil wir ohnmächtig zu sein scheinen. Wir sind ohnmächtig, weil wir bei nüchterner Betrachtung erkennen müssen, dass wir, außer finanzielle Sanktionen zu verhängen, im Augenblick nicht sofort handeln können. Wir können nicht eingreifen, wir können lediglich Forderungen nach Entschädigungen, Entlassungen von Managern usw. stellen. Aber auch von der Opposition habe ich nichts gehört, was Sie machen würden, wenn Sie heute an der Regierung wären.
Wir haben eine vertragliche Bindung bis 2017, die in außergewöhnlichen Fällen zwar juristisch sicher kündbar wäre, praktisch aber ist sie das nicht. Wer etwas anderes behauptet, ist aus meiner Sicht ein Fantast, ein Utopist oder sogar ein Populist.
Wir können den S-Bahnvertrag auch nicht kündigen, weil wir einerseits die Beschäftigten nicht von heute auf morgen auf die Straße setzen können und wollen, andererseits aber auch keine sofortige Alternativen haben.
Wir sind leider alternativlos, zumindest für eine Zeit von vier bis fünf Jahren, und das liegt nicht am Senat, sondern daran, dass diese Berliner S-Bahn ein in sich geschlossenes, einmaliges System ist, das deutsche Ingenieure und Berliner Politiker Anfang der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts technisch so hervorragend leistungsfähig, aber eben so aufgebaut haben. Das heißt: 750 Volt Gleichstrom, unten geführte Stromschiene und ein besonderes Sicherungssystem. Deshalb gibt es in der ganzen Bundesrepublik auch keine Ersatzzüge, die man eben mal schnell aus Stuttgart, Hamburg oder Köln hierher holen könnte. Deshalb findet man auch kein Unternehmen, das anstelle der DB mal eben 630 Viertelzüge mit unseren technischen Anforderungen auf das Gleis setzen kann. Es geht also nicht so schnell, und diese Einsicht kann ich nur Ohnmacht nennen.
Andererseits können und wollen wir auf diese S-Bahn nicht verzichten. Sie ist Teil des öffentlichen Nahverkehrssystems und damit auch der Daseinsvorsorge. Sie ist Teil der Mobilitätsgarantie, die der Staat, die wir als Gesellschaft denjenigen Mitbürgern geben müssen, die sich nicht in ein eigenes Auto setzen können. Das sind Kinder und Schüler, das sind ältere oder behinderte Menschen, und das sind vor allem auch sozial Schwache. Diese Mo
bilitätsgarantie möchte ich auch in Zukunft gesichert haben.
Wenn die Deutsche Bahn als 1994 privatisiertes Staatsunternehmen mit dem Bund als 100-prozentigem Eigentümer diese Verantwortung nicht mehr mittragen will, sich also aus Profitsucht und wegen Gewinnmaximierung an dieser Aufgabe gemeinsam mit dem Staat nicht mehr beteiligen will und stattdessen eine funktionierende SBahn ausblutet, Personal und Werkstattkapazitäten gnadenlos abbaut und den Fahrzeugbestand auf Verschleiß zusammenfährt, dann muss ihr, der Deutschen Bahn, diese Aufgabe, diese Mitverantwortung entzogen werden. Dieses aber ist, wie gesagt, erst mit großer zeitlicher Verzögerung möglich, spätestens 2017.
Aber was kommt dann? – Einige Unbesonnene schreien nun sofort nach Privatisierung und Ausschreibung. Es ist sicher nicht falsch, wenn der Senat auch diese Alternative einer gewissenhaften Prüfung unterzieht. Aber meinen Sie, ein privater Anbieter X oder Y würde sich anders als die Deutsche Bahn verhalten, plötzlich ein soziales Herz entwickeln und die Verantwortung des Staats finanziell übernehmen?
Das kann doch nur jemand glauben, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht.
Schauen Sie sich doch nur den Markt der Stromanbieter und das Desaster von Regulierungsbehörden und Netzagenturen an! Doch bevor ich zum Kernpunkt komme, an dieser Stelle noch eine Bemerkung zur Teilnetzausschreibung, die ich aus Zeitgründen jetzt einfach mal unterschlage.
Ich sage nur: Finger weg von einer Zerstückelung des S-Bahnnetzes! Aber auch Finger weg von einer Privatisierung des Gesamtnetzes!
Auch hier gilt das Gesagte. Natürlich gehört es zu den Pflichten des Senats, diese Alternative zu prüfen. Aber was würden andere besser machen als die DB? Alle werden auf Gewinnmaximierung ausgerichtet sein. Wir kämen vom Regen in die Traufe.
