Protokoll der Sitzung vom 26.10.2006

Die Koalitionsfraktionen blockieren sich gegenseitig und sind nicht in der Lage, fehlerhafte Vorschläge der Landesregierung mit ihrer parlamentarischen Stimme zu korrigieren. Die Landesregierung ihrerseits, hier in Person von Herrn Speer, bedient Vorbehalte gegenüber der Opposition, die einfach ungerechtfertigt sind.

Erstens: Wir geben Ihnen doch Recht, dass manches an dem Gesetz gut ist. Zweitens: Wir sind auch dafür, dass wir über die zentralörtliche Gliederung neu diskutieren. Wir sind aber dagegen, dass die finanzpolitischen Pflöcke schon eingeschlagen werden und das Gesetz, über das eigentlich noch diskutiert werden soll, durch die kalte Küche schon manifestiert wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Bischoff [SPD]: Das ist falsch, was Sie da sagen!)

Das ist ein Fehler.

Ein weiterer Fehler ist der Landesregierung einfach beim Zusammenzählen passiert, nämlich bei der Aufstellung des Nachtragshaushalts. Meine Fraktion hat diesen Fehler klar benannt. Das gilt übrigens auch für alle Vertreter der kommunalen Familie, die sich im Rahmen der Anhörung durch den Finanzausschuss dazu geäußert haben. Mir ist deshalb völlig unklar, warum meine Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, obwohl sie bei dieser Anhörung anwesend waren, nicht zumindest die Rechenfehler in dem Gesetz beseitigt haben. Der Minister hat vorhin behauptet, dass er das DIW-Gutachten vollständig umgesetzt habe. Wir wissen aber alle, dass im DIW-Gutachten eine ganz andere Summe steht, die für das Jahr 2006 nachgesteuert werden müsste.

Lassen Sie mich nun die fünf wichtigsten Kritikpunkte aus unserer Sicht benennen. Voranstellen möchte ich, dass wir natürlich begrüßen, dass es den Nachtragshaushalt überhaupt gibt. Wir hätten diesen Nachtragshaushalt schon gern im Sommer gehabt. Gleichzeitig möchte ich aber daran erinnern, dass es sich hierbei um eine Pflichtaufgabe der Landesregierung gehandelt hat. Das ist also nicht geschehen, weil die Landesregierung die Lage so eingeschätzt hat. Vielmehr war die Grundlage ein Urteil des Landesverfassungsgerichts zu Neulietzegöricke, in dem festgelegt worden ist, dass ein Symmetriebericht erstellt werden muss. Die Nachsteuerung ist dadurch notwendig geworden. Das geht zu einem Stück also auch auf den Protest der kommunalen Familie zurück.

Nun zu den fünf Kritikpunkten im Einzelnen.

Erstens: Die Finanzsituation der Kommunen wird auf Landesebene schöngerechnet. Die Defizite sind zum Teil existenzbedrohend und bedeuten weniger Lebensqualität für Bürgerinnen und Bürger, höhere Gebühren und Beiträge, also mehr soziale Härten, Gefahr für den sozialen Frieden mit allen weiteren damit verbundenen Auswirkungen.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

- Noch etwas zur Ausgangssituation, und zwar jetzt noch etwas konkreter, Herr Bischoff, wenn Sie das so wünschen. Die Kommunen im Lande wurden von Anfang an sträflich behandelt. Die Steuerverbundquote ging von anfangs 26 % kontinuierlich zurück und ist jetzt bei 20 % angelangt. Nach Berechnungen des Städte- und Gemeindebundes beläuft sich die Unterfinanzierung der Kommunen gegenüber dem Land seit 1991 auf 1,742 Milliarden Euro.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Auch wenn die Einnahmen aus einigen Steuern steigen, und zwar im Durchschnitt, auch bei den Kommunen,

(Bischoff [SPD]: Kräftig!)

sind Kredite von 1,699 Milliarden Euro aufgenommen worden und Kassenkredite - das ist das noch Schlimmere - von 661 Millionen Euro aufgelaufen.

(Bischoff [SPD]: 17 Milliarden Euro im Lande!)

Diese Situation ist im Vergleich der neuen Bundesländer einmalig. Das wurde auch von den Anzuhörenden so benannt.

