Protokoll der Sitzung vom 31.08.2005

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Senftleben.

Trotz der Anfrage? Ich habe das Gefühl, dass meine Redezeit heute etwas kurz war.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Sie war sehr lang!)

Ich will noch darauf hinweisen - danke für Ihren Zwischenruf -, dass wir auch eine generelle Zweizügigkeit von Förderschulen nicht mittragen werden. Man muss darüber nachdenken und prüfen, wo man sinnvollerweise Verbindungen von Oberschulen und Förderschulen realisieren kann, aber wir sind nicht für die generelle Zweizügigkeit von Förderschulen im Land Brandenburg.

Die Schulgesetznovelle ist in der Erarbeitung. Wir werden viele Hinweise und Vorschläge einarbeiten, aber mit Sicherheit werden wir als Union uns nicht von Herrn Wocken leiten lassen, denn er kennt anscheinend die Realitäten und Bedingungen im Land Brandenburg nicht genügend. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. Das Wort erhält die Landesregierung. Es spricht Herr Minister Rupprecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema „Weiterentwicklung sonderpädagogischer Förderung“ wurde, wie schon erwähnt, wiederholt im Ausschuss für Bildung, Ju

gend und Sport, letztmals in der Sitzung am 18.08.2005 - das ist noch nicht lange her -, beraten. Am 02.06.2005 - auch darauf ist mehrfach hingewiesen worden, was ich für wichtig halte - fand außerdem eine Anhörung zur sonderpädagogischen Förderung statt.

Mein Haus - jetzt komme ich zu meinem Aufgabengebiet - ist weiterhin intensiv damit befasst, das Gesamtkonzept für die sonderpädagogische Förderung fortzuschreiben. Wichtige Innovationen und Maßnahmen wurden bereits ab dem 1. August 2005 in Kraft gesetzt; freundlicherweise hat Frau Große einiges schon erwähnt. Ich will die Liste jedoch komplettieren. So wurde die Erstellung eines Förderplans für jede Schülerin und jeden Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit der Novellierung der Sonderpädagogikverordnung zum 1. August 2005 verpflichtend eingeführt.

Weiterhin gab es eine Neukonzeption des Feststellungsverfahrens, über das bereits gesprochen wurde, zur Vereinfachung des Verfahrens für spezielle Fallgruppen. Zur Optimierung der Förderung besonders von Schülerinnen und Schülern mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen wurde neben der Stufe 1, Grundfeststellung, die Stufe 2, förderdiagnostische Lernbeobachtung, eingeführt, bei der die Förderschullehrkräfte präventiv in der Regelschule tätig werden. Weitere Details hierzu sind in der ebenfalls zum 1. August 2005 in Kraft gesetzten Verwaltungsvorschrift Feststellungsverfahren geregelt.

Mit der Novellierung der Sonderpädagogikverordnung wurde auch eine neue Stundentafel für die Jahrgangsstufen eins bis zehn der Allgemeinen Förderschule in Kraft gesetzt. Eine weitere Neuerung sind die in Kooperation mit dem Land Berlin entwickelten Rahmenlehrpläne für Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen. Diese Rahmenpläne orientieren die Lehrkräfte hinsichtlich ihres Unterrichts auf die Arbeit mit Leitthemen, eine Form der Unterrichtsarbeit, die die fachbezogenen Lerninhalte für die Schülerinnen und Schüler möglichst lebensnah aufbereiten soll. Die neu festgelegte Stundentafel ist eine Voraussetzung dafür.

