Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

Dann lassen wir jetzt die Kollegin Geywitz reden, denn Sie haben schon eine Minute überzogen.

... hat sie gesagt, dass sie gegen die Kleinstaaterei ist. Recht hat sie.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion der SPD fort. Frau Abgeordnete Geywitz spricht.

Vielen Dank für die Blumen und gute Besserung. - Es ist in der Tat richtig, dass ich gegen Kleinstaaterei im Bildungsbereich bin. Der Ministerpräsident hat ausgeführt, dass wir als SPD Brandenburg uns im Bildungsbereich in der Föderalismusrefom grundsätzlich auch eine andere Lösung hätten vorstellen können. Man muss auch nur wenig Fantasie aufbringen, um sich vorstellen zu können, dass Sozialdemokraten Akzentset

zungen des Bundes, wie zum Beispiel das Ganztagsschulprogramm, auch in Zukunft begrüßenswert fänden. Dieses Verfahren ist beschrieben und bekannt. Es gibt entsprechende Anhörungen. Die Position der Beteiligten ist hinlänglich diskutiert worden. Deswegen will ich hierzu nicht weiter ins Detail gehen.

Zum Hochschulbereich, der in Ihrem Antrag auch benannt ist, wird Kollegin Münch noch etwas ausführen.

Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang, weil Sie auch in Ihrer Rede viel differenzierter waren als in Ihrem Antrag, zu etwas mehr Textkritik anhalten. In Ihrem Antrag heißt es:

„Der Landtag möge beschließen: Der Landtag stellt fest, dass Wettbewerbsföderalismus keine geeignete Grundlage ist, um mehr Chancengleichheit im Bildungswesen zu realisieren.“

Das ist ein absoluter Satz, der sagt, dass Föderalismus und Wettbewerb an und für sich im Bildungsbereich schlecht sind. Genau das stelle ich infrage. Ich finde es richtig, dass man sagt: Der Bund sollte mehr Rahmen setzen. Er sollte hier und da auch in der Lage sein, uns Geld zu geben. Das nehmen wir gern und setzen es auch für einen sinnvollen Zweck ein. Aber Sie sprechen dem Wettbewerb an und für sich im Bildungsbereich eine positive Funktion ab.

Sie haben den schönen Satz gesagt: „Wettbewerb hat auch immer Verlierer.“ Das ist richtig. Aber was passiert denn mit den Verlierern? Warum machen wir zum Beispiel Schulwettbewerbe? Da gibt es auch immer einen Gewinner, einen Sieger. Aber es gibt auch Personen, die im Mittelfeld, und welche, die hinten sind. Was hat PISA zum Beispiel in der Bildungslandschaft bewirkt? Es hat doch eine zusätzliche Anstrengung bewirkt, gerade auch in den Bundesländern, die hinten lagen. Das heißt, dass auch das Suchen nach der besten Lösung kreative Potenziale freisetzt.

Deswegen finde ich auch Föderalismus im Bildungsbereich sehr sinnvoll, natürlich möglichst mit Rahmensetzungen, damit die Kreativität da auch gewisse Grenzen hat. Das ist ganz klar. Aber ich würde sagen: Der Zentralismus im Bildungsbereich führt nicht zu mehr Chancengleichheit, denn Chancengleichheit entsteht nicht nur dadurch, dass man Gleiches gleich behandelt, sondern auch dadurch, dass man Unterschiedliches unterschiedlich behandelt. Wir merken allein in Brandenburg, wie schwierig es ist, eine Schulpolitik zu machen, die sowohl den Ansprüchen des äußeren Entwicklungsraums als auch dessen im Raum um Berlin entspricht. Es ist schwierig, gleiche Strukturen über alles zu ziehen. Wenn wir das über die gesamte Bundesrepublik denken würden, bin ich überzeugt, dass es nicht zu mehr Chancengleichheit, sondern eher zu weniger Chancengleichheit führen würde. Man muss einfach anerkennen, dass es vor Ort unterschiedliche Bedingungen gibt, und man muss die Subsidiarität, auch die Gestaltungsmöglichkeiten in den Landesparlamenten nutzen, um eine sinnvolle Bildungspolitik zu machen.

(Beifall der Abgeordneten Funck [CDU])

Wie gesagt, wir würden uns in einigen Bereichen im Rahmen der Föderalismusrefom auch ein Mehr an Bildung denken können. Aber Ihre grundsätzliche Ablehnung des Wettbewerbs und des Föderalismus, die diesem Antragstext entspricht und die Sie in Ihrer Rede anders dargestellt haben, kann ich so nicht nachvollziehen.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen. - Danke.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Recht vielen Dank, Frau Geywitz. - Die DVU-Fraktion verzichtet. - Die CDU-Fraktion möchte sprechen. Herr Abgeordneter Senftleben, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist uns allen bekannt, dass wir bereits im Februar dieses Jahres hier im Landtag über einen fast identischen Antrag gesprochen haben. Frau Große, es wird Sie nicht verwundern, dass wir an der damaligen Position festhalten, denn es hat sich in der Zwischenzeit nichts gravierend geändert.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir, Bundesregierung zusammen mit den Ländern - Bund und Länder gemeinsam - zu Recht eine Reform durchführen, die dazu beitragen soll, dass wir insgesamt auch im Verhältnis zueinander Entscheidungen besser treffen können, dass wir uns im Interesse von Bürgern, Wirtschaft und anderen Partnern auf einen Weg begeben, der vergleichbar, letztendlich aber auch nachvollziehbar ist.

