Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dombrowski, am 1. August 2006 ist das Erste Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse in Kraft getreten. Nach Artikel 1 dieses Gesetzes dürfen Kommunen auf Antrag von landesrechtlichen Standards abweichen, um neue Formen der Aufgabenerledigung oder des Aufgabenverzichts mit dem Ziel des Bürokratieabbaus zu erproben.
Bei der Landesregierung liegen bis zum 20.10.2006 insgesamt vier Anträge von brandenburgischen Kommunen nach diesem Gesetz vor. Drei davon betreffen den Bereich des Ministeriums
für Infrastruktur und Raumordnung und einer das MLUV. Die Anträge an das MIR betreffen Fragen der Zuständigkeit bei der Anordnung von Tempo-30-Zonen und der Aufstellung von Verkehrszeichen auf dem Gebiet von Gemeinden. Der Antrag an das MLUV bezieht sich auf den Verzicht auf Ausgleichsmaßnahmen beim Bau von Radwegen.
Weitere Anträge liegen zurzeit nicht vor. Wir erwarten sie, aber sie liegen bei den Kommunen. - Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zur Frage 887 (Identitätsnummern für brandenburgische Schülerinnen und Schüler) und zur Frage 888 (Datenerfassung von Schülerinnen und Schülern). Die erste Frage stellt die Abgeordnete Klara Geywitz im Auftrag von Frau Siebke.
Nach Planungen der Kultusministerkonferenz soll zukünftig jeder Schüler und jede Schülerin eine eigene Identitätsnummer erhalten, die auch bei einem Schul- oder Wohnortwechsel gültig bleibt. Die KMK erhofft sich dadurch bessere Auskünfte über Schullaufbahnen junger Menschen. Weiterhin soll ein nationales Bildungsregister aufgebaut werden.
Ich frage die Landesregierung: Wie beurteilt sie derartige Planungen der KMK vor dem Hintergrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen und finanzieller Auswirkungen?
Die Frau Kollegin hat bereits über den Hintergrund der Frage informiert. In der letzten Woche hat die KMK dazu ausführlich debattiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Geywitz, sehr geehrter Herr Jürgens, zunächst stelle ich fest, dass sich nicht nur die KMK, sondern eigentlich alle Bundesländer seit längerem mit Fragen der Veränderung der Bildungsstatistik beschäftigen. Es geht um Datengewinnung, um Datenspeicherung und um Datenauswertung, und zwar mit dem Ziel, das einer von PISA aufgeworfenen Frage entspricht: Wie können wir es schaffen, durch geeignete statistische Erhebungen eine Basis für eine umfassende und zuverlässige Analyse des Standes im Bildungssystem zu legen?
Ich will das an zwei Beispielen darlegen. Es macht zum Beispiel wenig Sinn, über Sinn und Unsinn von Bildungsgangempfehlungen zu diskutieren, wenn einem die Informationen
darüber fehlen, wie ein Schüler, der eine entsprechende Empfehlung erhielt, sich dann im weiteren Bildungsverlauf entwickelt hat, ob er dieser Empfehlung tatsächlich entsprochen hat oder nicht.
Ein anderes Beispiel: Wir diskutieren häufig über die Durchlässigkeit unseres Schulsystems. Wie wollen wir überprüfen, ob es wirklich durchlässig ist, wenn wir nicht feststellen können, wie oft beispielsweise ein Schüler die Schule oder den Bildungsgang gewechselt hat und was am Ende dabei herausgekommen ist? Meines Erachtens bestehen diesbezüglich in Brandenburg Informationsdefizite, die wir erkannt haben; im Jahr 2002 haben wir einen ersten Schritt unternommen, um dieses Defizit zu beseitigen: Wir sind bei der Schulstatistik auf Schülereinzeldatensätze umgestiegen, selbstverständlich ohne die Namen der Schüler zu speichern. Anhand der Nummern können wir jetzt aber die einzelnen Datensätze voneinander unterscheiden.
Der zweite Schritt ist konzeptionell in Arbeit, aber noch nicht umgesetzt. Das ist nämlich eine landeseindeutige Schülernummer, um den Bildungsverlauf der Schüler zu verfolgen, von der Grundschule beispielsweise bis zum Abitur. Im Verlauf ihres Bildungsgangs liefern die Schüler Daten im Vergleich zu anderen Schülern, die wir abgleichen und aus denen wir entsprechende Schlussfolgerungen ziehen können.
