Nancy Faeser
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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wagner,das Urteil des Staatsgerichtshofs ist eines sicher nicht: ein Erfolg für die CDU.
Es hat nämlich gerade nicht entschieden, dass ein isoliertes Kopftuchverbot in Hessen verfassungsgemäß ist. Im Gegenteil,es hat diese Frage offengelassen.Vielleicht hätten Sie das Urteil einmal lesen sollen.
Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich Seite 21 des Urteils des Staatsgerichtshofs:
Das Gericht hat genau das, was Sie gesagt haben, überhaupt nicht entschieden.
Diese Begründung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn das Gesetz zur staatlichen Neutralität hat sich in der Begründung ausdrücklich auf eine gesetzliche Grundlage für ein Kopftuchverbot bezogen. Ich darf an dieser Stelle den ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden und heutigen Bundesverteidigungsminister zitieren, der in der Plenardebatte in diesem Haus am 7.Oktober 2004 gesagt hat, dass der Hessische Landtag über das sogenannte Kopftuchgesetz entscheide.
Herr Wagner, angesichts dieser Begleitumstände ist es in der Tat nicht nachvollziehbar, dass der Hessische Staatsgerichtshof die Frage des einseitigen Verbots eines Kopftuchs überhaupt nicht geprüft hat. Wir halten das für einen Fehler, weil ein einseitiges Verbot des Kopftuchs in der Tat nicht verfassungsgemäß ist. Hier wäre eine klare Aussage des Staatsgerichtshofs wünschenswert gewesen.
Damit befinden wir uns in guter Gesellschaft. Denn fünf der elf Mitglieder des Staatsgerichtshofs teilen unsere Auffassung,
dass die Regelungen im Schulgesetz und im Beamtengesetz so nicht hätten verabschiedet werden dürfen. Ich will jetzt nicht darüber mutmaßen, warum die Mehrheit des Staatsgerichtshofs keine eindeutige Sachentscheidung
zugunsten der allgemeinen Gleichbehandlung von Symbolen und Merkmalen getroffen hat. Herr Hahn, es ist aber festzustellen, dass entgegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Hessen nach wie vor weder Rechtsklarheit noch Rechtssicherheit für den Einzelfall besteht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Kopftuch im Jahre 2003 ausdrücklich eine landesgesetzliche Grundlage für das Tragen von religiösen und weltanschaulichen Symbolen gefordert.
Das sollte gerade nicht der Schulverwaltung in einer Einzelfallentscheidung überlassen werden. Dies aber hat die knappe Mehrheit des Staatsgerichtshofs nicht beachtet, indem Sie die künftigen Einzelfälle von der untersten Ebene entscheiden und den Bestand von anderen Gerichten überprüfen lassen will.
Meine Damen und Herren von der CDU, es besteht also kein Grund, sich heute hierhin zu stellen und so zu tun, als sei die Entscheidung des Staatsgerichtshofs ein Erfolg für Sie.
Ich kann Ihnen sagen, was das heute ist. Mit dieser Aktuellen Stunde betreiben Sie wieder einmal gesellschaftspolitische Spaltung, indem Sie einseitig das Kopftuch ablehnen.
Ich sage Ihnen auch, warum. Ihnen fehlen nämlich die sachlichen Wahlkampfthemen.
Nun versuchen Sie, mit einem einseitigen religiösen Feindbild auf Wählerfang zu gehen.
Herr Boddenberg, Sie können mir ja sagen, wie Sie es sich erklären, dass hier Herr Wagner einseitig das Tragen von Kopftüchern den Beamten verbieten will,aber gleichzeitig vor wenigen Wochen in der „Frankfurter Rundschau“ zum Entsetzen der eigenen Kultusministerin Kruzifixe für alle Klassenzimmer und alle Amtsstuben gefordert hat.Was ist das denn sonst?
Die SPD hat sich immer dafür ausgesprochen, dass sich Lehrerinnen und Lehrer weltanschaulich und religiös neutral verhalten sollen.
Deswegen wollen wir auch nicht, dass Lehrerinnen ein Kopftuch oder andere religiöse Symbole im Unterricht tragen. Das gebietet die staatliche Neutralitätspflicht.
Zum anderen resultiert es aus der negativen Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler und der Lehrer.
Im Übrigen differenzieren weder Sie noch Herr Wagner – Sie sollten vielleicht zuhören –,noch die knappe Mehrheit des Staatsgerichtshofs zwischen der allgemeinen inneren Verwaltung und dem staatlichen Bildungsauftrag von Schulen oder anderen Bereichen staatlichen Handelns. Das wäre hier eigentlich vonnöten gewesen.Was bleibt,ist eine einseitige Privilegierung religiöser Symbole oder Kleidungsmerkmale abendländischer oder christlicher Herkunft gegenüber religiösen Kleidungsmerkmalen anderer Kulturen. Das ist und bleibt unzulässig.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung von 2003 verlangt, dass die strikte Gleichbehandlung der verschiedenen Glaubensrichtungen beachtet werden muss. Diese Vorgaben erfüllt Ihr Gesetzentwurf nach wie vor nicht und Ihre heutige Rede allemal nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss schon sagen, wenn man der Kollegin Apel zuhört, könnte man auf die Idee kommen, Ahnenforschung zu betreiben. Versteckt sich vielleicht ein Don Quichotte zwischen Ihren Vorfahren, Frau Apel? So wie Sie hier gegen die Windmühlen anreiten, könnte man meinen, Sie befinden sich wie eben jener Ritter von der traurigen Gestalt in der Traumwelt eines spanischen Dichters. Ich darf Ihnen aber den Hinweis geben,meine Damen und Herren von der CDU: Sie befinden sich in der harten energiepolitischen Realität. Sie befinden sich vor allem in der harten klimapolitischen Realität. Ich fordere Sie auf, sich endlich dieser Realität zu stellen.
Hören Sie auf, den Energiewandel zu blockieren. Hören Sie vor allem auf, die Welt unserer Kinder und Kindeskinder mit Ihrem Fehlverhalten bei Atom und Kohle zu verschandeln.
Den ganzen Tag scheint die CDU-Geschäftsstelle nichts anderes zu machen, als Fälle zu konstruieren, bei denen angeblich wieder irgendjemand gegen Windkraft sei.
Aber jetzt werde ich Ihnen sagen, was Ihre Listen und Papierchen, was Ihre Pressemitteilungen, Herr Wagner, wert sind.
Ich nenne Ihnen ein paar Bespiele.Vor vier Wochen habe ich auf einer Pressekonferenz ein Unternehmen im MainTaunus-Kreis gelobt,
das jetzt schon – man höre und staune, der Landkreis des Ministerpräsidenten – 60 % der Privathaushalte meines Heimatkreises mit erneuerbarer Energie versorgen könnte.
Geschäftsführer dieses Unternehmens, lieber Herr Kollege Wintermeyer, ist bekanntermaßen ein Sozialdemokrat.Auch das nehmen Sie zur Kenntnis.
Wenn dieses Unternehmen seinen Weg konsequent weiter geht, und daran habe ich keinen Zweifel, und Herr Wintermeyer auch nicht, dann werden wir uns in drei Jahren mithilfe von Biomasse und Biogas im Main-TaunusKreis komplett mit erneuerbaren Energien versorgen können. – So weit die Fakten.
Was würde ein normaler Mensch nun als Reaktion von der CDU erwarten? Ich hätte erwartet, dass mein geschätzter Wahlkreiskollege Roland Koch und auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Herr Wintermeyer, dies auch loben und als gutes Beispiel heranziehen. Aber was tun Sie stattdessen? Sie erfinden den Vorwurf, ich sei gegen Windkraft. Was hat das mit verantwortlicher Politik zu tun, meine Damen und Herren der CDU?
