Protokoll der Sitzung vom 17.05.2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Der kurze Abriss war ein Beispiel dafür, was allein unter bundeseinheitlichen Bedingungen schon an Zergliederungen und Einschränkungen zu erwarten ist, und lässt erahnen, was passiert, wenn die Kompetenz für das Besoldungsrecht auf die Länder übergeht. Ich kann die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen nur auffordern: Behalten Sie das Solidarprinzip bei! Erhalten Sie die Tarifgemeinschaft deutscher Länder und sorgen Sie dafür, dass der neue Tarifvertrag Öffentlicher Dienst übernommen wird! Lassen Sie nicht zu, dass die Gesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht auf die Länder übergeht und die Kleinstaaterei wieder eingeführt wird! Die Folgen wären eine weitere Verschlechterung des sozialen Friedens, die weitere Abwanderung qualifizierter junger Menschen und eine sinkende Qualität öffentlicher Daseinsvorsorge. Mit einer noch weiter gehenden Dezentralisierung des öffentlichen Dienstrechts wird die angestrebte Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West weiter verzögert und wird sich der gerechte Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht erfüllen lassen. - Danke schön.

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schippel. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beamtenrecht oder Dienstrecht in Länderhoheit muss nicht unbedingt mit dem Abbau einheitlicher Standards im öffentlichen Dienst einhergehen. Vorausgesetzt, man betrachtet nicht die Bezahlung als den bis jetzt einzigen gemeinsamen Standard der Bundesländer. Herr Bernig, Sie haben hier allerhand Grausamkeiten aufgezählt; nennen Sie mir eine Gewerkschaft im Bereich Wirtschaft, die flächendeckend für ganz Deutschland einen Tarifvertrag aushandelt!

(Beifall bei der SPD)

Nennen Sie mir eine Gewerkschaft, die das macht! Reden Sie mit IG-Metallern und anderen, und lassen Sie sich erzählen, wie schwierig das ist. Sie haben dort bisher ein Vorrecht, das sollten Sie schätzen und nicht - sagen wir es einmal ganz vorsichtig - ausnutzen.

Für mich zählen in erster Linie die Rechte und Pflichten des Beamtentums zu den Standards, die bundesweit einheitlich sein sollten. Was ebenfalls bundeseinheitlich bleiben soll, ist

das Betriebs- respektive Personalvertretungsgesetz, in dem die Rechte der Beamten auch in Form ihrer Vertretung geregelt sind. Die PDS beschreibt und nutzt in ihrem Antrag die Ängste und die Verunsicherung, die durch jede Reform - auch durch diese - bei den Betroffenen ausgelöst werden. Es ist kontraproduktiv und geradezu schädlich, wenn diese Ängste und Verunsicherungen unnötig zusätzlich geschürt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Bernig [Die Links- partei.PDS])

Herr Innenminister - Herr Petke ist nicht anwesend -, die SPDFraktion hat kein Verständnis für die jüngste Diskussion über das Personalvertretungsgesetz in Brandenburg. Die Anzahl und die Größe der Personalvertretung stehen für uns nicht zur Disposition.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Links- partei.PDS)

Eine solche Diskussion kann man im Zuge der Föderalismusreform nicht führen. Das ist nicht in Ordnung, denn gerade im Zuge der Föderalismusreform und der Zuweisung der Gesetzeskompetenz auf Länderebene wird ein Veränderungsprozess in Gang kommen, bei dem wir starke Personalvertretungen brauchen. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Die DVU-Fraktion verzichtet auf einen Redebeitrag. Die CDU-Fraktion wird durch den Abgeordneten Werner vertreten. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Genossen von der PDS, Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen. In Ihrem allgemeinen Antrag erklären Sie auf der einen Seite, die zunehmende Zentralisierung und Verflechtung politischer Entscheidungen gefährdeten Vielfalt, Bürgernähe usw. Auf der anderen Seite sind Ihre Anträge, wenn man sie sich im Einzelnen anschaut, mit einem Faden durchzogen, der auf zu viel Zentralismus hinausläuft. Das sind wir ja von Ihnen gewöhnt; Sie sind die Partei des Zentralismus, und davon werden Sie wahrscheinlich auch nie wegkommen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das Aufschnüren bzw. Nichtaufschnüren eines Pakets kann man unter zwei Aspekten betrachten: Das Paket nicht aufschnüren zu wollen kann bedeuten, dass keiner merken soll, was sich darin befindet. Wenn ich ein Paket jedoch aufschnüre und auskippe, muss ich es wieder neu einpacken, und dann passt womöglich nicht wieder alles hinein. Vielleicht sollten wir es - um ein anderes Bild zu zeichnen - so handhaben, dass sich an der einen oder anderen Stelle doch ein Deal zwischen Äpfeln und Birnen machen lässt.

Um auf die Details des Antrags zu sprechen zu kommen: Es geht nicht darum - das ist der Irrtum Ihres Antrags, wenn Sie von „Übertragung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Beamtenrechts“ sprechen -, das gesamte Dienst- bzw. Be

amtenrecht auf die Länder zu übertragen. Im Gegenteil: Der Bund soll ja sogar noch mehr als bisher regeln. Den Ländern sollen praktisch Kompetenzen entzogen werden. Es soll ein Bundesgesetz geschaffen werden. Dafür soll das Laufbahn-, Besoldungs- und Verordnungsrecht auf die Länder übergehen.

Da kann man nun im Detail geteilter Meinung sein. Beim Besoldungsrecht sehe ich nicht einmal die großen Probleme. In diesem Bereich bestehen auch heute schon Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Es ist von meinem Vorredner gesagt worden: Wir haben in den verschiedenen Bundesländern, sogar in den Regionen der Bundesländer, unterschiedliche Einkommensverhältnisse, unterschiedliche Lebenshaltungskosten usw. Warum sollen wir uns diesem Wettbewerb nicht stellen? Gerade das kann doch Wettbewerb sein. Ich fasse es einmal etwas weiter. Wir verlangen von den Beamten immer mehr Leistungen. Warum sollten wir dieses Tor nicht dazu nutzen, eine leistungsgerechte Besoldung einzuführen, bzw. warum sollte es nicht auch dem Wettbewerb dienlich sein? Da widersprechen Sie sich in Ihrer Begründung nun auch noch, indem Sie schreiben, es gehe um einen Wettbewerb um die klügsten und flexibelsten Köpfe. Etwas weiter im Text meinen Sie, eine länderübergreifende Mobilität der Beamten würde behindert. - Da müssen Sie sich schon einmal entscheiden, was Sie überhaupt wollen.

Ich sehe es nicht so. Eine Behinderung sehe ich allenfalls in dem Falle gegeben, wenn das Laufbahnrecht bzw. das gesamte Statusrecht auf die Länderebene übergeht. Dann ist es möglich, dass es zwischen den Ländern zu ungleichen Entwicklungen kommt und ein Beamter, der aus welchen Gründen auch immer in ein anderes Bundesland übersiedeln will oder muss, keine Gleichbehandlung mehr erfährt. Hier könnte man überlegen, ob man nicht Äpfel mit Birnen handeln kann oder ob man dann wenigstens zu Absprachen oder Vereinbarungen zwischen den einzelnen Ländern kommen kann, um eine einheitliche Basis zu sichern.

Es sei mir abschließend gestattet, auf Ihre Begründung zu dem Antrag einzugehen. „Anpassung des unterschiedlichen Gehaltsniveaus“. Ich weiß nicht, ob man das überhaupt jemals für alle Branchen und alle Dienstrechte in Deutschland erreichen kann bzw. will, und frage mich, ob es als Hilfskonstruktion herhalten muss, um das Zusammenwachsen Deutschlands zu befördern. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt nicht nur Unterschiede in den Einkommensverhältnissen zwischen Ost und West, sondern die gibt es durchaus auch zwischen Nord und Süd und auch innerhalb der alten Bundesländer. Dem muss man, denke ich, auch Rechnung tragen. Um nichts anderes soll es im Besoldungsrecht gehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. - Damit ist die Rednerliste abgearbeitet. Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt Ihnen der Antrag in Drucksache 4/2687, eingereicht von der Fraktion der Linkspartei.PDS - Föderalismusreform: Einheitliche Standards im öffentlichen Dienst sichern -, vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 rufe und Tagesordnungspunkt 12 auf:

Föderalismusreform: Einheitliche Standards im Strafvollzug sichern

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2688

Wir beginnen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Der Abgeordnete Sarrach erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Bundesjustizministerin Zypries 2004 überraschend verkündet hat, dass die Bundesregierung bereit sei, den Strafvollzug in die Hände der Landtage zu geben, riss die Kritik an diesem Vorschlag nicht ab. Der Strafvollzug stand nicht auf der offiziellen Wunschliste der Länder in Sachen Reform des Föderalismus. Vielleicht ahnte man, dass diese Kompetenzverlagerung in einer nie da gewesenen Einigkeit von Praktikern, Wissenschaftlern und ehemaligen Justizministern quer durch alle Parteien abgelehnt würde - allesamt keine Vertreter des Prinzips des demokratischen Zentralismus in der DDR. Wissenschaftler sprachen für den Fall einer Verlagerung der Zuständigkeit auf die Länder von der „Zerstörung einer der respektabelsten Leistungen der bundesdeutschen Rechtskultur“, vom „Ende der Rechtseinheit auf dem Gebiet des Strafvollzugs, der über 100 Jahre Rechtsentwicklung“ zerstöre. Der 30. Strafverteidigertag prognostizierte einen Sparwettbewerb auf Kosten der Resozialisierungschancen der Gefangenen und sprach vom Trend zum reinen Verwahrvollzug.

Rupert von Plottnitz - ehemaliger Justizminister in Hessen warnte vor der Aufgabe des Ziels der Eingliederung von Straftätern in die Gesellschaft, weil alles andere dem Sicherheitsinteresse der Bevölkerung zuwiderlaufe.

Der Deutsche Richterbund erklärte, die Reform berge die Gefahr, dass die Länder aufgrund leerer Kassen mit härteren Haftbedingungen versuchen würden, Geld zu sparen, also ein Wettbewerb um den billigsten und schärfsten Strafvollzug. Herr Baaske hat das in seinem Beitrag aufgegriffen.

Der Bund der Strafvollzugsbediensteten schließlich kritisierte, dass man mittelfristig zu einem „gesetzlich verbrämten Verwahrvollzug“ gelangen werde, weil ein „Schäbigkeitswettlauf nach unten“ einsetzen werde.

Vermutlich teilte die brandenburgische Landesregierung im Grundsatz diese Befürchtungen. Im Februar 2005 beantwortete sie eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Bochow und sprach von möglichen unterschiedlichen Vollzugspraktiken in den Bundesländern, wenn die Kompetenz auf die Länder verlagert würde. Des Weiteren könnte - laut Antwort auf die Kleine Anfrage - der gesetzgeberische Zusammenhang des Strafvollzugsrechtes mit dem materiellen Strafrecht und dem Strafverfahrensrecht verloren gehen. Vor- und Nachteile seien abzuwägen.

Im Ergebnis unseres Abwägungsprozesses in der Fraktion der Linkspartei.PDS haben wir den Ihnen vorliegenden Antrag zur Sicherung einheitlicher Standards im Strafvollzug vorgelegt.

Inhaltlich gibt es viele Gemeinsamkeiten mit parlamentarischen Initiativen außerhalb Brandenburgs, zum Beispiel mit der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, mit der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie mit dem Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten des Berliner Abgeordnetenhauses, der sich am 2. März 2006 einstimmig gegen eine Kompetenzverlagerung auf die Länder entschied.

