Florian Dörstelmann

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Staatsrecht in drei Minuten! – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag bietet eine gute Gelegenheit, einmal wieder die Stärkung der direkten Demokratie zu erörtern, und das ist ein Feld, das sich diese Koalition vorgenommen hat. Ich stelle auch erfreut fest, dass auch die CDU-Fraktion in diese Richtung Überlegungen anstellt. Die Frage ist, ob man das mit dem hier vorgeschlagenen Vorgehen, mit der Methode erreichen kann. Das ist nicht ganz einfach zu beant
worten. Es müssen ja, jedenfalls dem Antrag folgend, Elemente der direkten Demokratie gemischt werden mit denen der repräsentativen Demokratie. Das ist nicht ganz einfach.
Sie schlagen eine Volksbefragung zur Schaffung zusätzlicher Legitimation vor. Ich will mal damit anfangen: Die Legitimation für ein Gesetz entsteht, wenn es vom Parlament verabschiedet wird, aus Artikel 60. Aus Artikel 62 ist es möglich, einen Volksentscheid mit Gesetzesinhalt zur Abstimmung zu stellen, der angenommen werden kann. Beide Wege führen zu gleichwertigen Gesetzen; das muss man hier mal ganz kurz voranstellen, weil man ansonsten möglicherweise auf einem Abweg landet, der dann nicht zum Ziel führt. Das heißt, eine zusätzliche Legitimation, wie Sie es in Ihrem Antrag geschrieben haben, können Sie auf diesem Wege mit einer Volksbefragung nicht erreichen. Das muss klar sein. Das heißt aber nicht, dass man nicht darüber nachdenken kann, ob man sie aus anderen Gründen möchte.
Wir werden das in den Ausschüssen sicherlich intensiv beraten, aber es gibt schon ein paar Dinge, über die man sich vorher Gedanken machen muss. Sie haben diese Volksbefragung erstens darauf bezogen, dass nur Gesetze, die durch einen Volksentscheid entstanden sind, damit abgefragt werden können sollen. Da muss man überlegen, ob das zulässig ist, denn die Gesetze haben wie gesagt alle gleiche Qualität in ihrer Geltungswirkung; sie haben nur ein unterschiedliches Zustandekommen. Das ist also eine Überlegung, mit der wir uns werden befassen müssen.
Das Zweite ist: Sie haben, jedenfalls im bisherigen Entwurf, die Möglichkeit fakultativ ausgestaltet. Das ist die Frage, ob das Parlament berechtigt ist, quasi nach eigenem Gutdünken eine solche Befragung auszuwählen, oder ob man dann nicht hingehen und sagen müsste: Für einen bestimmten Bereich, in dem eine Änderung eines bestimmten Gesetzes begehrt wird, muss eine Volksbefragung durchgeführt werden. – Das ist eine Überlegung, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, wenn wir in die Beratung im Ausschuss gehen. Ich will dem auch nichts vorwegnehmen. Methodisch habe ich da eine bestimmte Skepsis, die habe ich hier jetzt geäußert. Aber natürlich kann man mal überlegen, welche sinnvollen Maßnahmen man zur Stärkung der direkten Demokratie hier gemeinsam überlegt und verabschiedet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass sich hier eine breite Basis gefunden hat, dieses Vorhaben zu stützen. Das betrifft – historisch betrachtet, wie wir es vorhin hörten – die Groß-Berliner genauso wie die Klein-Berliner. Es ist besonders erfreulich, dass es den Bezirken zugutekommen wird, wenn jetzt die Möglichkeit besteht, den jungen Berlinerinnen und Berlinern eine neue Möglichkeit der politischen Teilhabe auch in den Bezirksverordnetenversammlungen zu eröffnen.
Warum ist es wichtig, dass wir diesen Weg gehen? – Es ist wichtig, um zunehmender Politikverdrossenheit bereits auf unterster Ebene ein Stück weit entgegenzutreten. Es ist eine gute Sache, wenn sich junge Menschen in einem solchen politischen Umfeld, in einem solchen Plenum in einer Fachausschusssitzung oder in anderer Form engagieren können.
(Emine Demirbüken-Wegner)
Ich glaube, dass sie dazu eine ganze Menge beitragen können. Und es ist auch richtig diesen Weg zu gehen, denn wir dürfen eins nicht vergessen: Die Bürgerdeputierten haben eine ganz bestimmte Aufgabe: Sie sind nicht in erster Linie Vertreterinnen oder Vertreter einer Partei. Sie sollen externen Sachverstand in die BVV mit hineintragen. Dafür ist es sachgerecht zu sagen, selbstverständlich können auch junge Leute im Alter von 16 bis 18 Sachverstand in eine BVV, in die Ausschüsse tragen. Das kann man doch gar nicht leugnen. Es ist doch sinnvoll, dass sie – insbesondere, aber nicht nur – über altersbezogene Themen zusammen mit den anderen diskutieren.
Das kann vieles sein. Das kann der Verkehr vor der Schule, das können die Zuständen in den Vereinen, in denen sie sich engagieren, das können Bedingungen der Ausbildungen sein. Sie dürfen eines nicht vergessen: Viele von ihnen – im Alter zwischen 16 und 18 – machen gerade Abitur oder haben bereits den mittleren Schulabschluss. Da stellen sich solche Fragen.
Da ist vielleicht keine gutachterlich ausgebildete, aber doch eine persönliche Expertise und ein Sachverstand naheliegend. Die sollten wir Ihnen auch nicht absprechen, sondern wir sollten ihnen das an dieser Stelle zutrauen. Deshalb würde ich Sie alle bitten, diesen Weg, dieses Vorhaben, das wir jetzt angestoßen haben und gehen, zu unterstützen und unseren jungen Leuten damit zu signalisieren: Wir trauen euch etwas zu. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Raed Saleh (SPD): Sensationell! – Sven Kohlmeier (SPD): Den roten Teppich machen wir das nächste Mal! Wir können auch zusammenhalten! – Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, meine Vorrednerin hat den Sachverhalt, um den es geht, die Tatbestände, sehr präzise dargestellt und auch die Risiken, die sich daraus für den Verbraucher, die Verbraucherin ableiten. Ich glaube, es gibt wirklich eine parteiübergreifende Einigkeit hier im Haus, dass der Identitätsdiebstahl eben keine Petitesse, sondern eine
regelrechte Bedrohung für Verbraucher ist, weil sie als Unbeteiligte in einen Prozess geraten können, der sie komplett unvorbereitet trifft, der aber enorme und gravierende Konsequenzen haben kann.
Der Antrag adressiert mehrere Punkte. Die sind alle wichtig. Beginnend bei den Auskunfteien, ob das Schufa oder Crefo ist, die haben eine enorme Macht, und sie haben mit den Auskünften, die sie geben, für den Einzelnen eine enorme Wirkung. Es ist ja naheliegend, dass im Extremfall wirtschaftliche Existenzen alleine durch eine falsche Auskunft oder durch eine nicht sorgfältig geprüfte Auskunft in der Konsequenz bedroht sein können, wenn die Kreditfähigkeit oder andere Eigenschaften der Person durch eine solche Auskunft infrage gestellt werden. Deshalb ist die Forderung erstens nach einer sorgfältigen Prüfung der Voraussetzungen, bevor man eine solche Auskunft erteilt, durch Glaubhaftmachung sinnvoll und zweitens auch die Forderung insgesamt, dass transparent wird, wie diese Einträge überhaupt zustande kommen, unerlässlich.
Der Kauf auf Rechnungen wurde zu Recht angesprochen. Tatsächlich ist es so, dass man an dieser Stelle, das ist ja das Einfallstor für den Identitätsdiebstahl schlechthin, mit relativ kleinen Änderungen, nämlich einer gesonderten Überprüfung beim Erstkontakt, die größten Risiken ausschließen kann. Das ist ohne Weiteres zumutbar. Ich denke, das sollten wir einfordern, und das tut dieser Antrag konsequenterweise.