Lieber Herr Wintermeyer, lieber Herr Koch, ich erwarte, dass, wenn ein Unternehmen bald in der Lage sein wird, einen ganzen Landkreis mit erneuerbarer Energie zu versorgen, Sie sich hinter das Unternehmen stellen,
und zwar unabhängig davon, ob der Weg in dem jeweiligen Landkreis Biomasse,Windkraft,Wasserkraft oder Solar heißt. Denn das ist der beste Beitrag, den man leisten kann, um die Welt für unsere Kinder zu retten.
Fangen Sie endlich an, mit uns gemeinsam gegen den Klimawandel zu kämpfen. Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht und hören Sie auf, politische Spielchen zu spielen. Was sagt eigentlich Ihre Klimakanzlerin zu diesem Theater hier?
Wollen Sie ein weiteres Beispiel hören? Frau Apel hat es angesprochen. Im Gegensatz zur immer wiederholten Be
hauptung der CDU, die nordhessische SPD sei gegen Windkraft, wurde in der nordhessischen Regionalversammlung mehrheitlich mit den Stimmen der SPD, der GRÜNEN und der Freien Wähler beschlossen, die auf weitgehenden Ausschluss von Windkraftanlagen zielende Vorlage des Regierungspräsidiums abzulehnen.
Meine Damen und Herren, bei diesen Fällen muss man fragen dürfen: Ist das noch Sachpolitik, was Sie da machen, oder haben Sie das Terrain der Verantwortung für unser Land schon längst verlassen?
Besonders bemerkenswert ist, Herr Wagner, dass diese Anti-Windkraft-Kampagne der Hessen-CDU völlig unvereinbar ist mit den Konzepten Ihrer eigenen Landräte. So hat der vor wenigen Wochen wiedergewählte Landrat Robert Fischbach, CDU, ein Wahlprogramm für seinen Wahlkreis Marburg-Biedenkopf vorgelegt, demzufolge dieser bis 2040 unabhängig von fossilen und atomaren Energien werden soll.
Dies ist nur mit Windkraft realisierbar. Folgerichtig hat Herr Fischbach dazu erklärt – hören Sie zu, es ist Ihr Landrat –:
Erdwärme, Wasserkraft und Windkraft werden in noch zu geringem Umfang genutzt.
So der CDU-Landrat Fischbach.
Dies entspricht dem Programm der SPD. Für Hessen wird es höchste Zeit, endlich mit dem Energiewandel anzufangen. Aktuell liegt der Anteil erneuerbarer Energien in Hessen unter 2 %. Bei Bioenergie liegt Hessen an drittletzter Stelle unter den Flächenländern.
Ich komme zum Schluss. – Ihre sogenannte Analyse konnte weder der Ministerpräsident noch Herr Rhiel belegen. Lassen Sie Ihren Feldzug gegen die erneuerbaren Energien. Die Menschen in diesem Lande haben etwas anderes gesagt. 91 % der Bevölkerung deutschlandweit wollen einen vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien.
Zum Schluss möchte ich meinem geschätzten Kollegen Walter Lübcke zurufen:Lass dir keinen Maulkorb verpassen. Kämpfe weiter dafür. Investiere weiter in Windkraft. Du bist auf dem richtigen Weg für die Menschen in diesem Land.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD steht für eine bürgerorientierte Justiz und für schnelle Verfahren und Entscheidungen, die den Rechtsfrieden gewähren.
Eine effektive und konsequent handelnde Justiz gehört zu den Grundvoraussetzungen im demokratischen Rechts
staat und kann den Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern gewährleisten. Mit dem Einzelplan 05 im Haushaltsjahr 2008 wird die Landesregierung diesem Anspruch allerdings nicht gerecht. Die Landesregierung hat mit dem von ihr beschrittenen Weg der „Operation düstere Zukunft“ die falschen Weichenstellungen in der Justiz gesetzt.
Herr Boddenberg, sie steht für den Abbau von rund 160 Stellen bei den hessischen Richtern und Staatsanwälten. Daran ändern Sie auch mit dem nun vorgelegten Haushalt nichts. Verfahren werden dadurch nicht mehr zeitgerecht bearbeitet, und Straftäter werden nicht mehr zeitnah einer Verurteilung zugeführt. Das jüngste Beispiel in der Aegis-Hoff-Affäre hat es gezeigt. Dort wurde monatelang ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nicht betrieben, und aufgrund der angeblichen Komplexität ist bis heute weder eine Zeugenvernahme noch gar eine Beschuldigtenvernehmung von Herrn Staatsminister Hoff erfolgt. Man höre und staune.
Das gefährdet die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Justiz in diesem Land.
Deshalb haben wir eine Aufstockung des Personals bei Staatsanwaltschaften und Amtsanwaltschaften beantragt, um eine effektive Strafverfolgung zu gewährleisten. Wir wollen in den nächsten Jahren den Personalabbau bei den Staats- und Amtsanwaltschaften wieder zurücknehmen. Aus diesem Grund haben wir beantragt, 26 Staats- und Amtsanwälte neu einzustellen. Wir bitten Sie an dieser Stelle um Unterstützung. Nur eine gute Personalausstattung der Justiz nutzt den Bürgerinnen und Bürgern, schnell zu ihrem Recht zu kommen, und stärkt die innere Sicherheit, von der Sie doch immer so gerne reden.
Was uns der Justizminister mit seinen Eingreifreserven, der sogenannten Taskforce, bietet, ist angesichts des jahrelangen Personalabbaus in der Justiz eher ein Armutszeugnis und ein Selbsteingeständnis, dass man das Personal doch benötigt, das man zuvor abgebaut hat.
1999 gab es in Hessen allein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit noch 1.240 Richter, sieben Jahre später waren es nur noch 1.146. Mit dem vorgelegten Haushalt bauen Sie weitere sechs Richterstellen ab.
Bei der Staatsanwaltschaft ist die Personalausstattung im Verhältnis zu den Eingängen noch nie so schlecht wie jetzt gewesen. Das kann man anhand der Eingangszahlen der Staatsanwaltschaft und Amtsanwaltschaft eindrucksvoll sehen. Meine Damen und Herren, das sind Ihre Zahlen.
1999 waren es lediglich 552.488 Verfahren, im Jahr 2006 waren es bereits 576.016 Verfahren. Das ist eine Zunahme von 23.528 Verfahren, die zwar nicht auf Sie zurückgehen, aber Sie haben Personal abgebaut, statt darauf zu reagieren und Personal einzustellen.
Wie der Justizminister angesichts dieser Zahlen darauf kommt, dass die hessische Justiz nach diesem personalen Raubbau gut aufgestellt sei, kann ebenso wenig nachvollzogen werden wie die Aussage des Ministers, dass die Sicherung und der Ausbau der Leistungsfähigkeit der Justiz ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung seien.
Wir haben bereits vor etlichen Monaten ein Haus des Jugendrechts in Hessen beantragt. Dies hat meine Kollegin, die rechtspolitische Sprecherin Heike Hofmann, hier begründet. Die Koordination aller am Jugendstrafverfahren beteiligten Stellen – Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und das Jugendamt – unter einem Dach optimiert die Verfahrensabläufe und führt dazu, dass zügig und nachhaltig auf die jungen Straftäter eingewirkt werden kann. Das sehen Sie ebenso.
Das Haus des Jugendrechts ist ein wichtiger Baustein der Kriminalitätsprävention. Wir werden wohl einen gemeinsamen Antrag hier zustande bringen. Wir haben bereits gute Erfahrungen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Wir haben aber jetzt Butter bei die Fische gegeben und beantragen dafür eine zusätzliche Staatsanwaltsstelle und haben die Mietkosten für die entsprechenden Büroräume in den Haushalt eingestellt. Wir fordern Sie auf, diesem Antrag zuzustimmen, wenn Sie es mit dem Haus des Jugendrechts wirklich ernst meinen.
