Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie mahnen in Ihrem Antrag eine Reform des Ganzen an, die sich dem Staatsziel „Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilen des Bundesgebiets“ verpflichtet fühlt. Ich denke, da haben wir keine allzu große Differenz, unter einer Voraussetzung: dass Sie endlich begreifen, dass „gleichwertige Lebensverhältnisse“ nicht „gleiche Lebensverhältnisse“ sein können.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Hätten Sie besser zuge- hört!)

Diese Reform kann doch im Sinne der Subsidiarität nur von den Ländern gestaltet werden. Oder wollen Sie, dass der Bund als Puppenspieler mit uns als Ländermarionetten hantiert?

Bayern ist als Beispiel angeführt worden. Wir nehmen Bayern auch gern als Beispiel, wenn wir an die Lebensbedingungen denken. Der Freistaat Bayern hat es nun einmal geschafft, sich seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland von einem armen Agrarland auf sein heutiges Niveau zu entwickeln. Auch in Bayern gibt es dünn besiedelte Gebiete.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Sie haben Ausgleichs- zahlungen dafür bekommen!)

- Ja. Wir bekommen die doch auch. Was machen wir damit?

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Sie machen! Nicht wir!)

- Ja. Wenn wir Ihren Vorschlägen folgen würden, wären wir wahrscheinlich noch weiter unten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bayern hat es aus eigener Kraft geschafft, und wir können das auch. Bayern hat vor allen Dingen eines gemacht: Es hat sein Land mit neuen Ideen kraftvoll nach vorn gebracht und immer für Handlungsfreiräume gestritten, um Ideen umsetzen zu können. Das brauchen auch wir in Brandenburg.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen für Brandenburg und in Brandenburg die Handlungsspielräume, damit wir den gleichen Weg gehen können und nicht mehr auf die Mehrheiten im Bundesrat angewiesen sind. Wir möchten uns nicht mehr den Kompromissen beugen, denen wir uns als kleines Bundesland nun einmal beugen müssen, damit andere Bundesländer ihre Interessen durchsetzen können.

Selbstverständlich erfordert diese Verantwortung auch Mut. Fontane ist heute schon mehrfach zitiert worden, und auch ich möchte ihn zitieren: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Ich wünsche mir, dass die Föderalismusreform erfolgreich ist, und deshalb wünsche ich mir, dass wir mutig sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Fraktion der Linkspartei.PDS wünscht, die Überziehungszeit des Ministerpräsidenten als Redezeit in Anspruch zu nehmen. Herr Abgeordneter Vietze erhält das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ministerpräsidenten Ringstorff und Carstensen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind keine Schwächlinge. Sie sind nicht ohne Hoffnung und ohne Optimismus, wenn sie Sorgen artikulieren, Frau Richstein und Herr Ministerpräsident, sondern sie nehmen Verantwortung wahr, wenn sie auf Defizite des jetzt ausgehandelten Föderalismuskompromisses hinweisen.

Wenn wir dies tun, Herr Ministerpräsident, tun wir als Oppositionsfraktion nichts anderes als jene, die im Regierungsamte sind. Wir machen unsere Erwartungshaltung als Oppositionsfraktion dieses Landtages gegenüber dem Ministerpräsidenten deutlich, nicht kleinmütig klein beizugeben, sondern das Paket an dieser Stelle mutig mit den anderen wieder aufzuschnüren. Viele Experten auch Ihrer Fraktion und darüber hinaus machen sich berechtigterweise darüber Sorgen, dass etwas herauskommen könnte, was - wie bei Europa und anderen Entscheidungen; Sie wissen, welche ich meine - am Ende keiner so richtig gewollt hat, was aber eingetreten ist.

Die Grundgesetzänderung steht erst an. Daher sollten wir die Chance nutzen, diese Diskussion noch einmal zu führen. Bayern weiß sehr wohl: Es waren nicht nur der Mut und die Lebensqualität der Bayern, sondern es war die Solidarität der gesamten Bundesrepublik (alt), welche die Entwicklung in Bayern mit befördert hat.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Genau!)

