Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Ich sehe auch, dass in Jeserig ein wunderbares Gebäude steht, aber die Entscheidung ist von der Mehrheit gefällt worden. Dann muss man sich auch der Mehrheit fügen. Das ist Demokratie.

Ein neues Gutachten mit einer nicht einhaltbaren Frist zu fordern war bereits reine Willkür. Doch dies dient nur dazu, einen fadenscheinigen Vorwand für Ihre der kommunalen Selbstverwaltung und der Demokratie hohnsprechende Disziplinierung zu schaffen, wohl wissend, Herr Minister Schönbohm, dass im Falle der Rückzahlung des 1,8-Millionen-Euro-Betrages die Gemeinde Groß Kreutz (Havel) ab August zahlungsunfähig wäre mit der Folge, dass sie ihre pflichtigen Aufgaben nicht mehr erfüllen und auch ihre ca. 90 kommunalen Mitarbeiter nicht mehr bezahlen könnte. Investitionen in nennenswertem Maße sind ja bereits seit längerer Zeit aus diesen Gründen in Groß Kreutz (Havel) nicht mehr möglich.

Zum Abschluss, Herr Minister Schönbohm, appelliere ich hier als Groß Kreutzer Bürger an Sie: Lassen Sie ab von Ihrem geradezu widerlichen Tun und gewähren Sie der Gemeinde Groß Kreutz Stundung, Ratenzahlung oder - noch viel besser - einen Verzicht auf die Rückführung der 1,8 Millionen Euro, wie dies anderen Gemeinden auch schon gewährt wurde!

(Glocke des Präsidenten)

Dann, Herr Minister, wären wir auch in unserer Gemeinde dankbar. Es kann ja nicht sein, dass wir als Groß Kreutzer, die damals keine Schulden hatten, jetzt darunter leiden müssen, dass Sie eine Gebietsreform eingeführt haben und wir jetzt neue und mehr Steuern zahlen müssen. Das kann nicht sein.

Jetzt ist Ihre Redezeit aber wirklich zu Ende.

Bitte, Herr Minister, kommen Sie jetzt hierher und sagen Sie: Ich regele das so und helfe der Gemeinde Groß Kreutz! - Danke sehr.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da haben wohl manche den Überblick verloren. Ich kann dem Kollegen Ziel nur zustimmen, dass es hier darum geht, ein Thema im Landtag zu erörtern, das nicht in den Landtag von Brandenburg gehört.

Ich möchte zu Beginn meiner Rede zum § 16 des Finanzausgleichsgesetzes Stellung nehmen. Wir haben damals in der Koalition, als das Finanzausgleichsgesetz von den Innenpolitikern strukturiert wurde, sehr um die „Innereien“ des § 16 gerungen in dem Wissen, dass diese Mittel, die dort durch das Ministerium, durch die Landesregierung ausgereicht werden, nicht eigentliche Landesmittel sind, sondern Mittel, die den Kommunen zur Verfügung stehen. Natürlich wird sich jemand, der diese Mittel ausreicht, dann dem Vorwurf der anderen Kommunen, die entsprechend weniger Mittel erhalten, aussetzen, wenn da nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem Ministerium Richtlinien entwickelt, wie man die Mittel ausreicht.

In der bisherigen Praxis haben sich der § 16 des Finanzausgleichsgesetzes und diese Richtlinien sehr bewährt. Es ist ein sehr gutes Instrument, um im Land an entsprechender Stelle für die Gemeinden Hilfe zu leisten.

Jetzt zu der speziellen Situation vor Ort: Kollege Scharfenberg, der Antrag Ihrer Fraktion und Ihr Redebeitrag atmen so ein wenig den Geist des Rates des Bezirkes. Im Rat des Bezirkes konnte man sicherlich die Dinge regeln, wie man wollte,

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Welche Vorstellungen haben Sie, junger Mann?)

konnte über das, was die Menschen vor Ort hinbekommen haben oder nicht hinbekommen haben - so jung bin ich nun auch nicht mehr -, einfach eine Entscheidung treffen.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Wenn Sie schon ansprechen, sich darüber unterhalten zu wollen, wie die Landesregierung Fragen von Parlamentariern behandelt, dann würde ich gern mit Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kollegen einmal in eine Diskussion darüber eintreten, was ein solcher Antrag der größten Opposition im Landtag Brandenburg und ein solcher Redebeitrag hier zu suchen haben.

