Protokoll der Sitzung vom 13.04.2005

So ist es auch hier. Im Prinzip geht es gar nicht um die Opfer, sondern darum, jemanden vorzuführen und einen bestimmten politischen Akzent zu setzen. Damit werden wir uns ganz bestimmt nicht gemein machen. Wir halten dies schlichtweg für abartig und werden den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schulze. - Wir setzen mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Sarrach für die PDS-Fraktion fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wegen der deutlichen Worte in Richtung DVU, als das hohe Haus vorhin den Antrag des Präsidenten „Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt - für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg“ debattierte, kann ich mich jetzt kurz fassen.

Viele Opfer von Straftaten sind Menschen, die aus rechtsextremistischen Motiven, aus Hass gegen alles vermeintlich Undeutsche angegriffen werden. Kollege Christoph Schulze hat völlig Recht: Die Zumutung, dass dann gerade die rechtsextreme DVU als geistiger Brandstifter solcher Straftaten einen Gesetzentwurf zur Opferhilfe in den Landtag einbringt, ist zurückzuweisen. Der DVU fehlt jegliche Legitimation, sich zum Sachwalter von Opfern aufzuspielen. Dies gilt erst recht, seitdem die DVU ein Bündnis mit der NPD pflegt, was wegen der geistigen Nähe nicht verwundert.

Es ist auch nicht zutreffend, dass es einer Stiftung Opferhilfe bedarf. Es liegt ein von der Koalition beschlossener Antrag an den Rechtsausschuss vor, 45 000 Euro für Opferhilfe und Täter-Opfer-Ausgleich einzustellen. Die PDS-Fraktion hat weitere 145 000 Euro für die Arbeit der Vereine „Opferhilfe“ und „Opferperspektive“ beantragt, sodass durch Umschichtungen im Einzelplan 04 des Landeshaushaltsentwurfs 2005/2006 190 000 Euro für die Opferhilfe zur Verfügung gestellt werden könnten. Insofern appelliere ich an den Haushalts- und Finanzausschuss, dem PDS-Antrag jene Zustimmung zu geben, die im Rechtsausschuss leider noch unterblieben ist. Nur bei einer Aufstockung der Mittel ist auch gesichert, dass der Verein „Opferperspektive“ die Kofinanzierung erhöhter Bundeszuwendungen im Rahmen des Programms „CIVITAS“ aufbringen kann.

Es bleibt dabei: Wir rücken die Opfer in den Blickpunkt, wir analysieren die Tätergesellschaft und werden Solidarisierungsprozesse mit den Betroffenen fördern, allerdings ohne die DVU, denn sie ist Teil des Problems.

(Beifall bei der PDS)

Schönen Dank, Herr Sarrach. - Die Landesregierung hat Redeverzicht signalisiert. - Herr Abgeordneter Schuldt, haben Sie noch Bedarf?

(Schuldt [DVU]: Aber gerne!)

- Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich über die Kommentare meiner Vorredner reflektiert habe, gestatte ich mir den Kommentar, dass offensichtlich gerade die Koalitionsfraktionen eine bedauernswerte Ignoranz gegenüber dem Schicksal von Kriminalitätsopfern an den Tag legen, Herr Christoph Schulze.

(Beifall bei der DVU)

Ich kann da nur mit dem Kopf schütteln. Wie abartig!

Herr Sarrach, vergessen Sie bei Ihrer Aufzählung von Straftaten nicht die Straftaten der Antifa, die in diesem Lande schrecklich sind.

(Beifall bei der DVU - Jürgens [PDS]: Die bringt keine Menschen um, Herr Schuldt!)

Ich erspare es mir, erneut die Rede des Herrn Innenministers Schönbohm auf der 2. Landeskonferenz des Landespräventionsrates „Sicherheitsoffensive Brandenburg“ zum Thema Opferschutz und Opferhilfe zu zitieren. Dies habe ich bereits in unserem letztjährigen Antrag tun müssen; heute würde es mir schon aus Gewissensgründen umso schwerer fallen. Lediglich den Satz des Herrn Ministers, dass wir in Brandenburg Opferschutz und Opferhilfe noch stärkere Geltung verleihen müssten, indem wir eine Verbesserung des Zusammenwirkens der staatlichen Institutionen auch in Zeiten knapper Kassen zu erreichen hätten, möchte ich noch einmal erwähnen. Das war eine gute Aussage, Herr Minister.