Mit Beginn des Schuljahres 2005/2006 wird die Einführung der Rahmenlehrpläne in einem zweijährigen Implementierungsprozess begleitet. Im Rahmen der Diskussion zur Schulgesetznovellierung wird die Konzeption zur sonderpädagogischen Förderung weiterentwickelt. Dies umfasst unter anderem die Verkürzung des Bildungsgangs der Allgemeinen Förderschule auf die Jahrgangsstufen drei bis zehn sowie die Stärkung der Förderarbeit in den Jahrgangsstufen eins und zwei der Grundschulen durch den Ausbau des Ihnen bekannten FLEX-Modells des gemeinsamen Unterrichts und der förderdiagnostischen Lernbeobachtung. Um den Schülerinnen und Schülern der Allgemeinen Förderschule einen KMK-anerkannten Abschluss zu ermöglichen und damit die Ausbildungsfähigkeit eines jeden Jugendlichen zu erhöhen, soll die Rückführung von geeigneten Schülerinnen und Schülern auf die Oberschule bzw. auf die verbliebenen Gesamtschulen stärker unterstützt werden.

Angesichts dieser weit reichenden Initiativen - das haben Sie schon vorhergesehen, Frau Große - besteht aus meiner Sicht, wie wir auch schon im Ausschuss kundgetan haben, derzeit kein Handlungsbedarf zur Erarbeitung eines weiteren Konzepts zur sonderpädagogischen Förderung, auch wenn ich nicht verhehlen möchte, dass es weiterhin viel Arbeit zum Wohle der

betroffenen Kinder gibt. Dabei stehen wir zu unserer Verantwortung, Frau Große. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Rupprecht. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 16 angelangt. Ich stelle die Beschlussempfehlung zur Erarbeitung eines Konzepts zur sonderpädagogischen Förderung, Drucksache 4/1751, zur Abstimmung. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mit einer merklichen Anzahl von Gegenstimmen ist die Beschlussempfehlung ohne Enthaltungen angenommen worden.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 16 und rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Berichterstattung der Landesregierung über die voraussichtlichen Folgen einer weiteren EU-Osterweiterung auf Brandenburg

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1754

Der Abgeordnete Nonninger eröffnet die Debatte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel des heutigen Antrags der DVU-Fraktion ist es, die Landesregierung aufzufordern, bis zum 31. Dezember dieses Jahres einen Bericht vorzulegen, der über die auf unser Land Brandenburg zukommenden Folgen einer künftigen Erweiterung der Europäischen Union durch die neuen Beitrittsländer informiert. Der Bericht soll die Auswirkungen erläutern, die sich durch den Beitritt weiterer europäischer Länder wie Rumänien und Bulgarien sowie durch den angestrebten Beitritt der Türkei ergeben. Dabei sollten alle wichtigen gesellschaftlichen Bereiche, insbesondere aber die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt, die demografische Entwicklung, Soziales, Familie und Bildung sowie die Infrastruktur berücksichtigt werden.

Ein reichliches Jahr ist es nun her, seit weitere acht mittel- und osteuropäische Staaten sowie Malta und Zypern der Europäischen Union beitraten. Noch nie wurden so viele Staaten gleichzeitig in die Europäische Union aufgenommen und noch nie waren die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den alten und den neuen EU-Staaten so groß. Die Herausforderungen und Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller sowie rechts- und sicherheitspolitischer Art könnten größer nicht sein. Eines der Hauptprobleme ist die gewaltige Last der Finanzierung, die nach Lage der Dinge zu einem unverhältnismäßig hohen Teil die deutschen Steuerzahler auch in Zukunft zu tragen haben werden.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist für die neuen Länder zwar durch die Übergangsfristen noch eingeschränkt; dennoch gilt die Dienstleistungsfreiheit. Hier gelten nur noch für wenige Betriebe Übergangsregelungen. Fakt ist: Durch die Dienstleis

tungsfreiheit kommt es auch zur Aushöhlung der eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Selbstständige aus den Beitrittsländern können sich in den alten Mitgliedstaaten niederlassen und ohne Einschränkung Dienstleistungen auch in den Ausnahmebereichen erbringen.

