Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

In der heutigen Zeit ist es von zunehmender Bedeutung, in der Vorbereitung auf einen Beruf praktische Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln. Ob in der Schule, vor, während oder nach dem Studium - die Bereicherung durch Praktika ist richtig und wichtig und liegt im Interesse der jungen Menschen.

Die Praktika lassen sich in zwei große Bereiche teilen, nämlich in solche, die Bestandteil einer Schul- und Hochschulausbildung sind, und solche, die außerhalb einer formalen Ausbildung liegen. Der sicherlich größere Bereich ist der erstere. Der zweite ist der prekärere.

Die freiwilligen Praktika außerhalb der Schul- und Hochschulausbildung sind rechtlich nur in geringem Maße abgesichert. Neben einigen Urteilen von Landesarbeitsgerichten und des Bundesarbeitsgerichts gibt lediglich § 26 des Berufsbildungsgesetzes nähere Auskunft über den Status der betreffenden Vertragsverhältnisse. Hier wird festgelegt, dass einige Regeln, die für Auszubildende gelten, auch bei Praktika Anwendung finden sollen. Aber Menschen in sogenannten anderen Vertragsverhältnissen sind rechtlich längst nicht so umfassend abgesichert wie Auszubildende. Wesentliche Punkte wie die Vertragsniederschrift werden ihnen laut dem genannten § 26 verweigert. Dieser Paragraph ist nach Auffassung meiner Fraktion daher völlig unzureichend, um eine wirkliche rechtliche Absicherung zu ge

währleisten. Einer solchen rechtlichen Absicherung bedarf es aber dringend. Wir brauchen Regeln für ein faires Praktikum.

Gestatten Sie mir, meine Forderung anhand von zwei Erlebnisberichten aus einer Kultureinrichtung und einem Medienunternehmen zu untermauern.

Der erste Erlebnisbericht: Praktikant ersetzt volle Stelle. 40Stunden-Woche. Alle Mitarbeiter bis auf beide Direktoren sind unbezahlte Praktikanten. Man bekommt keinerlei Feedback oder Betreuung. Katastrophale Arbeitsbedingungen.

Der zweite Erlebnisbericht: Praktikanten ersetzen in diesem Büro eine volle Stelle. Während Projekten waren zusätzlich unzählige Überstunden angesagt. Gelernt habe ich gar nichts.

Diese und Hunderte weiterer Erfahrungen sammelt die DGBJugend auf ihrer Homepage www.studentsatwork.de. Das Gesamtbild dieser Sammlung ist erschreckend.

Neben vielen positiven Ausnahmen - diese Institutionen bzw. Unternehmen möchte ich hier wirklich hervorheben - wird eine Vielzahl der Praktikantinnen und Praktikanten missbraucht und ausgebeutet. In ihrer Urteilsbegründung beziehen sich einige Arbeitsgerichte gar auf die Sittenwidrigkeit solcher negativen Beispiele von Praktika. Ein faires Praktikum sieht so jedenfalls nicht aus.

Darum sehen wir als Fraktion der Linkspartei.PDS hier Handlungsbedarf. Wir dürfen nicht weiter tolerieren, dass junge Menschen vor oder nach einer Ausbildung den ihnen versperrten Zugang zum Arbeitsmarkt mit einem Praktikum nach dem nächsten überbrücken müssen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es muss eine stärkere rechtliche Absicherung für Praktikantinnen und Praktikanten geben.

Bereits heute müssen sich gut ausgebildete junge Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen über Wasser halten. „Generation Praktikum“ dürfte Ihnen allen ein Begriff sein. Ich persönlich würde mir wünschen, dass dieses Thema auch vonseiten der Koalition mit mehr Aufmerksamkeit bedacht würde.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir fordern die Landesregierung deshalb mit unserem Antrag auf, sich beim Bund für eine entsprechende Änderung des Berufsbildungsgesetzes einzusetzen. Derzeit gibt es zu diesem Thema sowohl eine Petition im Bundestag als auch eine Debatte innnerhalb der Bundesregierung. Wir wollen diese Debatte mit unseren Vorschlägen anreichern.

Uns geht es hierbei vor allem um wichtige Kernpunkte bezogen auf die Rechtssicherheit. Dazu gehören eine Definition, ein Vertrag, die Betreuung und die Vergütung. Auch wollen wir die Personal- und Betriebsräte einbinden. Das sind nur wenige, meiner Meinung nach aber wichtige Kriterien, durch die schon viele der von Ausnutzung geprägten Praktika verhindert würden.

Neben einer Definition von Kriterien dazu, wie Praktika zu handhaben sind, wollen wir aber auch hier im Lande ein Signal aussenden. Vom Landtag soll die Bitte an alle Einrichtungen

und Unternehmen im Lande gehen, Praktikantinnen und Praktikanten in einem fairen Praktikum zu beschäftigen.

Wir wollen, dass sich junge Menschen praktische Fähigkeiten aneignen. Die Tätigkeit der Praktikantinnen und Praktikanten ist von beiderseitigem Vorteil, aber die Praktika müssen fair und abgesichert sein. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Abgeordnete Dr. Schröder spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweifellos ist das Anliegen der Fraktion der Linkspartei.PDS, den Missbrauch von Praktika als Ersatz für reguläre Beschäftigung zu unterbinden, richtig. Andererseits bedarf es hierzu keiner gesonderten Initiativen der Landesregierung in Richtung Bund, da dies auch dort bereits als Thema erkannt und bearbeitet wird. Zudem sind mit dem Berufsbildungsgesetz wesentliche Anliegen des Antrags schon jetzt gesetzlich geregelt. Im Übrigen hinkt die Fraktion der Linkspartei.PDS an dieser Stelle der gesellschaftlichen Debatte hinterher. Es gibt zahlreiche Initiativen und Positionspapiere zum Thema „Generation Praktikum“, und zwar nicht nur vonseiten der Politik, sondern auch vonseiten der Gewerkschaften und der Wirtschaft.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Frühjahr dieses Jahres ein Neun-Punkte-Papier zur „Generation Praktikum“ zur Diskussion gestellt. Darin werden zahlreiche sehr vernünftige Forderungen erhoben, die in den Details weiter gehen und präziser ausgestaltet sind, als dies der vorliegende Antrag vermag.

Es gibt hierzu eine Stellungnahme der DGB-Jugend, die das auf Bundesebene verfolgte Anliegen, den Missbrauch von Praktika als Ersatz für reguläre Beschäftigung zu unterbinden, unterstreicht. Es gibt inzwischen auch eine Reihe von Initiativen seitens der Wirtschaft, die einen fairen Umgang mit Praktikanten von Unternehmen zum Ziel haben. Zweifellos ist es notwendig, hier insbesondere die Bemühungen auf Landesebene noch zu verstärken.

Erstens: Wir brauchen mehr Aufklärung sowie Kampagnen auf Landesebene, die entschieden gegen den Missbrauch von Praktika als Ersatz für reguläre Beschäftigung auftreten.

Zweitens: Die Landesregierung, aber auch der Landtag und andere öffentliche Arbeitgeber müssen in diesem Zusammenhang als Vorbild auftreten und faire Praktika einrichten.

Drittens: Unternehmen, die reguläre Arbeitsplätze durch Praktikantenstellen ersetzen, sollten keine öffentlichen Aufträge erhalten.

Viertens: Betriebs- und Personalräte müssen sich verstärkt für faire Praktika einsetzen.

Fünftens: Vorbildliche Anbieter fairer Praktika sollten öffentlich gewürdigt werden, wie es zum Beispiel durch die Initiative „Fair Company“ der Zeitschrift „Karriere“ bereits geschieht.

Sechstens: Die Bundesagentur für Arbeit und die Grundsicherungsträger zum SGB II müssen sich verstärkt für faire Praktika einsetzen. Sie sollten nur in solche Praktika vermitteln, die den Mindeststandards gerecht werden.

Siebtens: Die Parteien des Landtages sollten sich an ihre Fraktionen des Bundestages mit der Aufforderung wenden, den rechtlichen Anpassungsbedarf im Arbeitsrecht und im Berufsbildungsgesetz zu prüfen, um gegebenenfalls noch existierende Grauzonen oder Regelungslücken zu schließen. Hierzu bedarf es aber keiner gesonderten Initiative über die Landesregierung. Diese Verantwortung können wir selbst - die Parteien, darunter auch die Linkspartei.PDS, die ja im Bundestag vertreten ist wahrnehmen; denn hier sitzt der Gesetzgeber.

Achtens: Auch die Brandenburger Hochschulen sind aufgerufen, mit eigenen Mitteln und Möglichkeiten ihnen an dieser Stelle bekanntwerdenden Missständen entgegenzuwirken.

Neuntens sollte das Thema in der empirischen Arbeitsmarktund Berufsforschung stärker verfolgt werden; denn wir reden hier überwiegend über persönliche oder allgemeine Eindrücke ohne konkrete Datenlage.