Im Wahlkampf des vergangenen Sommers hatte die frühere Justizministerin Richstein noch den Aufbau einer umfassenden Beratung für Opfer angekündigt. Jetzt steht der Verein „Opferhilfe“ - den meinen wir - ebenso wie der Verein „Opferperspektive“ vor dem Aus. Das ist die Realität, die die Landesregierung anzubieten hat. Das ist die Glaubwürdigkeit der Koalitionsfraktionen, mit der wir uns auseinander zu setzen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der DVU)

Die momentane Situation ist folgende: Der Verein „Opferhilfe“ muss seine Beratungstätigkeit allein mit Reserven aufrechterhalten, die allerdings bis Anfang Juli aufgebraucht sein werden; so zumindest erklärte es der Vereinsvorsitzende Herr Beutke gegenüber der Presse am 23. März 2005. Danach sieht es für Opfer von Gewalttaten und schweren Verbrechen in Brandenburg schlecht aus. Indes gibt es keine anderweitige Finanzierungsplanung, auch wenn Sie, Herr Petke, gegenüber der Presse eine nebulöse neue Zuwendung als Verbesserung der Opferhilfe bezeichnet haben.

(Widerspruch des Abgeordneten Petke [CDU])

Bisher gibt es keine rechtlich gesicherten und nachvollziehbaren Finanzierungspläne, ob sie nun auf Lottomittel oder irgendwelche Umschichtungen abstellen. Mit Durchhaltepropaganda wurde noch nie einem Menschen geholfen. Das Angebot der

Regierungsfraktionen für das Projektfeld Opferberatung und Täter-Opfer-Ausgleich in Höhe von 45 000 Euro ist angesichts der zunehmenden Zahl von Verbrechensopfern nicht nur lächerlich, sondern nach Meinung meiner Fraktion auch eine Verhöhnung der Menschen, die durch schwere Gewalttaten in eine aussichtslose Lage geraten. Sie wissen, dass Bundesmittel zugunsten der „Opferhilfe“ bzw. „Opferperspektive“ an die notwendige Kofinanzierung gebunden sind. Wenn jetzt das Justizministerium gegenüber 180 000 Euro im vergangenen Jahr für den Verein „Opferhilfe“ nur 45 000 Euro für alle Organisationen der Opferberatung zur Verfügung gestellt haben sollte, dann kann sich der Dümmste ausrechnen, was letztlich an Beratungs- und Hilfeleistung im Lande übrig bleibt.

Die starre Haltung der Koalitionsfraktionen in diesem Hause ist für mich nicht nachvollziehbar. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass diese dem persönlichen Geiz geschuldet ist, weil wir die notwendige Anschubfinanzierung für die Dachstiftung unter anderem durch einen kleinen finanziellen Verzicht der Abgeordneten in diesem Hause in Gang bringen wollen.

(Beifall bei der DVU)

Dies wäre schäbig und aus Gerechtigkeitsgründen sicher unerträglich. Deshalb nochmals: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist damit erschöpft. Wir kommen zur Abstimmung über die beiden Vorlagen.

Die DVU-Fraktion beantragt als Erstes die Überweisung des Gesetzentwurfes in der Drucksache 4/932 an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Sache. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei wenigen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der DVU-Fraktion, den Antrag in der Drucksache 4/948 an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung, wenn ich das richtig sehe, mit großer Mehrheit abgelehnt.

Da der Überweisungsantrag abgelehnt worden ist, kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in Drucksache 4/948 in der Sache. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ohne Enthaltung mit großer Mehrheit abgelehnt.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 9 und wir kommen zum Tagesordnungspunkt 10:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz - BbgKWahlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2001, zuletzt geändert durch Artikel 7 Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 04. 06. 2003 (GVBl. I S. 172)

Gesetzentwurf der Fraktion der DVU

Drucksache 4/933

1. Lesung

Die Aussprache eröffnet der Abgeordnete Claus von der DVUFraktion.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wählertäuschung ist eines der größten Verbrechen an der Demokratie - auch auf kommunaler Ebene. Ohne Wahlen gibt es keine Demokratie. Zur Demokratie gehört unverzichtbar, dass in regelmäßigen Abständen der Wille der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg neu festgestellt wird und die Parteien ihre Kandidaten für die Kreistage und die Gemeindevertretungen aufstellen.