(Widerspruch bei der Linkspartei.PDS)

Dem Ministerium - um das gleich klarzustellen - ist in der Behandlung dieses Vorganges keinerlei Vorwurf zu machen. Auch dem Bürgermeister ist in der Behandlung kein Vorwurf zu machen; denn der Bürgermeister hat diese schwierige Situation vor Ort geerbt. Kommunale Selbstverwaltung bedeutet eben aus unserer Sicht, dass man die Dinge, die man vor Ort erledigen kann, auch vor Ort erledigt. Dass das im politischen Bereich manchmal schwierig und kompliziert ist, dass man sich da auch verhaken kann, dass da plötzlich nicht so sehr die Sache im Vordergrund steht, sondern, welche Person was gesagt hat, das mag ja sein. Aber die Dinge müssen vor Ort entschieden werden und dann kann die Kommunalaufsicht handeln.

Die Kommunalaufsicht - sprich: das Ministerium des Innern hat sich hier schon mehr als eigentlich üblich in die Angelegenheit eingeschaltet, um eine Lösung zu erreichen. Ich glaube,

der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, einen unabhängigen Gutachter einzuschalten, ist ein richtiger Vorschlag. Mein Appell richtet sich an die Betroffenen, die es dann zu entscheiden haben, nicht wieder zu diskutieren, sondern diesen Vorschlag zu akzeptieren und nicht darauf zu hoffen, dass möglicherweise 2008 bei der Kommunalwahl eine neue Gemeindevertretung gewählt wird und sich dann die Dinge lösen. Das wäre der Appell der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister Schönbohm, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen, Herr Kollege Ziel, sehr dankbar, dass Sie klargestellt haben, dass wir hier nicht im Kreistag sind, sondern im Landtag. Die Frage, die wir besprechen, handelt davon, dass sich zwei Kommunalverwaltungen nicht darauf verständigen können, wo der Verwaltungssitz liegt. Darum geht es im Kern der ganzen Sache.

Weiterhin ist festzustellen, dass Groß Kreutz eine der am höchsten verschuldeten Gemeinden des Landes ist. Die wollen dies einer politischen Lösung zuführen und die Verantwortung nicht mehr der Gemeindeverwaltung überlassen.

Ich sage an dieser Stelle: Wenn ich so schlecht spreche, dann hängt das nicht mit der Fußball-Weltmeisterschaft, sondern mit einer Sommergrippe, die ich mir zugezogen habe, zusammen.

Der Antragsteller übersieht, dass die finanziellen Mittel des Ausgleichsfonds nicht der freien Verfügung des Innenministeriums unterliegen. Es handelt sich um Mittel der kommunalen Solidargemeinschaft und diese Mittel müssen vom Innenministerium treuhänderisch bewirtschaftet werden. Dadurch hat der Gesetzgeber nach § 16 des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes die durch das Neulietzegöricke-Urteil vorgegebene Entscheidung umgesetzt und die verfassungsmäßige Verpflichtung zur Bereitstellung eines Teils der Finanzmasse im Wege der interkommunalen Verwaltung zur Wiedererlangung der finanziellen Leistungsfähigkeit der in Not geratenen Kommunen gegeben. Deshalb werden seit 2001 über den Ausgleichsfonds finanzielle Mittel an hoch verschuldete Gemeinden gewährt.

Als hoch verschuldete Gemeinden im Sinne des Ausgleichsfonds gelten solche, die infolge von Zahlungsverpflichtungen bei sparsamer Wirtschaftsführung nicht in der Lage sind, ihre Haushalte auszugleichen.