Bei den Anwaltskosten, überhaupt bei den Kosten, um sich zu wehren, muss man sich die Situation der Betroffenen vor Auge halten. Sie werden unvorbereitet getroffen und sie müssen sich mit einem Sachverhalt befassen, den sie erst einmal selbst ermitteln müssen. Das ist gar nicht so einfach. Sie kriegen eine Forderung, die sie sich erst einmal nicht erklären können, und überlegen, ob möglicherweise erst einmal der Fehler bei Ihnen liegt. Das ist ganz häufig der Fall. Tatsächlich haben sie mit der Sache gar nichts zu tun. In diesem Moment muss klar sein, dass sie, wenn sie einem Inkassounternehmen oder Anwälten gegenüberstehen, die ja in der Regel aus großen Unternehmen heraus beauftragt werden und über eine gut geölte Maschinerie zur Verfolgung dieser Ansprüche verfügen, im Grunde nicht auf Rechtsbeistand verzichten können. Wenn das der Fall ist, muss gewährleistet sein, dass ihnen die daraus resultierenden Kosten – das ist letztlich ein Gebot der Waffengleichheit – auch ersetzt werden, wenn sie dann obsiegen.
Die negative Feststellungsklage, das ist hier bereits angesprochen worden, in der Tat, mit dem Anerkenntnisurteil, das sie einfordern, auch bei vorherigem Anerkenntnis nach Einreichung der negativen Feststellungsklage, da folgen wir der neueren OLG-Rechtsprechung, die besagt, dass mit dem sofortigen Anerkenntnis trotzdem nicht das
(Cornelia Seibeld)
Bedürfnis auf Rechtsschutz und auf ein Urteil in der dargestellten Weise entfällt.
Wie gesagt, es gibt eine große Einigkeit. Ich würde mir wünschen, dass vielleicht auch die eine Partei, die sich bisher diesem Antrag nicht anschließen möchte, das noch einmal überdenkt und ihr Abstimmungsverhalten an den anderen Parteien ausrichtet und auch an diesen Argumenten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bürokratieabbau als Wort kommt immer erst einmal gut rüber. Jeder wird sich mit einem Reflex oder auch bewusst oder aus dem Verständnis heraus dazu bekennen. Allerdings will ich eines gleich vorwegnehmen: Es gibt auch sehr viel notwendige Bürokratie. Wenn ich mir den Antrag anschaue, Herr Kollege Swyter, dann frage ich mich, ob durch den Aufbau neuer Bürokratie in jedem Fall auch effektiv Bürokratie abgebaut werden kann.
Das kann so sein. Wer sparen will, muss investieren. Es gibt vergleichbare Überlegungen. Trotzdem ist es an dieser Stelle nicht ohne Weiteres nachgewiesen. Das, was wir in den Blick nehmen müssen, ist das Ziel. Das Ziel ist eine ebenso effektive wie effiziente Verwaltung. Das steht, glaube ich, auch außer Streit. Allerdings haben wir natürlich inzwischen einige Erfahrung. Das haben wir gesehen. Der Bund hat auf nationaler Ebene den Normenkontrollrat bereits seit Langem. Wir dürfen nicht vergessen, dass Bundesrecht in aller Regel deutlich komplexer ist als Landesrecht. Das heißt, dass der Nor
(Florian Swyter)
menkontrollrat dort Sinn macht, ist kein zwingendes Gebot, ihn auch auf Landesebene einzuführen. Das heißt aber nicht, dass ich ihn an der Stelle ausschließe. Ich sage nur, es gibt auch einige Punkte, mit denen man an dieser Stelle skeptisch umgehen muss. Der wichtigste Baustein ist also die funktionierende, gut ausgestattete Verwaltung, und da tut diese Koalition eine Menge.
Die Verwaltung muss materiell und vor allem personell in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben zu bewältigen. Ich glaube, das ist der beste Garant, dass überflüssige Abläufe ausgeschaltet werden. Dort, wo weitere Expertise notwendig ist, Sie haben das am Beispiel der Steuerungsgruppe um Heinrich Alt gesehen, wird sie eingeholt. Viele Wege führen nach Rom. Es muss nicht zwingend dieser sein, er ist aber auch nicht zwingend auszuschließen. Ich habe mir Ihren Gesetzesentwurf im Einzelnen angeschaut. Ich finde es dankenswert, dass Sie einen solchen Text vorlegen. Das finde ich gut. Ich habe auch gesehen, dass er im Wesentlichen den Regelungen des Nationalen Normenkontrollrats nachempfunden ist.
Ich finde allerdings, dass man auf ein paar Punkte eingehen sollte, die nicht ganz klar sind. Wir werden im Ausschuss Gelegenheit haben, sie in der Tiefe noch zu erörtern, aber ich will sie hier einmal ansprechen. Tatsächlich haben Sie in § 1 Abs. 4 das Recht, eigene Vorschläge zu machen, für den Kontrollrat eingearbeitet. Jetzt frage ich mich an der Stelle, an wen diese eigenen Vorschläge zu richten sind und welchen Umfang sie haben sollen. Wollen Sie eine Ersatzexpertise einfordern, oder wollen Sie eine ergänzende einfordern? Das sind Fragen, die man zwingend beantworten muss, wenn man einen solchen Text vorlegt und verabschieden will.
Dann gibt es möglicherweise eine Ungenauigkeit zwischen Ihrer Begründung und Ihrem Gesetzestext in § 3 Abs. 1, wo Sie von sechs Mitgliedern sprechen, in Ihrer Begründung aber von acht. Ich gehe davon aus, dass sechs gemeint sind. Das sollte man aber klären.
In § 3 Abs. 6 haben Sie die Beratungsfunktion eingebaut. Das legt aus meiner Sicht nahe, dass auf die Expertise in Beratungen vollumfänglich zurückgegriffen werden soll. Dann verstehe ich nicht, dass an der Stelle Sondervoten nicht möglich sein sollen. Das wäre doch gerade der interessante Punkt. Die Experten werden sich nicht immer einig sein. Aber wenn ich mir schon die Mühe mache, einen solchen Rat einzurichten, dann ist es auch sinnvoll, alle seine Facetten zu kennen, die in der internen Erörterung in diesem Rat besprochen wurden. Dann muss sich ohnehin am Schluss der Senat, oder wer auch immer dann angerufen ist, sein eigenes Bild machen.
Dann habe ich gesehen, dass Sie in § 4 Abs. 3 die Prüfung der Regelungsentwürfe an die Stelle – vor Weiterleitung an den Senat – aufgenommen haben, was richtig ist und was man so machen kann. Dann allerdings würde ich
auch empfehlen, dass man in § 1 einen Abs. 6 einfügt, der es den Fachressorts erlaubt, diese Expertise bereits während der Erstellung der Gesetzesentwürfe, die nachher eingebracht werden sollen, direkt bei einem solchen Rat anzufordern, wenn man das machen will.
An dieser Stelle: Ich freue mich ebenfalls auf die Beratung im Fachausschuss. Bisher bin ich nicht ganz überzeugt, dass man diesen Weg gehen muss oder dass man ihn gehen sollte. Ich schließe es nicht völlig aus, aber ich glaube, dass man mit der Weiterverfolgung der von der Koalition bereits eingeleiteten Maßnahmen mindestens das Gleiche, aber wahrscheinlich sehr viel mehr erreichen wird. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich ist ja vieles in dem Antrag, den wir gerade vorgestellt bekommen haben, gar nicht falsch. Er enthält auch, das habe ich gelesen, einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, dem ich mich hier ausdrücklich anschließen möchte.
Ich glaube, dass sie eine sehr schwierige, eine teilweise auch sehr belastende und eine mit einer hohen Verantwortung verbundene Arbeit sehr, sehr gut machen. Dafür gebührt ihnen an dieser Stelle Dank!
[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Ronald Gläser (AfD) – Heiko Melzer (CDU): Nicht mit der ganzen Koalition, aber immerhin!]
Allerdings ist der Antrag im Wesentlichen schlicht und ergreifend ein Schaufensterantrag, auch wenn er große Begriffe wie Bekenntnis und anderes darin führt. Es ist ein Schaufensterantrag, weil er im Wesentlichen zu kurz greift. Eigentlich ist die Zeit über ihn hinweggegangen – jedenfalls über das Denken, das ihm zugrunde liegt. Natürlich gibt es ein Bekenntnis dieser Koalition zum Verfassungsschutz, aber das Bekenntnis der Koalition geht weit darüber hinaus, es bezieht sich auf die urbane Sicherheit. Diese ist viel weiter gefasst und bezieht sich nicht auf eine einzelne Behörde, sondern auf ein starkes, funktionierendes System. Das ist die Grundlage für unsere Sicherheit hier in der Stadt.