Auch die SPD spricht den Rechtspflegern in Hessen eine hohe Anerkennung für ihre Arbeit aus. Wir unterstützen die Landesregierung – das haben wir mit dem Antrag auch bewiesen – in dem Bestreben, weitere richterliche Aufgaben auf die Rechtspfleger zu übertragen.Allerdings wollen wir eine vernünftige personelle Ausstattung bei den Rechtspflegern und keine weitere Taskforce. Damit können keine langfristigen Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und die gerichtlichen Abläufe bekommen keine Kontinuität. Dies beeinträchtigt die Verlässlichkeit für den rechtsuchenden Bürger.
Sie können nicht mit der „Operation düstere Zukunft“ zunächst alles kürzen und den Bediensteten mit der neuen Verwaltungssteuerung mehr Belastungen und Aufgaben übertragen, Jahre später aber feststellen, dass dies alles nicht gehe.
Meine Damen und Herren,wir haben Ihnen gleich gesagt, dass es so nicht funktioniert. Die Justiz verwirklicht das Rechtsstaatprinzip und ist gänzlich ungeeignet, zum fiskalischen Spielball zu werden. Deshalb fordern wir Sie auf, eine verlässliche und zukunftsweisende Justizpolitik zu machen, indem Sie an hessischen Gerichten für eine ausreichende Personalausstattung sorgen.
In diesem Zusammenhang lehnen wir auch eine Auslagerung der Grundbuchgerichte zu den Bodenmanagementbehörden ab. Das ist ein Modell, das die Hessische Landesregierung in den letzten Jahren immer wieder vorangetrieben hat; und sie hat dies bis heute nicht aufgegeben. Das hat die Rechtspfleger ebenso massiv bedroht wie Ihre Pläne, das Gerichtsvollzieherwesen zu privatisieren.
Jetzt aber in Ihrem Antrag plötzlich so zu tun, als wollten Sie die Rechtspfleger retten, das ist unredlich.
Die Aufgaben der gerichtlichen Rechtspflege dürfen weder an andere staatliche Institutionen übertragen noch privatisiert werden.
Das Gleiche gilt für die Bewährungshilfe.Auch hier haben Sie im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ massiv gekürzt. Die Bewährungshelfer leisten eine wertvolle Arbeit, weil sie dafür sorgen, dass die Straftäter wieder in die Gesellschaft integriert werden. Das sorgt für einen effektiven Schutz der Bevölkerung. Dennoch haben Sie bereits im Haushaltsausschuss die von uns vorgeschlagene Aufstockung des Personals abgelehnt. Wir fordern Sie heute auf, dies anders zu entscheiden.
Wir haben beantragt, den Vermerk zur flächendeckenden Einführung der elektronischen Fußfessel zu streichen, weil wir zunächst eine Evaluierung durchführen wollen, die offenlegt, ob und wie erfolgreich dieses Projekt überhaupt gewesen ist. Dabei wird insbesondere die Kostenfrage zu stellen sein, die Sie uns bis heute nicht beantwortet haben, obwohl es dazu angeblich schon Zahlen gibt. Vor diesem Hintergrund wollen wir die zusätzliche Stelle in der Bewährungshilfe, die von Ihnen aufgeführt wurde, mit den ursprünglichen Aufgaben der Bewährungshilfe betrauen. Denn Bewährungshelfer leisten eine wertvolle Arbeit und sind personell unterbesetzt.
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten vier Jahren in diesem Hause viel über den Strafvollzug gestritten. Der Strafvollzug gehört zu den weitestreichenden Eingriffen in die Grundrechte des Einzelnen. Deshalb darf der Staat diese Aufgabe auch keinem privaten Dritten übergeben und muss besondere Sorgfalt walten lassen.Wir benötigen einen nachhaltigen und konsequenten Strafvollzug. Nur der Straftäter, der wieder erfolgreich in die Gesellschaft integriert werden kann, gewährleistet den Schutz der Bevölkerung.
Durch den massiven Personalabbau im Strafvollzug gefährden Sie aber die innere und äußere Sicherheit im Vollzug. Das merkt man zum einen an einer massiven Zunahme besonderer Vorkommnisse im Strafvollzug, aber auch an einer extrem hohen Rückfallquote. Um dem zu begegnen, bedarf es im Erwachsenenstrafvollzug einer angemessenen personellen Ausstattung sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst als auch in den Fachdiensten. Das haben wir in unseren Haushaltsanträgen berücksichtigt.
Auch im Jugendstrafvollzug bedarf es im allgemeinen Vollzugsdienst einer besseren personellen Ausstattung. Herr Justizminister, wir begrüßen die Stellenaufstockung bei den Sozialarbeitern ausdrücklich.Es sind 26 neue Stellen geschaffen worden. Dennoch leistet der allgemeine Vollzugsdienst gerade in den Abendstunden und an den Wochenenden eine wertvolle Betreuung. Zu diesen Zeiten müssen wir die Gefangenen besser betreuen, weil sie mit ihrer Freizeit nicht umgehen können und auf dumme Gedanken kommen. Deshalb bedarf es gerade während dieser Randstunden einer intensiven Betreuung der Gefangenen.
Ich komme zum Schluss. – Angesichts einer Rückfallquote von 80 % und einer extrem hohen Gewaltbereitschaft im Jugendstrafvollzug muss es diese personelle Verstärkung geben, jedoch nicht mit repressiven Maßnahmen, so wie Sie dies tun wollen.
Sie haben in diesem Zusammenhang beantragt, Videoüberwachungskameras zu installieren. Herr Minister, jeder Experte in Sachen Strafvollzug sagt Ihnen, dass dies das falsche Mittel ist. Hören Sie damit auf. Streichen Sie die zusätzlichen Mittel, die Sie hierfür im Haushalt eingeplant haben. Folgen Sie unserem Weg, um diese hohe Rückfallquote zu senken. Wir werden dies im nächsten Jahr umsetzen. – Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Herr Boddenberg, angesichts des Geburtstags von Herrn Dr. Jürgens und der Zusage, dass er uns einen ausgibt, wenn wir vor 12 Uhr fertig sind, gebe ich meine Rede zu Protokoll.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit der zweiten Lesung von vier Gesetzentwürfen zum Jugendstrafvollzug. In allen vier Gesetzentwürfen steht das Ziel der Erziehung an erster Stelle.Es geht um das Fordern und Fördern junger Menschen.
Das schlägt auch eine Brücke zum materiellen Recht. Denn schon bei der Bemessung der Höhe und der Auswahl der Freiheitsstrafe geht es um die Erziehung. Deshalb wollen wir mit dem § 71 unseres Gesetzentwurfs umfassende Möglichkeiten der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung schaffen.
Die inhaltliche Ausgestaltung des Strafvollzugs für jugendliche und heranwachsende Straftäter unterliegt besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen,die vom Verfassungsgericht ausdrücklich normiert wurden. Daran orientiert sich unser Gesetzentwurf. Meine Damen und Herren, es wird Sie deshalb nicht wundern, dass wir Ihnen heute empfehlen, ihn zu unterstützen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Ziel der Vorbereitung auf ein künftig straffreies Leben Verfassungsrang eingeräumt und seine Bedeutung hervorgehoben. Herr Kollege Dr.Jürgens hat es gesagt:Die Anhörung hat diese Auffassung noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Herr Kollege Hahn, deshalb freuen wir uns auch sehr über den Änderungsantrag der FDP. Wir haben es hier schon in mehreren Debatten erläutert: Nur das Ziel der Resozialisierung hat Verfassungsrang. – Die FDP will ihren Gesetzentwurf jetzt dahin gehend geändert sehen.Sie hat ihn
damit verbessert. Sie will mit einem gesonderten Paragrafen dieses Ziel ihrem Gesetzentwurf vorangestellt sehen.
