Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Christoffers, Sie wissen, dass ich Ihnen immer sehr aufmerksam zuhöre. Deshalb muss ich auf das, was Sie gesagt haben, reagieren.
Erstens: Das war heute eine Regierungserklärung zu einem ganz bestimmten Thema. Das war so angekündigt. Dieses Thema lautete nicht etwa, die Welt in ihrer Gänze zu erklären oder zur Föderalismusreform oder am Ende noch zu CIA-Flügen und Ähnlichem Stellung zu nehmen, sondern es ging ganz klar um die neue Konturierung der Förderpolitik in unserem Lande.
Das muss man erst einmal feststellen, wenn Sie jetzt einen solchen Weltentwurf erwarten und alles aufzählen, was Kollegen in den letzten drei Tagen sonst noch zur Entwicklung in der Bundesrepublik gesagt haben. Das war nicht Thema dieser Regierungserklärung.
Zweitens bitte ich zu berücksichtigen - ich habe es in meiner Regierungserklärung expressis verbis auch zum Ausdruck gebracht -, dass wir mitnichten der Meinung sind, immer und zu jedem Zeitpunkt die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Ganz im Gegenteil. Wir haben deshalb zehn Regionalkonferenzen abgehalten, um den gesamten Input, der möglich ist, mit einzubringen, aufzunehmen und umzusetzen. Natürlich haben Sie Recht, man kann auch 100 oder 500 solcher Veranstaltungen organisieren, aber dann tut sich gar nichts mehr im Lande. Irgendwann muss nach einer demokratischen Diskussion auch eine Entscheidung getroffen werden. Denn Regieren heißt auch zu entscheiden und zu führen; sonst passiert im Lande nichts mehr.
Drittens: Sie haben es nicht unterstellt, aber bei Ihrer Fraktionsvorsitzenden klang etwas ganz klar an, was ich nicht zulassen werde. Wir - beide Koalitionspartner - haben an vielen Stellen immer wieder sehr deutlich gesagt: Was wir jetzt machen, baut auf einer großen Leistung der Menschen in Brandenburg in den letzten 15 Jahren auf. Dass wir heute auf 16 Zukunftsbranchen und auf 15 Wachstumskerne und -regionen setzen können, hat damit zu tun, dass mit guten Ideen und viel Kreativität, auch mit einer guten Regierungsarbeit, das im Land überhaupt entstehen konnte, auf dem wir heute aufbauen.
Davon lassen wir nicht irgendetwas in Abrede stellen. Allerdings kommt immer im Leben der Zeitpunkt, zu dem die herkömmlichen Mechanismen nicht mehr ausreichen, zu dem weiterentwickelt und umgesteuert werden muss. Dieser Zeitpunkt ist jetzt erreicht.
Aber eines - das ist mein vierter Punkt - will ich hier auch ganz klar sagen: Diese Regierungskoalition wird nicht zulassen, dass die Leistungen, die Chancen und die Möglichkeiten dieses Landes klein- und schlechtgeredet werden, sondern wir werden in diesem Lande Mut machen. Ich weiß, das Lebenselixier der PDS ist es, die Chancen des Landes kleinzureden; denn ansonsten würde sich niemand um Sie kümmern.
Wir aber wollen den Menschen Chancen geben und darüber reden. Das werden wir auch zukünftig machen. - Danke.
Deswegen will ich - erstens - feststellen: Meine Fraktion, die der Linkspartei.PDS, hat die Leistungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger immer gewürdigt und nie versucht, positive Entwicklungen schlechtzureden.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass Opposition und Regierung bei einer ganzen Reihe von Standortentscheidungen - damit meine ich ausdrücklich nicht die Chipfabrik, sondern ich denke an Rathenow und viele weitere Standorte - gemeinsam agiert und versucht haben, Entwicklungen sicherzustellen. Ich finde es schlicht und ergreifend unfair, in der aktuellen Situation aus Gründen der politischen Opportunität so zu tun, als würden die Fraktion der Linkspartei.PDS oder meine Fraktionsvorsitzende Leistungen der Brandenburgerinnen und Brandenburger kleinreden oder positive Entwicklungen negieren. Das haben wir nicht getan und das werden wir auch nicht tun. Das ist nicht der politische Anspruch, mit dem wir hier im Landtag Brandenburg agieren.
Zweitens: Herr Ministerpräsident, ich hatte nicht die Erwartungshaltung, dass Sie Gott und die Welt erklären würden. Wenn Sie die Bedingungen selbst benennen - Verengung unseres finanziellen Rahmens ab 2007 bis 2019, Entscheidungen auf Bundesebene im Rahmen der Föderalismusdebatte - und wenn sich andere Ministerpräsidenten dazu positionieren, dann hätte ich von Ihnen aber erwartet, dass Sie diesen Kontext aufnehmen.