Zweitens: Das Symmetriegutachten von Herrn Dr. Vesper, das ich schon angesprochen habe, gibt einen Nachsteuerungsbetrag von 216 Millionen Euro an. Wenn man die Spitzabrechnung für 2003/04 von 69,8 Millionen Euro dabei unberücksichtigt lässt, dann kommt man immer noch auf 146 Millionen Euro, aber nicht auf nur 105 Millionen Euro. Deshalb auch unser Antrag, die betreffende Finanzmasse um 40,5 Millionen Euro zu erhöhen.

Drittens: Der eigentliche Skandal besteht darin, dass Sie eine Entlastung der Kommunen aus vorangegangenen Gesetzen in einer Art schönrechnen, die ich nicht nachvollziehen kann und die vonseiten der kommunalen Vertreter in der Anhörung auch mit Fakten widerlegt wurde. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass Kommunen zum Beispiel durch die Novellierung des Kita-Gesetzes wirklich Geld gespart haben, während Sie hier sogar eine Einsparsumme von mehr als 20 Millionen Euro errechnen. Diese fiktive Zahlenspielerei gehört nicht in das Gesetz. Deshalb lehnt meine Fraktion die Minderung von 24,5 Millionen Euro rigoros ab. Ich meine, dass hier die Notwendigkeit einer Richtigstellung besteht.

In diesem Zusammenhang möchte ich das Wort speziell an Herrn Schrey richten: Das ist keine Interpretationsfrage, sondern hierbei geht es wirklich um Geld, das von dem Ausgleichsbetrag abgezogen worden ist. Ich erinnere dazu an die Kleine Anfrage meines Kollegen Dr. Scharfenberg, bei der genau auf diese Frage hin geantwortet wurde, bei dem Charakter

des Gesetzes sei es nicht möglich gewesen, eine finanzielle Entlastung schon exakt zu bestimmen. Da ging es bekanntlich um die Entlastungsgesetze. Selbst die Regierung ist sich da also sehr unschlüssig.

Meiner Meinung nach rächt es sich für das Land, an seinen Kommunen zu sparen, weil das Leben ja dort stattfindet. Dort entscheiden die Bürgerinnen und Bürger über ihre Perspektiven, gehen weg oder bleiben - auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden -, hier wird Bildung und bürgerschaftliches Engagement, Arbeit und Lebensqualität gelebt bzw. darüber entschieden. Für diese Rahmenbedingungen steht das Land in großer Verantwortung. Es nutzt uns als Landespolitikern auch überhaupt nichts, wenn 300 bis 400 Millionen Euro an investiven Mitteln nicht abfließen, auch weil sie durch die Kommunen nicht kofinanziert und deshalb nicht in Anspruch genommen werden können. Außerdem geht es hier um eine Deckungsquelle, die wirklich machbar ist, zumal die Landesregierung diese ja auch selbst gewählt hat.

Ich bitte Sie, die Argumente der kommunalen Spitzenverbände nicht vom Tisch zu wischen, unseren diesbezüglichen Anträgen hier also Rechnung zu tragen und im Übrigen Empfehlungen aus dem Innenministerium skeptisch gegenüberzustehen, nach denen dieses Geld prinzipiell zum Stopfen der Haushaltslöcher verwendet werden soll. Ich sage: Diese Mittel sollen ins Leben, und darüber entscheiden die Kommunen selbst.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Kollegin Osten, lassen Sie noch eine Zwischenfrage, die inzwischen zu einer Endfrage geworden ist, zu?

Der Kollege hätte zwar etwas schneller sein können, aber bitte schön!

Bitte schön.

Ich meine, er war schnell genug. - Hier meine Zwischenfrage: Sie haben gerade die fehlende Kofinanzierungsmöglichkeit der kommunalen Ebene heftigst kritisiert. Würden Sie mir darin zustimmen, dass die kommunale Familie, die Gemeinden, die Städte, seit zwei Jahren 75 % der investiven Mittel direkt zugewiesen bekommt, wobei dies bekanntlich immer wieder einmal diskutiert worden ist und der Landkreistag dies sogar ändern wollte? Würden Sie mir also zustimmen, dass die Städte und Gemeinden in Brandenburg seit zwei Jahren so viele zweckgebundene investive Mittel zur Verfügung haben wie nie zuvor?

Die Fragestellung ist nicht ganz korrekt, Herr Abgeordneter Bischoff.

