Susanne Melior

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Görke, ich möchte an dieser Stelle besser nicht auf Ihre Rede eingehen.
Worte wie Amnesie mit einer Ministerin in Verbindung zu bringen verbietet sich hier, so glaube ich.
Ich möchte gleich ins Thema einsteigen und ein paar Worte über die Arbeit im Ausschuss verlieren. Der Landtag Brandenburg hat am 27. Februar vergangenen Jahres den Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Verfahrenspraxis in Umsetzung der Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform nach Artikel 233 EGBGB und der Verantwortung der brandenburgischen Landesregierung in diesem Prozess auf Antrag der Fraktion DIE LINKE mit den Stimmen aller demokratischen Parteien in diesem Haus eingesetzt. Ich habe anlässlich dieser Einsetzung damals gesagt:
„Die Menschen in Brandenburg, vor allem die Betroffenen, haben hohe Erwartungen an uns. Sie wollen vollständige Aufklärung über die Praxis der Bodenzuordnung. Sie wollen die Klärung der Verantwortung, vor allem aber wollen sie Gerechtigkeit.“
Der Untersuchungsausschuss hat öffentlich getagt. Das Interesse der Medien war durchaus vorhanden, wie heute auch. Bürgerinnen und Bürger interessierten sich bis auf wenige Ausnahmen nicht für unsere Arbeit. Anrufe zu diesem Thema in unseren Bürgerbüros waren auch eher selten und wenn, dann bezogen sie sich auf Fälle im Umgang mit der Bodenreform zu DDR-Zeiten und den Wirrwarr, der mit dem sogenannten Modrow-Gesetz und in Folge geschah.
- Ja, das mag unterschiedlich gewesen sein; bei uns war es eher diese Lage. Der Petitionsausschuss hat übrigens auch viele Zuschriften genau in dieser Richtung erhalten.
Unser Aufklärungsauftrag bezog sich auf Handeln und Agieren der Landesregierung in den Jahren 1992 bis zum Stichtag 2. Oktober 2000. Natürlich ist es politisch brisant, wenn eine Landesregierung eine Entwicklung unterschätzt, den Dingen zu lange ihren Lauf lässt, Aufträge an Dritte zu wenig kontrolliert und den Informationsfluss im Haus nicht ordentlich regelt. Wenn es ein Verdienst unserer Arbeit gibt, dann das, dass wir all diese Dinge festgestellt und benannt haben.
Bodenreform - gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Rückblick -, da stellt sich die Frage: Was hat es eigentlich damit auf sich und was verbirgt sich dahinter?
„Junkerland in Bauernhand“ - für mich als Schülerin der DDR war diese Formel positiv besetzt.
- Das unterscheidet uns dann, aber ich habe das damals durchaus positiv wahrgenommen.
In unseren Lese- und Geschichtsbüchern wurden freundliche Menschen gezeigt, die - meist mit Schippen und Pfählen ausgestattet - auf die Felder zogen und das Land neu verteilten.
Großgrundbesitzern - dazu zählten alle, die mehr als 100 ha besaßen - und Kriegsverbrechern wurde das Land weggenommen und an landarme Bauern, Landarbeiter und Umsiedler verteilt - im Durchschnitt 3,9 ha.
Die Menschen hatten 1945 neben dem guten Gefühl, dass der Krieg endlich vorbei ist, vor allem eins: Hunger. Viele Flüchtlinge wohnten in den Dörfern und mussten versorgt werden. Sie wollten selbst Gemüse und Feldfrüchte anbauen, um damit Hühner und Kaninchen zu füttern. Von Zwangskollektivierungen und Kolchose war damals noch nicht die Rede - das kam dann später.
Die Vorgehensweise entsprach der gelehrten Doktrin: Produktionsmittel vergesellschaften. Dass damit eine ganz neue Art des Eigentums entstand, das sogenannte Arbeitseigentum, war mir als Schülerin nicht bewusst. Bodenreformland war nur vererbbar, wenn die Erben in der Landwirtschaft tätig waren und den Acker damit weiter als Produktionsmittel - wenn auch kollektiviert in der LPG - benötigten.
Dem DDR-Unrechtsstaat entsprach, dass bei Funktionären die Sache viel großzügiger gehandhabt wurde und es dann auch schon mal ausreichte, wenn jemand beim Rat des Kreises, Abteilung Landwirtschaft, arbeitete, aber nie wirklich den Acker bestellt hat.
Mein Vater kann heute noch jeden namentlich benennen, der 1945 in meinem Heimatort Sandau an der Elbe Flächen zugeteilt bekam, um sich und seine Familie zu versorgen.
Wer inzwischen im Grundbuch steht oder was mit den Menschen passiert ist - genau da ist dann der Unterschied, Herr Krause -, die dann die Stadt verlassen haben und andere Wege gegangen sind, das weiß er natürlich auch nicht in jedem Detail.
Da sind wir auch schon bei handfesten Problemen, die die Erbensuche bis heute erschweren: schlampig geführte Grundbücher zu DDR-Zeiten, herrenlose Bodenreformgrundstücke, weil Menschen bei Nacht und Nebel in den anderen Teil Deutschlands geflohen sind, Erbengemeinschaften, denen die Anstrengungen der gütlichen Einigung zu groß sind für so ein kleines Stückchen Land im Außenbereich, ein Eigentumsbegriff, der nichts mit Verantwortung oder Zuständigkeit zu tun hatte.
In den 90er Jahren firmierten sich daraus Agrargenossenschaften, oder Wiedereinrichter übernahmen die Flächen zur Bewirtschaftung. Für Investitionen und für die Inanspruchnahme von EU-Fördermitteln dieser neuen Betriebe waren vor allem langfristige Pachtverträge notwendig, und diese konnten nur mit vorhandenen Eigentümern geschlossen werden.
Da kommt dann wieder die Abwicklung der Bodenreform zum Tragen. Diese ist nämlich nicht - wie immer wieder unterstellt wird - aus reinem Interesse des Fiskus betrieben worden, nein das belegen die Akten -, sie war vor allem von der Landwirtschaft gefordert, um endlich Klarheit in die Eigentümerstruktur zu bekommen. Warum hätte sich sonst als einziger Ausschuss der für Landwirtschaft zuständige hier im Landtag zumindest kurz mit diesem Thema befassen sollen? Die Interessen der Landwirtschaft sind vom Land aufgenommen worden und haben neben dem EGBGB von 1992 Druck in die Erbensuche gebracht.
Wir stellen in unserem Abschlussbericht fest, dass die Abwicklung der Bodenreform ein politisch höchst brisantes Thema war. Diese Brisanz wurde eindeutig unterschätzt. Diese politische Brisanz hatte das Thema im Jahr 1945 und in den folgenden, später mit der Wende und erst recht seit 1989/90 beim Übergang von der DDR-Diktatur in den Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland.
Zur politischen Wahrheit gehört auch, dass wir Sozialdemokraten, anders als andere, immer anerkannt haben, dass die Bodenreform nicht rückgängig gemacht wird. Ich erinnere nur an die Diskussionen im Bund, aber auch in diesem Hause anlässlich der Vorschläge von Ex-Bundesminister Scholz. Auch jetzt wird wieder von einigen rückwärts gewandten Menschen versucht, die Vorgänge und den Untersuchungsausschuss zu benutzen, um die Bodenreform infrage zu stellen.
Meine Damen und Herren; die Bodenreform ist historische Wahrheit, mit der wir umgehen wollen und werden, auch mit dem am 16. März 1990, also zwei Tage vor der ersten freien Volkskammerwahl, beschlossenen Modrow-Gesetz und dem folgenden EGBGB, vom Deutschen Bundestag 1992 beschlossen.
Muss ich Ihnen - ich sehe Sie ganz bewusst an, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE - zu Modrow und seinem Gesetz vom März 1990 wirklich noch etwas sagen?
Manche tun bis heute so - bei Herrn Görke klang es eben auch wieder so -, als wäre damit alles viel gerechter gelaufen.
Wir werden uns nicht daran beteiligen; denn indem die Beschränkungen in der Erbenfolge für Bodenreformgrundstücke aufgehoben wurden, schuf man neue Ungerechtigkeiten und neue Unsicherheiten.
Das Gesetz war mit heißer Nadel gestrickt, es musste korrigiert werden.
Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten werden sich auch jetzt, 19 Jahre danach, nicht daran beteiligen, das zutiefst ungerechte Modrow-Gesetz reinzuwaschen. Denn das bedeutet Ungerechtigkeit für all diejenigen, die zu DDR-Zeiten, nur weil sie Lehrer oder Krankenschwester geworden sind, ihren Grund und Boden verloren haben. Ein Unrecht wird nicht besser, indem man neues schafft.
Zum Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz, das die EGBGB-Regelungen zur Abwicklung der Bodenreform schuf, zitiere ich an dieser Stelle das Sondervotum der Abgeordneten Görke, Christoffers und Frau Wehlan von der Fraktion DIE LINKE:
„Hier sollte das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz Abhilfe schaffen, indem es die vermeintliche Regelungslücke des Modrow-Gesetzes … schließen sollte. Das … Gesetz zielte … darauf ab, die Eigentümerstellung … zu beschränken und ,hebelte‘ damit die Regelungen des Modrow-Gesetzes … gewissermaßen wieder aus. … Im
Nachhinein erwies sich dieses Gesetz (gemeint ist die Nachzeichnungslösung des Deutschen Bundestages) als eine der umstrittensten ,Errungenschaften‘ deutscher Rechtseinheit, dessen Verfassungsgemäßheit von nicht wenigen mit dieser Materie betrauten Juristen in Zweifel gezogen wurde.“
Herr Görke hat dieses Zitat vorhin hier auch gebracht, jedenfalls einige Stellen davon. Was Sie aber verschwiegen haben, Herr Görke - ich sage: bewusst verschwiegen haben -, ist, dass die Nachzeichnungslösung des EGBGB mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war.
Das Ergebnis, Herr Görke, hätten Sie auch benennen sollen. Das Ergebnis heißt nämlich: Das Gesetz ist verfassungskonform, und es verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen die Menschenrechte.
Sie regen sich völlig zu Recht auf, und deswegen kann ich Ihnen eine weitere Wahrheit nicht ersparen, Herr Görke: Sie spielen in dem Untersuchungsausschuss und erst recht durch Ihr Sondervotum mit den Hoffnungen und Ängsten der Menschen. Das finden wir unverantwortlich. Schauen Sie sich die Bürgerschreiben an den Untersuchungsausschuss an! Schauen Sie sich die Petitionen an den Petitionsausschuss an! Wir haben vorhin schon darüber gesprochen.
Grob gesagt: Es geht um zwei Fallgruppen, einmal um bekannte Erben, die Grundstücke an das Land rückübertragen mussten, weil das Modrow-Gesetz falsch war und aufgehoben wurde, und zum anderen um zu DDR-Zeiten geschehenes Unrecht und das, obwohl Sie wissen, dass dies zu neuem und noch mehr Unrecht führen würde, und obwohl Sie wissen, dass es nicht den Hauch einer Chance gibt, das politisch zu verabreden.
Meine Damen und Herren, ich habe mich hinreißen lassen. Allerdings kann die Wahrheit manchmal dazu verführen.
Zurück zum Untersuchungsausschuss. Sie sehen, die Bodenreform ist brisant, die Abwicklung derselben immer dann, wenn versucht wird, sie als Vehikel zu benutzen,
um die eigenen politischen Ziele zu verfolgen. Es war nämlich nicht so, wie die Abgeordneten Görke, Christoffers und Frau Wehlan behaupten. Ich zitiere: „Trotz einer … Vielzahl von parlamentarischen Anfragen …“
Aber eigentlich bin ich Ihnen dankbar für diese Aussage; denn so habe ich Gelegenheit zu sagen, dass es damals lediglich zwei Fragen, und zwar aus dem Raum der SPD, nämlich von Heidi Konzack und von Dagmar Ziegler, gab, die die Abwicklung der Bodenreform betrafen.
Dennoch - da sind wir uns einig - hätte erkannt werden müssen, dass nicht nur die Bodenreform, sondern auch der Gesetzesvollzug politisch brisant war und ist.
Da bin ich wieder bei meiner Ausgangsaussage: Es wurden Fehler gemacht. Ja, die politische Brisanz wurde nicht gesehen. Es bleibt dennoch festzustellen, dass das seinerzeitige Handeln der Landesverwaltung rechtlich vertretbar erschien und dass kein kalkulierter Missbrauch der Vertreterpraxis vorlag.
Natürlich war die Vertreterbestellung falsch. Ich will auch nicht mit Ihnen darüber debattieren, dass ein Rechtsreferendar, wenn auch mit abenteuerlicher juristischer Begründung, zu dem Ergebnis kam, dass man das Land nicht zum Vertreter unbekannter Erben hätte bestellen sollen. Man hätte das nicht tun dürfen. Punkt.
Es ist doch so: Wenn jemand die Bedeutung eines Themas verkennt, merkt er nicht, dass er die Bedeutung verkennt. Das ist misslich. Aber es gibt keine Möglichkeit, das Verkennen der Bedeutung in irgendeiner Form zu sanktionieren.
Die einzige Möglichkeit besteht darin - hören Sie ruhig weiter zu! -, so zu handeln, dass die Gefahr der Verkennung der Bedeutung eines Themas nicht besteht, jedenfalls so gering wie möglich gehalten wird. Das ist die schwierige Aufgabe der Führung eines Ministeriums, allerdings - ich schließe mich da ein - ist es auch und gerade Aufgabe des Parlaments.
Wir bestimmen durch unsere mündlichen, Kleinen und Großen Anfragen mit, was politisch brisant ist und wo wir gern stärker die Arbeit der Landesregierung kontrollieren möchten. Da hilft es auch nicht, zu bedauern, dass die Abwicklung der Bodenreform und das genaue Vorgehen ohne explizite Kenntnis des Parlaments vonstatten gegangen sei. Das Thema war hochbrisant - Sie haben es selbst eingeräumt -, da sind wir uns doch einig. Deswegen war es unangemessen, auch vonseiten des Parlaments, dass nur zwei SPD-Abgeordnete Fragen an die Landesregierung hatten, die die Abwicklung der Bodenreform betrafen.
Meine Damen und Herren! Mein Mann und ich haben 1989 eine wichtige und, wie wir heute wissen, richtige Entscheidung getroffen. Wir sind wie viele andere auf die Straße gegangen, haben uns eingemischt und uns für eine neue, demokratische Bewegung, die SDP, entschieden. Wir wollten Pressefreiheit sowie freie und geheime Wahlen. Und wir wollten den Rechtsstaat - eine freie, unabhängige Justiz, die nicht der Willkür einer Diktatur ausgesetzt ist. Deswegen nehme ich den Untersuchungsausschuss und das BGH-Urteil vom 07.12.2007 auch ernst. Und: Ich respektiere es.
Ob die Worte klug gewählt waren, möchte ich hier nicht beurteilen. Dazu hat der Generalstaatsanwalt, Erardo Rautenberg, heute in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, glaube ich, alles gesagt. Das steht ihm im Übrigen auch mehr zu als mir; so ist jedenfalls meine Meinung.
Fehler werden gemacht. Das ist nicht schön, aber nicht immer zu vermeiden. Aber Fehler werden auch aufgedeckt und als solche benannt. Das, meine Damen und Herren, unterscheidet die Demokratie von der Diktatur.
Bleibt die Frage der Gerechtigkeit. Wir als Untersuchungsausschuss waren nicht dazu da, Gerechtigkeit zu schaffen, auch wenn wir das gern gewollt hätten. Das war nicht unser Auftrag.
Meine Damen und Herren, es ist für mich wirklich bitter: Gerechtigkeit haben wir nicht herstellen können. Viele Fragen, Wünsche und Hoffnungen bleiben offen. Daran hat die DDR ihren Anteil; Modrow konnte daran nichts ändern.
Das Land Brandenburg hat seine Fehler eingesehen und gibt alle Grundstücke, für die ein Erbschein vorgelegt wird, sofort und unkompliziert heraus. Leider - das bedauere ich einmal mehr kommen jetzt neue Ungerechtigkeiten hinzu. Für diejenigen, die sich bis zum Stichtag 2. Oktober 2000 gekümmert und gemeldet hatten, galt die Regelung der Besserberechtigung. Zuteilung bekam nur, wer in der Landwirtschaft tätig war bzw. dessen Boden bewirtschaftet wurde. Diejenigen, die sich nicht kümmerten, werden heute nicht mehr gefragt, ob sie den Acker bestellen oder den Wald bewirtschaften; sie sind alle besserberechtigt.
Die rechtlichen Fragen, die in diesem Zusammenhang jetzt aufgetreten sind, werden sicherlich noch geklärt. Die gesetzlichen Grundlagen, jedenfalls für die Rückgabe, sind alle vorhanden.