Deswegen haben wir das auch während der Ausschusssitzung unterstützt. Herr Kollege Hahn, vielleicht haben Sie mit uns gemeinsam die Hoffnung, dass die Mitglieder der CDU-Fraktion das bis zur dritten Lesung auch noch verstehen und auch sie die entsprechenden Änderungen einbringen.
Im Vorgriff auf die Rede des Justizministers sage ich: Es geht dabei gerade nicht um Ideologie. Wir alle wollen die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet sehen.Aber das ist im Strafvollzug eine Selbstverständlichkeit und kein Ziel mit Verfassungsrang. Darin besteht der qualitative Unterschied.
Wir haben uns alle miteinander mit den Gesetzentwürfen größte Mühe gegeben, weil wir uns alle bewusst sind, dass wir bei den jugendlichen Straftätern eine Rückfallquote von nahezu 80 % haben. Diese gilt es in jedem Fall zu verringern. Das Risiko erneuter Auffälligkeiten und eventuell sogar erneuter Inhaftierung hängt neben den Rahmenbedingungen im Strafvollzug entscheidend von der Vorbereitung auf die Entlassung und von den Bedingungen ab, die für einen Gefangenen beim Übergang in die Freiheit konkret bestehen.
Deshalb sind die Außenkontakte und die Öffnung des Strafvollzugs sehr wichtig.Das hat die Anhörung sehr eindrucksvoll bewiesen. Dies haben sowohl Herr Prof. Michael Walter als auch der Vertreter des Arxhofs nachdrücklich bestätigt. Dieser Auffassung haben im Übrigen auch die Praktiker des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschland und von ver.di zugestimmt.
Erforderlich ist ferner die Zusammenarbeit mit den Personen und Organisationen, die künftig mit den Gefangenen in Verbindung stehen und die entsprechende Verantwortung tragen. Da sind unsere Nachbarbundesländer, aber auch das europäische Ausland, weiter als wir in Hessen. Dort gibt es schon seit Längerem Koordinierungsstellen und Betreuungspersonal, die das gewährleisten. Da müssen wir in Hessen einfach noch nachlegen.
Ein weiteres Problem,das wir alle miteinander noch lösen müssen – das betrifft auch die Gesetzgebung für den Jugendstrafvollzug –, ist die erhöhte Gewaltbereitschaft in den Jugendgefängnissen. Sie ist exorbitant höher als im Erwachsenenstrafvollzug. Deshalb gilt es, auch diesem Phänomen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Gerade hier in Hessen hatten wir in den letzten zwei Monaten zwei extreme Vorfälle. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Scheinhinrichtung im Wiesbadener Gefängnis. Außerdem erinnere ich an den Vorfall in der Justizvollzugsanstalt Rockenberg.
Dabei ist zunächst die Einzelunterbringung der Gefangenen entscheidend. Das sehen auch alle Gesetzentwürfe vor. Aber jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Unterschied.Man muss weiterdenken und sich fragen,wie man die Gewalttaten in den Gefängnissen reduzieren kann. Lieber Herr Gerling, das geht mit Sicherheit nicht mit Überwachungskameras in den Aufenthaltsräumen.
Hier kommt der von uns vorgesehene Vorrang des offenen Vollzugs als Regelvollzug ins Spiel. Experten führen hier nämlich immer wieder die negativen Erfahrungen an,
die die Jugendlichen erst im Strafvollzug erlangen. Das kann schlimmstenfalls zu einer Steigerung der Straftaten und zu einer erhöhten Rückfallquote führen.Wenn die Jugendlichen,die für den offenen Strafvollzug geeignet sind, diese negativen Erfahrungen erst gar nicht machen,ist das schon ein Erfolg.
Ich sage es ausdrücklich: Der offene Strafvollzug meint nicht, dass die Gefangenen draußen herumlaufen. Das ist ausdrücklich nicht in der Art gemeint, wie es in Hessen früher üblich war.
Herr Grüttner, das war auch noch während Ihrer Regierungszeit so. – Damals waren die Strafgefangenen in der Schule oder in der Ausbildung. Jetzt sollen sie in Einrichtungen sein, die sie nicht verlassen dürfen. Aber es gibt dort eben keine Mauern und keine Subkultur,die die Karrieren jugendlicher Straftäter eher befördern.
Wir meinen, es sollte viel mehr Einrichtungen wie etwa den Arxhof in der Schweiz geben. Ebenso wie der Justizminister haben sich die Fachpolitiker der SPD diese Einrichtung kürzlich angesehen. Wir sind davon überzeugt: Dort wird mit den jungen Straftätern intensiv gearbeitet. Sie werden mit ihrer Straftat konfrontiert. Es wird ein sehr hohes Maß an Disziplin eingefordert. Ich sage einmal, wie es in der Praxis dort tatsächlich ist: Dort ist es für die Gefangenen anstrengender als in Vollzugsanstalten, die mit Mauern umgeben sind, wo man die Jugendlichen sich selber überlässt.
Das ist Tatsache. Sie laufen gerade nicht draußen herum, wie Sie gerne behaupten, sondern sie leben in der Einrichtung und dürfen in den ersten Monaten gar nicht heraus. Wenn sie später heraus dürfen, dann nur begleitet. Hören Sie auf mit den Ammenmärchen, wir wollten dafür sorgen, dass jugendliche Straftäter draußen herumlaufen.
Sie können sich von dem Erfolg dieser Einrichtung überzeugen.Kürzlich haben die „Frankfurter Rundschau“,der „Wiesbadener Kurier“ und der „Deutsche Depeschendienst“ den Arxhof in ihrer Berichterstattung als Einrichtung ausdrücklich hervorgehoben.
Natürlich bedeutet eine solche Form des Vollzugs mehr Personal. Darüber sind wir uns einig. Herr Justizminister, dafür reicht es nicht, 25 Sozialpädagogen einzustellen, wie Sie es im Haushalt vorgesehen haben, denn die „gefährlichen“ Zeiten, in denen die meisten Gewalttaten passieren, sind die Wochenenden und die Abendstunden. Dann sind die Sozialpädagogen aber nicht mehr in den Anstalten, weil sie eine Arbeitszeit von 8 bis 16 Uhr haben. Das heißt, man muss die Zahl der Beschäftigten im allgemeinen Vollzugsdienst erhöhen. Das hat auch die Anhörung ergeben.
Von den Vertretern des BSBD und von ver.di wurde Ihnen gesagt, dass eine Erhöhung des Personals im allgemeinen Vollzugsdienst gerade deshalb dringend erforderlich ist.
Die Landesregierung hat dies erkannt. Der Justizminister findet hier nämlich sehr wohl differenzierende Worte. Ich sage in Richtung der Damen und Herren der CDU-Fraktion und insbesondere in Ihre Richtung, Herr Boddenberg: Folgen Sie Ihrem Justizminister, der in § 13 des Entwurfs vollzugsoffene Maßnahmen vorsieht. Folgen Sie an dieser Stelle nicht Ihrem konservativen Fraktionsvorsitzenden, sondern übernehmen Sie die neueren Ideen, die der amtierende Justizminister hier eingebracht hat.
Sie sollten lieber intensiv mit den Straftätern arbeiten und ihnen eine Perspektive auf ein straffreies Leben eröffnen. Nur das schafft inneren Frieden und schützt die Bevölkerung.
Meine Damen und Herren, wir können nicht verstehen, warum die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag eingebracht hat, der sich lediglich mit den Überwachungskameras beschäftigt.Wir hätten zumindest erwartet,dass die CDU-Fraktion die Bestimmung betreffend den Schusswaffeneinsatz im Jugendstrafvollzug zurückziehen würde, denn sie verstößt ausdrücklich gegen Nr. 65 der Regeln der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendlichen,denen die Freiheit entzogen ist. Herr Justizminister, Sie konnten uns im Ausschuss nicht erklären, warum Schusswaffen im Jugendstrafvollzug eingesetzt werden sollen. Sie sagten, Schusswaffen seien zur Außensicherung erforderlich. Das ist dezidiert nicht der Fall. Ihre Argumentation war nicht überzeugend, und wir erwarten, dass Sie bis zur dritten Lesung diesen Vorschlag zurückziehen.
Ein weiterer Punkt, den wir nicht verstehen, ist die Pflicht zum Tragen von Anstaltskleidung. Es ist erwiesenermaßen so, das sagen auch alle Experten, dass dies nicht zum Wohngruppenvollzug passt.
Nein, dezidiert nein. – Das Argument, das hier immer wieder angeführt wird, dass nämlich das Tragen von Anstaltskleidung das Aufkommen von Sozialneid verhindere,trifft nicht zu.Im Jugendstrafvollzug geht es doch gerade darum, den Jugendlichen beizubringen, mit Sozialneid umzugehen, und sie nicht in eine Situation zu bringen, dass sie nach Beendigung der Haft mit Sozialneid konfrontiert werden und damit nicht umgehen können. Das ist doch Teil des psychologischen Konzepts.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Nach den zum Glück vereitelten Anschlägen des gestrigen Tages fällt es etwas schwer, emotionsfrei über das Thema zu sprechen. Angesichts der ernsten Ereignisse scheint es auch völlig unangemessen,parteipolitisch darauf zu reagieren und erneut die Online-Durchsuchung ohne vorherige richterliche Anordnung oder die Ausweitung der Vorratsdaten
bank zu fordern. Das ist sehr bedauerlich, dient der Sache letztlich nicht und übersieht, dass es auch zu den originären Aufgaben des Parlaments gehört, die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde möglichst zu begrenzen.
Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf sieht die Einführung bzw. die Erweiterung bestehender Befugnisse für das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz vor. In dem Entwurf sind Maßnahmen enthalten, die in das Persönlichkeitsrecht eingreifen und entsprechender Schutzvorkehrung bedürfen. Dass es weiterer Schutzvorkehrungen bedarf, hat die Anhörung eindrucksvoll bewiesen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, sowohl der Anwaltsverein als auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit befürchten, dass mit dem Gesetzentwurf der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst ab bestimmten Verdachts- und Gefahrenstufen vornehmen darf, nicht ausreichend beachtet wird.
§ 5 Abs. 2 des geltenden Verfassungsschutzgesetzes enthält sehr weitreichende Befugnisse für den Verfassungsschutz zum Abhören im Wohnungsbereich. Diese Befugnisse sind nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 3. März 2004 einzuschränken. Diesen Vorgaben wird Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Regierung, nicht gerecht.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betraf die Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen Beschuldigten. Hier gab es einen konkreten Anfangsverdacht wegen einer Straftat. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht dem Betroffenen zum Schutz der Menschenwürde einen Schutzbereich zuerkannt.
Die Landesregierung möchte nun, ohne dass es einen solchen konkreten Verdacht gibt, nahezu uneingeschränkt in die Rechte von Privatpersonen eingreifen können. Auch dies hat die Anhörung mehr als eindeutig ergeben.Wir haben erstaunt zur Kenntnis genommen, dass die CDUFraktion diese Hinweise ausnahmsweise einmal ernst genommen und einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht hat. Dort wird angefügt – ich darf Ihren Antrag zitieren –:
Die Behörde hat dafür Sorge zu tragen, dass in keinem Fall in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird.
Dieses Anliegen teilen wir ausdrücklich und sind froh, dass die CDU-Fraktion den Regierungsentwurf an dieser Stelle ändert.
Aber auch das reicht noch nicht aus.
Denn es fehlt an einer Regelung zum Abschluss der Abhörmaßnahme, wenn anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Es fehlt ferner an einer Regelung zum Abbruch der Maßnahme, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Bislang enthielt der Entwurf lediglich ein Verwertungsverbot. Das war absolut unzureichend. Aber auch
die Änderung der CDU-Fraktion genügt nicht. Vielmehr bedarf es einer Präzisierung dieser Kernbereichsregelung privater Lebensgestaltung, um den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zu genügen. Diese Verweigerung besteht bereits seit 2004, aus diesem Jahr ist nämlich das Bundesverfassungsgerichtsurteil.
Hochproblematisch und technisch nicht auf der Höhe der Zeit ist der sogenannte IMSI-Catcher. Dieser dient zur Standortbestimmung eines eingeschalteten Mobiltelefons. Problematisch ist der Einsatz eines solchen Geräts deshalb – das hat die Anhörung ergeben –, weil im Umkreis von 60 km alle Mobilfunktelefone gestört werden, sodass das Absetzen eines Notrufes nicht mehr möglich ist.
Das erscheint uns in diesem Zusammenhang als unverhältnismäßig. Darüber hinaus hat die Anhörung ergeben, dass es einer expliziten Regelung zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern bedarf. Dies entspricht auch den Vorgaben des § 100d Abs. 6 der Strafprozessordnung.
Wir werden den Gesetzentwurf in Gänze ablehnen, weil wir die Vermischung von Polizeiarbeit und präventiver nachrichtendienstlicher Tätigkeit ablehnen.
Es bedarf einer grundlegenden Reform des Verfassungsschutzgesetzes, die auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt und eine klare Trennung der Aufgaben von Polizei und Nachrichtendienst vorsieht.
Wir werden dies im nächsten Jahr umsetzen, wenn wir an der Regierung sind. Den Antrag der GRÜNEN unterstützen wir,weil es um Informationsrechte des Parlaments geht. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns einmal ganz nüchtern betrachten, was die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses „Stimmenkauf“ sind. Ich will die zwischen den Freien Wählern Hessen und der CDU geführten Schlammschlachten einmal ausblenden und die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses auf das Wesentliche reduzieren. Roland Koch hat vor dem Ausschuss gesagt,dass er es in Hessen nicht ermöglichen werde, dass die Freien Wähler in den Genuss einer mit Steuermitteln finanzierten Wahlkampfkostenerstattung auf kommunaler Ebene kommen werden, wenn sie gleichzeitig zur Landtagswahl 2008 antreten.
Der Zeuge Roland Koch hat dazu ausgeführt:
Es war zu jedem Zeitpunkt, jedenfalls was mich angeht, unmissverständlich klar: Wenn die FWG zum Landtag kandidiert, gibt es auch in Hessen keine Kommunalfinanzierung.
Er hat weiter festgestellt:
Wenn die Freien Wähler für den Landtag kandidieren, gibt es auf lange Zeit in Hessen keine kommunale Finanzierung für die Wählergruppen.
So Roland Koch im Untersuchungsausschuss. Meine Damen und Herren, nun ist die Frage zu beantworten, ob uns diese Erkenntnisse denn bereits vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses vorlagen.
In der Sondersitzung des Haupt- und des Innenausschusses am 15.11.2006 hat Roland Koch nämlich noch alles abgestritten. Da hieß es noch:
Ich will zunächst einmal, damit sich die Spannung über die Darstellung nicht erhöht, in aller Klarheit sagen: Die aufgeworfenen Vorwürfe und Behauptungen und Beschuldigungen sind unwahr.
Dies wird gestützt durch die Aussage,die Roland Koch am 12. November 2006 zur „Bild am Sonntag“ geäußert hat:
Eine solche Tatsachenverdrehung ist mir selten untergekommen.
Das klingt schon deutlich anders als die späteren Aussagen der Zeugen Hoff und Bouffier im Untersuchungsausschuss. Mindestens genauso bemerkenswert erscheint zudem das von der CDU inszenierte politische Intermezzo, das zwischen November 2006 bis zum Ende des Untersuchungsausschusses stattgefunden hat. Da gab es den Erpressungsvorwurf. Nachdem das bloße Abstreiten nichts nutzte, verlagerte sich die CDU in Hessen darauf, zu behaupten,die Freien Wähler hätten sie erpresst:Sie wollten zur Landtagswahl antreten, wenn sie keine kommunale Wahlkampfkostenerstattung bekämen.