Der Wählerwille ist gerade auf kommunaler Ebene Grundlage für die Entscheidungen, weil es dort um elementare, die Bürgerinnen und Bürger betreffende Entscheidungen geht - seien es kommunale Abwasser- oder sonstige Abgabensatzungen, sei es die Einrichtung von Schulen oder Schwimmbädern bis hin zu ordnungsrechtlichen Regelungen des innerörtlichen Straßenverkehrs.

Gerade auf kommunaler Ebene ist daher das Wahlrecht ein besonders wichtiger Bestandteil der politischen Kontrolle. Nirgendwo anders tritt dem Wähler ein Kandidat greifbarer gegenüber als bei den Wahlen zu Gemeindevertretungen und Kreistagen.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Kommunalwahlen sind im Vergleich zu Wahlen zu übergeordneten Körperschaften weniger Programmwahlen; sie sind vornehmlich Personalwahlen. Je kleiner Gemeinden und Landkreise sind, umso intensiver ist der persönliche Bezug der Kandidaten zum Wähler. In vielen kommunalen Vertretungen werden die Kandidaten gewählt, mit denen man in Vereinen, in der Kirche, beruflich oder gar im persönlichen Umfeld zu tun hat. Deswegen ist bei der Kommunalwahl die Stimmabgabe an besonderes persönliches Vertrauen in Personen geknüpft und nicht an Parteizugehörigkeit oder politische Dogmen. Dementsprechend, meine Damen und Herren, ist das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger vielfach persönlich motiviert.

Angesichts dieser besonderen Sensibilität ist es umso verwerflicher, dass - wie bei den letzten Brandenburger Kommunalwahlen in einigen Fällen geschehen - namhafte und aussichtsreiche Kandidaten, die bereits als Repräsentanten kommunale Wahlämter innehatten, als Spitzenkandidaten auftraten oder auf höhere Listenplätze gesetzt wurden, um diese besondere Wählermotivation auszunutzen und Stimmen einzusammeln, obgleich diese Personen dann für das Wahlamt gar nicht zur Verfügung standen. Das ist Täuschung und Betrug am Wähler.

„Allgemeinheit der Wahl“ bedeutet, dass grundsätzlich auch jeder wählbar ist, der gewisse Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört nicht nur, dass Kandidatinnen und Kandidaten ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben müssen, um in vollem Umfang ihre bürgerlichen Ehrenrechte ausüben zu können, sondern dass die persönlichen und tätigkeitsbezogenen Verhältnisse auch eine unabhängige und verantwortungsbewusste Amtsausübung zulassen.

§ 12 des Kommunalwahlgesetzes enthält eine einschlägige Liste in Bezug auf hauptamtlich Bedienstete kommunaler Vertretungen, die diese unabhängige und dem freien Gewissen unterworfene Amtsführung kommunaler Vertreter gewährleistet. Diese Vorschrift nimmt allerdings kommunale Wahlbeamte wie Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister sowie die unserem Gesetzentwurf zugrunde liegende Problematik ausdrücklich aus. Genau diese Gesetzeslücke ist jedoch ursächlich für eine Reihe von geschehenen und für die Zukunft zu befürchtenden Wählertäuschungen durch große Parteien zulasten kleiner Konkurrenten. Diese Missstände sind zu beseitigen. Dem dient auch unser Gesetzentwurf. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen die Aussprache mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Petke für die Koalitionsfraktionen fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es mag ja so sein, dass es im Brandenburger Kommunalwahlrecht an der einen oder anderen Stelle Änderungsbedarf gibt, und es mag auch so sein, dass zum Beispiel die hauptamtlichen Bürgermeister ebenso wie die Amtsdirektoren im Land regelmäßig an uns herantreten und die Frage stellen, warum sie denn nicht in den Kreistag gewählt werden dürfen, warum es da einen Ausschluss gibt. Aber das, was Sie eben vorgetragen haben und was ja auch als Gesetzentwurf vorliegt, wird von unserer Seite nicht mitgetragen.

Ich glaube, dass die Menschen in Brandenburg sehr wohl wissen, wer auf dem Wahlzettel steht - es steht ja auch der Name darauf -, dass sie sehr wohl wissen, wer sich dahinter verbirgt.