Im Ergebnis des Untersuchungsausschusses werden Konsequenzen gefordert, die im Sondervotum der Fraktion DIE LINKE nachzulesen sind. Zur Demokratie gehört aber auch, alles am richtigen Platz zu bereden. Gegenstand heute und hier ist der Bericht des Untersuchungsausschusses. Dieser hatte die Tatsachen und die Fehler zu benennen. Um Konsequenzen und damit um die Umsetzung des Fünf-Punkte-Planes der Landesregierung geht es im Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Das Schöne daran ist, dass drei Mitglieder des Untersuchungsausschusses - meine Kollegen Herr Christoffers, Herr Homeyer und ich - auch dort Mitglied sind. Dort werden wir gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Görke, ich muss Sie enttäuschen, es ist nicht Herr Bischoff, der hier heute steht und mit Ihnen die Diskussion fortführen wird. Über die Pendlerpauschale redet man seit über hundert Jahren. Vor hundert Jahren war es übrigens - das ist auch interessant - das Preußische Oberverwaltungsgericht, das argumentierte:
„Wenn der Erwerbende sich nicht zu seiner Arbeitsstelle begibt, so verdient er auch nichts“,
und dafür gesorgt hat, dass es so etwas wie die Pendlerpauschale schon damals gab. Sie war übrigens nur für den öffentlichen Personennahverkehr vorgesehen und wahrscheinlich ökologischer - so habe ich Sie eben auch verstanden - als das, was wir heute haben.
In den 50er Jahren nahm der Individualverkehr mit dem Pkw sehr stark zu. Im Jahr 1955 wurde eine Änderung vorgenommen, und von da an konnten die Kosten für die Fahrt zur Arbeit mit dem Auto steuerlich geldend gemacht werden.
Wie Sie, Herr Görke, eben zu Recht sagten, ist die derzeitige Regelung gemäß dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verfassungsgemäß. In der Begründung hieß es, dass es nicht ausreichend sei, Haushaltsgründe anzugeben, dass also die Haushaltskonsolidierung allein nicht der Grund sein könne, das Gesetz so auszugestalten, wie es 2007 geschah.
Inzwischen gilt nicht mehr die Regelung von 2007, sondern in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Regelung, dass alle Berufspendler wieder 30 Cent pro Kilometer ohne Beschränkung der Entfernung erstattet bekommen kön
nen. Einige von Ihnen haben vielleicht schon vom Finanzamt einen Bescheid über die entsprechende Erstattung bekommen. Es geht meist um Beträge von 3,50 bis 80 Euro oder auch sehr viel mehr. Diese Beträge werden jetzt nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen rückerstattet. Das ist, meine ich, auch nur gerecht.
Wir befinden uns in der Phase, in der dies neu geregelt werden muss. Nicht wir, sondern die Bundesebene muss es neu regeln. Sie wollen mit Ihrem Antrag die Landesregierung auffordern, sich auf Bundesebene für bestimmte Rahmenbedingungen und eine ganz bestimmte, spezielle Ausrichtung der Pendlerpauschale einzusetzen. Ich bin sicher, dass es bei Ihnen auch darum geht, die ökologischen Aspekte in Zukunft stärker zu berücksichtigen. Es gibt im Übrigen an der Pendlerpauschale, wie sie bisher existiert, auch eine Kritik vonseiten des Bundesumweltamtes. Dort würde man die Pendlerpauschale am liebsten abgeschafft sehen. Argumentiert wird dabei vor allem mit dem Auseinanderfallen von Wohnstätten und Arbeitsstätten; damit würde man die Zersiedelungsproblematik befördern. Das sind die Gründe, die aus ökologischer Sicht noch angeführt werden können.
Zurück zur Regelung von 1900 wollen wir auch nicht, als man sagte: Die Pauschale gilt nur für den ÖPNV. Man wird sicher gemeinsam nach gerechteren Lösungen suchen müssen. Sie haben eben zu Recht ausgeführt, dass diejenigen, die keine Einkommensteuern zahlen, davon völlig unbetroffen bleiben, also überhaupt keine Möglichkeit der Absetzbarkeit haben. Dazu zählen auch Familien. Mein Bruder hat fünf Kinder und zahlt keine Einkommensteuer. Das würde sich an dieser Stelle nur hin- und herrechnen. Es gibt also Menschen, die davon gar nicht profitieren. Das wollen wir auch nicht.
An dieser Stelle ist der Bund in der Pflicht. Es gilt die klare Ansage: Die jetzige Regelung - 30 Cent pro Kilometer - gilt weiter bis zur Bundestagswahl. Nach der Bundestagswahl mit einer neuen Bundesregierung müssen diese Verhandlungen zu Ende gebracht werden. Wir als SPD wünschen uns auch, dass ökologische und soziale Aspekte dabei eine Rolle spielen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche jetzt insbesondere die Fraktion DIE LINKE an, weil Sie es sind, die den Antrag eingebracht haben und uns in die Diskussion
über einen Nachtragshaushalt mitnehmen wollen. Um es gleich vorweg zu sagen: Die SPD wird Ihrem Anliegen nicht Rechnung tragen können. Wir sehen zurzeit keine Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2009.
- Frau Mächtig, ich will Ihnen gern sagen, warum wir Ihren Antrag ablehnen.
Zuerst lohnt ein Blick in § 37 Abs. 1 Satz 4 der Landeshaushaltsordnung. Ferner empfehle ich Ihnen, § 8 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes für die Jahre 2008/2009 zur Kenntnis zu nehmen, vor allem die genannte Zahl. Herr Christoffers weiß, wovon ich rede; er hat sich soeben selbst darauf bezogen. Vergessen Sie bitte auch nicht die Ausnahmeregelungen. Angesichts all dessen stehen wir nicht in der Pflicht, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Der Finanzminister wird sicherlich noch Gelegenheit nehmen, Ihnen das zu erläutern.
An dieser Stelle sollte übrigens auch die DVU zuhören, weil ich gestern auch Frau Hesselbarth nach einem Nachtragshaushalt habe rufen hören. Für Sie gelten dieselbe Landeshaushaltsordnung und dasselbe Haushaltsgesetz.
Ich dachte wirklich, Sie würden angesichts der Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden Ihren Antrag zurückziehen. Diese Einigung ist von allen Beteiligten gelobt worden. Ich habe niemanden im Nachhinein rufen hören, das sei zu wenig und gehe so überhaupt nicht. Wollen Sie diese Einigung hier wirklich wieder infrage stellen? Wollen Sie den Kompromiss, der unter der Leitung des Ministerpräsidenten ausgehandelt wurde, wirklich aufkündigen? Ich vermute, dafür werden Sie nicht einmal vom Landkreistag oder vom Städte- und Gemeindebund einen Dank bekommen.
Unter Punkt 1 Ihres Antrags - ich gehe gern darauf ein, Herr Christoffers; das gebietet die Fairness - wollen Sie den Kommunen das Geld entsprechend dem Verteilungsschlüssel im FAG ausreichen. Eine aus meiner Sicht abenteuerliche Vorstellung, wenn man bedenkt, dass dann auch die Hauptansatzstaffel und nicht nur die Bevölkerungszahl Anwendung finden würde. Damit käme es wiederum zu einer Verschiebung von starken zu weniger starken Kommunen.
Nach der nunmehr erzielten Einigung fließen 52,8 % der Mittel aus dem Konjunkturpaket II direkt an die Kommunen, und zwar mit dem schon viel zitierten Verteilungsmodus 70 zu 30. Rechnet man aber alle kommunalbezogenen Investitionen zusammen - dazu gehören Sportstätten, der Hafen in Mühlberg, Krankenhäuser, Telemedizin, Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, Eltern-Kind-Zentren -, kommt man auf 84 % des Gesamtpakets. Summa summarum sind es 384 Millionen Euro für Kreise, Städte und Gemeinden im Land Brandenburg. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Das ist gut so. Wo sonst spielt sich das Leben ab? Wo sonst sind die Bedarfe tatsächlich vorhanden? Wo sonst kann das Geld in kurzer Zeit zielgerichtet eingesetzt werden?
Die finanzschwachen Kommunen - der Bund schreibt uns vor, dass wir sie berücksichtigen - werden in Brandenburg mit einem Eigenanteil von nur 10 % bessergestellt. Ihnen stehen für fünf Jahre zinslose und für zehn Jahre verzinsliche Darlehen
zur Verfügung. Der von Ihnen vorgeschlagene Planungsfonds hilft, jedenfalls aus meiner Sicht, nicht wirklich weiter. Planungskosten sind übrigens in den Gesamtsummen zu berücksichtigen.
Darüber hinaus lehnen wir den Einsatz der Rücklagen aus dem Haushaltsjahr 2008 für den Planungsfonds und auch für die Kita-Finanzierung ausdrücklich ab.
Was ich verstehen kann - da bin ich bei der Opposition -, ist Ihr Bedürfnis, die Dinge zu diskutieren, Ihr Wunsch nach Klarheit und danach, den Kuchen gemeinsam aufzuschneiden und auch zu verteilen. Ich denke, dafür ist der Haushaltsausschuss der richtige Ort. Wir haben in einer Runde übrigens schon über bestimmte Punkte aus dem Konjunkturpaket II miteinander diskutiert. Wenn die Verwaltungsvereinbarung zu Ende verhandelt ist und alle Dinge klar sind, dann können wir das gern fortsetzen. Da bin ich durchaus bei Ihnen.