Dazu hat Roland Koch in der „Bild am Sonntag“ vom 12. November gesagt:
Und in diesem Jahr haben sie versucht,uns damit zu drohen, notfalls bei der Landtagswahl anzutreten, wenn diese Finanzierung nicht läuft. Das machen wir nicht mit, da wir uns nicht drohen lassen.
Michael Boddenberg, immerhin Generalsekretär der CDU Hessen, hat drei Tage später in seiner Pressemitteilung zur Sondersitzung des Haupt- und Innenausschusses noch behauptet, die Freien Wähler hätten in ungeheuerlicher Weise die Tatsachen verdreht und Druck ausgeübt:
Der vom Vorsitzenden der Freien Wähler, Thomas Braun, eingeschlagene Weg der Skandalisierung ist hier zu Ende. Koch und Bouffier haben dargelegt, dass der eigentliche Skandal die falsche und ehrenrührige Behauptung der FWG-Führung ist. Sie war es, die versucht hat, Druck auf uns auszuüben, um an Geld zu kommen. Das haben wir nicht mitgemacht.
Auch der Fraktionsvorsitzende der CDU, der der Bedeutung des Themas wegen nicht einmal im Raum anwesend ist, Herr Christean Wagner, wurde damals nicht müde, in einer Pressemitteilung einen Tag später, am 16.11.2006, der Öffentlichkeit die Opferrolle der CDU zu erklären:
Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass es die Freien Wähler waren, die Druck ausüben wollten, und nicht umgekehrt.
Seltsam ist nur, dass weder die Zeugen Koch und Bouffier noch der Zeuge Boddenberg in der Vernehmung im Untersuchungsausschuss am 12. Februar dieses Jahres irgendetwas von einem Erpressungsvorwurf der Freien Wähler gesagt haben.
„Vorher – nachher“, die Erste. Das war alles ziemlich dünn, und deshalb musste man die Legende der Doppelfinanzierung erfinden. Bei der sogenannten Doppelfinanzierung sieht man ebenfalls ein Meisterstück des Argumentationsaufbaus. Zunächst haben die handelnden Personen behauptet, eine Finanzierung auf Landesebene und eine Finanzierung auf kommunaler Ebene seien rechtlich ausgeschlossen.
Dies hat wieder einmal der Generalsekretär der CDU, Herr Boddenberg, am 6. November in einer Pressemitteilung vehement vertreten und erklärt:
Rein rechtlich gesehen kann es nur einmal Geld geben.
In der gemeinsamen Sondersitzung des Haupt- und des Innenausschusses am 15.11.2006 hat Roland Koch persönlich ausgesagt, dass eine Doppelfinanzierung ausgeschlossen sei:
Die Frage einer Doppelfinanzierung ist nicht denkbar.
Am 16.11.2006 hat Roland Koch dies noch einmal eindrücklich in einem Interview mit der „Welt“ bestätigt:
Grundlage aller unserer Gespräche war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1992, das eine Doppelfinanzierung von Parteien auf kommunaler und Landesebene verbietet.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, dieses Urteil sagt komplett das Gegenteil. Es sagt nämlich aus, dass es eine kommunale Finanzierung für Wählergruppen geben muss.
Im Untersuchungsausschuss war das ganz anders. Erst wird vehement behauptet, eine Finanzierung auf beiden Ebenen sei rechtlich nicht möglich. Plötzlich war bei den Zeugenaussagen doch das Gegenteil der Fall. So führte der Zeuge Koch auf die Frage nach dem Widerspruch zwischen der Behauptung einer Doppelfinanzierung und dem ihm bekannten Eckpunktepapier, das einen Aus
schluss der Wahlkampfkostenerstattung auf kommunaler und gleichzeitig auf Landesebene nicht vorsah, aus – ich zitiere –:
Deshalb ist es am Ende keine juristische Frage an der einen Stelle, die Sie gefragt haben, aber im Zusammenhang... eine politische Frage,... Ich habe deshalb immer gesagt, jenseits aller Juristerei... ist es völlig ausgeschlossen, zu glauben, dass es in der CDU dafür eine Mehrheit gäbe.... Insofern ist es mehr eine politische als eine juristische Frage...
Lieber Herr Koch, das haben Sie vorher gerade nicht ausgesagt.
Auch der Zeuge Bouffier vertrat auf einmal eine völlig andere Rechtsauffassung, als es sein Ministerpräsident und Parteivorsitzender wenige Zeit vorher tat. Er hat dazu gesagt – ich zitiere –:
Juristisch kann man das machen.
Die Rechtsexperten der Staatskanzlei und des Innenministeriums haben im Übrigen seit 1994 immer wieder bestätigt, dass es von der rechtlichen Seite her keinen Ausschlussgrund gibt. Dennoch hat sich der Obmann der CDU selbst im Untersuchungsausschuss immer noch an den Strohhalm zu klammern versucht, das sei eine sogenannte Doppelfinanzierung. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ am 7. Februar 2007 hat er wiederum dieses Argument bemüht. Ich zitiere:
Es ist doch klar, dass man möglichst ausschließen wollte, dass die FWG am Ende doppelt kassiert.
Aber auch die Argumentation, dass die Freien Wähler nicht zweimal Geld oder mehr Geld als die Parteien bekommen sollten, greift nicht. Denn sie bekämen selbst bei einer Wahlkampfkostenerstattung auf beiden Ebenen nichts zusätzlich. Das Gegenteil ist sogar der Fall.Wählergruppierungen erhalten nämlich gar keine Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Sie können bei einem Antreten zur Landtagswahl nach dem hessischen Landtagswahlgesetz mit einer Erstattung von 2 c pro Wählerstimme rechnen, wenn sie landesweit mindestens 1 % der Stimmen erreichen. Falls sie keine Landesliste aufstellen, können sie in den Wahlkreisen mit einer Erstattung rechnen, in denen sie 10 % der Stimmen erreichen.
Diese staatlich zugewiesenen Mittel dürfen die tatsächlichen Kosten des Wahlkampfs nicht übersteigen. Der Zuschuss wird einmalig ausgezahlt, die Parteien erhalten dagegen während der gesamten Legislaturperiode jedes Jahr wieder Geld für ihre politische Arbeit.
In Zahlen bedeutet das: Parteien bekommen für eine Stimme bei der Landtagswahl mindestens 3,50 c. Die Wählergruppierungen erhalten dafür 2 c. Das heißt, selbst wenn es eine Kostenerstattung von 1 c pro Stimme auf kommunaler Ebene für Wählergruppierungen geben würde, würde man mit einem Gesamtbetrag von 3 c immer noch unter dem liegen, was die Parteien bekommen.
Das entspricht auch der Position des Bundesverfassungsgerichts. Es hat in seinem Urteil vom 9.April 1992 festgestellt, dass die staatliche Teilfinanzierung der Parteien auch die Finanzierung der politischen Arbeit auf kommunaler Ebene abdeckt und die Wählergruppierungen insofern eher benachteiligt sind. Das war auch der Grund, warum die Fachabteilung des Innenministeriums 1996 in einem Gesetzentwurf eine Wahlkampfkostenerstattung für die kommunale Ebene und die Landtagswahl vorgesehen
hat. Das geschah also unter Innenminister Gerhard Bökel.
Das ist auch der Grund, warum mein Kollege Günter Rudolph die Petition der Freien Wähler zur Berücksichtigung angemeldet hat. Denn das entspricht der Position des Bundesverfassungsgerichts.
Liebe Mitglieder der CDU, es ist endlich Zeit, sich von dem missverständlichen Begriff der Doppelfinanzierung zu verabschieden.Denn es geht hier um weniger und nicht um mehr.
