Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen.

Ich lasse über die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, Drucksache 4/5086, abstimmen. Wer ihr Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Verbesserte Bekämpfung der politisch motivierten Gewalt Verteidigung der Rechtsordnung

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/5080

Der Abgeordnete Holzschuher eröffnet die Debatte für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Landesregierung unterstützen. Das ist als solches nichts Ungewöhnliches, werden Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sagen. Aber ich meine, an diesem Punkt ist das auch deshalb sinnvoll, weil es uns eine Debatte über ein Thema ermöglicht, das sonst am Parlament dieses Landes vorbeilaufen würde: eine Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg gemeinsam mit dem Land SachsenAnhalt, gerichtet auf eine Veränderung im Strafgesetzbuch.

Das Land Brandenburg ist aus guten Gründen sehr zurückhaltend mit Bundesratsinitiativen, weil es nicht sein kann, dass sich die Länder permanent in die Bundesgesetzgebung einmischen. Es gibt aber auch Fälle, in denen die - aus welchen Gründen auch immer - erkennbare fehlende Bereitschaft des Bundestags, sich mit einer Thematik zu befassen, aus unserer Sicht nicht hinnehmbar ist. Im vorliegenden Fall geht es nur scheinbar um die Verschärfung des Strafgesetzbuchs. Es geht aus meiner Sicht um eine Klarstellung; eine Klarstellung, die auch deshalb geboten ist, weil europarechtliche Vorgaben Deutschland auffordern, im Bereich der Bekämpfung der sogenannten Hasskriminalität noch intensiver tätig zu werden. Dazu ist aus unserer Sicht die Bundesratsinitiative ein richtiger Weg. Sie ist aus meiner Sicht darauf gerichtet - ich wiederhole es -, lediglich eine Klarstellung im Bereich der Strafzumessungsregelungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches zu schaffen.

Es geht nicht darum, Gesinnungsstrafrecht in Deutschland einzuführen; so, wie manche gesagt haben, die vorschnell kritisch über diese Initiative hergezogen sind. Es geht nicht darum, jemanden dafür zu bestrafen, dass er etwas Bestimmtes denkt. Aber es geht darum - das ist heutzutage eigentlich selbstverständlich im Strafrecht -, die Motivation des Täters in besonderer Weise strafverschärfend zu berücksichtigen, wenn sich die Tat gegen die Menschenwürde des Opfers richtet. Vor diesem Hintergrund ist es bereits jetzt so, dass die Richter bei der Strafzumessung aufgerufen sind, schärfere Strafen, im Zweifel keine Bewährungsstrafen auszusprechen, wenn dies die Verteidigung der Rechtsordnung, der Schutz der Menschenwürde gebietet.

Dessen ungeachtet gibt es in der Rechtspraxis nicht selten Fälle, in denen der Eindruck entsteht, dass die Motivation des Täters nicht hinreichend strafverschärfend berücksichtigt wird. Man braucht nicht darüber zu spekulieren, woran das liegt. Das ist in diesem Haus auch nicht nötig. Es geht lediglich darum, den Gerichten eine Handhabe, eine deutliche Vorgabe, zu geben, wie sie Taten gegen die Menschenwürde zukünftig einzuordnen haben.

Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich, gerade weil sie eben davon absieht, einen zusätzlichen Straftatbestand zu schaffen, und einfach nur klarstellt: Wir wollen derartige Taten gegen die Menschenwürde, gegen die Nationalität, gegen die körperliche Integrität eines anderen, die nur deshalb begangen werden, weil der Täter den anderen zu leben, zu existieren für weniger würdig hält, mit schonungsloser Deutlichkeit ahnden.

Ich hoffe, dass wir hier in diesem Haus ein klares Signal aussenden können, dass wir das alle gemeinsam unterstützen nicht weil es die Landesregierung tut, sondern weil es eine richtige und gute Initiative ist. Wir alle hoffen, dass es gelingt, bundesweit möglichst viele Länder davon zu überzeugen, um dann auf den Bund einzuwirken, das in dieser Form einzuführen. Daher würde ich mich an dieser Stelle besonders freuen, wenn sich auch die Opposition dazu bekennen könnte. Was hier gemacht wurde, ist richtig, und ich hoffe auf eine breite Zustimmung in diesem Haus. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Dr. Bernig setzt für die Fraktion DIE LINKE fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit ihrem Antrag hat die Regierungskoalition ein brisantes Thema auf die Tagesordnung gebracht. In der Begründung wird auf die Entwicklung politisch motivierter Straftaten von Rechts und auf die Entwicklung der entsprechenden Gewaltstraftaten in der Bundesrepublik Deutschland verwiesen.

Während wir im vergangenen Jahr für Brandenburg entgegen dem Bundestrend einen leichten Rückgang von rechtsextremistisch motivierten Gewaltstraftaten verzeichnen konnten, sieht das bei der Betrachtung eines längeren Zeitraumes leider etwas anders aus. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten in Brandenburg ist von 923 im Jahr 2003 auf 1 399 im Jahr 2006 kontinuierlich angestiegen. Sie unterliegt Schwankungen, stagniert aber auf hohem Niveau. So mussten wir im Jahr 2003 87, im Jahr 2004 105, im Jahr 2005 97 und im Jahr 2006 90 Gewaltstraftaten verzeichnen. Wie das 2007 aussehen wird, kann noch nicht abschließend bewertet werden. Ich befürchte allerdings, dass wir hier nicht wesentlich vorankommen werden.