Ich halte deshalb die landeseinheitliche Einführung von Schülernummern für durchaus notwendig. Ungünstig ist der Begriff Identitätsnummer, den ich gern nicht benutzte,
denn es geht ja genau darum, die Identität des einzelnen Schülers nicht aufzudecken. Also brauchen wir auch keine Identitätsnummern. Ich halte diesen Terminus für ein Problem, aufgrund dessen es zu den heiß geführten öffentlichen Debatten gekommen ist. An dieser Stelle sei auch gesagt, dass alle Schritte, die wir bisher unternommen haben, mit dem Landesdatenschutzbeauftragten im Detail abgeklärt wurden; Datenschutzmaßnahmen dazu sind einvernehmlich festgelegt worden.
Zur KMK: Auf der Tagung gab es einen Beschlussvorschlag, der relativ schnell von der Tagesordnung verschwunden war, weil einheitlich die Meinung vertreten wurde, wir hätten bei diesem Problem noch keinen Diskussionsstand erreicht, der es ermöglicht, diesen Beschluss zu fassen. Die KMK hat also einstimmig beschlossen: Wir werden zunächst einen öffentlichen Workshop mit Datenschützern, mit Bildungswissenschaftlern und mit Medien durchführen, um das Thema ausgiebig zu diskutieren. Das bedeutet allerdings, dass das Thema vor 2007 nicht wieder auf die Tagesordnung der KMK kommen kann. In diesem Fall gibt es also Entwarnung mit dem Ziel, ausgiebig zu diskutieren. Ziel ist nämlich nicht - dies sage ich noch einmal sehr deutlich - der gläserne Schüler; unser Ziel muss es sein, die gläserne Schule zu schaffen. Dagegen ist meines Erachtens auch nichts einzuwenden.
Ich gebe noch einen Hinweis, weil es immer heißt: Wehret den Anfängen! Das bedeutete, wir wollten etwas machen, was es bisher nirgendwo gibt. Dem widerspreche ich hier kurz: Beispielsweise in der Hochschulstatistik oder in Statistiken, die zum Gesundheitswesen gehören, gibt es solche Nummern be
reits. Ein öffentlicher Aufschrei ist mir diesbezüglich nicht zu Ohren gekommen; er ist wohl an mir vorbeigegangen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es einen gegeben hat.
Letzte Bemerkung: Im internationalen Maßstab gibt es sehr viele Länder, die mit diesem Mittel arbeiten, um Bildungsverläufe auch statistisch zu begleiten, zum Beispiel die skandinavischen Länder, die Schweiz, Österreich oder die Niederlande oder - gehen wir einmal etwas weiter weg - Australien oder Neuseeland. Für sie scheint das relativ unproblematisch zu sein. Aber ohne Datenschutz, ohne den Segen des Datenschutzes geht gar nichts.
Herr Minister, ich habe zwei Nachfragen, doch zunächst bedanke ich mich dafür, dass Sie noch einmal eine klare Position bezüglich der Datenspeicherung und des Datenschutzes bezogen haben.
Die erste Frage: Wir haben nun schon Ende Oktober. Wenn Sie sagen, vor 2007 werde es keine neue Befassung geben, so ist dies ein relativ kleines Zeitfenster. Könnten Sie nähere Ausführungen zum zeitlichen Ablauf machen und sagen, ob es einen ungefähren Zeitplan für die weitere Beratung gibt?
Zweite Frage: Im Zuge der Föderalismusreform gab es eine ausführliche Debatte über die Frage, ob in der Bildung Bundesstandards oder Länderhoheit gelten sollten. Dabei wurde die Position vertreten, die Länder brauchten hierbei eher die Hoheit. Nun soll es auf der anderen Seite eine zentrale Erfassung geben. Sehen Sie keinen Widerspruch zwischen dem Ziel, einerseits mit der Föderalismusreform mehr Föderalismus im Bildungsbereich zu wollen, und der Absicht, andererseits hier wieder zentral einzugreifen?
Zur ersten Frage: Der Auftrag, den genannten Workshop in Gesprächen vorzubereiten, ist an die Kommission für Statistik der KMK ergangen. Ich kann nicht sagen, wie lange das dauern wird. Ich gehe davon aus, dass es nicht von heute auf morgen passieren wird. Deshalb denke ich eher an einen Termin in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 - das ist meine persönliche, subjektive Wahrnehmung -, denn das muss gut vorbereitet sein; ansonsten bringt es am Ende nichts.
Folgendes halte ich bezüglich Ihrer zweiten Frage für wichtig: Wenn wir uns weiterhin innerdeutsch vergleichen wollen - dagegen spricht aus meiner Sicht auch nichts -, dann müssen wir gleiche Daten erfassen, um einen Vergleich sinnvoll zu machen. Das ist der Ansatz: Wenn wir in der KMK eine Entscheidung treffen, dann wollen wir vorher darüber reden, welche Daten in allen deutschen Bundesländern erfasst werden sollen, damit man einen entsprechenden Vergleich hat, wie sinnvoll zum Beispiel Bildungsgangempfehlungen sind. - Danke schön.
