Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bitte sehen Sie sich unseren Antrag noch einmal an! Dass mit diesem Fortentwicklungsgesetz keines der genannten Probleme gelöst wird, ist nicht nur die Meinung meiner Fraktion.

Reden wir über die Kostenexplosion. Die Aufstocker werden wirklich teuer. Wenn man die Kosten für das Arbeitslosengeld II betrachtet, stellt man fest, man hat sich völlig verrech

net. Zu den Bedarfsgemeinschaften kommen die Aufstocker, von denen Sie zum Schluss schon sprachen. Das sind Leute, die arbeiten gehen, jedoch so wenig verdienen, dass sie zusätzlich öffentliche Hilfe brauchen, um leben zu können.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Das ist das neue System von Hartz IV, das Sie immer bekämpft haben!)

Da haben wir einen faktischen Kombilohn. Frau Dr. Schröder, Sie sprachen das Problem Mindestlohn an. Wir sind für einen existenzsichernden Mindestlohn, der wie in anderen westeuropäischen Ländern gesetzlich geregelt ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Jetzt unterbreite ich einen Vorschlag, weil Frau Ministerin nach Alternativen gefragt hat. Man könnte - an dieser Stelle sage ich immer gerne: ohne Revolution -, wenn man die per Hartz IV maximal möglichen Aufwendungen für einen Arbeitslosen inklusive der Kosten für 1-Euro-Jobs bündelt, vielleicht mit Mitteln aus EU-Programmen - wir waren in Brüssel und haben uns das angesehen, „Beschäftigungsförderung“ ist die Überschrift über allen Programmen - etwas aufstockt und für länger als ein halbes Jahr verstetigt, zu einem faktischen Mindestlohn von etwa 1 500 Euro kommen, wie er in funktionierenden kapitalistischen Marktwirtschaften, etwa in Großbritannien, gesetzlich fixiert ist.

(Zurufe von der CDU - Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber, was geschieht in Deutschland? Hier hält man den Niedrigstlohnsektor, und zwar bedauerlicherweise aufgrund sozialdemokratischer Initiative. Herr Baaske, zum Lohnabstandsgebot: Es ist richtig, dass viele Leute der Meinung sind, dass der Grundsicherungssatz zu hoch ist, weil die Löhne zu niedrig sind.

(Zurufe von der SPD)

Aber sollten wir dann nicht genau dieses Argument umkehren? Mindestlohn heißt die Forderung. Wir sollten unsere Politik auch nicht nach Klischees, Vorurteilen oder Stammtischmeinungen ausrichten,

(Zuruf der Abgeordneten Funck [CDU])

sondern nach Fakten. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, stellen Sie fest, dass umverteilt worden ist. Es gab tatsächlich Einsparungen durch Hartz IV, und zwar beim Arbeitslosengeld I. Die Bundesagentur teilte dieser Tage mit, in diesem Jahr mindestens 4 Milliarden Euro Überschuss zu haben. Das sind öffentliche Statistiken, da können Sie es nachlesen. Ich schlage vor, mit diesem Geld, das in den Bundeshaushalt zurückfließt und nicht der Arbeitsförderung zugute kommt, nicht Unternehmen zu entlasten, die nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre deshalb keinen einzigen Arbeitsplatz mehr schaffen werden, sondern dieses Geld in Arbeitsförderung zu investieren. Die Gesamtbilanz von Hartz IV in Relation zur Kürzung der Leistungen aus dem Arbeitslosengeld I zeigt: Es gab eine Umverteilung zuungunsten der Arbeitslosen. Man hat den Arbeitslosen Versicherungsleistungen nicht gewährt und ihnen in die Tasche gegriffen, das ist Fakt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Deshalb will ich in aller gebotenen Sachlichkeit vielleicht noch anmerken, Herr Präsident, gestatten Sie mir das, und dabei bleibe ich nicht ruhig: In unserem Land, Herr Baaske, gibt es 203 000 Bedarfsgemeinschaften. Davon sind 45 000 Familien mit Kindern; 70 000 Kinder und Jugendliche leben in Bedarfsgemeinschaften. Frau Ministerin sprach die atypischen Bedarfe an. Ich verweise darauf, dass diesen Familien das Kindergeld nicht wie uns zusätzlich zugute kommt. Es ist ein Fakt - das sagt Ihnen jeder Betroffene und auch die Bürgermeister der Kommunen sagen das -, dass die Kinder aus diesen Familien an der Schultüte, an der Schulausstattung, an der Nichtteilnahme an Wandertagen, Ferienlagern, Sportvereinen oder Musikschulen merken, dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt sind.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Das war in der Sozialhilfe im alten System der Fall!)

Wenn wir die Aufgabe, diesen Familien und Kindern zu ermöglichen, chancengleich in diesem Land zu leben, nicht lösen, dann haben wir als Politiker versagt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zur Aktuellen Stunde.

Ich begrüße Gäste, Schüler der 9. Klasse von der Oberschule Cottbus-Kahren. Ihr merkt, es kann im Landtag ganz schön spannend sein. Ich wünsche euch einen angenehmen und interessanten Aufenthalt bei uns.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, nach § 71 der Geschäftsordnung des Landtages haben Abgeordnete am Schluss der Aussprache das Recht, persönliche Bemerkungen abzugeben. Sie dürfen jedoch nicht zur Sache sprechen, sondern lediglich gegen sie gerichtete Angriffe zurückweisen und Missverständnisse aufklären. Dieses Bedürfnis hat der Kollege Otto.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zu zwei in der Aussprache gemachten Bemerkungen äußern. Erstens zur Bemerkung von Frau Schulz zur Arbeit im Beirat im Spree-Neiße-Kreis: Gerade aus der Erkenntnis heraus, dass nicht genügend Kontrollen bei den so genannten 1-Euro-Jobs durchgeführt wurden, und aus der Erkenntnis heraus, dass nicht genügend Informationen bei den Nichtleistungsbeziehern ankommen, haben wir uns im Spree-NeißeKreis genau für diesen Personenkreis engagiert. Daraus resultiert die Wertung im Referat, dass bei den Nichtleistungsbeziehern wenig Information und wenig Effizienz vorhanden sind.