Das wäre eine Begründung für die Veränderung der Bund-Länder-Beziehungen gewesen; denn wir brauchen gesellschaftliche Mehrheiten, wenn wir für eine Veränderung von Förderlogik und Förderstruktur werben. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem, was alles gesagt wurde, ist es jetzt, zu so einem späten Zeitpunkt, relativ schwierig, in die Debatte einzusteigen; ich werde es dennoch versuchen.
Wir standen vor 16 Jahren vor großen Herausforderungen, die im Wesentlichen mit der Teilung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiedervereinigung zusammenhingen. Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind aber nicht kleiner geworden. Immer noch haben wir das Problem, die Nachwirkungen der deutschen Teilung miteinander bewältigen zu müssen. Hinzu kommt etwas, was wir unter dem Stichwort Globalisierung zusammenfassen. Eine Epoche geht zu Ende. Über 200 Jahre, vielleicht länger, war die Quelle des deutschen Wohlstandes, dass die Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt höher als in vielen anderen Teilen der Welt war.
Diese Zeit ist vorbei. Mittlerweile sind andere genauso gut, manchmal sogar besser als wir. Wir stehen heute in einem Wettbewerb der Regionen. Damit meine ich nicht den Wettbewerb zwischen der Lausitz und der Uckermark oder zwischen Berlin und Brandenburg, sondern den Wettbewerb unter den europäischen, aber auch mit den außereuropäischen Regionen. Auf diesem Feld wird sich der Erfolg unserer Wirtschaftspolitik entscheiden. Wenn wir den Blick dafür verlieren, fangen wir an, uns etwas vorzumachen.
Deswegen ist die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik - und damit der Förderpolitik - unausweichlich. Es ist das Verdienst von Matthias Platzeck, diese Neuausrichtung angestoßen und damit einen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der unterdessen zu durchaus wesentlichen Ergebnissen geführt hat.
Die eingeschlagene Richtung stimmt: Die Förderpolitik wird stärker regional und sektoral konzentriert. Unterschiedliche Förderprogramme werden gebündelt und Anreize zur Selbstorganisation gesetzt; zwischenzeitlich erfolgt die Umsetzung. Wir haben einen Prozess angeregt, der weitergehen und zu neuen Antworten führen wird.
Denn es bleiben immer noch Fragen offen. Wir wissen jetzt, wie wir mit einigen Regionen Brandenburgs umgehen. Wir wissen aber auch, dass andere Länder klarere Prioritäten gesetzt und sich zum Beispiel auf wenige Branchen als Kompetenzschwerpunkte verständigt haben. Insofern ist zu erwarten das ist heute schon deutlich geworden -, dass auch in Brandenburg die Förderpolitik weiter konzentriert werden muss. Wir werden diesen Prozess miteinander diskutieren und gestalten müssen.
Größere Sorgen bereitet mir eine andere Frage: Welche Strategie haben wir für die Nutzung des Potenzials des Berliner Umlandes? Haben wir überhaupt eine Strategie bzw. ein Konzept? Damit bin ich bei einem Schlüsselthema für unsere Region Berlin-Brandenburg. Brandenburg bildet keine eigene Wirtschaftsregion und darf nicht isoliert betrachtet werden. Wirtschaft und Wissenschaft in Brandenburg sind ganz klar und untrennbar mit Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin verbunden. Wir haben einen gemeinsamen Wirtschaftsraum und einen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Nur gemeinsam sind wir stark. Nur gemeinsam können wir erfolgreich - oder auch weniger erfolgreich - sein.
Das geht nicht bloß uns so. Europaweit sind Metropolenregionen derzeit ein ganz wesentlicher Bereich der Diskussion. Metropolenregionen bilden sich heraus und stehen miteinander im Wettbewerb. Diese Regionen versuchen etwas, was auch wir versuchen müssen, nämlich alle ihre Stärken in der Gesamtregion, der Metropole und ihrem Umland - deswegen „Metropolenregion“ -, in die Waagschale zu werfen. Nur wenn dies gelingt, wird man erfolgreich sein.
In Deutschland gibt es elf Metropolenregionen. Dazu gehören Frankfurt am Main, Hamburg und München. Dort werden zwischenzeitlich Konzepte entwickelt - und zwar in der gesamten Region! -, um die Kräfte zu bündeln.
Seit einiger Zeit liegen Vergleichszahlen vor. Ich will nichts schlechtreden, aber doch deutlich machen, dass es durchaus noch Punkte gibt, die einen nachdenklich stimmen müssen; denn anhand der Vergleichszahlen wird deutlich, dass wir an manchen Stellen gar nicht so gut aussehen, wie wir denken. Zum Beispiel kommt bei uns auf 2,9 Einwohner ein Arbeitsplatz. In der Metropolenregion München sind es 1,7 Einwohner, in Madrid 2,3 und in Warschau 2,5. Auch in Warschau ist also das Verhältnis mittlerweile besser als bei uns.