Im Bildungsbereich geht es uns allen, die wir hier unsere Aufgaben sehen, ganz klar darum, klare Kompetenzaufteilungen zu erreichen, aber auch klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu haben. Ich glaube - es ist von meiner Kollegin Geywitz schon gesagt worden -, dass Wettbewerb zwischen einzelnen Ländern genauso gut ist wie Wettbewerb zwischen einzelnen Schulen in einem Bundesland. Dazu gehört auch, dass man keine Gleichheit hervorrufen sollte, sondern dass man Gerechtigkeit schaffen sollte, sodass die Schulen die Möglichkeit haben, in diesem Bereich gemeinsam aktiv zu sein. In Brandenburg haben wir es geschafft, sagen zu können: Die Schulen bekommen mehr Selbstständigkeit an die Hand und können damit ihre Stärken und Schwächen, die sie vor Ort haben, besser entwickeln bzw. abbauen. Das Ziel für uns alle ist es, in Brandenburg, in Deutschland das Niveau von Bildung zu verbessern und damit die Bildungsqualität steigern zu können.

(Beifall der Abgeordneten Funck [CDU])

Deswegen, meine Damen und Herren, ist es wichtig, dass wir dafür auch insgesamt die Voraussetzungen schaffen.

In dem Antrag der Linksfraktion ist etwas aufgeführt, was in der heutigen Zeit fast schon zu dauerhaft erwähnt wird und mit Sicherheit keine Grundlage besitzt, nämlich die Frage nach Strukturen. Wir alle sind seit Wochen in Brandenburg unterwegs, um das neue Schulgesetz vorzustellen. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, liebe Kollegen von der Fraktion der Linkspartei: Die Menschen haben es satt, über Strukturen zu sprechen; sie sprechen über Inhalte,

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

über die Qualität und nicht über die Frage, ob die Schule X oder Y heißt, sondern über die Frage: Was ist Qualität an Schulen?

(Beifall bei der CDU)

Ich habe an dieser Stelle schon vor ein paar Wochen den Satz zitiert, den ich heute noch einmal zitieren möchte und der im PISA-Bericht steht. Da heißt es:

„Für das lebenslange Lernen und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist die erreichte Kompetenz ausschlaggebend und nicht die besuchte Schulart.“

Meine Damen und Herren, das ist die Grundlage für Qualitätsfragen und nicht die Grundlage für Strukturfragen in Deutschland und damit auch in Brandenburg. Uns geht es darum, dass wir - wie Sie es vielleicht auch wünschen, vielleicht auf anderen Wegen - die Qualität und die Leistung steigern wollen. Aus diesem Grund gibt es Bildungsstandards. Wir werden diese Bildungsstandards im Schulgesetz festschreiben. Wir werden diese nicht allein festschreiben, sondern dies werden alle Bundesländer tun. Dann werden wir am Ende klar sagen können, was ein Schüler in einzelnen Jahrgangsstufen und was er in zentralen Prüfungen an Leistungen erreichen muss. Diese Grundlagen werden wir im Schulgesetz festschreiben. Sie können davon ausgehen, dass wir das tatsächlich tun werden - genauso wie die Bayern, die Berliner, die Kollegen in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg und vielleicht auch die Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, die in diesem Jahr noch eine Wahl vor sich haben, bei der sich auch Veränderungen an den Mehrheiten ergeben können.

Meine Damen und Herren, der letzte Punkt ist das öffentliche Dienstrecht. Angesprochen wurde auch die Frage, ob in Zukunft überhaupt noch Lehrer in Brandenburg arbeiten wollen, wenn sie denn für ihre schwere Arbeit so schlecht entlohnt werden. Dazu sage ich ganz klar: Wenn wir hier im Landtag versuchen, unsere Standortvorteile als Nachteile zu besprechen, dann machen wir den größten Fehler, den wir überhaupt begehen können. In jedem Land gibt es Bedingungen, die für ein Verbleiben sprechen, und solche, die für ein Nichtverbleiben sprechen. Deshalb haben wir über 20 000 Lehrer im System, die gern in Brandenburg arbeiten, und das werden sie auch weiterhin tun. Wir werden dafür mit Sicherheit auch die finanziellen Bereitstellungen ermöglichen.