Es ist nicht zu leugnen, dass auch für die neuen Bundesländer die Solidarität der alten Bundesländer eine Grundvoraussetzung ihrer Entwicklung war. Natürlich gibt es jetzt Entscheidungen wie beim Länderfinanzausgleich, zu denen man sagen muss: Er muss fortwirken und gesichert werden. Fakt ist: Der Länderfinanzausgleich hat seine Basis im Rahmen der geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen. Wenn diese verfassungsrechtlichen Regelungen jetzt geändert werden, wird möglicherweise auch deren Basis entzogen. Es gibt eine Willenserklärung. Ich frage Sie, wie lange Sie an den Willen von Herrn Koch, von Herrn Rüttgers und von Herrn Stoiber glauben. Bei allem Optimismus hätte ich lieber klare verfassungsrechtliche Regelungen. Diese werden jetzt eingearbeitet, und deswegen bin ich dafür, sie jetzt in den Gesetzestext einzubringen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich sage klar und deutlich: Wir haben gemeinsam ein Angebot unterbreitet. Herr Bisky war unser Sprecher im Lübecker Konvent. Wir haben eine ganze Reihe von Problemen benannt. Wir haben eine Gegenüberstellung zwischen dem föderalen, kooperativen Modell und dem Wettbewerbsföderalismus vorgenommen. Ich kann mir vorstellen, darüber zu reden. Ich frage mich, warum wir das nicht tun. Warum kommen wir nicht zu einem solidarischen Wettbewerb, der eine andere Form als das hat, was die leistungsstarken Länder gegenwärtig diskutieren?

Herr Abgeordneter Vietze, Sie stellen so viele Fragen. Lassen Sie doch einmal antworten. Sie haben schon längst überzogen.

Ich habe überzogen? Das kann ich mir gar nicht vorstellen.

Natürlich nur die Zeit. Dem Ministerpräsidenten steht es frei, jetzt noch einmal zu reden.

Herr Kollege Vietze, wenn ich Anlass hätte zu antworten, weil ich mich durch das, was Sie unterstellt haben - dass ich beispielsweise Herrn Ringstorff irgendwann einen Schwächlich genannt hätte -, angesprochen fühlte, müsste ich jetzt reagieren. Da ich mich durch das, was Sie eben gesagt haben, überhaupt nicht angesprochen fühle, brauche ich auch nicht zu antworten. - Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Nachmittag.

(Beifall bei der SPD)

Hat eine der anwesenden Fraktionen das Bedürfnis, diese Redezeit auch noch in Anspruch zu nehmen? - Das ist nicht der Fall.

Damit stelle ich den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS, Drucksache 4/2683, zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist ohne Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7, nicht aber das Thema, und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Föderalismusreform: Bildung

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2684

Das Wort erhält Frau Abgeordnete Große.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es geht jetzt also um das Krötenschlucken oder um den Kampf wider den Hartleibigen, den Ministerpräsident Platzeck angedeutet hat. Ich habe seinem Beitrag, der eine Art Regierungserklärung war, so viel entnommen, dass es Bauchschmerzen bezogen auf das Politikfeld Bildung gibt. Das wurde auch medial ganz häufig geäußert, insbesondere von den SPD-Abgeordneten aus dem Osten des Landes wie auch von den Fachpolitikern im Bildungsbereich.

Frau Kollegin Richstein, ich möchte Folgendes klarstellen: Natürlich wollen auch wir, dass diese Föderalismusreform ein Erfolg wird. Natürlich will auch die Linkspartei.PDS nicht, dass jegliche Kompetenz in Sachen Bildung an den Bund geht. Ich will das bayerische Schulsystem nicht in Gänze in diesem Land haben. Ich bin froh, dass wir wegen der föderalen Richter ein Fach wie LER hier haben. Ich will ganz deutlich sagen, dass es

uns nicht darum geht, föderale Strukturen wie beispielsweise das gegliederte Schulsystem in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern auszuhebeln. Föderale Strukturen schaffen Möglichkeiten, andere Wege zu gehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es geht uns vielmehr darum, dass Bildung als solche gar nicht Gegenstand der Föderalismusreform war. Bildung war von Anfang an nur Verhandlungsmasse und nach dem von Herrn Baaske richtig beschriebenen Vorgang nur das, was man in die Waagschale geworfen hat, um anderes zu bekommen. Das ist das Grundproblem. Deswegen sind wir der Meinung: So geht es nicht. So reicht es nicht. So wollen wir das auch nicht.

Am kommenden Montag wird es eine Anhörung zum Bereich Bildung geben. Ich bin überzeugt davon, dass die Anzuhörenden jede Menge Argumente vorbringen werden, die dafür sprechen, das Paket im Bereich Bildung wieder aufzuschnüren. Ob das Gehör finden wird, werden wir sehen. Herr Ministerpräsident, es läge in Ihrer Verantwortung, sich wenigstens noch einmal Gehör zu verschaffen, auch wenn Sie der Meinung sind, das Paket brauche nicht wieder aufgeschnürt zu werden. - Aber beide Bildungspolitiker und der Ministerpräsident hören nicht zu. Nun gut.