Um es noch einmal zu sagen: Der Haushaltsausschuss ist dafür der richtige Ort. - Ich danke Ihnen für die wenigstens punktuell vorhandene Aufmerksamkeit.
Das Leben spielt sich in Brandenburg vor allem in den Städten und Gemeinden ab, also in den Kommunen. Von daher frage ich die Landesregierung, wie wir es schaffen wollen, dass die mit dem Konjunkturpaket II zur Verfügung gestellten Mittel auch auf die kommunale Ebene kommen, die Kommunen von zusätzlichen investiven Mitteln profitieren können und eine enge Abstimmung mit der kommunalen Familie erfolgen kann.
Es gibt ein weiteres Problem, auf das ich hinweisen möchte. Ich frage Sie daher, wie weit man die Abstimmung mit den Spitzenverbänden berücksichtigen wird - Sie haben es angesprochen und wie weit man darauf eingehen kann. Kommunen, die zusätzliche Investitionen anschieben, belasten in den Folgejahren ihren Verwaltungshaushalt mit Folgekosten für die Unterhaltung. Daher ist es ein schwieriges Spiel. Wie wollen Sie mit den Spitzenverbänden vorgehen? Gibt es eine Runde, die auf Dauer eingerichtet wird? Wie kann man sich das vorstellen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein spannender Punkt, den wir als letzten auf der heutigen Tagesordnung haben. In dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE ist vorgesehen, Gewerbesteueranteile, die von den Kommunen an das Land gehen, ganz abzuschaffen, also darauf zu verzichten. Sie setzen dann aber noch eins drauf. Sie wollen nämlich, dass wir eine Initiative im Bundesrat starten mit dem Ziel, diese gänzlich abzuschaffen. Dazu werde ich noch etwas sagen.
Auf den ersten Blick mag man den Eindruck haben, dass der finanzielle Spielraum der Kommunen erweitert werden soll und dass das eine ganz löbliche Angelegenheit ist. Auf den zweiten Blick ist aber dann doch etwas zu kritisieren. Erstens haben wir die Schwierigkeit, dass wir das aus rein formalen Gründen für dieses Jahr 2009 gar nicht mehr geregelt bekämen, weil der Haushalt 2008/2009 bekanntlich beschlossen ist und eine Ausgabeermächtigung, die wir dafür bräuchten, in diesem Haushalt gar nicht vorgesehen ist.
- Ja, ja, wir machen immer alles danach. Im Moment geht es jedenfalls nicht.
Zweitens: Wir haben heute Vormittag eifrig über die Frage diskutiert, wie die Kommunen am Konjunkturpaket II partizipieren können, wie sie unterstützt werden können und ihre Investitionen tatsächlich auch tätigen können. Diese Diskussion müssen und sollten wir meiner Meinung nach auch weiterführen. Zur Redlichkeit gehört aber, zu sagen, dass wir bis jetzt keinen Überblick darüber haben, was überhaupt gedreht werden kann, was überhaupt möglich ist. Sie unterstellen an dieser Stelle, dass die Kommunen nicht in der Lage sind, ihren Eigenanteil dazu zu erbringen. Dies stimmt zumindest nicht für alle Kommunen im Lande. Zur Wahrheit gehört also auch, dass die Finanzausstattung in den Kommunen sehr unterschiedlich ist, dass es also durchaus Kommunen gibt, die da sehr schnell sehr viel Geld gedreht bekommen werden.
Wir haben für die Kommunen 2 Milliarden Euro - das ist ein Batzen Geld - zur Verfügung gestellt. Diese 2 Milliarden Euro fallen, was ebenfalls zur Wahrheit gehört, nicht vom Himmel.
Diese 2 Milliarden Euro speisen sich aus Steuern und SoBEZ, Sonderbedarfsergänzungszuweisungen. Ich wiederhole: Dieses Geld fällt nicht einfach vom Himmel! Wir sollen - da bin ich bei meinem kritischen Punkt und Ihrem Antrag - beim Bund dafür sorgen, dass sie bundesweit abgeschafft werden. Die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen, die wir hier in den neuen Ländern dringend brauchen und die eine wichtige Aus
stattung auch für unsere kommunalen Finanzen bedeuten, speisen sich unter anderem aus der erhöhten Abgabe der Kommunen in den alten Ländern, nämlich von ihren Anteilen an der Gewerbesteuer. Wir zahlen auf der Landesebene 22 %, in den alten Ländern sind es 51 %. Diese 51 % zahlen die, damit sie uns helfen können. Wir wären ja...,
wenn wir den Ast absägen würden, auf dem wir dringend noch sitzen müssen.
Mein Fazit an dieser Stelle: Die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen weiter zu stärken ist unsere dringende, hervorragende Aufgabe. Dafür sollten wir alle Kraft einsetzen; denn nur so werden sie ihre eigenen Aufgaben bewältigen können. Die Stärkung der Finanzkraft steht dabei über allem. Eine neue Umverteilungswelle wird uns dabei nicht helfen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Was erwarten Sie, wenn wir als SPD-Fraktion hier im Landtag das Thema „Städte und Gemeinden sind das Rückgrat eines erfolgreichen Landes“
elf Tage vor den Kommunalwahlen auf die Tagesordnung setzen? - Ich schaue den Kollegen Scharfenberg freundlich an: Viel Lob
und die Schilderung einer Erfolgsgeschichte. Das können Sie erwarten, und das ist auch so.
Den brandenburgischen Kommunen geht es gut, und zwar auch deshalb, weil das Land in den Anfangsjahren die größere Last getragen hat. Die Finanzausstattung hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, und unser Finanzausgleichsgesetz sorgt dafür, dass auch die Schwächeren ihre Aufgaben erledigen können.
Aber keine Bange - ich schaue wieder zur Fraktion DIE LINKE -: Ich möchte nicht schönreden, was nicht schön ist, und werde im Folgenden - neben den wirklich sehr positiven Entwicklungen - auch auf Schwachstellen hinweisen, an denen wir in den nächsten Jahren gemeinsam Veränderungen vornehmen werden.
Das Sprichwort „Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte!“ trifft auch auf den kommunalen Finanzausgleich in Brandenburg zu. Lassen Sie mich dennoch mit den positiven Daten und Fakten beginnen. Die Einnahmen der Kommunen aus eigenen Steuern sind im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr um 19,9 % - fast 20 % - angestiegen. Daran hat die Gewerbesteuer einen großen Anteil. Im Jahr 2007 stieg sie gegenüber dem Jahr 2006 um mehr als 22 %. Damit liegt Brandenburg bundesweit an erster Stelle hinsichtlich des Zuwachses bei den Gewerbesteuereinnahmen.
Dieser Trend setzt sich im Jahr 2008 fort. Die Einnahmen im 1. Halbjahr 2008 stiegen gegenüber dem 1. Halbjahr 2007 um 8 %. Zeitgleich sanken die Kassenkredite der gesamten kommunalen Familie um 12,5 % auf 661 Millionen Euro. Am 30.06.2007 waren es noch 756 Millionen Euro. Der Schuldenstand betrug am 30.06.2008 1,6 Milliarden Euro und liegt somit nur leicht unter dem Vorjahreswert.
1 Euro ist mehr als 75 Cent. „Das stimmt!“ werden Sie sagen. Im kommunalen Finanzausgleich bedeutet das Folgendes: 1 Euro selbst verdientes Geld ist für den eigenen Haushalt besser als 75 Cent, die wir über die Schlüsselzuweisungen von Landesseite ausgleichen und womit wir die fehlende eigene Finanzkraft der Städte und Gemeinden auffangen. Aber auch bei dieser banalen Betrachtung sind die Effekte von Jahr zu Jahr verschieden und durch den verzögerten Ausgleich der Mehrund Mindereinnahmen manchmal fast abenteuerlich.
„Steuerwachstum ohne Effekt für den Etat“ titelte die „Märkische Allgemeine“ am 22. August dieses Jahres in ihrem Regionalteil für Potsdam-Mittelmark und meinte damit die Gemeinde Michendorf. Hier rechnete der Kämmerer vor, dass bei 490 000 Euro Mehreinnahmen aus der Einkommensteuer die Zuweisungen des Landes nach dem FAG im Folgejahr um 113 000 Euro sinken werden und die Kreisumlage um 370 000 Euro steigen wird. Somit stehen den gestiegenen Einnahmen unterm Strich 7 000 Euro gegenüber. Das ist nicht viel, dennoch sagt der Kämmerer:
„Es ist trotzdem besser, zu den Starken zu gehören.“
Das System des horizontalen Finanzausgleichs sei nun einmal so aufgebaut, dass die Stärkeren die Schwachen stützen. Recht hat er.