Wenn man sich das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt - nach Kaufkraftstandards - betrachtet, stellt man fest: Bei uns beträgt es 19 000 Euro. In München sind es 40 000 Euro; ich glaube, das verwundert hier niemanden. In Madrid liegt der entsprechende Wert bei 26 000 Euro, in Warschau bei 20 000 Euro - 1 000 Euro mehr als bei uns! Dort sind Entwicklungen im Gange, die sich nicht nur in höheren Wachstumsraten manifestieren; auch hinsichtlich der Ist-Werte ist man dort dabei, uns zu überholen. Das muss für uns Anlass sein, unsere Kräfte noch stärker als bisher zu bündeln. Wir stehen ein Stück weit in der Gefahr, von den dort ablaufenden Entwicklungen abgehängt zu werden.
Damit komme ich auf den Punkt. Ich habe die Frage gestellt, ob wir ein Konzept, eine Strategie haben, wie wir mit dem Umfeld von Berlin umgehen wollen. In allen anderen Metropolenregionen ist ein Konzept für das Umland um den Metropolenkern herum ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Gesamtstrategie.
Richtig ist: Die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg hat sich in den letzten Jahren verbessert. Viele Punkte lassen sich nennen; das ist auch durch die Presse gegangen. Die Verbesserungen dauern aber zu lange, wir sind zu langsam. Uns fehlt nach wie vor ein gemeinsames Leitbild für die Entwicklung der Hauptstadtregion. Die Marke „Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg“ steckt noch nicht einmal in den Kinderschuhen, geschweige denn, dass sie aus diesen herausgewachsen wäre. So soll zum Beispiel die Wirtschaftsförderung 2008 zwar zusammengeführt werden; ich höre aber gleich wieder, was die vielen Bedenkenträger sagen: Das alles könne man nicht machen. Es komme viel zu früh. Man müsse den ersten Schritt vor dem zweiten tun. - Angesichts dessen sage ich: Wir können doch nicht 16 Jahre nach der deutschen Einheit und zehn Jahre nach dem ersten Versuch einer Fusion den ersten Schritt gehen wollen. Wir müssen weiter sein. Wir müssen schneller und effizienter werden.
In den Sonntagsreden sind wir eine Region. Am Montag liegen wiederum alle Bedenken auf unseren Tischen. Dies verdeutlicht, wie stark wir noch immer dem Konkurrenzdenken ver
haftet sind. Eine Betriebsverlagerung von Spandau nach Tegel interessiert niemanden wirklich; das ist keine Zeitungsschlagzeile wert. Wenn aber eine Betriebsverlagerung von Spandau nach Potsdam oder umgekehrt erfolgt, dann befassen sich Heerscharen von Ministerialbeamten mit dem Thema und es gibt in Größenordnungen Krisensitzungen von Staatssekretären und Ministern. Dabei wird völlig übersehen: Jeder Arbeitsplatz, der in Brandenburg entsteht oder erhalten bleibt, entlastet auch den Berliner Arbeitsmarkt und jeder Arbeitsplatz, der in Berlin entsteht oder erhalten bleibt, entlastet auch den Brandenburger Arbeitsmarkt. Wir haben nämlich nur einen gemeinsamen Arbeitsmarkt.
Ich will es noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Wir brauchen so schnell wie irgend möglich ein klares Leitbild für die Entwicklung der Metropolenregion und ein auf dieses Leitbild abgestimmtes Förderkonzept.
Man möge mir die Leidenschaft für die Hauptstadtregion verzeihen. Vielleicht bin ich ein bisschen zu ungeduldig, vielleicht aber auch nicht. Ich bin nämlich nicht nur ein überzeugter Berlin-Brandenburger, sondern auch ein geborener. Meine Großeltern waren in Berlin aufgewachsen und sind in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts ins Umland von Berlin gezogen, wo sie sich ein Häuschen im Grünen gebaut und natürlich weiter in Berlin gearbeitet haben. Meinem Vater ging es ähnlich. Er hat auch in Berlin gearbeitet und in Brandenburg gewohnt. Ich bin in Berlin-Spandau geboren.
Dann aber kam der Punkt, an dem die Normalität zusammenbrach: Die Mauer wurde gebaut. Wir haben diese Mauer unterdessen überwunden, aber ich glaube, wir müssen noch einige Mauern mehr überwinden. Das ist die Aufgabe für die nächsten Jahre. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller. - Damit sind wir am Ende der Debatte zur Regierungserklärung. Ich entlasse Sie für eine Stunde in die Mittagspause.