Nach all dem Werfen von Nebelkerzen und der Begleitmusik von der CDU ist damit geblieben, dass der Ministerpräsident und sein Innenminister im Untersuchungsausschuss bekannt haben, dass man den Freien Wählern aus parteipolitischen Gründen die Wahlkampfkosten nur dann erstatten wollte, wenn sie nicht bei der Landtagswahl anträten. Das ist Fakt oder „vorher – nachher“, die Zweite.
Die Grenze zwischen Staat und Partei wurde im vorliegenden Fall mit Füßen getreten.
Allein die Tatsache, dass Roland Koch als Landesvorsitzender der CDU in Hessen einen politischen Konkurrenten mit Steuergeldern davon abhalten wollte,zur Wahl anzutreten, ist ungeheuerlich.
Hinzu kommt die Anfertigung des Gesetzentwurfs im Innenministerium. Der wurde bewusst eingesetzt. Die Freien Wähler sollten damit überzeugt werden, nicht zur Wahl anzutreten.Das ist eine seltsame Vermischung staatlichen und parteipolitischen Verhaltens.
Ein Ministerpräsident sollte doch wissen, dass es ihm aufgrund der Gewaltenteilung – –
Offensichtlich interessiert ihn das nicht. Denn der Herr Metz steht bei dem Herrn Ministerpräsidenten.
Ein Ministerpräsident müsste doch wissen, dass es ihm aufgrund der Gewaltenteilung strikt untersagt ist, parteiliches Verhalten durch staatliches Handeln vorzunehmen.
Lieber Herr Metz, angesichts des ernsthaften Themas, das Ihre Partei stark betrifft, bitte ich darum, dass auch Sie Ihre Aufmerksamkeit der Rednerin zukommen lassen.
Die Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuss hat jedoch ergeben, dass der Hessische Ministerpräsident für solch feinsinnige Unterscheidungen nicht zu haben ist. – Man sieht, dass er nicht mehr zuhört. – So haben die Vernehmungen im Untersuchungsausschuss den Vorwurf der Freien Wähler bestätigt, die CDU habe mit einem konkreten Zeitplan vorgeschlagen, die gesetzliche Regelung
erst nach dem Landesdelegiertentag der Freien Wähler im Landtag zu beschließen, also nachdem die Vorbedingung der CDU erfüllt ist.
Nach und nach ist im Untersuchungsausschuss die Wahrheit über den Gesetzentwurf vom 14. Juli 2005 herausgekommen.Er wurde von dem Innenminister erarbeitet und in der Regierungsrunde erörtert. Aber Regierungshandeln war dies nach der Lesart des Ministerpräsidenten nicht.
Den Freien Wählern wurde der Entwurf erst nach dem Gespräch am 3. April 2006 zugänglich gemacht. Vorher wurde er weder den Freien Wählern übersandt, noch mit den anderen Parteien erörtert, obwohl die CDU und der Innenminister es zunächst in dieser Art und Weise dargestellt hatten.
Der Gesetzentwurf wurde erst Gegenstand konkreter Erörterungen der CDU und der Freien Wähler, als diese ihren Willen öffentlich bekannt gemacht hatten, zur Landtagswahl anzutreten.
Auch die handschriftlichen Änderungen des Innenministers auf dem Gesetzentwurf sind ein weiteres Indiz dafür, dass die CDU die Freien Wähler von der Teilnahme an der Wahl abhalten wollte.
Volker Bouffier hat handschriftlich eingefügt, dass das Gesetz zur kommunalen Wahlkampfkostenerstattung ausschließlich dann gelten soll, wenn die Wählergruppen bei der Kommunalwahl antreten. Die Teilnahme an der Landtagswahl ist damit ausgeschlossen.
Mit der Festlegung auf ein ausschließliches Antreten der Wählergruppen bei den Kommunalwahlen hat er somit ein Junktim verankert, für das es keine rechtliche Notwendigkeit gibt. Das handschriftliche Einfügen des Wortes „rückwirkend“ in den Gesetzentwurf präjudiziert ebenfalls, dass den Freien Wählern ein Kaufangebot gemacht wurde.
Es ist juristisch höchst fraglich, ob solch eine Regelung zum Wahlrecht überhaupt rückwirkend in Kraft treten kann. Damit könnte ein Anfechtungsgrund entstehen. Das wird ein Innenminister nicht freiwillig in einen solchen Gesetzentwurf einarbeiten.
Wenn man sich mit dem Gesetzentwurf sachlich hätte befassen wollen, hätte man ihn bereits vor der Kommunalwahl beraten müssen. Das übliche Verfahren wäre gewesen, ihn den Landtagsfraktionen zuzuleiten und auszuloten, ob es eine gewisse Bereitschaft gibt, ihn mitzutragen. Man hätte ihn auch in den parlamentarischen Gang geben können.
Auch die Bemerkung von Roland Koch bei dem Gespräch mit den Vertretern der Freien Wähler am 3. April 2006 – ich zitiere: „Ich hoffe, die SPD hat keine Wanzen installiert und kann mithören“ – trägt nicht dazu bei, den Vorgang normal erscheinen zu lassen.
Ich fasse noch einmal zusammen: Erst haben Roland Koch und Volker Bouffier die Tatsachen abgestritten. Dann wurde behauptet, dass die Freien Wähler die CDU erpresst haben. Anschließend hieß es auf einmal, das ginge rechtlich alles gar nicht. Dann wurde behauptet, es dürfte nicht doppelt Geld geben. Schließlich hat Roland Koch im Untersuchungsausschuss die Flucht nach vorne angetreten und bestätigt, dass er aus eigenem politischen Kalkül die Freien Wähler von einer Teilnahme an der Landtagswahl ausschließen wollte.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. – All diese Tatsachen konnte ein aufmerksamer Beobachter vor Einsetzung des Untersuchungsausschusses nur vermuten. Die traurige Gewissheit erbrachte erst die Beweisaufnahme. Die Erinnerungslücken der Kultusministerin, des Innenministers und des Generalsekretärs haben nicht gerade zu deren Glaubwürdigkeit beigetragen.
Anders, als es während der Regierungsverantwortung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Hans Eichel und dessen damaligen Innenministers, Gerhard Bökel, der Fall war, haben Herr Koch und Herr Bouffier die Regierungsverantwortung offenkundig benutzt, um Ziele der eigenen Partei im politischen Wettbewerb vor der bevorstehenden Landtagswahl abzusichern.
Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Damit war der Gipfel aber noch nicht erreicht. Der Zeuge Roland Koch hat sich auch noch hingestellt und gesagt,das sei alles ganz normal.
Das ist eben gerade kein normaler Vorgang oder politischer Kuhhandel. Die CDU versucht nur, das so darzustellen.Vielmehr handelt es sich um einen handfesten politischen Skandal. Damit hat Roland Koch die Würde des Amtes des Ministerpräsidenten beschädigt. Dieses Land hat eine Ministerpräsidentin verdient, die den Unterschied zwischen Staat und Partei kennt und dementsprechend handelt.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir stellen Ihnen heute den Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vor. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion orientiert sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und schreibt bundesweit richtungweisende Standards für den Umgang mit jugendlichen Straftätern fest. Schon jetzt wird – das wissen alle Beteiligten, die mit dem Thema zu tun haben – in beiden hessischen Jugendstrafvollzugseinrichtungen in Wiesbaden und Rockenberg hervorragende und wertvolle Arbeit geleistet. Das liegt an den handelnden Personen vor Ort; denn Sozialarbeiter, Psychologen und allgemeiner Vollzugsdienst geben sich aus persönlicher Motivation besonders viel Mühe mit den jugendlichen Straftätern und den Heranwachsenden.
Andererseits dürfen wir vor der Realität nicht die Augen verschließen. Das bedeutet erstens eine Umsetzung und gesetzliche Absicherung der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Standards und zweitens eine aktive Senkung der Rückfallquote, die bei den jugendlichen Straftätern und Heranwachsenden bei nahezu 80 % liegt.