Bestätigt wurde unser Ausgleichssystem inzwischen auch von höchstrichterlicher Stelle, dem Landesverfassungsgericht, im sogenannten Uckermark-Urteil. Der Landkreis Uckermark Sie erinnern sich - führte Klage gegen das Land Brandenburg und beschwerte sich über eine ungenügende Finanzausstattung. Das Urteil wurde auch im Landtag mit Spannung erwartet - wir befanden uns damals gerade in den Haushaltsberatungen - und war in seiner Begründung klar und eindeutig. Ich zitiere:
„Das Verteilungssystem des Finanzausgleichsgesetzes ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Gesetz
geber verbleibt bei der Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs ein weiter Ermessens-, Gestaltungs- und Prognosespielraum.“
Die Entwicklungen der Landeszuweisungen in den vergangenen Jahren können durchaus positiv betrachtet werden. Die Verbundgrundlage ist aufgrund der verbesserten Steuereinnahmesituation des gesamten Landes Brandenburg gestiegen, und es gibt mehr Gemeinden, die ihre Aufgaben fast vollständig aus eigenen Einnahmen finanzieren können. Beides führt dazu, dass hilfebedürftige Gemeinden über den horizontalen Finanzausgleich größere Zuweisungen vom Land erwarten können.
Mit dem Ausgleichsfonds für hochverschuldete Kommunen haben wir zusätzlich die Möglichkeit, Gemeinden und Städte in besonders schwierigen Situationen zu unterstützen. Seit der Einrichtung des Fonds im Jahr 2001 wurden dafür - mit Stand 31. März dieses Jahres - 119 Millionen Euro ausgereicht.
In diesem Jahr kam das Geld erstmals auch den Landkreisen zugute. Insgesamt wurden knapp 60 Millionen Euro an sieben Landkreise ausgezahlt. Ihre sehr schwierige Finanzsituation ist vor allem auf die dramatisch gestiegenen Sozialausgaben Bundesgesetzgebung - zurückzuführen. So hatten im Jahr 2006 nur vier Landkreise, nämlich Oberhavel, Barnim, Dahme-Spreewald und das Havelland, einen ausgeglichenen Haushalt.
Die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen - eine wichtige zusätzliche Finanzeinnahme auch für die kommunale Familie, wie man immer wieder erwähnen muss - soll, neben dem Schließen der Infrastrukturlücke in den neuen Ländern die unterproportionale Finanzkraft der ostdeutschen Kommunen auffangen. Sie werden vor Ort genutzt, um notwendige Investitionen zu stemmen. So etwas Schönes gibt es in den alten Ländern nicht. Man beneidet uns darum und schaut beim sogenannten Fortschrittsbericht immer ganz genau hin, was wir damit treiben.
Den Solidarpakt III wird es nicht geben. Damit steht fest, dass die Sonderbedarfsergänzungszuweisungen 2019 bei null sind und nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Bis dahin muss die unterproportionale Finanzkraft der Landkreise, Städte und Gemeinden im Osten auf eine mindestens durchschnittliche Finanzkraft gestiegen sein, um die stetige Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Das heißt: Investitionen müssen im Verwaltungshaushalt erwirtschaftet werden, eine Vorstellung, die jedem kommunalen Abgeordneten die Sorgenfalten auf die Stirn treibt.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einen kurzen Blick in die Zukunft. Die Einnahmen der Kommunen steigen, nicht zuletzt auch wegen des gestiegenen Steueraufkommens des Landes, an dem die Kommunen mit 20 % über den kommunalen Finanzausgleich beteiligt sind. Die Mehreinnahmen sind erforderlich, denn die Personalausgaben stiegen im laufenden Haushaltsjahr um über 5 % - ein guter Tarifabschluss, der aber gestemmt werden muss.
Die Aufwendungen für den laufenden Sachaufwand gingen um 4,1 % nach oben. Das zeigt, dass die kommunalen Haushalte auch deutlich von den Preissteigerungen bei Energie und Waren sowie Dienstleistungen betroffen sind.
Die gestiegenen Ausgaben für Personal und für die Bewirtschaftung der Gebäude werden aber gut durch die Mehreinnah
men kompensiert. Die kommunale Familie gewinnt zunehmend an Finanzkraft. Probleme der Kommunen nehmen in der Summe ab. Das lässt sich auch an der Verringerung der Kassenkredite - ein Barometer für das Wohlergehen von Städten, Gemeinden und Landkreisen - ablesen. Dennoch kann es in Einzelfällen zu einer Verschlechterung der Finanzkraft einer Kommune gekommen sein.
Die Abhängigkeit von schwankenden Einnahmen bei der Gewerbesteuer ist dabei noch immer das Hauptproblem. Das wissen alle Bürgermeister aus leidvoller Erfahrung. Ich erinnere nur an Heckelberg-Brunow: Wenn man eine üppige Finanzzuweisung aus der Gewerbesteuer erhalten hat und zwei Jahre zitternd zum Briefkasten geht, ob sie nicht zurückgefordert wird, ist das schon eine große Belastung.
Für das Jahr 2010 ist die nächste Überprüfung der Verteilung nach dem Finanzausgleichsgesetz im Gesetz verankert. Wir werden uns die Ergebnisse genau ansehen und die notwendigen Veränderungen vornehmen.
Es muss vor allem darum gehen, das Auseinanderdriften von stadtnahen und weiter entfernten Regionen aufzuhalten und hier die Stellschrauben noch besser zu justieren. Wir sollten gemeinsam unsere Kraft dort hineinstecken und damit einen Beitrag für das Rückgrat im Land leisten.
Mein Kollege Werner-Siegwart Schippel wird hier zu den Dingen, die kommunales Leben ausmachen, meine Ausführungen ergänzen. Ich wünsche uns allen, dass keine rechten Parteien in die kommunalen Parlamente einziehen.
Ich freue mich ganz besonders auf die nächsten Beratungen meines kommunalen Haushalts im Landkreis Potsdam-Mittelmark. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mit einem Zitat beginnen. Dazu hat mich Herr Görke eben ein bisschen verleitet. Es handelt sich nicht um ein Zitat aus Hamlet oder um sonstige große Klassik. Ich entnehme das einem kleinen Büchlein Ihrer Fraktion, Herr Görke, aus dem ein Zitat in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ wiedergegeben worden ist:
„In aller Heimlichkeit hat die Führung der Linksfraktion ihren Genossen offenbar Nachhilfe in brandenburgischer Geschichte verordnet. Aus Anlass des 850-Jahre-Landesjubiläums ließ sie ein kleines Büchlein auflegen:“
Leider, so füge ich hinzu, ist dieses Büchlein bisher unbekannt geblieben.
„,Brandenburg - ein Land mit wechselvoller Geschichte‘...“
Der folgende Satz findet sich auf Seite 100:
„Das Land...“
- damit ist Bodenreformland gemeint -
„... wurde an Tausende ,Neubauern‘ vergeben, die das Land nicht bezahlten... nie richtig Eigentümer waren, sondern nur ein Nutzungsrecht hatten.'“
Damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen, würde ich sagen; denn genau das ist das Problem, mit dem wir es bis heute zu tun haben.
Lassen Sie mich jetzt zum Gegenstand des Antrags einige Bemerkungen machen. Der Landtag Brandenburg hat wie alle anderen Landtage das Recht, auf Antrag einen Untersuchungsausschuss einzurichten, und hat bei uns auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, einen solchen Ausschuss zu installieren. Der vorliegende Antrag ist von 29 Abgeordneten dieses Hohen Hauses gestellt worden. Daraus ergibt sich für uns alle also die Pflicht, einen solchen Ausschuss einzurichten.
Dennoch - das sage ich ausdrücklich - hätten wir in der SPDFraktion es gut und richtig gefunden, wenn zuerst alle anderen parlamentarischen Möglichkeiten genutzt worden wären, um die in dem Antrag von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu klären und Licht in das Dunkel der juristischen Verwinkelungen zu bringen.
So hat der Ausschuss für Haushalt und Finanzen in einer Sondersitzung zu dem Untersuchungsgegenstand getagt. Davon war eben schon die Rede. Ich selbst war auch in dieser Sitzung und kann deshalb aus eigener Anschauung berichten, dass
der Minister der Finanzen, Rainer Speer, alle, aber auch alle von der Fraktion DIE LINKE eingereichten Fragen ausführlich beantwortet hat. Ausdrücklich hat der Minister darüber hinaus erklärt, dass er auch im Weiteren Rede und Antwort stehen und alle Dinge transparent darstellen werde.
Die Fraktion DIE LINKE wollte so viel Geduld offensichtlich nicht aufbringen und konnte der Verlockung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Herr Vietze, nicht widerstehen.
- Das habe ich anders wahrgenommen.
- Da können Sie noch so lachen!
- Gehen Sie ans Mikrofon und stellen Fragen; sonst geht das zulasten meiner Redezeit.
Meine Vermutung geht dahin, dass Sie von der Fraktion DIE LINKE in der laufenden Legislaturperiode wenigstens noch einmal richtig auf den Putz hauen wollen. Anders als in sonstigen Ausschüssen - das ist das gute Recht der Opposition - gilt das Mehrheitsprinzip im Untersuchungsausschuss nur eingeschränkt. Die Minderheit hat das Recht, in gleicher Weise wie die Ausschussmehrheit an der Untersuchung mitzuwirken und insbesondere Beweisanträge zu stellen. Daher ist der Untersuchungsausschuss ein scharfes Schwert vor allem der Opposition.
- Ich habe gesagt „vor allem“. Des Parlaments, aber vor allem der Opposition.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich jetzt noch einige Worte zum Gegenstand der Untersuchung selbst sagen. Die Menschen in Brandenburg, vor allem die Betroffenen, haben hohe Erwartungen an uns. Sie wollen vollständige Aufklärung über die Praxis der Bodenzuordnung, Klärung der Verantwortung, vor allem aber wollen sie Gerechtigkeit.
Der Untersuchungsausschuss wird öffentlich tagen. Er ist mit weitgehenden Rechten ausgestattet. Das alles ist richtig und gut so. Im Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen gibt es aber auch den § 19 - das gehört zur Wahrheit dazu -, der Zeugnis- und Gutachterverweigerungsrecht regelt. Was glauben Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, wie sich Zeugen verhalten werden? - Wir brauchen hier nicht groß darüber zu spekulieren, ich befürchte aber, dass wir in jedem nichtöf
fentlich tagenden Finanzausschuss mehr und vor allem schneller Antworten bekommen hätten.
Im Übrigen hatte auch die Fraktion DIE LINKE in der jüngsten Finanzausschusssitzung die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen. Nicht eine Frage ist gestellt worden.
- Ich rede jetzt nicht von der Sondersitzung, sondern von der letzten regulären Sitzung des Finanzausschusses. Dort wurde keine einzige Frage gestellt, und das wirft die Frage auf, ob nicht vielleicht doch schon alles gesagt worden ist. Wenn das so wäre, würden wir jetzt viel Geld aus dem Fenster hinauswerfen und für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ausgeben.
Noch einmal: Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist das Recht eines Fünftels der Abgeordneten. Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht. Die Sozialdemokraten werden sich dem nicht verweigern. Im Gegenteil, wir werden das in unseren Kräften Stehende dafür tun, dass die Dinge zügig und nachhaltig aufgeklärt werden. - Vielen Dank.
Ich mache mir in der Tat Sorgen über die Zukunft des Erdbeerweins.
- Das stößt auf allgemeines Interesse.
Presseberichten zufolge plant die Europäische Kommission eine Reform der Weinmarktordnung. Demnach soll die Verwendung des Begriffs „Wein“ stark eingeschränkt werden:
„Wein ist das Erzeugnis, das ausschließlich durch Gärung der frischen oder eingemaischten Weintrauben und des Traubenmostes gewonnen wird.“
Betroffen von dieser Änderung wären alle Obstweine - auch der beliebte Erdbeerwein -, die fortan anders bezeichnet werden müssten. Die Stadt Werder (Havel), die mit dem Baumblütenfest eines der größten Volksfeste Deutschlands feiert und bei der die Obstweine im Mittelpunkt stehen, wäre davon direkt betroffen.
Zwischenzeitlich gab es die Information - nachzulesen in der „MAZ“ vom 09.11.2007 -, Herr Seehofer habe sich sehr stark dafür eingesetzt, dass auch die Obstweine weiter erhalten werden können. Dennoch gestatten Sie die Frage - denn die Obstbauern in Marquardt und Werder wollen das wissen -: Was tut die Landesregierung Brandenburg?
Presseberichten zufolge hat das Kommunale Prüfungsamt im Innenministerium festgestellt, dass der Haushalt der Stadt Brandenburg an der Havel bei anhaltendem Substanzverzehr instabil ist. Ich zitiere: „Besonders prekär wird die Finanzlage für die Stadt ab dem Jahr 2010.“
Derzeit bemüht sich die Stadt gemeinsam mit anderen Gemeinden, eine Bundesgartenschau auszurichten, die aus meiner Sicht viele positive Effekte für die Havelregion bringen würde. Allerdings ist erfahrungsgemäß ein erheblicher kommunaler, also hier städtischer, Finanzierungsanteil erforderlich.
Ich frage die Landesregierung: Wie schätzt sie als Kommunalaufsicht mit Blick auf das Haushaltssicherungskonzept die Situation der Stadt Brandenburg ein, sich finanziell an dieser Bundesgartenschau zu beteiligen?
Eine Nachfrage, Herr Minister: Sie sagten gerade, ab dem Jahr 2011 sei der Schuldenabbau möglich. Bis zum Jahr 2015 müsste er rasante Fortschritte machen, damit die Stadt in der Lage wäre, entsprechende Projekte finanzieren zu können. Uns treibt vor allem die Sorge um, dass einerseits natürlich die stetige Aufgabenerfüllung der Stadt im Vordergrund stehen muss, andererseits aber auch Projekte zu kofinanzieren sind; ich denke an Stadtumbau usw. Müsste dann nicht das eine zulasten des anderen stattfinden?
Frau Staatssekretärin, ich habe eine kurze Nachfrage. Sie sagten, dass es zulasten anderer Vorhaben und anderer Städte geht. Können Sie uns sagen, um welche Städte es sich handelt und wer davon betroffen sein wird?
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Verehrter Landtagspräsident! Auswirkungen der aktuellen Steuerschätzung auf die kommunale Finanzausstattung in Brandenburg - was ist daran aktuell?, werden Sie fragen. - Erst in der letzten Sitzung des Landtags war das Thema Kommunalfinanzen auf der Tagesordnung. Wir haben den Nachtragshaushalt für 2006 beschlossen und der Modernisierung des Finanzausgleichsgesetzes mehrheitlich zugestimmt. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass sich auch die kommunalen Einnahmen spürbar erholen. Mit der Steuerschätzung vom 3. November 2006 liegen uns Daten und Zahlen vor, die uns die Situation neu bewerten lassen und die Aktuelle Stunde zu diesem Thema, so meinen wir, rechtfertigen. Wenn auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, den Satz gelten lassen, dass die Gemeinden, Städte und Landkreise das Rückgrat des Landes sind,
und es dem Land immer nur gut gehen kann, wenn es den Städ
ten und Gemeinden gut geht, ist die Aktualität unserer heutigen Debatte einmal mehr unterstrichen.
Das Land Brandenburg kann nach der aktuellen Steuerschätzung im Jahr 2007 mit - so die Prognose - Mehreinnahmen in Höhe von rund 160 Millionen Euro rechnen. Davon erhalten die brandenburgischen Kommunen - das interessiert uns in der heutigen Debatte besonders - 20 %; das entspricht 32 Millionen Euro. Die SPD-Fraktion hat sich mit dem Bekanntwerden der Daten sofort dafür ausgesprochen, diese 32 Millionen Euro an die kommunale Familie weiterzureichen und in die laufenden Haushaltsberatungen einzuspeisen. Das heißt, diese 32 Millionen Euro stehen den Städten, Gemeinden und Landkreisen in Brandenburg im nächsten Jahr zusätzlich zur Verfügung.
Viel wichtiger als die Zuweisungen des Landes sind jedoch die originären Einnahmen der Kommunen. Hier zeichnet sich ebenfalls eine sehr positive Entwicklung ab. Waren es im Jahr 2006 immerhin 72,8 Millionen Euro mehr, so sind es im Jahre 2007 sogar 242 Millionen Euro an eigenen Steuereinnahmen bzw. Anteile an der Gemeinschaftssteuer, mit denen die Kommunen in Brandenburg gegenüber der Mai-Steuerschätzung dieses Jahres rechnen können, und das ist gut so.
Ich will sagen, warum das gut so ist. Erstens: Ein eingenommener eigener Euro - sei es durch Einkommensteueranteile, Gewerbesteuereinnahmen oder durch den Anteil an der Umsatzsteuer - ist 100 Cent wert. Die Zuweisung des Landes würde demgegenüber nur 75 Cent betragen. Wir gleichen mit dem Finanzausgleichsgesetz - das ist Ihnen allen bekannt; darüber haben wir letztens ausführlich debattiert - die fehlenden Einnahmen für den eigenen Bedarf einer Gemeinde oder Stadt aus. Anders kann es auch nicht sein, denn alles andere hieße, diejenigen zu bestrafen, die sich um eigene Einnahmen bemühen und diese - Gott sei Dank! - auch erzielen.