(Bischoff [SPD]: Stimmen Sie mir zu oder nicht?)

Ich stimme Ihnen zu, dass das Geld direkt an die Kommunen geht, aber der Gesamtbetrag hat sich nicht entwickelt, nur weil die Prioritätenlisten weggefallen sind, sodass letztendlich nicht mehr Geld dort ankommt. Das kritisieren wir. Wenn Sie sich das bei den Kommunen einmal genau anschauen, dann werden Sie feststellen, dass der Bedarf an Fördermitteln klar ist, dass aber unklar ist, wie die Kofinanzierung bewerkstelligt werden soll. Deshalb sollten die Möglichkeiten der Kommunen zur Kofinanzierung gestärkt werden. Das ist unser Anliegen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Melior für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Streit hier vorn in der ersten Reihe ist geführt worden, wurde aber jetzt, so meine ich, erst einmal beigelegt. Damit können wir mit der Diskussion über den Nachtragshaushalt fortfahren.

Die Kommunen in diesem Lande bekommen noch in diesem Jahr 105,7 Millionen Euro zugewiesen. Dies ist ein Ergebnis aus dem Symmetriegutachten. Das ist also kein Geschenk des Landes, wie ich gern wiederholen kann.

Wir haben die Kommunen in den Jahren 2003 und 2004 an den Mindereinnahmen des Landes überproportional beteiligt. Der Gutachter hat uns das in Rechnung gestellt, was sein gutes Recht ist. Der Finanzminister hat darauf sofort reagiert und ohne Wenn und Aber gesagt, dass die Mittel noch in diesem Jahr ausgezahlt werden.

Zu der heutigen Beratung liegt uns auch ein Änderungsantrag der Fraktion der Linkspartei.PDS vor. Darauf möchte ich kurz eingehen.

Das war im Übrigen auch der Streit, der eben hier ausgetragen wurde, nämlich der Streit über die Einteilung der kommunalen Finanzen. Da geht es um die investive Ebene bzw. um den Vermögens- und den Verwaltungshaushalt. Da wird immer einiges durcheinandergeworfen.

Vonseiten der Fraktion der Linkspartei.PDS wird jetzt kritisiert und mit dem Änderungsantrag zu beheben versucht, dass das Innenministerium den Kommunen ganz klar vorgibt, mit den betreffenden Mitteln in erster Linie ihre Schulden in den Griff zu bekommen, also die eigenen Haushalte zu konsolidieren, um für die Zukunft wieder einen eigenen finanziellen Spielraum zu gewinnen. Ich finde, das ist eine wichtige Vorgabe. Meiner Meinung nach wäre es sogar sehr fahrlässig, wenn mit den betreffenden Mitteln zum Ende eines Jahres neue Träume erfüllt würden, wenn das wahrscheinlich auch nicht allzu oft der Fall wäre. Noch einmal: Dieses Geld ist in erster Linie für die Konsolidierung zu verwenden. Meine Fraktion unterstützt die entsprechende Vorgabe des Innenministeriums. Deshalb werden wir den Änderungsantrag der Fraktion der Linkspartei. PDS auch ablehnen.

Sehr dankbar sind wir der Fraktion der Linkspartei.PDS jedoch insofern, als sie es ermöglicht hat, dass die betreffenden Mittel

noch in diesem Jahr der kommunalen Ebene zufließen können.

Wir haben vorhin das FAG beschlossen. Im FAG ist geregelt, dass dieses Geld fließen kann. Herzlichen Dank, dass wir die notwendige Änderung des § 3 so zügig vornehmen konnten. An dieser Stelle auch mein Dank, dass wir über das Finanzausgleichsgesetz im Landtag sehr früh im Jahr diskutieren. Das gibt den Kommunen die Möglichkeit, ihre Haushalte frühzeitig aufzustellen und damit die hier diskutierten investiven Mittel auszugeben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Melior. - Das Wort erhält die Abgeordnete Hesselbarth, die Gelegenheit hat, für ihre Fraktion zu sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kommunen des Landes sind heillos unterfinanziert. Das ist seit Jahren eine allgemein bekannte Tatsache. Das Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaft, DIW, hat das bestätigt, und die Nachsteuerung in Höhe von 105,7 Millionen Euro ist die Quintessenz dessen. Das Gutachten kam nach der Überprüfung der Einnahmen und Ausgaben auf Landesebene und kommunaler Ebene für die Jahre bis 2004 zu dem Ergebnis, dass der kommunale Finanzausgleich mit rund 216 Millionen Euro unterfinanziert war.