Frau Präsidentin! Ich habe hier drei Minuten – da brauchen wir jetzt keine Zwischenfragen mehr um diese Zeit. Vielen Dank!
Tatsächlich glaube ich, dass dem etwas anderes zugrunde liegt. Natürlich ist die Union in einer schwierigen Situation. Sie möchte endlich beim Thema innere Sicherheit wieder ein Bein auf den Boden bekommen.
(Stephan Lenz)
Das ist nicht so einfach – das ist schon klar –, aber mit diesem Antrag wird Ihnen das nicht gelingen. – Das, was getan werden muss, das tun wir mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. Wir schaffen Prävention dort, wo sie geboten ist. Das ist ein wichtiger Bestandteil für urbane Sicherheit in der Zukunft. Wir schaffen gut ausgestattete Sicherheitsbehörden, darunter der Verfassungsschutz, dem wir ja auch weitere Stellen bereits zugeführt haben und der auch weiter entsprechend ausgerüstet werden wird. Das sind die Maßnahmen – zusammen mit Aussteigerprogrammen im Extremismusbereich –, mit denen wir insgesamt ein System von urbaner Sicherheit schaffen. – Vielen Dank für das Zuhören!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Kern geht es bei diesem Antrag eigentlich weniger um die Frage, ob ein weiterer Feiertag für Berlin eingeführt werden soll. Im Kern geht es um die Frage, ob die konsultative Volksbefragung mit einfachgesetzlicher
Regelung erfolgen kann, und diese Frage muss man zuerst beantworten. Ich habe mir die Begründung zu Ihrem Antrag intensiv angeschaut: Darüber sagen Sie nichts, und ich glaube, das ist an der Stelle ein bisschen fahrlässig. Ich glaube letztlich auch, das von Ihnen gewählte Beispiel, mit dem Sie das versuchen, trägt eine solche Überlegung nicht – dazu komme ich noch.
Zunächst kurz zu Ihrem Inhalt: Die Feiertage, die Sie zur Auswahl gestellt haben – zehn habe ich gezählt –, sind alles bedeutende Daten. Gar keine Frage! Das ist eine seriöse Auswahl – will ich nicht bestreiten. Den Berlinbezug allerdings sehe ich vor allem beim 18. März und beim 17. Juni; bei den anderen Tagen, die Sie vorschlagen, wäre eine bundeseinheitliche Regelung eher naheliegend als von Ihnen hier dargestellt.
Die Frage, ob durch eine einfachgesetzliche Regelung eine solche konsultative Volksbefragung durchgeführt werden kann, ist hoch umstritten.
Die herrschende Meinung lehnt das aber im Ergebnis ab. Ich will auch nicht verhehlen, dass ich eine gewisse Sympathie dafür habe, dass man sagt: Eine Abstimmung muss etwas entscheiden. – Wer etwas zur Abstimmung stellt, bekommt eine Entscheidung. Wer etwas erfragt, bekommt eine Meinung. Das spräche schon dafür, dass man das einfachgesetzlich machen kann. Trotzdem ist es so, dass der faktische Druck, der dadurch entsteht, natürlich den Gesetzgeber in seinem Entscheidungsspielraum einengen kann. Jetzt kann man sagen: Dann darf er sich nicht einengen lassen! – Das ist ein gutes Gegenargument, das muss man wägen.
Aber letztlich ist doch das, was durchdringt in dieser ganzen Debatte – und was auch von der herrschenden Meinung so gesehen wird – die Tatsache, dass mit einer solchen Volksbefragung und einer Äußerung, einer Meinungsäußerung der Befragten – hier dem Staatsvolk – das Staatsvolk Staatsgewalt ausübt. Wenn es Staatsgewalt ausübt, hier in Form der gemeinsamen Willensbildung, dann ist das im Grunde auch immer zu respektieren. Deshalb braucht man für eine konsultative Volksbefragung auf jeden Fall auch eine Verfassungsänderung. Und das ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht berücksichtigt. Das halte ich für ein schweres Defizit.
Ich will nur noch eines sagen – ich habe es vorhin schon angedeutet –: Die Tatsache, dass sie hier zehn verschiedene Tage zur Auswahl stellen, zeigt schon, dass das Instrument so, wie Sie es anstreben, an der Stelle kaum tauglich wäre.
Ja – bitte!
Dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, das braucht man, glaube ich, nicht vertieft zu erörtern. Das ist selbstverständlich. Tatsächlich ist es aber so, dass die Staatsgewalt an dieser Stelle durch eine bestimmte Meinungsäußerung, durch eine Handlung durch das Staatsvolk unmittelbar ausgeübt wird.
Die Unmittelbarkeit ist der entscheidende Faktor an der Stelle.
Ja, natürlich, Herr Kollege! Trotzdem übt an dieser Stelle das Volk dann unmittelbar Staatsgewalt aus.
Ja! – Das sind unterschiedliche Argumente an dieser Stelle. Das weiß ich auch. Die herrschende Meinung kommt aber zu diesem Schluss, und ich schließe mich dem auch an.
Ich komm noch mal kurz darauf zurück, zehn Tage zur Auswahl zu stellen. Da zeigt sich eigentlich, dass dieser Ansatz nicht tauglich ist. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen jetzt die Antwort zu diesen zehn Tagen, und die liegt irgendwo bei einer Zustimmung von 6 Prozent bis 22 Prozent! Was soll das Ergebnis einer solchen Befragung an dieser Stelle sein,
mit zehn unterschiedlichen Voten? Das zeigt, dass dieses Vorgehen nicht tauglich ist. Deshalb glaube ich, dass Ihr Antrag im Ausschuss auch keine besonderen Chancen auf Zustimmung hat. – Vielen Dank für Ihr Zuhören!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Phänomen des Angriffs auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte ist – das haben Sie absolut zutreffend bezeichnet, Herr Kollege Dregger – unerträglich. Es ist noch dazu in jeder Hinsicht unbegreiflich, und es fordert uns heraus, ganz sicher. Ich kann mir keine größere Perfidie bei einem Handeln vorstellen, oder jedenfalls nicht viele, als dass Menschen angegriffen werden, die couragiert und unter Einsatz der eigenen Sicherheit, in vielen Fällen des eigenen Lebens, anderen Menschen in Not helfen. Das ist mir absolut unbegreiflich.
Das muss, und ich denke, da sind wir uns auch einig, aufs Schärfste verurteilt werden. Sie haben das getan, ich schließe mich dem an.
Wir sind natürlich auch gefordert zu überlegen, ob es dafür irgendein Motiv geben könnte. Ich gebe ganz offen und direkt zu: Ich habe keins gefunden, außer schiere Aggression und die Lust auf Gewalt. Die fordern von uns eine absolut harte und kompromisslose Antwort. Es ist allerdings, das muss man hinzufügen, kein Phänomen der letzten Silvesternacht gewesen. Wir beobachten diesen Prozess bedauerlicherweise schon seit mehreren Jahren – mit zunehmender Intensität. Natürlich muss man an der Stelle reagieren.
Ihr Antrag allerdings adressiert über die Beschreibung der Zustände, die Sie bei der Polizei für unzulänglich halten, in erster Linie den Senat. Dazu will ich sagen: Wir haben hier im vergangenen Dezember gemeinsam einen Haushalt verabschiedet – sind tätig geworden –, der den Innensenator in die Lage versetzen wird, in den Jahren 2018 und 2019 1 200 neue Auszubildende in der Ausbildung an den Polizeidienst heranzuführen und diesen mit über 1 000 neuen Kräften auszustatten. Wir haben den
Justizsenator mit den Möglichkeiten ausgestattet, den größten Aufwuchs an Staatsanwälten für die Strafverfolgung seit der Berliner Wiedervereinigung in der größten Staatsanwaltschaft Deutschlands vorzunehmen. Bundesjustizminister Heiko Maaß, das haben Sie eben zutreffend erwähnt, hat mit der Novellierung der §§ 113ff. Strafgesetzbuch ebenfalls erweiterte Voraussetzungen geschaffen, um mit diesem Phänomen in aller Schärfe umzugehen. Jetzt, nachdem Legislative und Exekutive gehandelt haben, ist es an der Judikative, an den Gerichten, diese Vorschriften anzuwenden. Die Polizei ist erfolgreich in der Bekämpfung, sie nimmt konsequent Zugriff auf die Täter, und sie schützt auch die Rettungskräfte. Jetzt ist es an den Gerichten, ein Zeichen zu setzen, dass die Vorschriften auch für die Gesellschaft angewendet werden.
Deshalb sage ich ganz klar: Am Anfang der letzten Legislaturperiode wäre das ein guter Antrag gewesen. Jetzt sind Sie ein halbes Jahrzehnt zu spät, und da dürfen Sie nicht auf Zustimmung hoffen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist überaus erfreulich, dass unser Berlin mit diesem Haushalt wieder Handlungsspielräume zurückgewinnt. Berlin hat das verdient, denn Berlin hat sich das nach meiner Überzeugung hart erarbeitet. Ich glaube, nachdem wir heute Morgen schon die großen Linien durchgearbeitet und das gehört haben, Investitionsjahrzehnt mit den Möglichkeiten der Investition in Bildung, in die Infrastruktur und natürlich auch in die innere Sicherheit, können wir, nachdem auch Justiz hier durchaus umfangreich diskutiert wurde, doch noch einmal von dieser Metaebene etwas heruntergehen auf die spezielleren Themen. Ein ganz wichtiges davon ist das, was zum Ressort auch gehört, der Verbraucherschutz.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Verbraucherschutz wird in der Senatsverwaltung zukünftig fünf neue Stellen haben in der dafür zuständigen Abteilung. Das ist ein gutes Zeichen, weil die Anforderungen in einer wachsenden Stadt dieser Größe auch beim Verbraucherschutz immer komplexer werden. Hier ist vorhin schon das Stichwort genannt worden. Die Verbraucherschutzzentrale tut eine großartige Arbeit, eine wichtige Arbeit, und sie hat jetzt die Möglichkeit, mit den neuen Mitteln, die wir bereitstellen, über 160 000 Euro, auch eine Energieschuldenberatung aufzubauen. Das ist ein wichtiger Punkt. Menschen, die nicht mehr weiterwissen, Menschen, die nicht die Möglichkeiten haben, sich teure Anwälte an dieser Stelle zu leisten, die brauchen Hilfe, wenn sie vor der Situation stehen, dass Schulden, gleich, woher sie kommen, und gleich, wie sie verursacht wurden, ihre Existenz bedrohen. Ich bin froh, dass die Verbraucherzentrale hier dieses Problem gesehen und angegangen hat. Ich finde das aller Unterstützung wert.
Es wird ein weiteres wichtiges Projekt geben, House of Food, nach dem Beispiel Kopenhagens. Dort werden Möglichkeiten geboten, wie man mit der Qualität von Nahrungsmitteln umgeht, wie man die Behandlung verbessert, wie man vernünftig mit Lebensmitteln insgesamt umgeht. Ich glaube, das kann in einer Stadt wie unserer, wo wir auch darüber sprechen, dass wir die Qualität des Essens in Kantinen in den Schulen verbessern wollen, nur hilfreich sein.
Ein ganz wichtiger anderer Punkt – der ist hier eben auch noch mal angesprochen worden – ist der Bereich der Antidiskriminierung. Das ist überhaupt nichts von Phantasiebehörden, und das ist überhaupt nichts, was man wegschieben kann, sondern das ist ein wichtiger Bereich
(Senator Dr. Dirk Behrendt)
in unserer Stadt. Und ich finde – hier sind die Beispiele eben genannt worden –, dieser grauenhafte Anblick brennender Israel-Fahnen kann uns nicht dazu bringen, dass wir hier, an dieser Stelle, Begriffe wie „Fantasiebehörde“ verwenden. Das halte ich für unangemessen und für inakzeptabel.
Deshalb ist es wichtig, dass diese Koalition sich dazu bekannt hat, das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus konsequent fortzuführen, und ich bin froh, dass für das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, dass für andere Projekte ebenfalls, nämlich für die Amadeu-Antonio-Stiftung und für „Anders Denken“ hier an dieser Stelle noch mal entsprechende Mittel eingestellt worden sind, und die werden wir sinnvoll nutzen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle ist es ganz klar: Das ist ein wichtiges Thema. Die Zustellungen und andere Dienstleistungen müssen gesichert sein. Ich will mal den
Rahmen etwas größer spannen: In einer Zeit, in der wir jeden Tag sehen, dass der Onlinehandel rasant wächst – – Ich will mal die Zahlen nennen: 2012 Umfang 24,5 Milliarden in etwa, 2017 prognostizierte 73 Milliarden. Das ist eine Verdreifachung, und die führt natürlich dazu, dass unsere Städte damit anders umgehen müssen, dass sie auch vor neue Herausforderungen gestellt werden.
Eine ganze wichtige Herausforderung und auch ein Problem – das alles aber macht dieses Thema wichtig – liegt darin, dass der Onlinehandel insgesamt – ich stelle mal jetzt nicht nur auf die Post ab, die Sie eben zitiert haben – dazu führt, dass sich die Innenstädte verändern. Der Einzelhandel wird zum Teil verdrängt, weil er nicht in der Lage ist mitzuhalten. Der Verkehr wird beeinflusst, weil natürlich die ständigen Lieferdienste, die Auslieferungen dazu führen, dass die Busspuren, die Fahrradspuren, die Hauseingänge vollgeparkt werden. Und natürlich, was wir auch erleben: Warnblinklicht als Zeichen dafür, dass ich hier liefern muss, ist inzwischen gängig geworden. – Das ist eigentlich ein Zustand, der nicht gut ist.
Und drittens haben wir natürlich – und das ist das, was jetzt unmittelbar zu diesem Antrag führt – die Situation, dass der Wettbewerb die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren Interessen beeinträchtigen kann, und das darf auf keinen Fall sein.
Jetzt haben wir in dem Antrag zwei Aufforderungen, nämlich einmal, dass Herr Dr. Behrendt als Senator für Justiz und Verbraucherschutz, an dieser Stelle zuständig, eine Beschwerde an die Bundesnetzagentur richten soll.
Ich habe mir angeschaut, auf welchen Sachverhalt Sie das Ganze stützen, und ich muss Ihnen eins sagen: So, wie Sie das ausführen, wird er eine Beschwerde – selbst wenn er darüber nachdenken sollte, das zu machen – nicht auf diesen Sachverhalt gründen können. Das hat keine Aussicht auf Erfolg, weil schon nicht ganz klar ist, welche fehlenden Auslieferungen – Herr Kollege Krestel hat es jetzt in der Rede etwas konkretisiert – Sie denn meinen und welche Beschwerdebelege er dann beilegen könnte.
Tatsächlich ist es doch so: Wenn die Pakete nicht ausgeliefert werden können, dann hat man irgendetwas im Briefkasten. Da steht dann drauf, wo man es abholen kann oder ob das beim Nachbarn abgeben wurde. Das ist eigentlich ein Vorgang, der gar nicht zu beanstanden ist.
Ich wüsste also gerne von Ihnen, bevor wir irgendjemanden vorschicken, um eine solche Beschwerde einzureichen – mit der wir uns ja exponieren –, was denn da genau drinstehen soll, und vor allem, welche Einzelbelege dafür angeführt werden können. Es kann sich im Lauf der Diskussion, auch der Behandlung hier im Haus und in den Ausschüssen, ergeben, dass wir solche Belege haben. Dann kann man das noch einmal formulieren. Dann muss
man das aber auch zusammentragen, und diese Mühe hätten Sie sich schon geben müssen – das ist aber leider nicht erfolgt.
Das Zweite, was Sie fordern, ist eine Strafanzeige – im größtmöglichen Umfang, sage ich an der Stelle mal; es gibt kaum so viele Sachverhalte wie die, die sich aus der Auslieferung von Paketen, Post- und Zustellungsdienstleistungen in diesem Land ergeben – gegen die Betreiber. Da muss ich eins sagen: Betrug – Eingehungsbetrug allemal – ist ohnehin schwer nachzuweisen, das sollte uns aber natürlich nicht hindern, wenn Sie einen solchen Anfangsverdacht sehen. Aber dazu müssen Sie deutlich mehr in Ihrer Begründung schreiben, als Sie es getan haben.