Ich sage vor Ort immer gern: Wir müssen den Kommunen Lust darauf machen, eigenes Geld einzunehmen. Wie gesagt, ein Euro eigenes Geld ist mehr wert als ein 75 %iger Anteil an Landeszuweisungen. Damit haben die eigenen Einnahmen eine viel größere Bedeutung als die Finanzmittel aus dem Geldhahn des Landes.
Zweitens: Das, was in den ostdeutschen Ländern als investive Schlüsselzuweisungen ausgereicht wird, ist hauptsächlich aus Solidarpakt-II-Mitteln gespeist. Diese Zahlungen sind rückläufig - auch darüber haben wir hier mehrfach geredet -, und zwar ab dem Jahr 2009 dramatisch. Nun soll sich bitte niemand dem Irrglauben hingeben, es gäbe einen Solidarpakt III. Wir müssen uns frühzeitig auf die dann veränderten Bedingungen und die veränderte Situation einstellen.
Mit den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen sollen zwei Ziele erreicht werden. Zum einen soll die unterproportionale Finanzausstattung der Kommunen in Ostdeutschland mit eigenen Einnahmen aufgefangen werden. Zum anderen dienen sie zur Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen. Deshalb ist es gut, wenn die originären Einnahmen der Kommunen wachsen und mehr eigenes Geld für notwendige Investitionen bereitsteht.
Drittens: Höhere Einnahmen sind an sich etwas Positives. Die
Kollegen der Fraktion der Linkspartei.PDS waren schon im Vorfeld so außer sich vor Freude, dass sie das Geld, ohne es richtig eingenommen zu haben, schon ausgeben wollten.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, wir haben da nicht mitgemacht. Wir stellen keine ungedeckten Schecks aus, schon gar nicht, um neue Zweckbindungen oder gerade erst umverteilte Sonderzuweisungen in das modernisierte Finanzausgleichsgesetz zu schreiben. Ich gebe zu, ein Abgeordneter unseres Koalitionspartners meinte auch, er könne zehn Tage nach der namentlichen Abstimmung so tun, als sei nichts gewesen; aber das hatte vermutlich andere Gründe.
Zuerst müssen Defizite - sofern vorhanden - ausgeglichen werden. Das heißt: absoluter Vorrang für Entschuldung. An zweiter Stelle stehen notwendige Infrastrukturmaßnahmen. Die investiven Mittel wird es ab dem Jahr 2020 nicht mehr geben.
Schulen, Straßen, Kindergärten, Spielplätze, Bushaltestellen, Krankenhäuser und Altenheime müssen dann modernisiert werden und topfit sein, Flächen für Gewerbe attraktiv sein und ausreichend zur Verfügung stehen. In Rilkes Gedicht „Herbsttag“ heißt es:
„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.“
In Anlehnung daran möchte ich sagen: Wer jetzt seine Chance nicht nutzt, Einwohner zu gewinnen und Gewerbe anzusiedeln, wird auf lange Sicht abgehängt bleiben, denn die Anteile an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuer sind noch immer die wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden in Brandenburg. Die Mehreinnahmen sind im Land - auch das gehört zur Wahrheit - sehr unterschiedlich verteilt. Während der Berliner Raum weiter wächst, müssen die entfernten Regionen mit deutlich weniger Einnahmen auskommen. Mit dem Finanzausgleichsgesetz versuchen wir, dies aufzufangen. Ob uns das immer gelingt, wird uns spätestens der Symmetriebericht im Jahre 2010 deutlich machen.
Auf die besondere Situation der Landkreise und kreisfreien Städte möchte ich noch etwas ausführlicher eingehen. An der wirklich guten Einnahmeentwicklung bei der Mehrzahl der Städte und Gemeinden sind die Landkreise leider nur indirekt beteiligt. Sie profitieren zwar von der gewachsenen Umlagemasse, die auch die Kreisumlage in absoluten Zahlen steigen lässt, sie sind es aber auch, die mit immer mehr Aufgaben und Belastungen zurechtkommen müssen. Seit Jahren sind die Haushalte auf dieser Ebene defizitär. Nicht erst die Verfassungsklage des Landkreises Uckermark hat uns diese prekäre Situation vor Augen geführt. In der Klageschrift heißt es:
„Seit dem Jahr 1997 ist der Landkreis Uckermark nicht mehr in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.“
Meine Damen und Herren, ob dem wirklich so ist, wird das Verfassungsgericht abschließend beurteilen müssen. Richtig ist: Die Uckermark ist inzwischen mit kumulierten über 40 Millionen Euro deutlich höher verschuldet, als es Gott sei Dank andere Kreise in Brandenburg sind. In Gesprächen vor Ort wurde klar, dass es nicht nur eigene Entscheidungen sind, die
diese Lage verursacht haben. Die Einzelpläne 4 der Landkreise und kreisfreien Städte - für alle die, die es nicht wissen: hier geht es um alles, was soziale Sicherung ausmacht, von Hartz IV, über Jugendhilfe, Kita bis zu Hilfen in besonderen Lebenslagen - explodieren geradezu.
In Landkreisen mit sehr hoher Arbeitslosigkeit und großen demografischen Umbrüchen wie der Uckermark, der Prignitz oder Oberspreewald-Lausitz sind diese Auswirkungen besonders drastisch zu spüren. Aber auch die anderen Landkreise bekommen den Ausgleich nicht mehr hin und sind auf Haushaltssicherungskonzepte angewiesen. Vor dieser Situation können und wollen wir weder im Bund noch im Land die Augen verschließen. Die Sozialgesetzgebung ist in erster Linie Bundesgesetzgebung. Es macht für die örtlichen Träger der öffentlichen Jugend- und Sozialhilfe - das sind bei uns Landkreise und kreisfreie Städte - einen Großteil der Belastungen aus.
Mit der Verabschiedung der Föderalismusreform ist ein erster wichtiger Schritt getan. Der Bund kann nicht mehr wie bisher - leider bei Hartz IV auch geschehen - Aufgaben direkt auf die kommunale Ebene übertragen, ohne dann auch die Kosten mitzutragen. Dafür werden die Länder in Zukunft das Scharnier sein. Das heißt: Höchste Alarmstufe bei den Verhandlungen im Bundesrat, wenn Aufgaben und Kosten nach unten durchgereicht werden sollen. Jüngstes Beispiel sind die Kosten der Unterkunft.
Aber ein positives Beispiel: Die schwierigen Verhandlungen sind zugunsten der Kommunen gelungen. Der Bund übernimmt bis zum Jahre 2010 31,8 % der Kosten der Unterkunft und nicht - wie bisher - 29,1 %. Das Ergebnis ist wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag. Es wurde in den Kommunen in Ost und West erleichtert zur Kenntnis genommen, denn hier gab es die größten Belastungen. Diejenigen, die sich mit Kreishaushalten auskennen, wissen, was das vor Ort bedeutet. Ich will ausdrücklich den Verhandlungsführern danken, die für uns Brandenburg vertreten und dieses gute Ergebnis mit zustande gebracht haben.
Weiterhin ist verabredet, dass bei der Reform der Unternehmenssteuer kurzfristige Mindereinnahmen - Herr Steinbrück geht von etwa 5 Milliarden Euro aus - allein von Bund und Ländern geschultert werden müssen und die Kommunen davon verschont bleiben. Das sind die Dinge, die jetzt im Bund beraten werden. Aber auch wir im Land sind hier gefragt.
Im modernisierten Finanzausgleichsgesetz bleibt der Flächenfaktor erhalten. Das haben wir hier erst vor Kurzem miteinander verabredet. Das hilft vor allen Dingen den Landkreisen, die bei großer Fläche immer weniger Bevölkerung haben, aber dennoch ihre Aufgaben erledigen müssen. So erhält der Landkreis Uckermark im Jahre 2007 mit 235 Euro pro Einwohner - hier sind die Mittel aus dem SGB XII nicht enthalten - die zweithöchste Landeszuweisung.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist der öffentliche Personennahverkehr. Die Kürzungen des Bundes können wir aufgrund unserer eigenen schlechten Finanzsituation nicht ganz auffangen. Dennoch hat meine Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner dafür gesorgt, dass für das Jahr 2007 2 Millionen Euro zusätzlich in den Schülerverkehr gehen. Somit stehen insgesamt 37 Millionen Euro für den Schülerverkehr als sogenannte §-45a-Mittel zur Verfügung. 800 000 Euro werden darüber hin
aus für zusätzliche Schienenersatzverkehre bei abbestellten Strecken bereitgestellt. Die Landkreise werden auch davon profitieren.