An dieser Stelle noch der Hinweis: Der Antrag ist vor wenigen Wochen abgelehnt worden, und er wird heute abgelehnt werden. Wir werden uns intensiv in die Beratungen auf Bundesebene einbringen und werden mit Sicherheit insgesamt ein föderales System schaffen, das auch im Bildungsbereich weiterhin die richtigen Weichen stellen kann und stellen wird. Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Recht herzlichen Dank. - Die Rednerliste ist abgearbeitet.

Wir kommen gleich zur Abstimmung in der Sache. Dazu liegt der Antrag der Linkspartei.PDS vor, Föderalismusreform: Bildung, Drucksache 4/2684. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist diesem Antrag mehrheitlich nicht zugestimmt worden. Damit ist er abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Föderalismusreform: Hochschule

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2685

Ich eröffne die Aussprache. Der Abgeordnete Jürgens von der Fraktion der Linkspartei.PDS hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bekanntlich prägt sich etwas am besten ein, wenn man es wiederholt. Deshalb wiederhole ich hier: Natürlich achten wir die föderale Ordnung in Deutschland und natürlich wollen wir eine Reform des deutschen Föderalismus. Aber leider, meine Damen und Herren von der Koalition, haben Sie unseren Antrag in der Sitzung vom Februar abgelehnt, mit dem wir gefordert haben, das Paket gerade im Bereich Bildung noch einmal neu aufzuschnüren. Daher kommen Sie heute in den Genuss der Wiederholung, und zwar sogar einzeln für Schule und für Hochschule.

Wir halten es für falsch, den Ländern die Möglichkeit abweichender Regelungen beim Hochschulzugang und bei den Hochschulabschlüssen zu geben. Damit wird im Extremfall die Kleinstaaterei in Deutschland noch verstärkt. Von Chancengleichheit und Gleichwertigkeit kann dann keine Rede mehr sein. Und es kann nicht im Sinne junger Menschen und im Sinne von Studierenden sein, wenn es im Extremfall 16 verschiedene Abschlüsse in Deutschland gibt. Wir halten es für falsch, die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ aufzugeben. Wir haben gerade mit Unterstützung des Bundes hier in Brandenburg viel geschafft, was den Aufbau von Hochschulen angeht. Gerade Brandenburg als finanzschwaches Land wird damit mittelfristig einen Wettbewerbsnachteil erleben. In diesen beiden Punkten können wir uns mehr Zentralismus vorstellen. Und, Herr Lunacek, Zentralismus hat in diesem Fall nichts mit Angst zu tun. Im Gegenteil, wir freuen uns sehr auf mehr Zuständigkeiten hier im Landtag. Zentralismus hat in diesen beiden Punkten etwas mit Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in Deutschland zu tun.

Aber wahrscheinlich werden auch die Wiederholungen unserer Position Sie nicht zum Einlenken bringen. Vielleicht hilft es Ihnen ja, wenn wir Ihnen einmal andere Positionen, andere Bedenken am derzeitigen Paket darstellen.

„Bei der Verteilung der Mittel für den Hochschulbau muss es Nachbesserungen geben. Sonst bekommen die Hochschulen in den finanzschwachen Ländern große Probleme. Wenn es keine Änderungen gibt, glaube ich nicht an eine Zweidrittelmehrheit.“

So Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD, Anfang März.

„Die Föderalismusreform ist für den überwiegenden Teil unserer ostdeutschen Abgeordneten so nicht zustimmungsfähig; denn vor allem im Hochschulbaubereich wären die Folgen für den Osten gravierend.“

So Peter Danckert, SPD, Mitte Mai.

„Im Rahmen der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern konnte der Bund zum Ausbau von Studienplätzen beitragen. Wir haben den Ausbau von Fachhochschulen mitfinanziert, Programme für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Internationalisierung durchgeführt. Wir müssen verhindern, dass dies in Zukunft verboten ist. Ansonsten kommt es zur perversen Situation, dass, selbst wenn alle 16 Bundesländer es wollten, der Bund kein Hochschulsonderprogramm zum Ausbau der Kapazitäten an den Hochschulen mehr durchführen kann.“

Edelgard Bulmahn, SPD, ehemalige Bundesbildungsministerin, Ende März. - Wenn Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD in diesem ganz speziellen Fall, diese Mahnungen und diese Bedenken nicht reichen, hier noch zwei völlig unparteiische:

„Ein Kooperationsverbot, wie es jetzt geplant ist, wäre höchst schädlich. Dass der Bund den Ländern nicht mehr helfen soll, selbst wenn diese es wollten, ist geradezu absurd. Das ist Politik im Stile des 17. Jahrhunderts, aber keine, die in die Zukunft führt. Die Förderung der Hochschulen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, und ich appelliere dringend an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, sich dieser Aufgabe gemeinsam zu stellen.“

Das war Prof. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Anfang Mai. Und zum Schluss: