Protokoll der Sitzung vom 28.09.2005

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle Gäste vom Berufsförderungswerk Oberhavel aus Mühlenbeck begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort erhält die DVU-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Claus. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es gibt das schöne Sprichwort: „An den Taten sollt ihr euch messen!“ Was hat die Linkspartei.PDS-Fraktion, bei der schlicht nichts zu messen ist, im Hinblick auf die Gemeindegebietsreform mit dieser Landesregierung vor? Die Linkspartei.PDS-Fraktion hat im Innenausschuss und im Plenum durchweg ihre Fundamentalopposition betrieben. Herr Schulze hat es auch schon bestätigt. Er war jahrelang Vorsitzender des Innenausschusses und hat damals die Sitzungen zur Gemeindegebietsreform sehr gut vorbereitet und sehr gut geleitet.

(Sarrach [Die Linkspartei.PDS]: Kann ja nicht sein! Wir hatten ein ganzes Gesetz dazu! Kann überhaupt nicht stim- men!)

Wir, die DVU, sind einen anderen Weg gegangen. Wir wollten die Gemeindegebietsreform mit den Bürgern und im Bürgerinteresse vor Ort durchführen, soweit es im Sinne der Leitlinie irgend vertretbar war. Das war unsere Geschäftsgrundlage für die Gemeindegebietsreform. Auf dieser Grundlage haben wir im Innenausschuss erörtert, Sachverhalte einzeln bewertet und sind zu unseren Ergebnissen gekommen. Diese haben in unseren Änderungsanträgen und im Stimmverhalten ihren Niederschlag gefunden.

Dabei mussten wir eine ganze Reihe von Vorschlägen der Landesregierung schon deshalb ablehnen, weil bei der Bürgerbeteiligung nicht genügend über die Alternativen gesprochen und nicht genügend nachgedacht wurde. Seither ist einige Zeit fast zwei Jahre - ins Land gegangen. Wir sind dennoch der Ansicht, dass die Fragen der Akzeptanz und der Identifikation zumindest unterschwellig - weiterhin das Problem sind und deswegen nach wie vor im Vordergrund stehen müssen.

Nur eine Bemerkung des Innenministers am Rande des Wahlkampfes reicht aus, um alte Wunden wieder aufzureißen. Dem werden, so meine ich, die Fragen der PDS schon zum Teil gerecht. Von insgesamt 94 Fragen, die gestellt wurden, betreffen nur die Fragen 8 bis 15, 29 bis 34, 44 bis 46 und 65 bis 81 diesen Kern des Problems.

Zu den anderen Fragen ist anzumerken: Sie werden mir doch nicht allen Ernstes erzählen wollen, meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS-Fraktion, dass Sie sich nun dem neoliberalen Zeitgeist der Effizienz verschrieben haben.

(Beifall bei der DVU)

Sie verfolgen doch nicht das Ziel, konstruktiv etwas zu bewirken, sondern agieren nach Kindergartenmanier: „Hi, hi, klappt nicht!“, nur der Stimmungsmache wegen. So und nicht anders sieht es aus.

(Genau! bei der Linkspartei.PDS )

Nur so erklärt sich, dass Ihre Fragen auch nicht ansatzweise darauf abzielen, ob die Landesregierung etwa den einen oder anderen Änderungsbedarf sieht. Nein, nicht! Etwas Konkretes kann man dazu auch nicht sagen. Das ergibt sich dann natürlich auch

nicht aus den Antworten der Landesregierung, auf die schon aus Zeitgründen im Einzelnen nicht eingegangen werden kann.

Natürlich wird hier vieles schöngeredet, das ist klar. Das betrifft beispielsweise die Akzeptanz bei den Ortsteilen. Bei den Antworten zu Effizienz, Kosten und Nutzen kommt völlig zu kurz, dass es aufgrund der Vorgehensweise positive und negative Synergieeffekte gibt, insbesondere im Hinblick auf das freiwillige Engagement der Bürger in den Ortschaften.