Hausaufgabe für uns im Landtag, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bleibt die Finanzierung und Durchführung des Kindertagesstättengesetzes. Hier gehören Finanzen und Aufgaben zusammen. Seit dem Sommer dieses Jahres haben wir mit der Föderalismusreform auch die erforderliche Grundlage dafür. Die pauschalierten Zuweisungen des Landes gehören in die Wohnorte, dort, wo die Aufgabe erledigt wird, wo man einander kennt und die bestmögliche Lösung für jedes einzelne Kind gesucht und gefunden werden kann. Die Gemeinden wollen diese Aufgabe übrigens selbst übernehmen. Das haben sie uns in vielen Gesprächen vor Ort immer wieder bestätigt. Die teilweise unsäglichen und langwierigen Verhandlungen zwischen Landkreisen und Gemeinden würden uns allen damit erspart bleiben. Wenn ich höre - ich hatte erst vorige Woche wieder Gelegenheit dazu -, wie schwer sich westdeutsche Kommunen noch immer mit dem Aufholen bei der Kinderbetreuung tun, so bin ich sicher, dass wir in Brandenburg im Wissen um unsere Stärke auch noch die letzten Hürden für eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung nehmen werden.
Meine Damen und Herren, abschließend noch eine Hausaufgabe für uns alle: Anstatt immer den Splitter im Auge des Anderen zu suchen, sollten wir uns zuerst mit dem Balken im eigenen Auge befassen!
Miteinander reden hilft und schafft gegenseitiges Vertrauen. Aufeinander schimpfen, am liebsten, wenn der Beschimpfte nicht anwesend ist, hilft keiner Seite weiter. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die stetige Aufgabenerfüllung vor Ort zu sichern und unser Bundesland mit einem stabilen Rückgrat, gut aufgestellten Städten und Gemeinden, Ämtern und Landkreisen, zu versehen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ende Oktober hat der Bundesverkehrsminister den Fünfjahrplan für Verkehrsinvestitionen, den sogenannten Investitionsrahmenplan, vorgelegt. In diesem Rahmenplan werden die vordringlichen Verkehrsinvestitionen abgesteckt, die im Zeitraum von 2006 bis 2010 in Angriff genommen werden sollen. In der
Projektliste für Bundesstraßen wird die Ortsumgehung für Potsdam, Verbindung der B1 mit der B 2 mit dem zentralen Bestandteil der sogenannten Havelspange, nicht erwähnt.
Ich frage nun die Landesregierung: Wie ist der Stand für den Bau der Potsdamer Ortsumgehung und speziell der „Havelspange“? - Ich frage also die Landesregierung und gehe davon aus, dass der Verkehrsminister antworten wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ein schwieriges Thema auf der Tagesordnung. Finanzausgleich ist ja keine leichte Sache. Wenn dazukommt, dass die Decke insgesamt ziemlich kurz ist und deshalb durch Hin- und Herschieben mal ein Arm, mal ein Bein herausguckt, wird es insgesamt nicht leichter.
Dennoch müssen wir feststellen: Wir haben 2 Milliarden Euro im kommunalen Finanzausgleich, durch die die Ausstattung der Kommunen im Land Brandenburg mit finanziellen Mitteln und deren ständige Aufgabenerledigung gesichert werden.
Steuern heißt natürlich auch umsteuern. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer. Über die Verlierer hat Herr Theel hier viel gesagt. Über die Gewinner will ich zumindest hinzufügen, dass sie die Mehrheit bilden. Drei Viertel der Gemeinden im Land profitieren vom neuen Finanzausgleichsgesetz.
Wir haben uns intensiv mit dem wissenschaftlichen Gutachten auseinandergesetzt, in dem ein unabhängiger Gutachter die Finanzsituation in unserem Land, den horizontalen und vertikalen Finanzausgleich, bewertet hat. Bei der Anhörung, bei der der Gutachter zugegen war und auch selbst gesprochen hat, ist übrigens auch nicht alles daran kritisiert worden. Manches ist ausdrücklich befürwortet worden. Ich werde im weiteren Verlauf meiner Ausführungen noch darauf eingehen.
Das Finanzausgleichsgesetz gibt es seit dem Jahr 2005. Eigentlich regelt es die Verteilung der Kommunalfinanzen unbefristet. Aber auch das Finanzausgleichsgesetz in Brandenburg ist kein statisches System. Die originären Aufgaben von Land und Kommunen verändern sich. Damit sind wir auch als Landesgesetzgeber gehalten, darauf einzugehen und die entsprechende Steuerung vorzunehmen. In 2006 war die erste Überprüfung. Der Städte- und Gemeindebund lobt uns ja nicht immer. Wenn er schon einmal einen Staatssekretär lobt, kann man das hier wohl auch zitieren:
„Im Sinne der Sache begrüßen wir, dass Herr Staatssekretär Zeeb als Vorsitzender des Beirates nicht nur für eine kontinuierlich eigene Mitarbeit gesorgt, sondern im Beirat auch eine offene Themenbefassung gefördert hat. Wir begrüßen des Weiteren, dass sich innerhalb der bisherigen Beiratsarbeit Erfordernisse von Förmlichkeiten und Geschäftsordnungsfragen nie wirklich gestellt haben.
Auch heben wir zur Beiratsarbeit positiv hervor, dass ein bisheriger Schwerpunkt der Arbeit, den Auftragsumfang und die Gutachterauswahl für das Gutachten zur Überprüfung der Verbundquote und der Hauptansatzstaffel im kommunalen Finanzausgleich Brandenburgs zu erörtern, aus unserer Sicht sehr zufriedenstellend gelöst wurde.“
Der Städte- und Gemeindebund hat das Gutachten also insgesamt gelobt. Wesentliche Punkte daraus wurden in das neue Finanzausgleichsgesetz aufgenommen.
Von Frau Osten? - Aber gern.
Ich stimme Ihnen insofern zu, als wir die nach dem Motto „Wünsch Dir was“ vorgetragenen Forderungen nicht vollständig umgesetzt haben.
Ich habe darauf hingewiesen, dass zwei Drittel der Gemeinden vom neuen Finanzausgleich profitieren. Darüber redet der Städte- und Gemeindebund nicht so gern.
Was bleibt im neuen Finanzausgleichsgesetz? Darüber besteht weitgehend Einigkeit, weshalb wir weniger darüber streiten.
Der Hauptansatz, der früher „Größenordnung“ hieß, bleibt. Damit ist die Berücksichtigung der Einwohnerzahlen im neuen Finanzausgleichsgesetz gewährleistet. Ferner bleibt es beim Flächenansatz für die Landkreise, was gerade für die kreisliche Ebene nicht unwichtig ist. Auch der Schullastenausgleich findet sich im Gesetz wieder. Das ist für die kommunale Finanzausstattung von großer Bedeutung, weil hohe Belastungen damit verbunden sind. Schließlich bleibt es bei der Regelung der investiven Schlüsselzuweisungen - ein Punkt, der mir nicht immer gefällt -, das heißt beim Verhältnis 30 : 70. Es kommt nicht zu einer Rückführung auf die Prioritätenlisten der Landkreise.
Was verändert sich? Der Hauptansatz wird um 2 % angehoben. In den Größenklassen ab 15 000 Einwohner - so auch vom Gutachter benannt - ändern sich die Aufgaben der Städte und Gemeinden; dort erhöhen wir um 4 %. Die kreisfreien Städte befinden sich in einer besonderen Belastungssituation, weshalb der Vomhundertsatz von 140 auf 145 erhöht wird. Für die Mittelzentren gibt es einen Pauschalansatz von 800 000 Euro. Auch das halte ich ebenso wie meine Fraktion für gerechtfertigt, weil in den entsprechenden Größenklassen höhere Leistungen erbracht werden müssen.
Für 27 Kommunen - Herr Theel nannte die Zahl 26 - fällt die Veredelung auf der Grundlage ihrer Einstufung als Grundzentren weg. Damit im Zusammenhang stehende Probleme will ich nicht verhehlen. Ich denke nur an die Gemeinde Kloster Lehnin. Auf diese Gemeinden kommen ein deutlicher Strukturwandel und große Herausforderungen hinsichtlich ihrer finanziellen Ausstattung zu. Ich verspreche: Wenn mich eine Gemeinde einlädt, können wir die neue Situation gern vor Ort miteinander erörtern. Niemand sollte sich jedoch einbilden, es wäre viel mehr Gutes herausgekommen, wenn wir die Debatte zur Landesplanung vorweggenommen hätten.
Wir als Finanzpolitiker haben die Rolle des Schwarzen Peters übernommen. Aber es muss an dieser Stelle eine andere Ausstattung geben.