Ich möchte hinzufügen: Die Mehrzahl der Gemeinden, die in diese Lage gekommen sind, sind zum Teil auch durch eigene Schuld in diese Lage gekommen. Das sei nicht vergessen.

Die Einrichtung des Fonds für hoch verschuldete Gemeinden innerhalb des Ausgleichsfonds hat sich als richtig erwiesen. Hiermit konnte seit 2001 bis heute 80 Kommunen mit einem Gesamtvolumen von 95 Millionen Euro eine wirksame Hilfestellung gegeben werden. In allen Fällen, in denen diese Hilfen gegeben wurden, konnte den Kommunen des Landes vorüber

gehend bzw. dauerhaft eine Hilfestellung zur Überwindung der akuten Haushaltsnotlage gegeben werden.

Wir haben dabei als Fondsverwalter stets in Übereinstimmung mit § 16 des FAG und den Vorgaben des Landesverfassungsgesetzes nach pflichtgemäßem Ermessen gehandelt und von Fall zu Fall sowohl rückzahlbare als auch nicht rückzahlbare Hilfen gewährt. So wurden vonseiten der Gemeinden im Kalenderjahr 2004 227 000 Euro und 2005 412 000 Euro zurückgezahlt. Es gibt diese Rückzahlungen also, das ist kein Sonderfall. Auch der Rückforderungsbescheid gegen die Gemeinde Groß Kreutz ist also kein einmaliger Sonderfall. Wir haben sogar im Wissen um das schwere Ringen der Gemeinde für eine weitere nicht unbedeutende Entscheidung alle uns zur Verfügung stehenden Ermessensspielräume zugunsten der Gemeinde genutzt und ihr mehrere Aufschübe gewährt, damit diese zu einer sachlich ausgewogenen und rechtskonformen Beschlussfassung im Zusammenhang mit dem künftigen Verwaltungssitz gelangt.

Auch der Vorschlag des Innenministeriums, durch eine gutachterliche Bewertung der beiden durch die Gemeinde Groß Kreutz genutzten Verwaltungsobjekte das eigene Prüfungsergebnis gewissermaßen überprüfen zu lassen, war nicht selbstverständlich. Wir haben damit die Absicht verfolgt, Hilfestellung zu leisten, um die vor Ort sehr emotional geführte Diskussion zu versachlichen und letztlich zu einer objektiven Entscheidung zu gelangen.

Ich möchte auf die in der Vergangenheit geführte Diskussion nicht eingehen, jedoch ist mir bekannt, dass auch sie zu einem Stillstand innerhalb der Gemeinde beigetragen hat. Dieser Stillstand wurde in einem offenen Brief der örtlichen Feuerwehr beklagt; das müsste Ihnen auch bekannt sein. Die Feuerwehr ruft darin die Gemeindevertretung auf, endlich die überfällige Entscheidung zu treffen, um einen Schaden von der Gemeinde abzuwenden.

Durch die aktuelle Entwicklung vor Ort scheint sich nunmehr ein Wendepunkt abzuzeichnen: Die Gemeindevertretung hat durch ihren Beschluss in der Sitzung vom 13. Juni dieses Jahres die Lösung der Frage um den Verwaltungssitz in die Hände des MI gelegt - das ist ein etwas ungewöhnlicher Vorgang - und mein Haus aufgefordert, abschließend zu entscheiden und sich hierzu gutachterlich beraten zu lassen. Dieser Bitte werden wir verantwortungsvoll nachkommen. Ich bin gern bereit, dies auch im Zusammenwirken mit dem Städte- und Gemeindebund zu tun, der natürlich an einer sachgerechten Verwendung und Verteilung der Mittel im Sinne der kommunalen Gemeinschaft interessiert ist. Auch werde ich der Gemeinde Groß Kreutz die Möglichkeit einräumen, eine neutrale, außerhalb des Streits stehende Person ihres Vertrauens zu beteiligen.

Herr Innenminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scharfenberg?

Ja, gern.

Herr Innenminister, ich möchte Ihre angeschlagene Stimme nicht zusätzlich belasten, aber es drängt mich, Ihnen zwei Fragen zu stellen.