Zweitens zur Bemerkung von Frau Ministerin, was ABM und BSI angeht. Im Referat werden Sie, wenn Sie den Text nachlesen, diese beiden Begriffe nicht finden, weil wir generell für ABM und BSI plädiert haben.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte diese Bemerkung zurückweisen. Wir haben uns im Referat nicht gegen ABM und BSI ausgesprochen, denn es sind wirksame Instrumente.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank. - Die Geschäftsordnung sieht persönliche Bemerkungen einzelner Abgeordneter vor und nicht des gesamten Plenums. Ich bitte Sie, daran zu denken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/3011

Wir beginnen mit der Frage 768 (Berlin-Brandenburger Aus- bildungsreport 2005), gestellt von der Abgeordneten Lehmann.

Für den kürzlich vom DGB vorgelegten Berlin-Brandenburger Ausbildungsreport 2005 wurden mehr als 2 000 Auszubildende in Berlin und Brandenburg befragt. Die Befragung ergab, dass in Brandenburg ein Viertel der Auszubildenden regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten muss. Im Handwerk sind ein Drittel der Befragten davon betroffen.

Ich frage die Landesregierung: Durch welche Maßnahmen wird eine hohe Qualität sowohl der theoretischen als auch der betriebspraktischen Ausbildung sichergestellt?

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet der Staatssekretär. Bitte, Herr Alber.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lehmann, die Aufgabe der Überprüfung der Ausbildungsqualität ist in Deutschland den Kammern zugewiesen. Darüber hinaus sind in Brandenburg für die grünen Berufe das Landesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft und für die Berufe des öffentlichen Dienstes das Ministerium des Innern verantwortlich.

Die Grundlage für die Durchführung einer Berufsausbildung bildet das Berufsbildungsgesetz. Die Qualität der theoretischen Ausbildung wird durch anerkannte Ausbildungsordnungen für die jeweiligen Berufe gesichert. § 14 Berufsbildungsgesetz legt die Aufgaben der Ausbildenden, nämlich in den Unternehmen, und der Auszubildenden fest. Danach dürfen Auszubildenden nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind.

Die Prüfung der Umsetzung dieser Aufgaben nach dem Berufsbildungsgesetz obliegt den oben genannten Stellen. Sie stellen

durch Kontrollen und Prüfungen der persönlichen und fachlichen Eignung der Ausbilder die Ausbildungseignung fest. Das MASGF unterstützt die Arbeit der Kammern zur Verbesserung der Qualität der Ausbildung in den Unternehmen durch die Förderung des Ausbildungsmanagements der Kammern.

Danke sehr. - Es gibt eine Nachfrage vom Abgeordneten Görke.

Herr Staatssekretär, ich möchte einen Satz aus dem Ausbildungsreport zitieren und danach eine Frage an Sie richten:

„Nur 29 % der BewerberInnen stand in der Region ein betrieblicher Ausbildungsplatz zur Verfügung. Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen in der Region ist gegenüber dem Vorjahr um 17,6 % gesunken.“

Meine Frage: Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der Ausbildungsreport zu der eindeutigen Feststellung, der Ausbildungspakt in der Region Berlin-Brandenburg sei nicht erfüllt worden, kommt?

Sie unterstellen in Ihrer Frage, dass dies so sei. Das ist eine Wahrnehmung der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg, die den Ausbildungsreport erstellt hat. Die Aussagen beziehen sich nicht eindeutig auf Berlin und Brandenburg. Das müsste genauer untersucht werden.

Wir selbst schätzen die Situation anders ein und haben den Landtag und den Ausschuss regelmäßig über den Stand auf dem Ausbildungsmarkt informiert. Nach unseren Erkenntnissen ist es in den vergangenen Jahren durch einen großen Kraftakt gelungen, die rechnerische Ausbildungsplatzlücke zu füllen. Wir müssen allen, die an diesem Brandenburger Ausbildungskonsens mitwirken, sehr dankbar sein. Ich denke, auch in diesem Jahr wird es mithilfe aller Mitwirkenden wieder möglich sein, die Lücke mit den Bausteinen dieses Ausbildungskonsenses zu füllen.

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Das Wort erhält der Abgeordnete Sarrach, der Gelegenheit hat, die Frage 769 (Prü- fung der Schließung von sieben Amtsgerichten und einem Ar- beitsgericht) zu formulieren.

Im Rechtsausschuss des Landtags wurde wiederholt über die mögliche Schließung von Amtsgerichten und einem Arbeitsgericht beraten. Dabei wurden auch Hinweise zu offensichtlichen fehlerhaften Annahmen und Darstellungen - zum Beispiel zum Sanierungsbedarf an einzelnen Standorten - gegeben. Derzeit prüft eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Finanzministerium und Justizministerium die Standortauswahl und es war - so mein Eindruck aus den Sitzungen des Rechtsausschusses - von einer ergebnisoffenen Prüfung auszugehen.

Der Zeitung war jedoch zu entnehmen, dass die derzeitige Prüfung nach Einschätzung der Deutschen Justizgewerkschaft