Der Schutz der Bevölkerung vor diesen weiteren Rückfallstraftaten ist eine der wichtigsten Aufgaben, die wir im Landtag gewährleisten sollten. Da kann es sicher kein „Weiter so“ geben. Die CDU-Mehrheit hat bislang nur mehr Personal angekündigt. Eine Garantie dafür gibt es nicht. Wenn dies die Lösung zur Reduzierung der Rückfallquote wäre, dann hätte die Landesregierung in den letzten acht Jahren allerdings fahrlässig die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet, indem sie nicht mehr Personal im Jugendstrafvollzug eingesetzt hat.
Von den Verhältnissen im Erwachsenenstrafvollzug wollen wir an dieser Stelle erst gar nicht reden. Unabhängig von der Personalfrage muss der Jugendstrafvollzug auch strategisch und inhaltlich so ausgerichtet sein, dass die extrem hohe Rückfallquote bei jugendlichen Straftätern reduziert werden kann.
In Übereinstimmung mit allen Experten gehen wir davon aus,dass bei den Bemühungen um eine soziale Integration jugendlicher Straftäter der Gesellschaft eine besondere Verantwortung zukommt. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:
Die Fehlentwicklung, die sich in gravierenden Straftaten eines Jugendlichen äußert, steht in besonders dichtem und oft auch besonders offensichtlichem Zusammenhang mit einem Umfeld und Umständen, die ihn geprägt haben.
Herr Justizminister, man kann es sich nicht so einfach machen, wie Sie es sich in Ihrer letzten Rede gemacht haben, indem Sie gesagt haben, der offene Vollzug würde sich in offenen Vollzugseinrichtungen abspielen, und damit würden die Jugendlichen im Umfeld bleiben. Sie wissen genau, dass die offene Vollzugsform, wie wir sie hier diskutieren, etwas anderes bedeutet als das, was Sie in Hessen bislang unter offenen Vollzugsformen verstanden haben. Sie führen nämlich gerade nicht zu ihrem unmittelbaren Umfeld, und die Jugendlichen werden nicht dort gelassen.
Das Bundesverfassungsgericht und das Jugendstrafrecht gehen dabei von dem Grundsatz aus, dass die Verbüßung einer Strafe im Jugendstrafvollzug nur als letztes Mittel und nur als ein in seinen negativen Auswirkungen auf die Persönlichkeit des Betroffenen nach Möglichkeit zu minimierendes Mittel verhängt und vollzogen werden darf.
Diese Vorgaben erfüllt der von uns vorgelegte Gesetzentwurf. Das wird schon bei der Zielbestimmung des Jugendstrafvollzugsgesetzes deutlich. Ziel des Gesetzentwurfs nach § 2 ist es, dass der Jugendstrafvollzug die Gefangenen dazu befähigt, „sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern und in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“. Dieses ist aber keine Erfindung der SPD in Hessen, sondern die Vorgabe entstammt der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies hat in seiner Entscheidung vom 31.05.2006 nochmals ausdrücklich festgestellt und dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben:
Der Vollzug der Freiheitsstrafe muss auf das Ziel ausgerichtet sein, dem Inhaftierten ein künftiges straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen. Dieses – oft auch als Resozialisierungsziel bezeichnete – Vollzugsziel der sozialen Integration... ist im geltenden Jugendstrafrecht als Erziehungsziel verankert. Der Verfassungsrang dieses Vollzugsziels beruht einerseits darauf, dass nur ein auf soziale Integration ausgerichteter Strafvollzug der Pflicht zur Achtung der Menschenwürde jedes Einzelnen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Strafens entspricht.
Wenn das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner Rechtsprechung der sozialen Integration als Ziel des Strafvollzugs für Jugendliche, Heranwachsende und Erwachsene immer wieder eine herausgehobene und mit Verfassungsrang ausgestattete Bedeutung zukommen lässt, dann darf dies auch der Landesgesetzgeber nicht aufweichen oder ignorieren.
Meine Damen und Herren von der CDU, hier geht es auch nicht,wie Sie immer behaupten,um Resozialisierung statt Sicherheit oder Resozialisierung vor Sicherheit.Wer so argumentiert, hat weder das Bundesverfassungsgerichtsurteil noch unser Strafvollzugssystem überhaupt je verstanden.
Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgestellt, dass der Strafvollzug auch gegenüber der Bevölkerung automatisch Schutzpflichten zu erfüllen hat, sodass zwischen dem Integrationsziel des Vollzugs und dem Anliegen – also kein Ziel –, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, insoweit kein Gegensatz besteht.
Wenn das Bundesverfassungsgericht nachdrücklich feststellt, dass die Schutzpflicht gegenüber der Bevölkerung während des Vollzugs nicht allein verfassungsrechtlichen Rang wie das Vollzugsziel der sozialen Integration genießt, dann sichert es zum Wohl der Bevölkerung die inhaltlichen Ziele des Vollzugs ab. Wer wie die Landesregierung und die FDP beide Vollzugsziele als gleichrangig ansieht, wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht.
Das Gleiche gilt für die inhaltliche Struktur des Vollzugs. Auch hier befindet sich der heute von der SPD vorgelegte Entwurf in Einklang mit der Auffassung aller Strafvollzugsexperten und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, indem er grundsätzlich vom offenen Vollzug als Regelvollzugsform ausgeht.
Unser Gesetzentwurf sieht drei Vollzugsformen vor: den offenen Vollzug, die Durchführung vollzugsoffener Maßnahmen als Vollzug in freien Formen und den geschlossenen Vollzug.Welche dieser drei Vollzugsformen anzuwenden ist,wird im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Aufnahmeverfahrens festgestellt. Maßgebliches Kriterium ist dabei die Geeignetheit der einzelnen verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden.
Ein weiterer elementarer Bereich des Gesetzentwurfes sind die enthaltenen Standards für die künftige Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs in Hessen. Es gibt kaum einen Bereich in der Gesellschaft, für den der Grundsatz „Der Weg ist ein wesentlicher Bestandteil des Zieles“, wie im Strafvollzug gilt. Der Gesetzentwurf greift dies unter anderem in folgenden klar definierten Vorgaben auf, die da sind:
Die gesetzliche Festlegung der Unterbringung in Wohngruppen mit acht bis zehn Jugendlichen – wir haben dies ausdrücklich im Gegensatz zur CDU geregelt, wo es bei der Ankündigung und in dem Begründungstext geblieben ist. Eine ausdrückliche Festlegung der Zahl fehlt im Gesetzentwurf der Landesregierung.
Die umfassende Ausgestaltung der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung – auch dies haben wir mehrfach beredet. Es ist ein ganz wesentlicher Bestandteil für die SPD.
Die verbindliche Schaffung von sozialtherapeutischen Abteilungen, die gesetzliche Verankerung der Einzelunterbringung von Gefangenen – auch darin unterscheiden wir uns maßgeblich von der Landesregierung –, die Wiederherstellung der strikten Trennung zwischen Jugend- und Erwachsenenvollzug bei männlichen Gefangenen, die Schaffung eines im bundesgesetzlich geregelten Rechtsweg vorgeschriebenen mediativen Konfliktschlichtungverfahrens.
Damit unterscheiden wir uns ganz wesentlich von den bereits eingebrachten Gesetzentwürfen aller anderen Fraktionen. Hinzu kommt, dass die SPD jeglichen Schusswaffengebrauch im Jugendstrafvollzug – wie bereits gesagt – ablehnt, den Datenschutz in Abwägung mit den Interessen der Betroffenen ausgestaltet hat und die von der Landesregierung beabsichtigte, verfassungsrechtlich bedenkliche Durchführung von anlassunabhängigen Urintests sowie die damit im Zusammenhang stehende Beweislastumkehr ablehnt.