Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

Gleichwohl spiegelt aber unser Land Brandenburg auch all das wider, was im nationalen Disput an Problemen auf dem Tisch liegt. Bis dato - so haben wir unsere Strategie begonnen - ging es darum, neben den konventionellen Energien die alternativen und erneuerbaren Energien - Windenergie, Photovoltaik, Biomasse - in breitester Form auf den Weg zu bringen. Wir haben in einer atemberaubenden Geschwindigkeit mitbekommen - in unserem Land ist das überall sichtbar -, dass die erneuerbaren Energien immer mehr ein ausschlaggebender, ja unverzichtbarer Faktor für Stabilität, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung sind.

Deshalb ist der Schnitt, den wir jetzt machen müssen, nicht mehr auf Quantitäten, sondern auf Qualitäten des Energiemixes zu schauen und darauf, wie dieser Energiemix im Sinne von Stabilität und Preiswertigkeit gemanagt werden kann. Deshalb möchte ich Sie im Rahmen der Diskussion zu diesem Antrag aufrufen, die Diskussion nicht mehr in der bisherigen Form weiterzuführen: Auf der einen Veranstaltung loben wir uns dafür, dass wir einen hohen Anteil erneuerbarer Energien haben, und auf der anderen Veranstaltung setzen wir uns mit den Windrädern auseinander, die uns nun langsam stören. Diese beiden Felder müssen wir jetzt zusammenführen.

Mein Ansatz hier wie auch in der energiewirtschaftlichen Diskussion insgesamt in Deutschland ist, dass wir in der Feinsteuerung, der Stimulierung erneuerbarer Energien nicht mehr dazu beitragen dürfen, dass eine nur einseitige, beispielsweise auf Windenergie, Photovoltaik oder sonst etwas ausgerichtete Förderung stattfindet, sondern diese Förderung muss so angelegt werden, dass die Integration auf zwei verschiedenen Ebenen weitere Fortschritte macht. Wir brauchen nicht nur erneuerbare Energien in Masse, sondern brauchen sie in einer Verfügbarkeit, einer Handelbarkeit, die die Stabilität der Energieversorgung stärkt.

Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass es hinsichtlich Biomasse längst nicht mehr darum geht, den Landwirt zum Energiewirt zu machen. Alle, die sich ernsthaft mit der Biomasse als Energiequelle befassen, werden sehr schnell dazu kommen, den Vergleich zwischen dem Dargebot an Biomasse in unserem Land und anderswo zu ziehen. Wir stehen also auch diesbezüglich längst über unsere Grenzen hinaus im Wettbewerb. Deshalb müssen wir wieder sortieren: Was wollen wir an

Effizienz in der Energiewirtschaft unseres eigenen Landes erreichen und wo sind wir Treiber einer Entwicklung, die dann überregional fruchten muss?

Mein Ansatz lautet, Energiewirtschaft von der Energietechnologie zu trennen. Ich bitte das auch einmal mit in den Gedankengang aufzunehmen. Aus der Kompetenz für erneuerbare Energien, für Braunkohle, die wir noch lange Zeit brauchen, ergibt sich auch der Anspruch, energietechnologisch über die Landesgrenzen hinweg mitzureden und europäisch wie weltweit Angebote zu machen, und zwar bis hin zum C02-freien Braunkohlekraftwerk. Das haben wir als Schwerpunkt unserer wirtschaftlichen Entwicklung festgelegt. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir darin auch energietechnologisch einen Schwerpunkt sehen.

Andererseits müssen wir aber sicherstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass uns die Menschen nicht sagen, sie wollen noch eine Windkraftanlage bauen, gleichzeitig aber mit Hungerstreiks gegen diese Windkraftanlagen protestieren. Hier brauchen wir ein eindeutiges politisches Signal, das besagt: Windkraft natürlich, aber integriert. „Integriert“ heißt in diesem Fall: dort, wo sie geeignet ist, die Netzstabilität zu stärken und wo sie auch im Netzmanagement gehandelt werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen einige Diskussionsfelder zusammenführen. Die Ziele lauten Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Preiswürdigkeit und Umweltverträglichkeit. Was die Energiepreise angeht, werden wir das, was an Regulierung zur Senkung der Netzentgelte möglich ist, leisten. Ich bin der Auffassung, dass wir uns auch einmal tiefgehender mit dem Thema auseinander setzen müssen, um zu erkennen, dass wir einen privatwirtschaftlichen Markt haben und dass der Ruf auch aus diesem Parlament heraus, die Energiepreise zu senken, ein Ruf ist, der sich angesichts der Realitäten des Marktes nicht verwirklichen lässt, sondern nur an unserem eigenen Engagement - an den Stellschrauben, an denen wir in unserer Region drehen können - festmachen lässt. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Debatte angelangt. Ich habe wegen der Überziehung der Redezeit keine Zwischenfragen mehr zugelassen. Das nur zur Erklärung.