Die bisherigen Auswirkungen sind für Deutschland sowie insbesondere für die Grenzregion Berlin-Brandenburg beträchtlich und bedürfen einer eingehenden Analyse. Nach einer Statistik des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, ZDH, kam im letzten Jahr in manchen deutschen Großstädten jeder dritte Betriebsgründer aus den Beitrittsländern. So hat sich beispielsweise die Zahl der Betriebe von Fliesenlegern oder Gebäudereinigern mancherorts verdoppelt.

An der Tagesordnung ist die so genannte Scheinselbstständigkeit. So werden unter anderem osteuropäische Putzfrauen, die in Deutschland normalerweise nicht als Arbeitnehmerinnen beschäftigt werden dürfen, mit Bussen hergebracht und für die Reinigung von Hotels eingesetzt. Die Reinigungsunternehmen melden für die Frauen einfach ein Gewerbe an. Die gesetzlichen Anforderungen sind so gering, klagte der ZDH, dass sie meist problemlos zu erfüllen seien. Man habe das bei den Beitrittsverhandlungen mit den osteuropäischen Staaten vorausgesehen und davor gewarnt, so der ZDH. Doch deutsche Politiker konnten oder wollten das nicht zur Kenntnis nehmen. Das dringend notwendige Handeln blieb jedenfalls wieder einmal aus.

Ich rufe hier das wohl bekannteste Beispiel der innerhalb von wenigen Monaten arbeitslos gewordenen rund 30 000 Fleischarbeiter in Erinnerung. Die DVU-Fraktion hatte bereits mehrfach in zahlreichen Debatten auf die dramatischen Folgen für den Arbeitsmarkt hingewiesen. Das Schlimme an der jetzigen Situation ist, dass den deutschen Behörden weitgehend die Hände gebunden sind; denn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verträge obliegt den Herkunftsländern der Subunternehmer. Die Verträge sind offiziell in Ordnung; der Lohn und die Arbeitsbedingungen sind es jedoch nicht. Mit der Dienstleistungsfreiheit seien alle Dämme gebrochen, sagte Staatsanwalt Südbeck, der sich mit diesen Fällen befasst hat.

Die DVU-Fraktion fordert von den verantwortlichen Politikern die Beseitigung der Missstände, bevor auch nur im Entferntesten daran gedacht werden kann, weitere Länder in die EU zu holen. Der Schutz deutscher Arbeitsplätze muss an erster Stelle stehen.

(Beifall bei der DVU - Zuruf von der SPD: Sie meinen den Schutz deutscher Arbeitskräfte!)

In ökonomischer Hinsicht war schon die vergangene Osterweiterung nicht bis zu Ende gedacht. Jetzt bekommen es die Deutschen zu spüren. Eine Erkenntnis macht sich immer mehr breit: Der neue Aufbau Ost ist nicht bezahlbar. Gerade mit der überstürzten Aufnahme von ganz Osteuropa hat sich die EU außerstande gesetzt, weiter zu liberalisieren und der Freiheit der Märkte neuen Raum zu verschaffen.

(Bochow [SPD]: Sie müssen in Brüssel nicht zugehört haben!)

Das vorläufige Scheitern der Dienstleistungsrichtlinie, das Scheitern des Verfassungsvertrages und das Scheitern der EUFinanzierung belegen, dass die Europäische Union in eine tiefe

Krise gestürzt ist. Für die deutschen Politiker ist es allerhöchste Zeit zum politischen Handeln. Darauf gehe ich im zweiten Teil meiner Ausführungen näher ein.

(Beifall bei der DVU)

Damit geht das Wort für den nächsten Debattenbeitrag an die Abgeordnete Richstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise freue ich mich, wenn wir hier im Landtag über das Thema Europa debattieren können. Noch mehr freute es mich allerdings, wenn solche Debatten auch eine ernsthafte Grundlage hätten. Der uns heute vorliegende Antrag auf Berichterstattung der Landesregierung über die voraussichtlichen Folgen einer weiteren EU-Osterweiterung auf Brandenburg ist meines Erachtens sowie nach Auffassung der Koalitionsfraktionen entbehrlich. Hier werden, wie so oft, von der DVU Ängste geschürt, die jeder Grundlage entbehren.