Nach Zeitungsinformationen hat ein Abgeordneter der Linkspartei.PDS aus dem Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur festgestellt bzw. der Landesregierung vorgeworfen, bei der Beschreibung und Feststellung der Betreuungsrelation von Studenten je Lehrkraft falsche Zahlen verwendet zu haben. Das sei auch im Haushalt nicht korrekt dargestellt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Niekisch, natürlich haben wir keine falschen Zahlen verwendet; wir haben auch keine geschickten Eigenberechnungen angestellt. Vielmehr haben wir Zahlen aus der amtlichen Statistik von Bund und Ländern verwendet, insbesondere im Rahmen der OECD-Studie erhobene Zahlen, die unlängst - wie jedes Jahr im Herbst - veröffentlicht wurde, die ein festes Untersuchungsdesign hat und daher belastbares Datenmaterial liefert.
Nun habe ich früher Vorlesungen zu Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung gehalten; ich verstehe also ein ganz klein bisschen davon. Deswegen bin ich gerade in diesem Punkt immer sehr sorgfältig und gucke mir - das machen andere vielleicht nicht - an, wie das Untersuchungsdesign gestaltet ist, aber ebenso die Interpretation der Daten. Es ist völlig klar, dass einzelne Daten und Zahlen, auch wenn sie korrekt berechnet wurden, nicht die ganze Wahrheit widerspiegeln. Außerdem, meine Damen und Herren, widerstehe ich auch der Versuchung, Zahlen zu verwenden, die günstig sind, von denen man aber weiß, dass sie eigentlich nicht ganz sauber sind.
Unter anderem könnte ich Sie verblüffen - das würde ich auch gern tun -, indem ich Ihnen vorweise, dass das Land Brandenburg im Bereich der Denkmalschutzausgaben - das ist ein Bereich, über den immer gemeckert wird - pro Einwohner recht gut dasteht. Was denken Sie, wo wir diesbezüglich im Vergleich aller Bundesländer stehen? - Auf dem zweiten Platz nach Sachsen. Wir geben zigmal so viel aus wie Bayern. Das haben Sie von mir noch nie gehört. Es steht aber im amtlichen Kulturstatistikbericht.
Da ich diesbezüglich wirklich sorgfältig bin, ärgert es mich, wenn unterstellt wird, dass wir mit den Zahlen lax umgehen und nicht die richtigen nehmen. Was machen Sie? - Herr Peer Jürgens steht dort. - Was machen Sie in der Presse und mit den Publikationen der Fraktion der Linkspartei.PDS?
Dazu habe ich ein Beispiel aus einer Publikation, die von der Fraktion der Linkspartei.PDS herausgegeben wurde. Darin steht, Herr Jürgens, Fakt 1: Kaum ein anderes Bundesland gibt so wenig Geld für seine Hochschulen aus wie Brandenburg. Egal ob bezüglich des Anteils am Haushalt, des Anteils am
Ein Beispiel zum Bruttoinlandsprodukt: Andere Länder - unter anderem Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein - geben prozentual weniger aus. Wir geben so viel aus wie Baden-Württemberg und Hamburg. Also ist es nicht die absolute Katastrophe. Wenn ich das Bruttoinlandsprodukt pro Studierenden und entsprechend pro Einwohner rechne, sind wir überdurchschnittlich gut.
In einem weiteren Beispiel bezüglich der Ausgaben pro Student heißt es, dass sechs Bundesländer - auch Berlin - pro Student weniger als Brandenburg ausgeben.
Fakt 2: In kaum einem anderen Bundesland ist das Verhältnis zwischen Studierendenzahl und der Zahl des Lehrpersonals so schlecht wie in Brandenburg. Oft muss ein Professor mehr als 150 junge Menschen betreuen.
Wissen Sie, wie die Zahlen in dieser Statistik im Schnitt lauten? - Ein Professor betreut in Brandenburg 14 Studierende. Das ist etwa der Bundesdurchschnitt.
Bei Fachhochschulen sind es 21 Studierende. Das ist wesentlich besser als der Bundesdurchschnitt. In diesem Prospekt von Ihnen bezahlt - steht 150.
Der Witz dabei ist - darüber könnte man ja lachen -, dass im selben Satz noch steht: Rund 4 000 Lehrenden stehen rund 42 000 Studierende gegenüber. - Vorhin hat Herr Baaske den Dreisatz angemahnt. Wir brauchen hier aber die Multiplikation.