Es liegt Ihnen zum Antrag der Koalitionsfraktionen ein Änderungsantrag der Fraktion der Linkspartei.PDS vor, der sich mit der Änderung des Punktes 1 befasst und die Drucksachennummer 4/2955 trägt. Wer diesem Änderungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Das ist die Mehrheit. Damit bleibt es bei der ursprünglichen Fassung.

Ich stelle die Drucksache 4/2893 - Brandenburg als Energieland ausbauen - zur Abstimmung. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Kommunale Entlastungsgesetze

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2895

Der Abgeordnete Scharfenberg eröffnet die Debatte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 10. April 2003, also vor mehr als drei Jahren, hat sich der Landtag in 1. Lesung mit dem Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben befasst. Ausgangspunkt für dieses Gesetz war die Reduzierung der kommunalen Finanzzuweisungen im Gemeindefinanzierungsgesetz 2003 um 140 Millionen Euro. Das ist eine ganze Menge Holz.

Diese enorme Reduzierung wurde mit Steuermindereinnahmen des Landes begründet. Als Ausgleich dafür - insofern sollte das Gesetz eher ein Ausgleichsgesetz sein - wollte man den Kommunen Spielräume eröffnen, um sie von pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben zu entlasten. Das wurde dann noch als Beitrag zur Stärkung kommunaler Selbstverwaltung und Erweiterung kommunaler Handlungsspielräume dargestellt. Welch ein Sarkasmus!

Das Gesetz, dem noch ein weiteres folgte, war von vornherein heftig umstritten. Anerkennung fand allenfalls das Bemühen um eine Entbürokratisierung und die Straffung von Verwaltungsvorgängen, die allerdings in den meisten Fällen eher mittelfristig gesehen wurden. Entscheidend ist jedoch, dass kein konkreter Entlastungseffekt benannt werden konnte. Die insbesondere auf das Kita-Gesetz bezogenen Summen, die im Gesetzentwurf benannt waren, lagen weit unter den auszugleichenden 140 Millionen Euro.

Kritisiert wurde die in ihrer zufällig wirkenden Zusammenstellung an einen Gemischtwarenladen erinnernde Systematik der beiden Gesetze. Das weist darauf hin, dass die Gesetze nicht auf einer grundlegenden Analyse belastender Leistungsverpflichtungen, Normen und Standards beruhten. Insofern ist es auch nicht erstaunlich, dass ein realer Zusammenhang zwischen der Kürzung von Zuweisungen und den angestrebten Entlastungen nicht erkennbar wird.

Die Palette der Maßnahmen reichte von der Einschränkung des allgemeinen Anspruchs auf einen Kita-Platz über Einschränkungen bei der Schülerbeförderung im Schulgesetz bis zu Änderungen im Brandenburgischen Weiterbildungsgesetz, unter dem die Volkshochschulen noch heute stark zu leiden haben. Alle diese Regelungen waren mit einem realen Leistungsabbau verbunden, für den die Kommunen geradestehen müssen. Es ist doch bezeichnend, wenn jetzt sogar aus den Reihen der CDU festgestellt wird, dass der Kita-Anspruch nicht eingegrenzt werden darf, sondern im Gegenteil erweitert und qualitativ verbessert werden muss.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Petke ist dabei sozusagen vom Saulus zum Paulus geworden. Damit ist aber auch klar, dass diese Maßnahme keine Entlastung, sondern eigentlich eine Belastung für die Kommunen war.

Ein anderes Beispiel für die praktische Wirkung des Entlastungsgesetzes war der Umgang mit der Schülerbeförderung. Der Kreistag Ostprignitz-Ruppin sollte regelrecht diszipliniert werden, weil die Abgeordneten im Interesse der Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler mehrheitlich an der Finanzierung der Schülerbeförderung durch den Kreis festhalten wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Die Auseinandersetzung mit dem Innenminister - Herr Klein, Sie wissen das - hält noch an und ich finde es schon bemerkenswert, wie Gerichte hier entscheiden.

(Klein [SPD]: Nein, Sie erfüllen unser Gesetz nicht, das hier beschlossen wurde!)

- Was heißt hier „unser Gesetz“, Herr Klein?

(Klein [SPD]: Wir haben es beschlossen!)

- Sie, wir nicht.

(Schulze [SPD]: Der Landtag! Ein Gesetz gilt für alle, wenn es beschlossen ist, ob es Ihnen nun passt oder nicht!)

Sehr fragwürdig war eine Reihe von Regelungen, die lediglich einer Rechtsbereinigung dienten, den Kommunen jedoch gar nichts brachten. Entlastung sollte angeblich auch dadurch erreicht werden, dass die gerade eingeführte Regelung, nach der Ortsbürgermeister zu Ehrenbeamten ernannt werden konnten, flugs wieder abgeschafft wurde. Die Landeshauptstadt Potsdam war allerdings besonders eifrig und hatte ihre Ortsbürgermeister bereits zu Ehrenbeamten gemacht. Also, wir haben solche Ehrenbeamten.

