- Herr Kollege Schippel, Sie waren dabei. Vielleicht überraschen Sie uns mit einem eigenen Antrag. Woher wollen Sie 3 % Vertretungsreserve nehmen, nachdem Sie diese im laufenden Schuljahr auf 1 % heruntergewirtschaftet haben?
Im Jahre 2007 wollen Sie noch einmal 899 Lehrerstellen einsparen und 2008 sollen es 815 Lehrerstellen sein.
Wie soll ein schuleigenes Vertretungsbudget aussehen, wenn nicht in Form von Stellenzuweisungen von mindestens 3 %? In Berlin stattet man Schulen sogar mit 105 % Lehrerstellen aus, und auch das reicht vorn und hinten nicht. Wollen Sie hier etwa auf kapitalisierte Mittel setzen? Oder wie stellen Sie sich das vor?
Bestandteil des von Ihnen geforderten Gesamtkonzeptes soll sein, schulorganisatorische Maßnahmen so zu planen, dass kein Unterricht ausfällt. Ich kenne ehrlich gesagt keine Schule, die Konferenzen während des Unterrichts abhält, was angesichts der vielen Konferenzen zu Kopfnoten, zu Vergleichsarbeiten oder Fachkonferenzen gar nicht so leicht ist. Fortbildungen während des Unterrichts werden in der Regel nicht genehmigt. Ausfälle durch Wanderfahrten werden vertreten. Lehrkräfte schenken dem Land unglaublich viele Stunden durch nicht vergütete Mehrarbeit. Das hätten Sie heute bei der Demonstration hören können, aber Sie waren ja nicht da!
Der Hauptanteil der Ausfälle basiert - und zwar zunehmend auf der Erkrankung von Lehrkräften. Hinsichtlich der Belastung der Lehrkräfte muss also etwas passieren. Da hilft kein Vertretungskonzept. Das System ist ausgepowert, fragen Sie die Kolleginnen und Kollegen.
Daraus resultiert mein Zorn, mit dem ich auf Ihre Anträge reagiert habe. Es ist ein Stück weit verlogen, Stellen herauszunehmen und im Nachhinein zu fordern, die Vertretungsreserve müsse wieder auf 3 % aufgestockt werden.
Noch einmal zu Finnland. Dort kennt man keine Unterrichtsausfälle. In einem System, bei dem zwei Lehrkräfte an Grundschulen 20 Kinder unterrichten, Lehrkräfte nur 16 Wochenstunden Unterricht haben, es keine Beamten gibt, die man bei langfristigen Erkrankungen nicht vertreten kann, und die Schule über ein ganzes Arsenal von Unterstützungskräften verfügt, fällt einfach nichts aus. Wenn aufgrund dauerhafter Erkrankungen doch nichts mehr geht, gibt es eine Lehrerfeuerwehr. Das ist wirkliche Verlässlichkeit. Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Sie wollen die Schulen Konzepte schreiben lassen. Mehr Hilflosigkeit geht wirklich nicht.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe Frau Großes Zorn nur bedingt. Wir haben gehört, dass die Vertretungsreserve in den letzten Jahren von 3 % auf 1 %
gesenkt wurde. Das hat mit zum Unterrichtsausfall geführt. Unterrichtsausfall wird hier im Hause, wie ich glaube, unbestritten als nicht günstig betrachtet. Wenn die Koalitionsfraktionen beantragen, die Vertretungsreserve wieder auf 3 % zu erhöhen, ist das erst einmal gut für die Schule.
Frau Große, ich gebe Ihnen Recht, dass Eltern vor allen Dingen danach fragen, ob Unterricht stattgefunden hat oder nicht, es jedoch nicht nur darauf ankommt, den Unterricht, sondern auch die Qualität zu garantieren. Das eine schließt das andere aber nicht aus. Meiner Ansicht nach kann man durchaus auf beiden Feldern arbeiten.
Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet: Sind die Schulen in Brandenburg derzeit nicht verlässlich? Man kann darüber streiten, ob die derzeitige Ausfallquote von ca. 3 % ein kritisches Zeichen ist. Als Regierungsfraktionen könnte man sich natürlich hinstellen und darauf verweisen, dass NRW eine Ausfallquote von 4,5 % und Sachsen von 4,1 % hat. Also ist das Elend bei uns viel geringer als anderswo. - Das kann aber nicht wirklich unser Ansatz sein; denn auch die bei uns für den Unterrichtsausfall gegebenen Zahlen sind für die Schüler, die keinen Unterricht bekommen, einfach nicht gut.
Dann ist aber die Frage, ob es immer nur darum gehen kann, mehr Geld in das System zu geben. Wir wissen, dass es nicht allein um die Frage gehen kann, wie viel Geld man in das System gibt, sondern auch um die Frage, wie man Schule organisiert. In den einzelnen Schulämtern ist der Unterrichtsausfall sehr unterschiedlich, wie auch Sie wissen. Das geht von 5,4 % in Eberswalde bis hinunter auf 2,0 % in Wünsdorf.
