Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Ich frage die Landesregierung: Mit welchen Maßnahmen geht die Landesregierung gegen diese Entwicklung vor?

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, es trifft zu, dass sich die Zahl der strafrechtlich relevanten Verstöße gegen das Waffengesetz von 645 auf 1 207 im Jahr 2003 gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt hat. Diese Tatsache ist jedoch nicht - ich wiederhole: nicht - das Ergebnis einer besonderen Entwicklung und insbesondere nicht Ausdruck einer zunehmenden Gewaltbereitschaft und Bewaffnung unserer Bevölkerung, sondern beruht auf der Verschärfung der Sanktionsbestimmungen in dem am 1. April 2003 in Kraft getretenen neuen Waffengesetz sowie der damit verbundenen erfolgreichen polizeilichen Ermittlungsarbeit.

Mit der Gesetzesänderung ist unter anderem die Erlaubnispflicht für das Führen von Gas- und Schreckschusswaffen eingeführt worden, der so genannte kleine Waffenschein. Daneben wurde der Besitz von etwa Pumpgun-Waffen mit Pistolengriff, von Wurfsternen sowie Spring-, Fall-, Faust- und Butterflymessern verboten. Verstöße gegen diese Bestimmungen werden als Straftaten mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.

Bis zum 31. August bzw. bis zum 30. September 2003 gab es Amnestieregelungen, die es dem Besitzer ermöglichten, sich erlaubnispflichtiger oder verbotener Waffen straffrei zu entledigen. Die geringe Resonanz dieser Bestimmungen bei der Bevölkerung ließ bereits eine erhebliche Zahl solcher Straftaten erwarten. Eine genauere Betrachtung der vom Landeskriminalamt veröffentlichten Zahlen lässt hingegen einen deutlichen Rückgang, und zwar von mehr als 11 %, bei strafrechtlich relevanten Schusswaffenanwendungen erkennen. Das ist in absoluten Zahlen ausgedrückt eine Reduzierung von 437 auf 367 im Jahr 2003.

Dies sowie die Steigerung der Aufklärungsquote von 93,5 % im Jahr 2002 auf 94,6 % im Jahr 2003 belegen die erfolgreiche und von Professionalität getragene Arbeit der Polizei bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Waffengesetz. Wir werden diese Straftaten auch weiterhin konsequent verfolgen. Ich sehe hier keinen Änderungsbedarf.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte sehr, Herr Claus.

Herr Minister, in welchem Maße sind legale Waffenbesitzer in derartige Verstöße verwickelt? Sie sagten ja, es gibt Statistiken.

Meine zweite Frage: Können Sie die Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz spezifizieren, weil dieses auch aufgeführt wurde?

Die Besitzer legaler Waffen sind hier nicht in Erscheinung getreten, es sei denn, es handelte sich um einen Jagdunfall. Die Zahl müsste ich nachlesen.

Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz spielen ebenfalls keine Rolle. Die Zahlen habe ich jetzt nicht präsent. Ich könnte sie Ihnen aber innerhalb der nächsten Tage schriftlich mitteilen.

Danke sehr. - Damit sind wir bei der Frage 2043 (Künftige Ar- beitszeitgestaltung von Lehrkräften), die vom Abgeordneten Kliesch gestellt wird. Bitte sehr.

Im Wesentlichen wird die Arbeitszeit der Lehrkräfte im Deutschland immer noch ausschließlich an den Unterrichtsstunden gemessen. Das Oberverwaltungsgericht Münster in Nordrhein-Westfalen hat in diesen Tagen einer Lehrkraft mit korrekturintensiven Unterrichtsfächern - Englisch und Französisch - einen Anspruch auf Entlastung gegenüber Lehrkräften mit weniger arbeitsintensiven Fächern, zum Beispiel Sport, bestätigt. Damit wurde erneut die deutlich unterschiedliche Belastung von Lehrkräften offiziell anerkannt.

Ein gut gemeinter, aber leider nicht gut umgesetzter Versuch zur Reform der Lehrerarbeitszeit wurde bisher nur in der Hansestadt Hamburg unternommen. Die Frage nach einer gerechten Verteilung der Arbeitsbelastung unter Lehrkräften stellt sich aktuell aber auch mit Blick auf erweiterte Arbeitsfelder und außerunterrichtliche Aufgaben von Lehrkräften im Zusammenhang mit der Ausweitung der Ganztagsschulen. Andere europäische Länder wie Dänemark praktizieren seit Jahren mit Erfolg Modelle zur umfänglichen Erfassung und gerechten Verteilung der vielfältigen Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer.

Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, im Land Brandenburg - oder zunächst begrenzt auf wenige Schulen - durch eine gerechte Bemessung und Verteilung der tatsächlich vorhandenen unterrichtlichen und außerunterricht

lichen Aufgaben die berufliche Zufriedenheit und Motivation der Lehrkräfte zu verbessern?

Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Kliesch, die der Anfrage zugrunde liegende Entscheidung des OVG Münster liegt der Landesregierung noch nicht schriftlich vor. Von daher ist es nicht möglich, Konsequenzen, die aus der gerichtlichen Entscheidung unter Umständen zu ziehen sind, zu beurteilen.