Wir wissen, dass wir in Europa derzeit eher einen Weg der Konsolidierung als einen Weg der Erweiterung gehen müssen. Ich teile Ihre Auffassung nicht, dass sich Europa in einer Krise befindet. Wenn man aber weiterhin mit dem Thema so umgeht, wie Sie es hier versuchen, dann wird Europa in eine Krise gestürzt werden. Wir müssen den Menschen Europa erklären und dürfen Europa nicht zu einem Feindbild hochstilisieren.

Wenn ich mir die Begründung Ihres Antrags anschaue, wo es heißt, dass sich der rapide Geburtenrückgang und die Abwanderung aus fast allen berlinfernen Regionen des Landes mit der EU-Osterweiterung begründe, dann frage ich mich, wie Sie auf solche Zusammenhänge kommen. Ich glaube nicht, dass in Deutschland nur aufgrund der EU-Erweiterung mehr oder weniger Kinder geboren werden. Auch wird mitnichten eine Abwanderung aus Brandenburg in die neuen Mitgliedstaaten stattfinden.

Die Erfahrungen mit der letzten EU-Erweiterung haben uns gezeigt, dass die Befürchtung, dass Deutschland von mittel- und osteuropäischen Arbeitnehmern überschwemmt würde, unsinnig ist. Dies konnte schon aufgrund der Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht erfolgen. Aber auch die Hoffnungen der Länder, die darauf gewartet haben, dass Fachkräfte aus Mittel- und Osteuropa zu ihnen kommen - ich denke hier etwa an Skandinavien, wo man medizinisches Personal gesucht hat -, sind nicht erfüllt worden. Wir sollten hier also keine solche Panikmache veranstalten, sondern den Menschen Europa erklären.

Wir brauchen ein Europa der Konsolidierung. Es ist bereits beschlossen, dass im Jahre 2007 Bulgarien und Rumänien beitreten werden. Nun ist es geboten, diesen Ländern die notwendigen Hilfen zu geben, damit sie die EU-Standards bis zu diesem Zeitpunkt erreichen können. Aber wir sollten uns nicht mit derart nutzlosen Berichterstattungen die Zeit vertreiben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Frau Richstein. - Wir setzen mit der Fraktion der Linkspartei.PDS fort. Der Abgeordnete Hammer spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich zu DVU-Anträgen generell nur mit großem Unmut Stellung nehme. Seit heute Morgen hat sich dieser Unmut noch verstärkt. Frau Fechner, ich fordere Sie auf, niemals wieder Anleihen bei meiner Biografie aufzunehmen. Mein Unmut verstärkt sich auch dadurch, dass am 4. Juli 2005 die NPD in Sachsen einen ähnlichen Antrag eingebracht hat, der die gleiche Europafeindlichkeit und den gleichen nationalen Hochmut atmet. Insofern kann ich nur sagen: Verschonen Sie uns in Zukunft bitte mit Anträgen zum Thema Europa. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Hammer. - Das Wort erhält die Landesregierung. - Bei ihr scheint kein Redebedarf gegeben zu sein. Also rufe ich noch einmal den Abgeordneten Nonninger auf.

Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Richstein, mit keinem Wort wurde in unserem Antrag die EU für Abwanderung und Geburtenschwäche verantwortlich gemacht. Das ist falsch. Unser Antrag zielt nur darauf ab, dass man sich aufgrund der schwierigen Situation in Brandenburg bereits im Vorfeld Gedanken machen sollte, welche weiteren Schwierigkeiten auf unser Land zukommen werden.

(Beifall bei der DVU - Bochow [SPD]: Sie können Ihren eigenen Antrag nicht lesen!)

- Ich kann es, aber Sie wahrscheinlich nicht. Zumindest verstehen Sie ihn nicht.