Das fängt damit an, welchen Anfangsverdacht Sie den haben. Wer hat das gemacht? Haben das alle gemacht? Wer hat das bei den zuständigen Dienstleistern gemacht? Oder wo liegt der Schaden? – Sie brauchen ja für einen Betrug einen Schaden. Der kann darin bestehen, dass jemand Aufwand betreiben muss, um sein Paket abzuholen. Aber das ist in dem Sinne kein ernst zu nehmender Schaden, den Sie heranziehen können für einen Anfangsverdacht nach § 263 StGB, Betrug.
Deshalb sage ich: Wir werden in der Beratung – und die Überweisung ist ja vorgesehen – deutlich mehr an Sachverhaltsaufklärung leisten müssen, um überhaupt an einen solchen Punkt zu kommen, dass wir diesen Antrag unterstützen oder ernst nehmen können. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei Punkte voranstellen! Erstens: Diese Koalition hat sich das klare Ziel gesetzt, weder im Großen Tiergarten noch an irgendeinem anderen Ort dieser Stadt irgendwelche weiteren Kriminalitätsschwerpunkte zuzulassen.
Zweitens: Diese Koalition bekennt sich ganz klar dazu, an allen Stellen dieser Stadt – nicht nur an Kriminalitätsschwerpunkten, die bereits bestehen – Kriminalität auch weiterhin konsequent zu bekämpfen.
Der öffentliche Raum muss den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt und ihren Gästen zur Verfügung stehen. Darauf haben sie ein Recht, und darauf haben wir alle ein Recht.
Sehr geehrter Herr Kollege Dregger! Sie haben vorhin angesprochen, dass wir in der Wirklichkeit ankommen müssten oder dort nicht angekommen seien. Ich kann Ihnen eines sagen: Bei der Bestandsaufnahme des Innenressorts im Dezember des vergangenen Jahres ist diese Koalition sehr schnell in der Wirklichkeit angekommen, wenn das noch notwendig war.
Die Defizite, die in den Jahren 2011 bis 2016 in der Ressortverantwortlichkeit der CDU im Bereich der inneren Sicherheit aufgekommen sind, sind unübersehbar. Aber wir werden sie abbauen. Wir werden sie abbauen, wie wir das als Koalition bereits begonnen haben – mit zusätzlichen Stellen, mit mehr Polizei, mit einer funktionierenden, gestärkten Justiz und mit einem weiteren Aufwuchs an Personal in all diesen Bereichen. Und wir werden noch mehr tun. Wir werden auch das Notwendige an Analyse leisten, was die einzelnen Sachverhalte betrifft und was in der Vergangenheit offensichtlich bei der Erarbeitung von Konzepten, sofern sie überhaupt erfolgte, zu kurz gekommen ist.
Zu dieser Analyse gehört, wenn wir das von Ihnen aufgerufene Beispiel des Großen Tiergartens betrachten, natürlich auch eine Diversität der dort Handelnden oder der dort Befindlichen. Natürlich sind die nicht alle gleich hinsichtlich ihrer Herkunft. Da gibt es psychisch Kranke, die dort herumlaufen. Da gibt es klassische Obdachlose, sofern Sie mir diesen Ausdruck an der Stelle gestatten. Da gibt es Menschen, die hierhergekommen sind, weil sie in der Hoffnung auf Arbeit, mag sie erfüllt oder enttäuscht worden sein, erst einmal versucht haben, sich irgendwo einen Unterschlupf zu suchen. All das muss man bedenken, wenn man mit dem Problem überhaupt umgehen will.
Der Senat hat entschlossen gehandelt – entgegen Ihrer Darstellung. Die Einrichtung einer Taskforce ist der richtige Weg. Wir müssen doch erst einmal wissen, wer dort ist. Das heißt, die Identität wird festgestellt. Dieses Bekenntnis besteht. Ich weiß also gar nicht, was es daran herumzukritisieren gibt. Wir müssen aber auch eines klar trennen. Wir müssen trennen zwischen Kriminalität und deren Bekämpfung und Obdachlosigkeit und deren Bekämpfung. Wenn wir das nicht leisten, werden wir scheitern. Dieser Senat wird weiterhin – und das ist in dieser Diskussion oft in einem Zusammenhang zu sehen – entschlossen Kriminalität bekämpfen, insbesondere organisierte Kriminalität. Wenn wir das alles vermischen, dann werden wir die Sachverhalte nicht so sauber trennen, dass wir einzelne geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Kriminalität werden herbeiführen können.
An dieser Stelle nicht! Er hatte gerade das Wort.
Das Zweite – und das wird mitentscheidend sein – ist die Bekämpfung der Obdachlosigkeit. Auch hier handelt der Senat. Natürlich werden Lagerungen in diesen öffentlichen Parks nicht geduldet. Räumungen und die Beseitigung von Matratzen und Zelten haben bereits begonnen. Natürlich hat man damit das Problem nicht aus der Welt geschafft, denn an dieser Stelle muss man eines sagen: Wir vermuten, dass sich viele osteuropäische Bürger unter diesen Obdachlosen befinden. Dann muss man allerdings auch konsequent feststellen, was passiert, wenn man sie denn außer Landes schafft, wie das hier die CDU wohlfeil fordert. Viele von ihnen könnten relativ schnell zurückkehren. Das heißt, man braucht einen längerfristigen Lösungsansatz, und man muss dafür ein Konzept entwickeln. Das wird nicht ohne Beteiligung der Herkunftsländer gehen. Da sollte man sich keiner Illusion hingeben.
Ganz kurz, da wir ja auch den Antrag der FDP in diesem Zusammenhang mitberaten, ein Hinweis: Natürlich ist es richtig, auch auf die Funktion des Gartendenkmals Großer Tiergarten hinzuweisen. Das finde ich gut. Allerdings muss ich eines sagen: In diesem Zusammenhang, bei diesem Antrag, in dieser Diskussion nicht einmal das Wort Obdachlosigkeit zu erwähnen und sich damit zu befassen, wie man sie beseitigt, das finde ich eine schwache Leistung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich, zumindest auf den ersten Blick, liest sich der vorliegende Antrag gar nicht mal so schlecht, vor allem in der Überschrift: Fairen Wahlkampf ermöglichen.
Dagegen werden Demokratinnen und Demokraten nichts einwenden.
Auch die Beschreibung der aktuellen Situation, auch aus dem letzten Wahlkampf heraus, mit zunehmenden Übergriffen von unterschiedlichen Seiten, einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegenüber politisch Handelnden, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Wahlkampf im vergangenen Jahr war gekennzeichnet durch viele Übergriffe: ein abgebrannter Bus der CDU in Spandau, Angriffe auf das Anton-Schmaus-Haus in Neukölln und viele weitere, aber die beiden stehen wirklich beispielhaft dafür; sie sind keineswegs abschließend, alle waren betroffen. Das muss uns bedenklich stimmen, denn die politische Auseinandersetzung vor Wahlen, durchaus mit allen inhaltlichen Zuspitzungen in dieser Phase, soll ja gerade – das ist gewollt in einer Demokratie – Unterschiede auch erkennbar machen für die Bürgerinnen und Bürger, die
danach auch ihre Wahlentscheidung ausrichten möchten. Das ist eine echte Wahl, und nur das ist dann auch eine echte Demokratie.
Wie wichtig das ist, das zeigt schon die Tatsache, dass sich die demokratischen Länder weltweit deutlich besser entwickeln als die nichtdemokratischen, dass aus den nichtdemokratischen Ländern viele Menschen, denen die Möglichkeit der Versammlungs- und Meinungsfreiheit genommen wird, hoffnungsvoll hierher schauen. Und da ist wichtig, welches Bild auch der Wahlkampf in den westlichen Demokratien abgibt. Nehmen Sie das Beispiel des letzten US-Wahlkampfs um die Präsidentschaft. Jede auch nur denkbare Möglichkeit einer Einflussnahme von außen schafft ein so verheerendes Bild in der Welt, dass man es gar nicht negativ genug einschätzen kann. Das dekliniert sich aber auch nach unten durch. Natürlich sind wir alle gehalten, dafür zu sorgen, dass auf keinen Fall irgendein Schatten auf den Wahlkampf als fairen Wahlkampf fällt.