Frau Kollegin, mich würde sehr interessieren, wie Sie ohne Erhöhung der Zuweisung von Lehrerstellen nur über Organisation die Vertretungsreserve steigern wollen.
Es gibt bekanntlich einen Lehrerstellenpool, aus dem Zuweisungen erfolgen können. Es gibt auch jetzt schon Schulämter, die 3 % zuweisen. Sie werden sich daran erinnern, weil wir dazu eine Anhörung im Ausschuss hatten. Offenbar gibt es in den einzelnen Schulämtern unterschiedliche Herangehensweisen, auch unterschiedliche Prioritätensetzungen. Das zeigen auch die Zahlen, die ich gerade vortragen wollte. Es gibt Schulämter mit einer Ausfallquote von 5,4 % und auch solche mit einer Ausfallquote von nur 2,0 %. Abgesehen von individuellen Problemen, die es hier und da gibt, zeigt sich meiner Meinung
Ich weiß auch gar nicht, was den Zorn der Opposition auf die Regierungsfraktionen zieht, wenn wir uns dieses wichtigen Themas des Unterrichtsausfalls annehmen und zum Ausdruck bringen, dass wir prüfen wollen, wie das bestehende System möglichst optimal gefahren werden kann.
Lassen Sie mich jetzt noch eine Bemerkung zur Haushaltsdebatte machen. Wir sind gern bereit, mit Ihnen auch über Details zu diskutieren. Allerdings ist es für uns dann ein bisschen schwierig, wenn Sie, wie zum Beispiel heute Vormittag, sagen, dass das mit dem Weihnachtsgeld für Beamte auf keinen Fall okay sei, dass man das keinesfalls machen sollte, gleichzeitig im Bildungsausschuss aber genau das, nämlich die Beamtenbezüge, als Deckungsquelle für Vorschläge zur Erhöhung von Positionen an anderer Stelle, angeben. Sie müssen sich entscheiden: Entweder/oder. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchten die Koalitionsfraktionen vorgeblich erreichen, dass es weniger Unterrichtsausfall an Brandenburger Schulen gibt. Dafür soll die von diesen Fraktionen getragene Landesregierung ein Konzept ausarbeiten. Da muss der Unterrichtsausfall an Brandenburger Schulen ja schon beängstigende Ausmaße angenommen haben, wenn sich jetzt die Regierungsfraktionen dieser Problematik annehmen.
Das brandenburgische Bildungsministerium sieht das wahrscheinlich anders; denn Ende August hieß es dort noch, der Unterrichtsausfall sei derzeit sogar ausgesprochen niedrig. Ein akuter Handlungsbedarf besteht also nicht, wenn man den Aussagen des Bildungsministeriums Glauben schenken darf. Aber wissen Sie was: Ich habe meiner DVU-Fraktion trotzdem empfohlen, diesen Antrag anzunehmen; denn es kann ja nicht schaden, wenn sich die Landesregierung mit dieser Problematik intensiver auseinandersetzt. Vielleicht erkennt die Landesregierung ja auch, wie groß gerade in einigen Gebieten hier im Lande Brandenburg die Problematik Unterrichtsausfall ist. Dazu dient der Antrag allemal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wichtigste in der Schule ist der Unterricht. Das ist eine alte Weisheit. Unsere Schülerinnen und Schüler haben einen schulgesetzlich ver
bürgten Anspruch auf Unterricht nach Maßgabe der Stundentafel. Ich setze das vorweg, weil ich es für eine Selbstverständlichkeit halte, auch, wenn daran gezweifelt wird.
Vor diesem Hintergrund gibt der vorliegende Antrag der Sorge Ausdruck, dass der Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf Unterricht für die einzelnen Bildungsgänge eben nicht immer vollständig eingelöst werden kann. Deswegen wird in dem Antrag ein Konzept verlangt, das Maßnahmen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall verbindlich vorsieht, um auf diesem Weg zu einer verlässlichen Schule - vielleicht sollte man an der Stelle sagen: zu einer „noch verlässlicheren Schule“ - in Brandenburg zu kommen.
Wir müssen beim Thema Unterrichtsausfall sorgfältig unterscheiden zwischen dem Unterrichtsausfall im Durchschnitt aller Schulen im Lande und dem Unterrichtsausfall, der von den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern an einzelnen Schulen konkret wahrgenommen wird.
Im landesweiten Durchschnitt - Zahlen sind heute hier schon genannt worden - stellt sich die Situation so dar, dass vom gesamten Unterrichtsangebot im Lande Brandenburg im vergangenen Schuljahr 2,4 % unvertreten ausgefallen sind, wobei der übrige Unterrichtsausfall durch die Vertretungsreserve in den Schulen - das sind nach wie vor 3 %, wobei 2 % davon an den Schulen und 1 % zur Vermeidung von besonders schwerwiegenden Ausfallsituationen an den Schulämtern angelagert sind - vertreten werden kann.