Ein Komplex ließe sich durchaus lösen, meine Damen und Herren, wenn man nur wollte. Das betrifft die Fragen 29 bis 34 und 65 bis 81 zu den Ortsteilen und zur lokalen Identität. Dazu hatten wir beizeiten einen Antrag eingebracht, der die Ortsteile maßgeblich stärkt, die Effizienz sichert, ihnen eigene Rechte gibt sowie die eigenen Zuständigkeiten nebst Finanzmitteln sichert. Wären Sie diesem gefolgt, hätten wir heute keine Probleme.

(Beifall bei der DVU)

Es ist kein Problem, meine Damen und Herren, es wieder aufzugreifen. Ein Hinweis genügt.

Da also aus unserer Sicht weder die Fragen der Linkspartei.PDS-Fraktion noch die Antworten der Landesregierung weiterführen - entscheidend ist in der Demokratie nicht, was die Linkspartei.PDS denkt oder was Minister Schönbohm will, sondern was der Bürger davon hält -, schlagen wir Folgendes vor, um die Situation zu entknoten:

Die Landesregierung lässt ihre Späher und Seher in die Lande ausschwärmen und fertigt wie zur Polizeistrukturreform zu den Ergebnissen der Gemeindegebietsreform bis, sagen wir einmal, Mitte 2006 einen Evaluierungsbericht an, allerdings mit der deutlichen Auflage, dass auch Defizite und deren Korrektur abzuhandeln sind. Diesen Bericht machen wir dann zur Beratungsgrundlage - nicht im Plenum, sondern zuerst im Innenausschuss. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält die CDU-Fraktion. Es spricht Herr Abgeordneter Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Gemeindereform ist ein voller Erfolg und sie hat zu einer deutlichen Stärkung der kommunalen Ebene in Brandenburg geführt.

Ich möchte meinen Beitrag mit der Vorgeschichte der Gemeindereform einleiten:

Die Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg war nach der Landtagswahl 1999 - darin waren sich alle einig, auch die, die die Reform letzten Endes abgelehnt haben - überfällig. Es war durchaus ein schmerzhafter Prozess, auch in meiner eigenen Partei und in der eigenen Fraktion, sich diesem Thema so zu nähern, wie es sachlich geboten war. Wir haben mit der Ab

wicklung der Gemeindegebietsreform Maßstäbe in Brandenburg gesetzt, wie man eine Reform erfolgreich durchführt und dabei einen Großteil der von der Gemeindegebietsreform Betroffenen mitnimmt und erfolgreich Überzeugungsarbeit leistet. Die Gemeindegebietsreform war beispielhaft in der Vorbereitung und in der Durchführung; sie hat die Gestaltungskraft und die Stärke unserer Kommunen im Land deutlich erhöht.

Zurück zur damaligen Situation. Umstritten war nicht so sehr das Ob, sondern vielmehr das Wie. Ich darf sagen, dass die damalige Kritik - ich habe in diesem Reformprozess über 200 Veranstaltungen vor Ort besucht und mich der Diskussion gestellt, wie andere Kollegen im Plenum auch - nicht gerechtfertigt war und die geäußerten Befürchtungen nicht eingetreten sind.

Die Gemeindegebietsreform ist zum einen rechtlich belastbar. Die Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts sprechen eine ganz deutliche Sprache. In der Mehrheit der angestrengten Verfassungsbeschwerden gegen die Gemeindegebietsreform haben die Landesregierung und die Mehrheit des Landtags Recht behalten.

Die Gemeindegebietsreform hat nicht nur zu einer Stärkung der Kommunen des Landes geführt, sondern sie ist auch von den Bürgern vor Ort angenommen worden. Sie ist sowohl von den direkt Betroffenen, den kommunalen Vertretern, als auch von den Bürgerinnen und Bürgern der betroffenen Gemeinden angenommen worden. Befürchtungen - das sage ich ausdrücklich -, dass man nicht zusammenwachse, haben sich in der Mehrzahl der Fälle als unbegründet herausgestellt.

Von dieser Stelle aus danke ich ganz besonders denjenigen, die sich vor Ort darum verdient gemacht haben. Angesichts des Kollegen Niekisch fällt mir ein, wie sich die Bürgerinnen und Bürger kleiner Gemeinden mit 200 bis 300 Einwohnern hier in Potsdam wiedergefunden haben. Sie wurden in eine Landeshauptstadt mit weit über 100 000 Bürgerinnen und Bürgern eingemeindet; die Gemeindegebietsreform versteht und erlebt man auch dort als Vorteil. Wir verzeichnen also eine Stärkung der kommunalen Ebene und eine ganz klare Stärkung des kommunalen Rechts auf Selbstverwaltung.

Sehr geehrter Herr Kollege Theel, Sie haben die Gemeindegebietsreform damals als Bürgermeister miterlebt. Ich kann nur davor warnen, die finanzielle Situation, unausgeglichene Haushalte der einen oder anderen Gemeinde, mit der Gemeindegebietsreform in Verbindung zu bringen. Sie wissen - jeder weiß das -, dass dies viele Ursachen hat; es ist nicht korrekt, wenn die Gemeindegebietsreform dafür ursächlich verantwortlich gemacht wird.

Was die Ortsteilverfassung angeht, so haben wir damals im Innenausschuss darum gerungen und dann eine Ortsteilverfassung verabschiedet, die bundesweit ihresgleichen sucht.

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS)

Diese Ortsteilverfassung ist in der freiwilligen Umsetzung der Gemeindegebietsreform zu über 90 % angenommen worden und sie funktioniert. Ich kann die vorhin geäußerte Meinung, dass sich diese Verfassung nicht bewährt habe, überhaupt nicht teilen.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Das ist Schönfärberei!)

Die Gemeindegebietsreform war aber auch - das gehört ebenso zur Betrachtung - beispielgebend für die Verweigerungshaltung der Opposition. Sie haben - Sie können mich in diesem Punkt gern korrigieren, wenn ich das vielleicht nicht richtig wiedergebe

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS)

das Ob damals nicht infrage gestellt. Vielmehr haben Sie auf Veranstaltungen Ihres kommunalpolitischen Forums, die ich besucht habe, das Wie infrage gestellt.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Das ist Politik!)

- Das kritisiere ich auch gar nicht, Frau Kollegin Kaiser.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Wir haben uns nicht verweigert!)

Die Verweigerung kam nicht zum Ob, das Verweigern, Frau Kollegin Kaiser, setzte ein, als es dann um die Frage ging, wie man es konkret macht und welches Modell wir wählen.

Meines Erachtens haben wir mit der amtsfreien Gemeinde und der Beibehaltung der Ämter unter bestimmten Voraussetzungen ein Beispiel dafür gesetzt, wie man die Gemeindegebietsreform vernünftig angeht. Der Verweigerung der Opposition stand das Verhalten der Koalition gegenüber, die hierbei bewiesen hat, dass sie Reformen im Land umsetzen kann und die Menschen dabei mitnimmt; ich erinnere an das Ergebnis der Kommunalwahl nach der Gemeindegebietsreform.

Ganz wichtig ist, dass die Koalition hierbei bewiesen hat, dass sie die erforderliche politische Stärke und Geschlossenheit besitzt, um ein solches großes Reformvorhaben gemeinsam zu meistern. Insofern ist diese Reform für mich und die CDUFraktion auch ein gutes Beispiel dafür, wie man die Zusammenarbeit in der Koalition in Zukunft gestalten kann, vor allen Dingen hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen dem Landtag und der Landesregierung.

(Beifall des Abgeordneten Lunacek [CDU])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Osten?

Bitte, Frau Osten.

Herr Petke, nehmen Sie zur Kenntnis - ich nehme es Ihnen gar nicht übel, wenn Sie es nicht wissen, denn damals waren Sie noch nicht im Landtag -, dass in der Wahlperiode von 1994 bis 1999 zehn Abgeordnete anderthalb Jahre lang im Rahmen ei

ner Enquetekommission, die übrigens auf Antrag der PDSFraktion zustande gekommen ist, gearbeitet haben, um das Wie zu besprechen, und dass es einen sehr ausführlichen Bericht über deren Ergebnis gegeben hat?