Allerdings sehe ich bei Ihrem Antrag zwei grundsätzliche Defizite, das will ich klar sagen. Zum einen scheint mir die vorgeschlagene Lösung nicht besonders praktikabel zu sein. Da soll die Landeswahlleiterin nach dem Willen der AfD-Fraktion jetzt alle ihr bekannt werdenden Angriffe, Übergriffe – den Begriff benutzen Sie nicht, aber es soll wohl so sein, auch Kollege Pazderski hat es eben so umschrieben –, Störungen und vielleicht auch Konflikte, gleich welcher Art, als Meldungen entgegennehmen und dann bearbeiten. Ich frage mich schon, wie das von der Kapazität her gehen soll, aber vor allem, ob das die Aufgabe der Landeswahlleiterin ist. Welche Übergriffe soll sie denn erfassen? Straftaten? – Die werden polizeilich erfasst, und die Polizei kann das besser. Streitereien zwischen den Wahlkämpfenden oder mit Dritten? Ab wann sollen die relevant sein, sodass sie von der Landeswahlleiterin erfasst werden müssten? – Da hat jeder und jede wahrscheinlich am Infostand auch ein unterschiedliches Bild, ab wann man sich wirklich angegriffen fühlt und ab wann vielleicht noch nicht. Und nach welcher Definition soll ein Übergriff oder eine Einschüchterung überhaupt erfasst werden? – Darauf gibt Ihr Antrag überhaupt keine Antwort. Und, ich sage es gleich, die Auswertung, die Sie anschließen wollen, wird an der Stelle auch Probleme machen. Die Landeswahlleiterin kann realistisch betrachtet schon die mitgeteilten Sachverhalte nicht ohne Weiteres verifizieren. Sie müsste ja jedem einzelnen nachgehen, es sei denn, Sie setzen darauf, dass eine Erfassung auf Zuruf durchzuführen ist. Welchen Wert hat das? – Das wird inflationär ausgenutzt werden, das kann ich Ihnen gleich sagen.
Auch die Frage, wem sie denn berichten soll, wird in dem Antrag nicht wirklich beantwortet. Soll das das Parlament sein, die Öffentlichkeit? Wer soll denn dann die Schlussfolgerungen ziehen und die Änderungen durchsetzen? Wer soll das machen? – Ich nehme an, es ist hier an das
(Georg Pazderski)
Parlament gerichtet. Aber es steht so nicht drin. Also, das wird so nicht funktionieren. Woran man aber denken könnte, ist, dass eine verdichtete Dokumentation bei den Strafverfolgungsbehörden eingerichtet wird. Das wäre denkbar. Und dann ist es nicht die Aufgabe der Landeswahlleiterin, sondern eben der Strafverfolgungsbehörden selbst.
Egal, wer diese Aufgabe nachher ausführt, die betreffende Stelle bräuchte dafür auf jeden Fall zusätzliche Mittel. Insoweit geht Ihr an sich zutreffender Hinweis, dass der Staatsschutz weitgehend ausgelastet ist, fehl. Wir müssten immer aufstocken, und wenn wir aus den notwendigen Analysen dann auch die richtigen Maßnahmen ableiten wollen, dann brauchen wir auch Leute, die sich mit Prävention auskennen und das umsetzen. Als Zwischenergebnis muss ich aber zunächst festhalten, dass Ihre Überlegung für eine solche Erfassungsstelle nicht wirklich ausgereift ist.
Unabhängig von der Frage der Durchführbarkeit gibt es aber ein ganz anderes gravierendes Defizit. Denn bei mir ist beim Lesen des Antrags zunehmend der Eindruck entstanden, dass hier unterschwellig ein ganz anderer Zweck verfolgt wird; ein scheinbar gemeinsames Ziel, das Ziel eines hehren Wahlkampfs, wird vorgeschoben, um dahinter eine eigene Opferrolle zu inszenieren.
Dem will ich an dieser Stelle eine klare Absage erteilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ja, es sind auch nach meinem Eindruck mehr Übergriffe im Wahlkampf zu verzeichnen gewesen, und es waren tatsächlich alle Parteien, die hier im Haus vertreten sind, davon betroffen – vielleicht in unterschiedlicher Intensität, das spielt aber an der Stelle überhaupt keine Rolle. Ich verurteile jeden gewaltsamen Übergriff im Wahlkampf, völlig gleich, von wem er ausgeführt wird, und völlig gleich, wem er gilt.
Aber gewaltsame Übergriffe dieser Art entstehen natürlich in den seltensten Fällen zufällig oder spontan.
Die sind nämlich ganz überwiegend geplant und sind vor allem Ausdruck einer bestimmten Geisteshaltung. – Herr Kollege Pazderski, ich werde Ihnen gleich noch mehr dazu erzählen!
Diese Haltung ist intolerant und gewalttätig. Das sind die Kennzeichen, die diese Haltung ausdrückt. Sie ist intolerant gegenüber Andersdenkenden, und sie fühlt sich legitimiert, Gewalt auszuüben, weil sie die Meinung anderer
als nicht gleichwertig ansieht. Und am Ende sieht sie dann auch den Andersdenkenden selbst nicht mehr als gleichwertig an. Diese Art von Gewalt beginnt im Kopf. Sie beginnt dort aber nicht einfach so, und damit bin ich bei der Antragstellerin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion! Sie müssen sich schon damit konfrontieren lassen, dass die Haltung Ihrer Partei eben nicht durchgängig vom Respekt gegenüber Andersdenkenden geprägt ist.
Das beginnt bei einem zweifelhaften Jargon, zu dem in den Kreisen der AfD der ständig wiederholte Begriff der sogenannten Altparteien gehört.
Die Verwendung dieses Begriffs ist – da können Sie aufjammern, so viel Sie wollen – historisch eindeutig negativ konnotiert. Der Begriff ist aber mehr als das, er ist nämlich infam.
Diese Parteien, die Sie damit diffamieren wollen, stehen bei allen inhaltlichen Unterschieden, die wir untereinander haben, seit Jahrzehnten für die Demokratie in unserem Land ein.
Aber alarmierend war für mich vor allem etwas anderes. Das habe ich vor einigen Wochen über Ihre Parteifreunde in Sachsen-Anhalt gelesen. Die haben sich in einer WhatsApp-Gruppe um Herr Poggenburg herum ausgetauscht, immerhin 200.
Sie erinnern sich an 200 Leute in Ihrer Partei – na ja. Dort war dann unter anderem die Rede von „Deutschland den Deutschen“, da war die Rede von „volksfeindlichen Medien“, von „Machtübernahme“. Das ist nicht unbedingt ein Synonym für demokratisch errungenen Wahlerfolg.
Da war die Rede von „mit Waffen oder ohne“ und entsprechenden Trainingskursen. Klar haben sie sich geärgert, als sie da erwischt wurden. Aber die Gruppe ist schlicht zu groß, als dass man jetzt von Einzelfällen sprechen könnte. Und innerhalb der Gruppe gab es bei dieser Diktion überhaupt keinen Widerspruch.
Das ist ja eine dramatische Maßnahme! Sie hat aber vor allem ungewollt eine in den Reihen Ihrer Partei weit verbreitete Haltung offenbart,
nämlich dass Andersdenkenden nicht nur mit demokratischen Mitteln begegnet werden muss. Und mit dieser Haltung beginnt die Gewalt im Kopf. Das eigentliche Defizit des Antrags ist daher die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin selbst. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Ich werde zu diesem Euphemismus jetzt einmal demnächst die ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende von Thüringen aus Ihrer Partei befragen. Sie wird mir dazu sicherlich etwas sagen können. Sie ist nun zurückgetreten.
Tatsächlich ist es aber so, dass mir der etwas naive Vorstoß, hier einen Änderungsantrag von unserer Seite anzuregen, zeigt, dass Sie die eigentliche Kritik, die ich an Ihrem Antrag hatte, die ich auch zum Schluss noch einmal zum Ausdruck gebracht habe, nicht verstanden haben. Das ist echt bedauerlich.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Gewalttaten und allein schon Gewaltbereitschaft von Extremisten sind in keiner Weise hinnehmbar und immer wieder Anlass, auch hier für uns als demokratisch gewähltes Parlament, daran zu erinnern, dass sie niemals vereinbar mit Demokratie sind, gleich, aus welcher Richtung sie kommen. Vor diesem Hintergrund ist auch ganz klar, dass wir ein wachsames Auge in alle Richtungen extremistischer Erscheinungsformen haben müssen.
Vor etwa hundert Jahren begannen gewaltsame Auseinandersetzungen extremistischer Kräfte, anderer Kräfte auch in unserer Stadt, und unsere Stadt hat das intensiv über ein ganzes Jahrhundert erleben müssen. Diese Koalition – R2G – hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vom letzten November bereits deutlich dazu bekannt, dass die Grundlage für den Umgang mit Rechts-, Linksextremisten wie allen anderen Extremisten, die Gewalt nicht ablehnen und sie zur Durchsetzung politischer Mittel anwenden wollen, ganz klar die Ablehnung ist. Sie können nicht Teil des politischen Diskurses werden. Das ist richtig, das gilt bis heute. Ich wünsche mir, dass diese Haltung von allen demokratischen Parteien im Hause geteilt wird.
Ich habe das als Haltung auch immer vorausgesetzt. Brandanschläge sind immer feige, Steinwürfe auf Polizisten sind immer heimtückisch, und Antisemitismus ist immer widerlich.
Deshalb sollten wir an dieser Stelle nicht der Versuchung erliegen, hier getrennte Anträge mit einseitigen Positionen in den Raum zu stellen. Ich glaube, das wird der Sache nicht gerecht, und es verkompliziert die Situation.
Die FDP hat hier einen Entschließungsentwurf vorgelegt, der aber genau das tut, der sich einseitig mit Linksextremismus und linksextremistischen Straftaten, Gewalttaten, befassen will. An dieser Stelle sage ich: Kehren wir lieber zurück zu dem, was wir hier durchaus schon hatten und was ich auch als Konsens vermuten würde, nämlich die Ablehnung extremistischer Gewalt insgesamt. Das muss ich an Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, wirklich kritisieren.
Selbstverständlich. – Herr Kollege Luthe, bitte!
Herr Kollege Luthe! Sie unterstellen, dass ich das für falsch halten könnte. Natürlich unterstellen Sie auch, dass das einseitig gewesen sei. Das ist aber nur Bestandteil einer Gesamthaltung, die jeden Extremismus ablehnen sollte. Die Frage ist, ob man mit einem so überschriebenen Antrag wie dem Ihren – Keine parlamentarische Unterstützung für linke Gewalt – das richtige Zeichen setzt, dass wir jede Form von extremistischer Gewalt ablehnen. – Herr Kollege Woldeit hatte noch eine Frage.
Herr Kollege Woldeit! Ich erinnere mich an einen Antrag Ihrer Fraktion, der ja relativ früh in dieser Legislaturperiode eingereicht wurde, der sich mit diesem Thema beschäftigt hat und in der Begründung nach meiner Erinnerung vor allem auf Ereignisse aus dem Wahlkampf abgestellt hat. Ist das der, den Sie meinen?
Ich erinnere mich auch an die Debatte, die sich hier im Hause angeschlossen hat. Herr Kollege Zimmermann hat sehr differenziert darauf geantwortet. Herr Kollege Lux hat darauf geantwortet mit vielen Beispielen aus dem Wahlkampf, in denen die Grünen klar gesagt haben, wie sie behandelt worden sind und welchem Spektrum das zuzuordnen war. Auch Herr Kollege Taş hat dafür deutliche Worte gefunden.
Verehrte Kollegen! Ich habe mir Ihre Frage auch angehört. – Tatsächlich ist es so, dass die Begründung damals ja auch klar auf der Hand lag. Die Glaubhaftigkeit eines Antrags muss auch bewertet werden anhand der Glaubwürdigkeit des Antragstellers.
Das ist das, was Sie damals zu hören bekommen haben, und das auch zu Recht.
Ich komme noch einmal zurück auf das, was die Liberalen hier heute vorgelegt haben. Tatsächlich ist der Sachverhalt, über den Sie sprechen wollen, nicht ganz klar, und ich glaube, dass diese Unschärfe gewollt ist, und sie gefällt mir nicht. Ich will das deutlich sagen. „Kein parlamentarischer Rückhalt für linke Gewalt“. Haben Sie dafür ein Beispiel in Ihrer Begründung? Dort hätte es mal
hingehört. Dort hätten Sie sich mal bekennen sollen, was Sie denn genau damit meinen, wen Sie damit genau adressieren wollen. Ich finde, das hätte man schon verlangen können, und es hätte vielleicht auch ein bisschen mehr Ihre Ernsthaftigkeit unterlegt. Dass Sie dann schreiben, in anderem Zusammenhang, „im Anschluss an die Ablehnung anderer Formen politisch motivierter Straftaten“. Wissen Sie, das ist ja relativierend. Das ist nicht das eigentliche Bekenntnis gegen den Extremismus und extremistische Gewalt, wie wir es hier erwarten können. Und deshalb müssen wir das im Ausschuss sicherlich noch mal nacharbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dregger! Die Terrorismusbekämpfung und -abwehr hat unverändert – und das bleibt auch so – höchste Priorität, aus besten Gründen. Eine Grundvoraussetzung, um sie zu gewährleisten, ist die vernünftige und reibungslose Zusammenarbeit der Behörden auf allen Ebenen, zwischen Europa und dem Bund, zwischen dem Bund und den Ländern.
Am 1. Februar 2017 haben der Bundesminister der Justiz und der Bundesminister des Innern den Entwurf für eine Novellierung des BKA-Gesetzes vorgelegt, indem sie unter anderem schnell und entschlossen auf den schrecklichen Anschlag vom 19. Dezember 2016 reagiert haben. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag, den Sie nun vorlegen, vor allem auf die elektronische Aufenthaltsfeststellung, die in dem Entwurf in § 56 geregelt werden soll und die sich vor allem darauf bezieht, dass Gefährder lokalisiert werden können. Ich sage es an der Stelle vorweg: Wir werden die Terrorismusbekämpfung nicht mit einer einzelnen Maßnahme wirklich erfolgreich bestreiten können, und wir werden im Einzelnen in der Erörterung noch sehen, wie sinnvoll die elektronische Fußfessel – so wird sie ja genannt – an dieser Stelle ist und welchen Beitrag sie überhaupt leisten kann.
Sie haben Ihren Antrag darauf gegründet, dass § 56 entsprechende Maßnahmen vorsieht, und sie haben ihn in § 25b als Vorschlag für das ASOG nachgebildet – im Wesentlichen wortgleich. Ich denke, an dieser Stelle muss man eines sehen: Die Novellierung des BKAGesetzes war nicht allein durch den Anschlag geboten. Da wurde schnell gehandelt – das habe ich bereits gesagt. Sie war auch geboten, weil das Bundesverfassungsgericht im April des vergangenen Jahres unter bestimmten Vorgaben die Neuregelung insgesamt gefordert hat. Das war die Entscheidung vom 20. April 2016 zu den verbundenen Verfahren 966/09 und 1140/09. Das Bundesverfassungsgericht hat hierbei klare Leitsätze aufgestellt, aus denen sich bestimmte Vorgaben auch für uns hier ergeben. Das ist zum einen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ich glaube, dass eine Maßnahme wie die elektronische Fußfessel bei Gefährdern verhältnismäßig sein kann. Das ist gar nicht der Punkt.
Das Bundesverfassungsgericht hat auch gesagt, dass es individuellen Rechtsschutz geben muss bei einschneidenden Maßnahmen. Wir haben es hier zwar nicht mit einer freiheitsentziehenden, aber freiheitsbeschränkenden Maß
nahme zu tun, die vorgeschlagen wird. Das setzt Bestimmtheit voraus. Ich habe mir die Formulierungen in den nun vorgeschlagenen Neuregelungen angesehen. Dort ist die Rede davon, wenn
bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums... eine Straftat... begehen wird
vor allem nach § 129a StGB –, dann habe ich Zweifel, dass hier dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprochen wurde. Das Gleiche ist bei der Formulierung, dass individuelle Merkmale „eine konkrete Wahrscheinlichkeit“ annehmen lassen – das steht im zweiten Teil dieses Gesetzentwurfs –, „dass diese Person“ solche Straftaten „begehen wird“.
Der Gefährderbegriff selbst ist das Problem an dieser Stelle. Möglicherweise sind wir nicht so gut beraten, auf diese einzelne Maßnahme zu setzen. Wichtig ist, dass wir schnellstmöglich eine Identifizierung der Personen haben, um die es geht. Das muss Vorrang haben. Wichtig ist, dass die Maßnahmen auch durch entsprechende Kräfte umgesetzt werden können. Der Hinweis darauf, dass eine Nonstop-Observation bei der Anzahl der Gefährder wahrscheinlich nicht zu leisten ist, ist vollkommen richtig. Aber es gibt noch viele Dinge, die wir verbessern können. Das werden wir auch tun.
An dieser Stelle sage ich, dass wir hinsichtlich der Bestimmtheitsgrundsätze, denen wir folgen müssen, diese von Ihnen aufgeworfenen Formulierungen dringend überprüfen müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Koalition hat mit ihrer Vereinbarung vom 16. November des vergangenen Jahres ein deutliches Zeichen gesetzt und ein klares Bekenntnis abgegeben hin zu mehr direkter Demokratie, diese zu stärken, sowohl funktional als auch inhaltlich. Es ist ein gutes Zeichen für Berlin als freie und selbstbewusste Stadt, wenn wir diese Stadt damit noch moderner, noch mitbestimmter und noch bürgernäher machen, als sie ohnehin schon ist.
Die repräsentative Demokratie mit ihren Kernelementen des Parlamentarismus und des parlamentarischen Systems insgesamt ist die Basis für die politische Entscheidungsfindung hier, im Bund, im Land und auch in den Kommunen. Das hat sich über viele Jahrzehnte in dieser Form außerordentlich bewährt. Sie ist inzwischen bereichert durch die plebiszitären Elemente, das steht insgesamt vollkommen außer Frage, und wir wollen diese weiter fördern und stärken.
Herr Kollege Schlömer! Sie haben zu Recht gesagt, dass der Inhalt Ihres Antrags im Wesentlichen auf den Koalitionsvertrag zurückgeht. Ich finde es auch vernünftig, dass Sie das so gemacht haben. Ich habe mir nämlich mal angeschaut, was von Ihrer Seite und Ihrer Partei dazu in der Vergangenheit geschrieben wurde. Das jüngste Werk dürfte wohl das Wahlprogramm gewesen sein, und darin findet sich dazu leider nicht viel. Insofern finde ich es gut, dass Sie sich den Koalitionsvertrag genommen und sich daran abgearbeitet haben.
Wir können die einzelnen Punkte kurz durchgehen, denn die vier Änderungen, die Sie vorschlagen, sind nur zum Teil in dieser Form unterstützbar. § 9 – das haben Sie gesagt –, die Änderung mit dem Nachbesserungsrecht ist wichtig. Es ist gut, wenn die Initiativen die Möglichkeit haben – da sie ja nicht über die gleiche Professionalität wie ein parlamentarischer Betrieb verfügen –, ihr Anliegen noch einmal anhören lassen und nachbessern zu können.
Die Unterschriftenprüfung ist ein Anliegen, das ebenfalls unbedingt unterstützungswert ist. Man soll sich erläutern lassen, warum etwas nicht zugelassen werden kann, und man muss auch die Möglichkeit haben, das infrage zu stellen.
Anders als Sie es dargestellt haben, Herr Kollege Schlömer, sind allerdings die Regelungen des § 15, so, wie Sie sie ausgestalten wollen, nicht sinnvoll. Eine Frist von
(Bernd Schlömer)
einem Monat zur Prüfung komplexer Sachverhalte im Hinblick auf die Kostenauswirkung ist schlicht zu kurz, das haben wir in der Vergangenheit gesehen. Die Beispiele, auf die Sie abgestellt haben, haben sogar nahegelegt, dass diese Fristen länger sein müssen. Einig sind wir uns allerdings in einem anderen Punkt: Eine Frist muss sein, um Verlässlichkeit für die Initiativen zu schaffen.
Ich komme zum letzten Punkt, nämlich zur Änderung des § 29, wie Sie sie angesprochen haben, und da kommt es schon auf das Detail an. Ich habe gesehen, dass Sie die Achtmonatsfrist für bindend erklären, so, wie wir das auch wollen. Es ist nämlich sinnvoll, diese Sachen zusammenzulegen, wenn sie vom Termin her dicht beieinander liegen. Eine Achtmonatsfrist garantiert auch eine ökonomische Verbesserung, das stimmt. Allerdings kann ich bei Ihrem Antrag nicht unterstützen, dass nur der Initiator an dieser Stelle ein Wahlrecht haben soll, ob die Zusammenlegung innerhalb der Achtmonatsfrist geschieht oder nicht. Wir sind der Meinung, diese Achtmonatsfrist soll gerade der Einhaltung von Verbindlichkeit dienen. Das heißt, nur einvernehmlich – Senat und Initiatoren stimmen überein – kann von diesem verbindlichen Termin auf den Wahltag abgewichen werden. Dann macht die ganze Sache Sinn, und solange das nicht so ist, werden wir Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Tat des U-Bahntreters aus dem vergangenen Herbst hat uns alle fassungslos gemacht Das ist ganz klar. Dazu bekenne ich mich auch an dieser Stelle. In ihrer Skrupellosigkeit, in ihrer sinnlosen Brutalität und vor allem mit ihrer Heimtücke ist sie nichts anderes als verachtenswert gewesen. Ich glaube, dabei sind wir uns hier aber alle einig.
An dieser Stelle erinnert sie auch daran, dass wir jenseits der Diskussion über die Abwehr von Terrorismus, die dringend zu führen ist, über die Abwehr von Extremismus, die dringend zu führen ist, auch einer Diskussion hinsichtlich der inneren Sicherheit in Bezug auf Alltagskriminalität – im vorsichtigen Sinne dieses Wortes – bedürfen.
Die Tat war so ruchlos. Sie bildet jetzt den Hintergrund für den vorgelegten Antrag. Ich will eines vorausschicken: Es ist ganz klar, dass es sich bei der Tat um eine erhebliche Straftat gehandelt hat. Das wird niemand bestreiten. Mit Sicherheit besteht die Gefahr einer tödlichen
(Dr. Gottfried Curio)
Verletzung bei einem solchen Sturz genauso, wie andere Verletzungen möglich sind. Natürlich muss man davon ausgehen, dass hier auch wegen eines Tötungsdelikts in Versuch ermittelt werden könnte.
Sie legen nun einen Antrag vor, der auf eine Bundesratsinitiative zielt, mit der Sie ein Bundesgesetz, die StPO, ändern wollen. § 131 Abs. 3 Satz 1 soll dahin gehend geändert werden, dass keine Auswahlmöglichkeit für die Strafverfolgungsbehörden mehr besteht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. An dieser Stelle will ich eines sagen: Es gibt gute Gründe, dass in einer Strafprozessordnung den Ermittlerinnen und Ermittlern der Strafverfolgungsbehörden insgesamt bestimmte Ermessensspielräume zugebilligt werden, weil sie zwischen verschiedenen situationsangepassten Ermittlungsmaßnahmen auswählen müssen. Das ist der entscheidende Punkt. Es ist nicht die Frage, ob Sie gern die Strafverfolgungsbehörden in Ihrem Sinn anlässlich eines Falles, den Sie jetzt herangezogen haben, binden wollen.
Hier geht es bei dem von Ihnen gewählten Fall, den Sie als Beispiel auch für Ihre Begründung durchgängig herangezogen haben, um einen Einzeltäter. Ich möchte Sie auf eines aufmerksam machen: Das ist nicht unbedingt der Regelfall. Mit den Regelungen, die Sie jetzt anstreben, mit den Modifizierungen, mit der Einschränkung der Optionen der Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden, erfassen Sie andere Fälle möglicherweise nicht mehr. Das macht es gefährlich.
Die Gefahr besteht darin, um das auch kurz zu erläutern, dass von Maßnahmen, wie Sie sie jetzt zwingend und bindend fordern, Warnfunktionen ausgehen können, und zwar nicht nur für den einzelnen Täter – das ist Ihr Beispiel. Offensichtlich haben Sie sich komplett auf dieses Beispiel in der Analyse verengt –, sondern auch für weitere mögliche Täter. Sie unterschätzen die mögliche Komplexität von Ermittlungssachverhalten enorm, wenn Sie denken, dass man auf einen zusteuern könnte, und dann seien die Probleme gelöst. Sie warnen damit möglicherweise, das ist gerade im Bereich der organisierten Kriminalität ein großes Problem, auch weitere Täter, die bis dahin noch nicht ahnen, verfolgt zu werden. Deshalb bedarf es dringend einer Erörterung Ihres Antrags im Ausschuss, der so auf keinen Fall durchgehen kann. – Vielen Dank!