In der Gesamtbetrachtung ist die Lage also wirklich nicht so dramatisch, wie sie manchmal dargestellt wird, auch wenn ich mir - wie wir alle uns - natürlich noch weniger Unterrichtsausfall wünsche. An vielen Schulen Brandenburgs bewegt sich der Unterrichtsausfall in einem vertretbaren und, wie ich denke, zum Teil auch in einem unvermeidbaren Umfang, und das nicht zuletzt deswegen - da möchte ich den Kolleginnen und Kollegen im Lande ein herzliches Dankeschön sagen -, weil die Brandenburger Lehrkräfte ihre Arbeit sehr ernst nehmen.
Mit den landesweiten Durchschnittszahlen wollen und dürfen wir uns nicht zufrieden geben, egal, ob 2,4 %, 2,2 % oder 2,0 %. Unser Ziel muss sein, dass auch die Schulen, die aus verschiedenen Gründen, beispielsweise wegen unerwarteter Langzeiterkrankungen von Lehrern, bisher noch größeren Unterrichtsausfall zu verkraften haben, zukünftig schneller und besser reagieren, sodass auch dort die negativen Auswirkungen, die es für Schülerinnen und Schüler dann natürlich gibt, möglichst auf ein Minimum begrenzt werden können.
Im Ergebnis erhalten wir die von Ihnen gewünschte verlässliche Schule in Brandenburg. Der Begriff bringt ja schon zum Ausdruck, dass die Schulen selbst im Rahmen zunehmender Selbstständigkeit zukünftig eine größere Rolle spielen sollen. Auch deshalb ist dieser Terminus gar nicht so schlecht.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie meine Erfahrung teilen. Nach meiner Erfahrung wurden auch bisher bei längerfristigem Unterrichtsausfall an den Schulen langfristige Vertretungspläne erstellt, damit auch Fachunterricht langfristig abgesichert werden konnte. Große Probleme gab es allerdings in Fällen von Mutterschutz von Lehrerinnen, weil dann angeblich eine Doppelbezahlung anfällt. Da war es also schwer, das über die ganze Zeit abzusichern. Würden Sie bestätigen, dass über ausgiebige Vertretungspläne auch jetzt schon an den Schulen Konzepte bestehen dazu, wie möglichst fachgerecht vertreten werden kann?
Ich bin ja nun zwei Jahre aus der Schule heraus, aber ich kann mich noch sehr gut an meine Zeit am Humboldt-Gymnasium in Potsdam erinnern. Meines Erachtens ist es eine absolute Ausnahme, wenn in Schulen wirklich schulinterne Konzepte zum Umgang mit langfristigen Vertretungen vorliegen. Auch deshalb haben wir zur Unterstützung der Schulen 1 % der Vertretungsreserve bei den Schulämtern angelagert, damit im Falle eines langfristigen Ausfalls - da muss man aus dienstrechtlichen Gründen auch danach unterscheiden, ob da ein angestellter oder verbeamteter Lehrer ausfällt; es ist im Falle eines verbeamteten Lehrers schwieriger, darauf zu reagieren - vonseiten des Schulamtes geholfen werden kann.
Ich meine - deshalb sage ich das gerade in diesem Moment -, dass wir über selbstständige Schulen, die sich auf den Ernstfall besser vorbereiten, als das bisher der Fall ist, des Problems zwar nicht in Gänze Herr werden, es aber mindern können. Dazu fordere ich die Schulen auf. Natürlich werden wir damit nicht 0 % Ausfall erreichen können. Das habe ich schon einmal gesagt. Das wäre eine utopische Vorstellung. Das kann Schule nicht erreichen. Aber ich meine, dass wir unsere Schulen, wie es auch in dem Antrag der Koalition formuliert worden ist, über entsprechende Ressourcen einerseits und externe Beratung andererseits in die Lage versetzen müssen, durch selbst entwickelte Vertretungskonzepte den Ausfall auf ein Minimum zu reduzieren. Da ist jede Schule gefragt, auch wenn der jeweilige Unterrichtsausfall zurzeit vielleicht nur im Landesdurchschnitt liegt.
Ich werde den Auftrag, der mir durch den Antrag hier auf den Weg gegeben wird, also nutzen, um im Sommer nächsten Jahres hier im Landtag darzustellen, was vonseiten des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport getan wird, um wirklich eine verlässliche Schule in Brandenburg zu gewährleisten. - Vielen Dank.
Wir sind damit am Ende der Debatte angelangt. Ihnen liegt der Antrag der Koalitionsfraktionen in Drucksache 4/3664 vor. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer diesem Antrag Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Gegenstimmen ist dieser Antrag angenommen.