Ich habe mich damals auch gefragt, welche reale Entlastung dadurch erreicht werden soll, dass kommunale Satzungen und ortsrechtliche Vorschriften nicht mehr vom Bürgermeister und vom Vorsitzenden der Gemeindevertretung, sondern nur noch vom Bürgermeister unterzeichnet werden mussten. Meiner Ansicht nach ist damit lediglich der Handlungsspielraum der Hauptverwaltungsbeamten erweitert worden und das - wie bei einigen anderen Regelungen auch - zulasten der Vertretungen. Was das mit einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung zu tun hat, ist mir schleierhaft. Es handelt sich vielmehr um eine Aushöhlung dieser Selbstverwaltung.

Meine Damen und Herren! Innenminister Schönbohm sagte bei der Einbringung des Gesetzentwurfs am 10. April 2003 ich zitiere -:

„Die mit dem Gesetzentwurf zu erzielenden Einsparungen können derzeit noch nicht abschließend quantifiziert werden.“

Er verband diese Selbstkritik mit der Zusage - ich zitiere -:

„Deshalb wird die Landesregierung die finanziellen Auswirkungen des Aufgaben- und Standardabbaus zusammen mit dem im Jahre 2006 fälligen Symmetriebericht auswerten und die Ergebnisse vorlegen.“

Da sich im Symmetriebericht des DIW nur spärliche Angaben zu diesem Thema finden, die sich lediglich auf die beabsichtigten Einsparungen im Rahmen des Kita-Gesetzes beziehen, haben wir es für richtig erachtet, Sie noch einmal an Ihr damaliges Versprechen zu erinnern, Herr Minister.

Das Anliegen ist nicht in Abrede zu stellen, meine ich. Insofern bleibt Ihnen eigentlich nur die Zustimmung zu unserem Antrag. Oder Sie kommen unserem Ansinnen nach und legen uns stehenden Fußes solide Untersuchungsergebnisse vor, die den Entlastungseffekt möglichst konkret benennen. Diese Möglichkeit haben Sie selbstverständlich auch. In jedem Fall können Sie nicht ignorieren, was Dr. Vesper im DIW-Gutachten auf Seite 58 feststellt. Ich zitiere:

„Solange keine belastbaren Schätzungen hierzu vorliegen, sollte die Kostenentlastung nicht als Argument für eine finanzielle Kompensation verwendet werden.“

Das sollten Sie bei Ihren weiteren Rechenexempeln berücksichtigen. Und denken Sie daran: Es geht um 140 Millionen Euro. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Melior.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde noch einmal ein spannendes Thema. Ich will es vorwegnehmen: Wir - die Koalitionsfraktionen - werden dem Antrag der Linkspartei.PDS nicht zustimmen, denn wir sehen keine Veranlassung für diese Evaluierung. Wir haben gestern, am 17. Mai, über Entbürokratisierung gesprochen - meine Kollegin Tina Fischer, Saskia Funck für die CDU, Frau Mächtig für ihre Fraktion - und wir machen heute, am 18. Mai, einen Tag später, den Schritt, der Landesregierung einen Evaluierungsprozess aufzugeben, der sie wahrscheinlich über Monate lahm legen würde. Ich finde das unverantwortlich. Wir werden den Antrag ablehnen.

Nun bin ich weit davon entfernt zu sagen, dass das Parlament nicht das Recht hat, Berichte von der Landesregierung einzufordern, sich zu einzelnen Themen Datenmaterialien zuarbeiten zu lassen. Das ist uns selbstverständlich völlig unbenommen. Dennoch: Es handelt sich um einen Berg von Daten.

Herr Dr. Scharfenberg, Sie haben das DIW-Gutachten zitiert. Wir haben die Evaluierung, die möglich ist, im DIW-Gutachten. Nur eine kleine Nachhilfe. Auf Seite 56 beginnt das Ganze. Man kann es nachlesen. Sie haben eben darauf hingewiesen: Die Zahl, die im DIW-Bericht genannt ist, betrifft die Entlastung im Kinder- und Jugendhilfebereich. Inhaltlich kann man das sehen, wie man gern möchte. Das will ich hier überhaupt nicht bewerten. Aber die Entlastung finanzieller Art ist da beziffert und diese kann man auch benennen.

Nichts anderes hat das zuständige Ministerium gemacht. Es hat die tatsächlich belastbaren Zahlen in die Anrechnung 2003/2004 genommen; wir haben gestern ausführlich darüber gesprochen. Was die überproportionale Beteiligung der Kommunen an den Mindereinnahmen des Landes angeht, so muss

ich Sie leicht korrigieren. Bei der versprochenen Entlastung war nicht von 140 Millionen Euro die Rede. Ich habe das in den Reden nachlesen können. Es ging insgesamt um 70 Millionen Euro. Das Finanzministerium hat jetzt seriös 25 Millionen Euro zugrunde gelegt.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?