Im Berliner Abgeordnetenhaus kam es im Mai sogar zu einem gemeinsamen Dringlichen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Linkspartei.PDS und CDU mit dem Titel „Gesetzgebung im Strafvollzug ist Bundessache“. Daran können wir uns ein Beispiel nehmen; denn uns ist doch bekannt, wie in einigen Bundesländern bereits jetzt die Zielstellung der Resozialisierung des Strafvollzugsgesetzes unterlaufen wird. Hier muss gegengesteuert werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

In Hessen und Hamburg werden Standards bereits abgebaut. Es wurden sozialtherapeutische Einrichtungen geschlossen, Vollzugslockerungen reduziert, Zellen mehrfach belegt und der offene Vollzug drastisch zurückgefahren. Bei unionsgeführten Justizressorts gibt es offensichtlich immer eine ideologische Handschrift. Der Vorwurf der Ideologie wird freilich immer den anderen gemacht. - Eine süffisante Bemerkung am Rande.

Gäbe es einen Strafvollzug in den Farben Brandenburgs, frage ich mich, wer politisch der „Oberanstreicher“ für das Justizministerium sein dürfte. Vielleicht Herr Petke als Vorsitzender des Rechtsausschusses, der jüngst in der „Lausitzer Rundschau“ auf die Frage nach der Nationalhymne mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles“ zitiert wurde? - Glücklicherweise wurde er nicht nach deutschen Flüssen gefragt, weil wir dann möglicherweise etwas von Maas und Memel hätten lesen können.

Ersparen wir uns durch die Annahme dieses Antrags, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Leider passen die von der Koalition zu hörenden Argumente und die daraus gezogene Schlussfolgerung - die Ablehnung unserer Anträge - nicht zusammen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Für die Fraktionen der SPD und CDU erhält Herr Holzschuher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich stimme der Linkspartei.PDS-Fraktion zu, dass ein bundeseinheitliches Strafvollzugsgesetz durchaus sinnvoll ist. Ich würde Ihnen auch gern glauben, dass Sie mit Ihren Anträgen den Föderalismus stärken wollen.

Jedoch stellen Sie dann den vorliegenden Antrag, in dessen Begründung Ihre Argumente gegen die Übertragung der Strafvollzugskompetenz auf die Länder zu lesen sind. Danach führte diese Übertragung dazu, dass es künftig in den deutschen Justizvollzugsanstalten so verschieden zugeht, wie es 16 verschiedene Landtage möchten.

Bekäme der Landtag die Kompetenz, befürchteten Sie, dass die Standards abgesenkt würden und dem Strafcharakter vermehrt der Vorzug vor der Resozialisierung gegeben würde. Zudem drohe ein populistischer Wettlauf um den härtesten Strafvollzug. Ihrer Ansicht nach sollen wir nach Beschluss Ihres Antrags mit dieser Begründung den Bundestagsabgeordneten gegenübertreten, nach dem Motto: Seht, wohin eine Kompetenzverlagerung führen würde. Bitte behaltet die Kompetenz; wir können damit nichts anfangen. - Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. So können wir im Landtag nicht argumentieren, wenn es um die Föderalismusreform geht.

(Beifall bei SPD und CDU)

In Wahrheit geht es den Experten, die dem gegenwärtigen Vorschlag sehr kritisch gegenüberstehen, nicht darum, die Übertragung der Kompetenz auf die Länder im Bereich des Strafvollzugs als solche zu kritisieren.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [Die Linkspartei.PDS])

Ihnen geht es darum, dass es derzeit ein sehr gutes Strafvollzugsgesetz in Deutschland gibt. Sie befürchten - vielleicht zu Recht -, dass einige Länder bereit wären, diese vernünftigen Standards infrage zu stellen. Es ehrt uns, dass Sie dieses Gesetz als gut - es war bereits damals und ist heute immer noch ein gutes Gesetz - empfinden; schließlich entstand es in der Zeit einer sozialdemokratischen Regierung und wurde damals durch Liberale mitgetragen. Damals gab es noch Liberale im wahrsten Sinne des Wortes. Heute gibt es nur noch die FDP.