Bezogen auf den Nachsteuerungsbetrag ist festzustellen, dass das DIW-Gutachten zutreffend darauf verweist, dass die Verbundmasse im Hinblick auf die Entlastungsgesetze um 140 Millionen Euro gekürzt wurde. Auch diese Kürzung ist in dem Gutachten berücksichtigt und unter Betrachtung aller weiteren Faktoren im Ergebnis mit einer Nachsteuerungspflicht zugunsten der Kommunen - mit 216 Millionen Euro - gewürdigt worden. Selbst wenn man die Spitzabrechnung der Steuerverbünde 2003, 2004 und 2005 von zusammen 69,8 Millionen Euro zugunsten der Kommunen berücksichtigt, ergibt sich noch ein Nachsteuerungsbedarf von 146,2 Millionen Euro. Alle kommunalen Spitzenverbände stellten dies bei der Anhörung am 16. Oktober 2006 klar und deutlich fest.

Warum der Finanzminister aufgrund einer nebulösen Schätzung der Wirkungen der sogenannten Entlastungsgesetze, die bis heute in den Kommunen nicht spürbar sind - es ist fraglich, ob sie jemals spürbar werden -, zusätzlich 24,5 Millionen Euro abgezogen hat, ist für uns als DVU-Fraktion und auch für die Kommunen und Spitzenverbände nicht nachvollziehbar. Das ist klar und deutlich zum Ausdruck gekommen. Deshalb schließen wir uns den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände an, den Nachsteuerungsbetrag auf 146,2 Millionen Euro aufzustocken. Dem Ziel, die Lücke zwischen dem vom Finanzministerium veranschlagten Nachsteuerungsbetrag und dem tatsächlichen Bedarf zu schließen, dienen unsere Änderungsanträge. Zur Deckung sind noch genügend Gelder bei den Personalverstärkungsmitteln vorhanden; eine konkrete Erläuterung, dass das nicht so ist, konnte uns der Finanzminister im Ausschuss nicht geben. Deshalb erhalten wir die Änderungsanträge aufrecht.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Der Abgeordnete Schrey spricht als Nächster. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben das Änderungsgesetz zum Finanzausgleichsgesetz beschlossen. Wenn wir wollen, dass die Kommunen noch in diesem Jahr den ihnen zustehenden Nachsteuerungsbetrag erhalten, ist es notwendig, dass wir diesen Nachtragshaushalt heute verabschieden.

Gestatten Sie mir hierzu einige eher allgemeine Anmerkungen. In meinen Augen handelt es sich um einen besonderen Nachtragshaushalt. In aller Regel - auch hier im Hause kam das ja gelegentlich vor - wird ein Nachtragshaushalt vorgelegt, wenn der Finanzminister mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld nicht auskommt, beispielsweise weil die Steuerschätzungen zu großzügig waren oder weil ihm die Ausgaben über den Kopf wuchsen. Insofern stellt dieser Nachtragshaushalt eine Ausnahme dar. Wir haben eine Mehrausgabe, können diese jedoch aus dem laufenden Haushalt decken, und zwar ohne den Finanzminister zur Aufnahme neuer Kredite zu ermächtigen. Wir werden also unsere Verpflichtung gegenüber den Kommunen erfüllen und gleichzeitig unser Ziel zur Absenkung der Nettokreditaufnahme erreichen.

Über die Höhe des Nachsteuerungsbetrages haben wir bereits gesprochen. Dass man hier unterschiedlicher Meinung sein kann, habe ich vorhin schon erwähnt, aber der geplante Nachsteuerungsbetrag ist nachvollziehbar und lässt sich aus dem Gutachten ableiten. Ich sehe also keine Notwendigkeit, den Entwurf zu ändern; denn hier stehen sich unterschiedliche Interessen gegenüber. Wir sollten aber die Tugend der Sparsamkeit angesichts der hohen Verschuldung des Landes ganz hoch halten. Gemessen an der Pro-Kopf-Verschuldung gehört Brandenburg zu den hoch verschuldeten Ländern, während die brandenburgischen Kommunen im Vergleich zu denen anderer Länder am wenigsten verschuldet sind.