Wir haben hier einiges zum Thema Wettbewerb gehört. Bundeskanzlerin Merkel hat gesagt, Wettbewerb, richtig gemacht, belebe das Geschäft. Es könne Anreiz sein. Herr Lunacek hat ebenfalls gesagt, Wettbewerb werde uns helfen, zu einem besseren Bildungssystem zu kommen. Das ist die ideologische Frage und der erste Teil unseres Antrags. Wir gehen nämlich davon aus, dass dies ein Grundirrtum ist. Wettbewerb im Bereich Bildung hat Verlierer. Verlierer können wir uns genau auf diesem Gebiet aber nicht leisten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie, Herr Senftleben, haben die wettbewerbsföderale Debatte aufgemacht, indem Sie gesagt haben, es stärke die Schwachen, sich an den Starken zu orientieren. Sie würden dadurch selbst stark werden. Wir wollen natürlich auch, dass Schwache stark werden. Genau das ließe sich aber leichter realisieren, wenn der Bund helfend und regulierend eingreifen könnte und helfen würde, gravierende Unterschiede im Bildungsniveau der einzelnen Bundesländer auszugleichen.

Die ostdeutschen SPD-Fraktionschefs haben vor wenigen Wochen auf ihrem Treffen in Erfurt einen „New Deal“ für Deutschland beschlossen und dafür plädiert, Ostdeutschland über mehr Investitionen in Bildung und Innovation so zu entwickeln, dass es aus eigener Kraft lebensfähig wird. Gut ausgebildete Menschen seien der zentrale Standortfaktor für das alternde Deutschland. Sehr richtig! Doch wie soll das passieren, wenn die ärmsten Länder, auch noch völlig auf sich gestellt, mehr in Bildung investieren sollen? Wo bleiben die gleichwertigen Lebensverhältnisse, die im Grundgesetz verankert sind? Sie versetzen diesen den Todesstoß, indem Sie den Weg für Wettbewerbsföderalismus frei machen.

Nun zum zweiten Teil unseres Antrags: Durch den geplanten Wegfall der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung darf der Bund auch nicht mehr wie bisher Modell- und Pilotprojekte zu innovativen Lehr- und Lernmethoden sowie die dazugehörige

begleitende Forschung durchführen. Noch nicht einmal fördern darf er diese. Das ist in PISA-Zeiten geradezu absurd. Die Bildungsplanung erstellte einen einheitlichen Handlungsrahmen von Kita- bis Erwachsenenbildung. Von den bisherigen BLKProjekten hat auch Brandenburg profitiert. Die Angebote zur neuen Aufgabenkultur beispielsweise resultieren aus der bisherigen Arbeit der BLK.

Durch Verwaltungsabkommen haben Bund und Länder im Jahr 1971 ein Verfahren festgelegt, das die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Modellversuchen koordiniert und deren Finanzierung sichert. Unter anderem stellte der Bund 33,2 Millionen Euro für die wissenschaftliche Begleitung des Ganztagsschulprogramms und der gemeinsamen Bildungsreform zur Verfügung. Das würde nach der Reform nun wieder 16-fach oder eben gar nicht passieren. Abgesehen davon käme es zu solchen Programmen wie dem IZBB oder der Sanierung des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums auch nicht mehr. Zwar bleibt die Möglichkeit der Selbstkoordinierung, aber auch diese wird erschwert. Gerade nach dem letzten OECD-Bericht zur Problematik „Kinder mit Migrationshintergrund“ sind wir noch mehr angehalten, auch mit solchen schwierigen Problemlagen bundeseinheitlich zu verfahren.

Wir haben mit unserem Antrag den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, und dieser heißt, wenigstens die Bereiche beim Bund zu belassen, die bisher dort sind. Wir gehen davon aus, dass künftig erheblich mehr Kompetenz beim Bund angedockt werden muss, wenn wir die Bildung in Deutschland europafähig und zukunftsfähig machen wollen. Sie, meine Damen und Herren der Koalition, haben hier noch Spielraum. Nutzen Sie ihn!

Auch Frau Kollegin Geywitz hat das erkannt. In ihrer letzten Presseerklärung, bezogen auf die gemeinsamen Lehrpläne im Rahmen der 12. und 13. Klasse von Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg...

Dann lassen wir jetzt die Kollegin Geywitz reden, denn Sie haben schon eine Minute überzogen.