Natürlich habe ich nichts gegen ein Unternehmertum und auch nichts gegen Gewinne, aber wenn es um soziale Grunderfordernisse wie einen bezahlbaren und funktionierenden Nahverkehr geht, wenn es um Daseinsvorsorge geht, hat Privatisierung ihre Grenzen. Deswegen spreche ich mich dafür aus, dass die S-Bahn wieder in die Hände der Stadt Berlin kommt.
Das wäre sicherlich auch finanziell ein Vorteil für unsere Stadt, Herr Nußbaum, und es wäre ein Vorteil für die Kunden und für das Personal der S-Bahn. – Schönen Dank!
Danke, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Sie haben klargemacht, dass wir uns hier in einem laufenden Verfahren befinden und nicht erst neu anfangen wollen, die Verlängerung der A 100 zu beschließen. Deshalb sind in dieses Projekt auch schon etliche Millionen eingeflossen. Wie viele Bundesmittel sind bereits verausgabt? Dabei denke ich insbesondere auch an den Grunderwerb und auch an das Vorsorgebauwerk Ostkreuz. Wie viele Millionen muss Berlin gegebenenfalls an den Bund zurückerstatten, wenn dieses Projekt gestoppt würde?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie sorgt der Senat bei Sperrungen von Autobahnauffahrten für eine geregelte Weiterleitung der Verkehrsteilnehmer – z. B. durch Vorwegweisung und Beschilderung, Umleitungsankündigungen im Verkehrsfunk, veränderte Lichtsignalschaltungen o. Ä. –?
2. Wie sah dieses Verkehrsmanagement in der Realität am Beispiel Schließung der Zufahrten Messedamm
und Kurfürstendamm der A 100 Fahrtrichtung Süden am 8. Oktober 2009 um 21.45 Uhr aus, und war das daraus entstandene Chaos eine einmalige Ausnahme?
Frau Senatorin! Schönen Dank für die Beantwortung! Sie sagten, ab 22 Uhr sollte gesperrt werden. Das ist also offensichtlich schon früher passiert. Ich gehe davon aus, dass dafür eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung vorgelegen hat. Wer kontrolliert diese eigentlich und passt auf, dass diese Sperrung nicht vorzeitig erfolgt, wenn die Verkehrsteilnehmer noch gar nicht darauf eingerichtet sind?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Sie nicht lange aufhalten und nicht die Redezeit verlängern, aber bei diesem Punkt muss ich mich doch zu Wort melden. Herr Kollege Goetze! Der Antrag, der uns von der rot-roten Regierungskoalition vorgelegt worden ist, ist nicht nur problematisch, sondern ist auch Nonsens. Er gehört hier einfach überhaupt nicht auf den Tisch.
Er ist Nonsens, weil er inhaltlich voller Banalitäten steckt und noch nicht einmal den richtigen Adressaten findet. Wenn dort steht: Das Abgeordnetenhaus fordert die Deutsche Bahn AG auf, kann ich nur sagen: Wenden Sie sich an den Deutschen Bundestag! Dort sind Sie in den Fraktionen auch vertreten. Dort können Sie dann auch die Deutsche Bahn auffordern. Das geht aber nicht hier vom Abgeordnetenhaus aus. Das ist völliger Blödsinn, den Sie hier zu Papier bringen. Das ist ein reiner Schaufensterantrag, der dem Wahlkampf geschuldet ist. Deswegen will ich auch nicht lange darüber reden, sondern nur ein paar Beispiele nennen.
Wenn Sie fordern, die Deutsche Bahn solle Festlegungen von Entschädigungsregelungen treffen und diese dann auch noch selbst finanzieren, frage ich Sie, wer sie denn sonst zahlen soll. Wer soll die Entschädigung, die wegen dieser Schlechtleistung, wegen dieser mangelhaften Betreuung und Wartung der S-Bahn fällig werden, sonst bezahlen? Das brauchen Sie nicht in den Antrag zu schreiben.
Gleiches gilt für den nächsten Punkt Rückkehr zur vorausschauenden Wartung. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass eine solche vorgenommen wird. Wenn
diese vorausschauende Wartung und die vorgeschriebenen Wartungsintervalle nicht eingehalten werden, wie es jetzt der Fall war, dann ist das kriminell. Dann muss man das auch kriminell nennen. Wir können nicht einfach einen Punkt aufführen und sagen, dass wir zur Wartung zurückkehren wollen. Das sind doch Selbstverständlichkeiten.
So geht das munter weiter. Es ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist. Ich muss auch diesem Antrag nicht notgedrungen zustimmen, wie es Herr Goetze sagte, sondern lehne diesen Antrag voll und ganz ab.