Der Bundesarbeitsminister hat sich des Themas bereits angenommen. Er stellte hierzu jüngst im Bundestag fest:

„Ich sehe mit großer Sorge..., dass eine Art Praktikamethode um sich greift, die nicht toleriert werden kann.... Wenn aber manche Unternehmen - längst nicht alle... diese Möglichkeit nutzen, um Vollzeitarbeit, die es bei ihnen gibt, von Menschen erledigen zu lassen, die man Hospitanten, Volontäre oder Praktikanten nennt, und ihnen kein Geld dafür gibt, dann ist das nicht in Ordnung. Das müssen wir nötigenfalls noch etwas nachdrücklicher, erklären, als es bisher in unseren Gesetzen steht.“

Sie sehen also, meine Damen und Herren, Ihr und unser Anliegen ist in guten Händen. Ihr Antrag ist somit entbehrlich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Hesselbarth spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut gemeint, aber an der Realität vorbei! Sie wollen also, dass berufliche Praktika - anders als bisher - explizit im Berufsbildungsgesetz aufgeführt werden und sie nur aufgrund eines an den Ausbildungsvertrag angelehnten Vertrages mit entsprechender Vergütung abgeleitet werden dürfen. Dazu sollen dann auch die Brandenburger Unternehmen sowie Verwaltungen aufgefordert werden. Schließlich fordern Sie auch noch eine statistische Erfassung aller in Brandenburg abgeleisteter Praktika.

Meine Frage lautet ganz ehrlich: In welcher Welt leben Sie eigentlich? Auf den ersten Blick liest sich der Antrag natürlich sehr gut, und wir bestreiten auch nicht, dass er von Ihnen vielleicht gut gemeint ist, doch das Ergebnis der Durchsetzung Ihres Antrags wäre genau das Gegenteil; denn dann würde vermutlich keine Firma oder auch Verwaltung in Brandenburg

oder bundesweit überhaupt noch Praktikantinnen und Praktikanten einstellen. Das ist zwar traurig, aber Realität.

Der Begriff „Praktikum“ bezeichnet die Vertiefung zuvor erworbener theoretischer Kenntnisse von Schul-, vor allem aber Hochschulabsolventen in praktischer Anwendung. Praktika sind grundsätzlich Tätigkeiten zur Ausbildung auf Probe, und daher findet auf das Praktikum das Berufsbildungsgesetz sinngemäß Anwendung, obwohl es dort gar nicht erwähnt ist.

Im Arbeitsleben kommt es jedoch immer häufiger vor - dies ist zu bedauern -, dass Praktikanten aus Kostengründen als Ersatz regulärer Arbeitnehmer beschäftigt werden. Der Begriff „Generation Praktikum“ steht für verschiedenste Praktika hintereinander, ohne dass die zumeist ehrenamtliche Tätigkeit in eine Bezahlung mündet. Auch das ist natürlich bedauerlich. Andererseits ist in vielen geistes-, wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bereichen ein Berufseinstieg ohne die vorherige Ableistung von Praktika kaum möglich. In den meisten Studiengängen wird ein mindestens halbjähriges Praktikum verlangt, ohne das das Studium überhaupt nicht zu Ende geführt werden kann.

Stellen Sie sich einmal vor, der vorliegende Antrag würde angenommen, die entsprechende Bundesratsinitiative hätte Erfolg und das Berufsbildungsgesetz würde dergestalt geändert werden, dass für Praktika eine gesetzliche oder tarifliche Entlohnung zur Pflicht würde! Das, meine Damen und Herren, hätte - so sehr wir das auch bedauern - zur Folge, dass die Zahl angebotener Praktikantenstellen schlagartig auf ein Minimum reduziert würde und es nicht nur - wie heute - einen Lehrstellenmangel und -rückstau, sondern auch einen ebensolchen Praktikantenstellenmangel gäbe, mit der Folge, dass manch Studium deshalb nicht abgeschlossen werden könnte.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Zwar hat auch das hessische Landesarbeitsgericht bereits 1999 in einem Verfahren festgestellt, dass Praktikanten analog zum Berufsbildungsgesetz grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Bezahlung haben - dies ist auch grundsätzlich richtig -, bei der heutigen Massenarbeitslosigkeit ist dies aber leider reine Theorie. Die meisten Praktikanten sind heute froh, überhaupt angenommen zu werden - auch ohne und mit sehr geringer Vergütung, um ihr Studium oder ihre sonstige Ausbildung überhaupt zu Ende führen zu können und dadurch die Chance auf eine nachfolgende Beschäftigung zu haben.

Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.PDS, lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der DVU)

Die Abgeordnete Schulz spricht für die CDU-Fraktion. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Problematik ist uns allen bewusst. Erstens ist Missbrauch auf das Schärfste abzulehnen. Es ist - zweitens - so, dass sich die Bundestagsfraktionen damit schon beschäftigen und wir uns dann sicherlich auch mit den Ergebnissen beschäftigen werden.

Drittens bin ich der Auffassung: Bei einigen Ihrer Forderungen geraten wir in die Gefahr, dann vielleicht Praktikumsverhinderungsregelungen auf den Weg zu bringen, und das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Von daher, bin ich der Auffassung, können wir diesem Antrag nicht zustimmen. - Danke schön.