Erstens: Stimmen Sie mir zu, dass prinzipiell die Möglichkeit besteht, dass das MI die Entscheidung treffen kann, die Zuwendungen an die Gemeinde in einen verlorenen Zuschuss umzuwandeln? Diese Entscheidung kann das Innenministerium meiner Ansicht nach treffen.

Zweitens zum Beschluss der Gemeindevertretung, den Sie angeführt haben: Ist Ihnen bekannt, dass dieser Beschluss unter der Voraussetzung gefasst worden ist, dass eine Entscheidung des Innenministeriums zum Verfahren erwartet wird, jedoch nicht bezüglich der Bestimmung des Verwaltungssitzes an sich?

Dazu möchte ich zunächst sagen, dass das Innenministerium vom Gesetzgeber nicht beauftragt worden ist, diese Gelder nach Gutsherrenart zu vergeben. Wenn Sie das wünschen, dann geben Sie mir den Auftrag dazu, dann tue ich das. Ich bin bei all diesen Entscheidungen an Recht und Gesetz gebunden und nutze den Ermessensspielraum aus. Wenn Sie das nicht wollen, stellen Sie einen Antrag. Ich hätte gern mehr Freiraum, aber dann möchte ich auch mehr Geld zur Verfügung haben. Dieser Punkt Ihrer Frage ist also klar zu beantworten.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich berichte gerade darüber, Herr Abgeordneter Scharfenberg, dass wir uns auf einen Weg verständigt haben. Zuvor konnte man sich auf keinen Weg einigen. Ich werde dem Landtag über die Verwendung dieser Mittel selbstverständlich berichten.

Die Gemeinde hat die Angelegenheit zur abschließenden Regelung also in die Hände des MI gelegt. Der von Ihnen gestellte Antrag würde dem Wunsch der Gemeinde meiner Auffassung nach nicht entsprechen. Wir nehmen die Aufgabe ernst, weil wir wollen, dass der Streit um den Verwaltungssitz der amtsfreien Gemeinde Groß Kreutz baldmöglichst beendet wird.

Dieser Streit ist ein Ergebnis der Kommunalreform, das haben Sie gesagt. Mit der Gemeindegebietsreform haben wir gegenüber unseren Mitbürgern Verantwortung gezeigt. Angesichts dessen, dass alle 255 der im Rahmen der gesetzlichen Eingliederung erhobenen Verfassungsbeschwerden entschieden sind und das Verfassungsgericht mit Ausnahme von zwei kleinen Gemeinden ausnahmslos zugunsten des Gesetzgebers entschieden hat, wünschte ich, dass Sie von der PDS und insbesondere Sie von der DVU einmal darüber nachdenken, in welcher Art und Weise Sie von der DVU hier unsägliche Polemik verbreitet haben. Jetzt stellen Sie sich hierhin und wollen mir erklären, was Demokratie ist. Ich glaube, Sie wissen überhaupt nicht, wie Demokratie funktioniert. Begreifen Sie das doch endlich einmal!

(Beifall bei CDU, SPD und der Linkspartei.PDS)

Nach der Neuordnung der äußeren Kommunalstrukturen erfolgt nunmehr die Neuordnung der inneren Strukturen. Es wird eine grundlegende Überarbeitung des inneren und äußeren Kommunalverfassungsrechtes geben, und die Kommunalreform wird weitergeführt. Das haben wir uns als Nächstes vorgenommen.

Ich hoffe, dass die Diskussion um den Verwaltungssitz Groß Kreutz bald der Vergangenheit angehört. Dazu bedarf es jedoch nicht des Antrags der Linkspartei.PDS. Wir werden dies gemeinsam lösen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Damit ist die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt beendet. Ihnen liegen der Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion und der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor. In dieser Reihenfolge lasse ich abstimmen.

Wer dem Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion in Drucksache 4/3049 - Neudruck - seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung wurde dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich stelle den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 4/3083 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltung ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.