Nach meinem bisherigen Kenntnisstand ist es aber auch sehr fraglich, ob aufgrund dieses Urteils direkte Konsequenzen für die Arbeitszeit von Lehrkräften im Lande Brandenburg überhaupt zu ziehen sind, weil das OVG Münster eine andere Rechtslage zu beurteilen hatte, als sie in Brandenburg besteht; denn in Nordrhein-Westfalen wird den Schulen unter Berücksichtigung der besonderen schulischen Aufgaben und der besonderen unterrichtlichen Belastung erlaubt, die festgelegte Pflichtstundenzahl um bis zu drei Pflichtstunden zu erhöhen oder zu unterschreiten.

Unabhängig von der Frage der Konsequenzen einer gerichtlichen Entscheidung stellen wir schon seit längerer Zeit Überlegungen zur Gestaltung der Lehrerarbeitszeit an, durch die auch eine belastungsorientierte Verteilung von Arbeitsaufgaben in der Schule erreicht bzw. verbessert werden soll. Es ist beabsichtigt, zunächst mit den Schulen, die auf dem Wege der Selbstständigkeit sind, den zwölf MoSeS-Schulen, Ideen dafür zu entwickeln, wie eine belastungsorientierte Verteilung von Arbeitsaufgaben an der Schule erreicht werden kann. Bei der Entwicklung eines belastungsorientierten Arbeitszeitsystems finden die Modelle der anderen Länder sowie deren Erfahrungen selbstverständlich Berücksichtigung.

Wer sich, Herr Kollege Kliesch, mit den Modellen anderer Länder befasst hat, wird aber vermutlich meine Einschätzung teilen, dass alle bisher bekannten Modelle, die unter dem Namen Arbeitszeitmodelle in verschiedenen Länder erprobt bzw. angewendet wurden, Vor- und Nachteile haben. In Hamburg ist ein sehr weit gehender Versuch unternommen worden, die Gesamtheit der Aufgaben in der Schule differenziert auf die Lehrkräfte in der Schule zu verteilen. In ähnlicher Weise wird in Dänemark vorgegangen. Noch weiter gehend wird eine Faktorisierung der Arbeitsbelastung in Österreich vorgenommen, durch die erreicht werden soll, dass die Lehrkräfte insgesamt zu einer scheinbar gleichen arbeitszeitlichen Belastung bei vergleichbarer Intensität ihrer Arbeit kommen.

Völlig befriedigend ist keine dieser Lösungen. Zum Teil werden sie von den betroffenen Lehrkräften, zum Teil aber auch von den Schulleitungen und Schulverwaltungen als nicht völlig befriedigend beschrieben.

Ich halte von dem Hamburger Experiment, mit der Stoppuhr in der Hand Unterrichtszeit bzw. Lehrerarbeitszeitbelastungen zu messen, nichts. Wer Lehrer mit der Stoppuhr in der Hand erzieht, macht aus dem Beruf einen Job. Gerade das will ich nicht.

Außerdem: Das landläufige Vorurteil, dass der Sportlehrer bei entsprechenden Vergleichen immer besser wegkomme, teile ich nicht; denn der Deutschlehrer, der zu Hause mit Beethoven und einem guten Tee Klassenarbeiten korrigiert, ist in einer anderen Situation als ein Sportlehrer, der mit einer Klasse mit 20 oder 30 Schülern in einer lauten und von Schweiß geschwängerten Turnhalle Sport macht.

(Beifall eines Abgeordneten)

- Das war der Beifall eines Sportlehrers, der weiß, wovon ich rede.

Nur wenige Länder haben die Korrekturintensität und die Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit in den einzelnen Fächern als Kriterium für die Höhe der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte herangezogen, wie es zum Beispiel in Hamburg der Fall ist. Das Hamburger Modell ist gerade erst eingeführt worden, hat verständlicherweise aber schon zu großer Verärgerung in der Lehrerschaft geführt, weil gleichzeitig eine nicht unerhebliche Zahl von Lehrerstellen abgebaut wurde und die Lehrkräfte mit dem neuen Modell unvorbereitet konfrontiert wurden.

Eine minutengenaue Abrechnung wird andererseits auch dem gewünschten Berufsbild eines Lehrers nicht gerecht, der, wie wir wissen, den Unterrichts- und Erziehungsprozess in der Schule mit einem hohen Grad an Selbstständigkeit steuern und lenken soll. Dies entzieht sich einer minutengenauen Betrachtung.

Vor diesem Hintergrund werden wir gemeinsam mit den an dem Modellvorhaben beteiligten Schulen ein Modell dafür vorbereiten, wie aus der Sicht dieser Schulen unter Beteiligung der Schulleitung und der Lehrkräfte eine Vorstellung für eine verbesserte Verteilung der Arbeitsbelastung in der Schule entwickelt werden kann. Nach Auswertung dieser Ergebnisse werden daraus Schlüsse zu ziehen sein.

Unterrichtszeit, Herr Kliesch, macht im Übrigen weniger als die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit aus. Lehrer haben viele Betreuungs- und Beratungsaufgaben oft bis in den Abend hinein wahrzunehmen und häufig haben sie Woche für Woche außerhalb der Ferien eine Wochenarbeitszeit von 44, 45 und mehr Stunden.

(Zwischenruf von der PDS: Würden Sie bitte die Frage beantworten!)

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wir zusammen mit den MoSeSSchulen ein Modell entwickelt haben, ist davon auszugehen, dass die Schulleitungen durchaus die Möglichkeit haben, durch eine Verteilung von Arbeitsaufgaben in der Schule dafür zu sorgen, dass die unterschiedliche zeitliche Belastung, die auf die fächerspezifische Vor- und Nachbereitungszeit zurückgeführt werden kann, die aber auch nach der Anzahl der Schüler in der Klasse differiert, nach den bestehenden Möglichkeiten und der Bereitschaft ausgeglichen wird.

Das ist ein hochkomplexes Problem, das 24 000 Lehrerinnen und Lehrer im Lande betrifft.

(Unruhe)

Bitte keine Dialoge! Die anderen Fragen sollten auch noch behandelt werden können.

Der Kreiselternrat Havelland hat sich vorgenommen - ich meine, das ist im Zusammenhang mit der Würdigung der Arbeitszeit von Lehrern die wichtigste Frage -, in diesem Jahr nach längerer Zeit wieder den Tag des Lehrers zu feiern, um damit die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern anzuerkennen. Frau Enkelmann wird sich erinnern, dass sie dazu schon früher einmal eine Anfrage gestellt hat. Solche Modelle tragen meiner Meinung nach dazu bei, die Motivation und die Anerkennung der Arbeit von Lehrkräften zu verbessern.

Bitte, Herr Kliesch.

Herr Minister, seit etwa neun Jahren wird in Dänemark ein, wie ich meine, sehr effizientes und gutes Modell der Abrechnung der Lehrerarbeitszeit gefahren. Da es in Dänemark eine deutsche Minderheit gibt und deshalb auch alle Unterlagen zu diesem Modell in deutscher Sprache erhältlich sind, frage ich Sie, ob Sie sich vorstellen können, dass Lehrer aus Brandenburg, die an diesem Experiment in Dänemark teilnehmen wollen, die Chance erhalten, die Erfahrungen, die an dänischen Schulen damit gemacht werden, für Brandenburg zu sondieren und experimentell auszuprobieren.

Ich kann mir das nicht nur vorstellen, sondern wünsche mir das sogar. Wie Sie wissen, nutzen die Schulen in Brandenburg nur einen kleinen Teil der Freiheit, die sie haben. Ich halte es für sinnvoll, sich solche Modelle anzuschauen, sie gegebenenfalls für Schulen in Brandenburg zu adaptieren und im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben, auch zu versuchen, durch Weiterentwicklung etwas Eigenes daraus zu machen.

Danke sehr. - Damit sind wir bei der Frage 2044 („B-Listen“ zur Entschädigung von Bodenreformgeschädigten), die vom Abgeordneten Helm gestellt wird. Bitte sehr.

Meine Frage und die folgende Antwort werden sicherlich kürzer sein, als das bei der vorhergehenden Frage der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Frage bezieht sich auf die so genannten B-Listen im Zusammenhang mit Bodenreformenteignungen, die auf Verlangen der damaligen sowjetischen Besatzungsmacht rückgängig gemacht werden sollten, was aber nicht erfolgte.

Ich frage die Landesregierung: Existieren diese Listen im Land Brandenburg und, wenn ja, wo sind sie einzusehen?

Frau Ministerin der Finanzen, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, diese Listen existieren. Darin sind Erkenntnisse über betriebliches und sonstiges Vermögen enthalten.

Im Zuge der Enteignung von Kriegsverbrechern und Nazi-Aktivisten sollten diese Enteignungen, wie Sie richtig sagten, vorgenommen werden, wurden aber dann von der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme zur Rückgabe vorgeschlagen.

Diese kreisbezogenen B-Listen befinden sich im Bundesarchiv sowie im Landeshauptarchiv Brandenburg. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen und die Ämter zur Regelung offener Vermögensfragen fordern die Listen im Rahmen der Bearbeitung vermögensrechtlicher Rückgabeansprüche immer an und beziehen diese Listen auch in die Entscheidungsfindung ein.

Die B-Listen werden für die Beantwortung der Frage, ob es seinerzeit zu einer Enteignung gekommen ist oder nicht, herangezogen. Im Zuge der weiteren Sachverhaltsaufklärung werden diese dann das rechtliche Schicksal der betreffenden Vermögenswerte bestimmen.

Eine Information der Eigentümer über die Existenz dieser B-Listen erfolgt regelmäßig im Rahmen der jeweiligen Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Darstellung des Sachverhalts und dessen rechtlicher Würdigung. - Danke.

Ich bedanke mich auch. - Wir sind damit bei der Frage 2045 (Rückforderung für Chipfabrik) , gestellt vom Abgeordneten Hammer. Bitte.