Also besteht dringender Handlungsbedarf, zumal auch der Rat „Justiz und Inneres“ der EU mit seinem Vorschlag vom 19. April 2007 für einen Rahmenbeschluss des Rates zum Handeln gegen rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe auffordert.

Es geht nicht um Statistik, sondern um die Frage, wie wir der Entwicklung des Rechtsextremismus und seinen schwersten Auswüchsen, den Gewaltstraftaten, wirksam begegnen, und zwar auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens und zu jeder Zeit.

Ob eine Verschärfung strafrechtlicher Instrumente dabei hilfreich ist, muss zumindest kritisch hinterfragt werden. Wir wissen, dass eine Mehrheit rechtsextremer Straftäter nach Verbüßung einer Haft eben nicht geläutert aus dem Strafvollzug kommen und ein Großteil auch rückfällig wird. Das liegt unter anderem daran, dass es offenbar an entsprechenden Konzepten und auch an sozialpädagogischem Personal fehlt.

Wie der Konfliktforscher Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer kürzlich feststellte, müsse der Staat zwar Signale setzen, aber man

dürfe sich nicht vorstellen, dass dadurch die rechtsextremistische Szene abgeschreckt werde. Ganz im Gegenteil:

„Dort gelten Haftstrafen gewissermaßen als Veredelung.“

Konstatieren müssen wir auch, dass es schon jetzt rechtliche Vorgaben und Möglichkeiten in den §§ 46, 47 und 56 des Strafgesetzbuches gibt, nach denen bei der Strafzumessung die Beweggründe, die Ziele des Täters und die Gesinnung, die aus der Tat spricht, berücksichtigt werden können. Die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unter sechs Monaten ist möglich, wenn das zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich ist.

Es stellt sich also die Frage, ob wir nicht eher eine andere Rechtskultur brauchen. So äußerte der Vorsitzende des Brandenburger „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“, Superintendent HeinzJoachim Lohmann, Strafverfahren gegen extremistische Gewalttäter müssten rascher beginnen und zu einem Urteil kommen. Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch die aktuelle BertelsmannStudie in ihrer Einschätzung zur inneren Sicherheit des Landes Brandenburg. Kritisiert wird dort vor allem die überlange Verfahrensdauer in der Strafgerichtsbarkeit des Landes.

Die LINKE will weiter mit Ihnen darüber diskutieren, ob die Aufnahme des Verbots der Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts in das Grundgesetz und in die Verfassung Brandenburgs dazu beitragen kann, bestehende rechtliche Möglichkeiten bei der Verfolgung politisch motivierter Straftaten konsequenter zu nutzen und diese andere Rechtskultur zu befördern.

Aber es geht uns nicht nur um eine andere Rechtskultur, sondern auch um eine demokratische sowie unnachgiebige Alltagskultur im Land Brandenburg. Wir richten deshalb unseren Appell an alle Bürgerinnen und Bürger, an die Journalisten und Polizisten, an die Staatsanwälte sowie an die Richter im Land Brandenburg, Nazismus, Rassismus und Antisemitismus gesellschaftlich und jederzeit zu ächten.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Rassistische und rechtsextreme Motivationen dürfen von Anfang an nicht bagatellisiert oder gar ausgeblendet werden. Dazu gehört, dass dezentrale Projekte der Unterstützung und Beratung von Kommunen, Schulen und Opfern langfristig gesichert und noch stärker vernetzt werden müssen, denn sie stärken die demokratische Alltags- und Rechtskultur.

Die Landesregierung, Herr Rupprecht, sollte darüber unterrichten, wie sie den Kommunen hilft, die keine Unterstützung aus den Bundesprogrammen erhalten konnten.

Wir sind bereit, auch über rechtspolitische Fragen der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu diskutieren, wie sie in Ihrem Antrag angesprochen sind, und Entscheidungen dazu zu treffen. Wir wollen dabei aber die gesamtgesellschaftliche Dimension des Themas nicht vernachlässigen und mit allen demokratischen Kräften des Landes weiter darüber debattieren, wie solchen Erscheinungsformen der Boden entzogen werden kann. Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht. Wichtig scheint mir aber unter anderem - das war heute schon mehrfach Thema -, im Land Brandenburg Bedingungen zu schaffen, unter denen alle Angehörigen der nachwachsenden Generation gleiche

Chancen auf Bildung und gesellschaftliche Teilhabe unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern haben.

In diesem Kontext werden wir Ihrem Antrag nicht widersprechen oder - anders ausgedrückt - ihm zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Werner setzt für die CDU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie oft passiert es, dass uns schlimme Nachrichten erreichen mit verheerenden Bildern, die dokumentieren, dass Menschen Gewalt gegen Menschen ausüben, nur weil ihnen deren Aussehen, deren Hautfarbe, deren Sprache oder deren Behinderung nicht genehm ist. Ursache dieser Gewalt sind Hass und Vorurteile. Hier wird gegen die Menschenwürde gehandelt, hier werden Verbrechen gegen Menschen begangen. Es sind oftmals diffuse Vorstellungen dieser jungen Menschen, die meist aus einer Gruppe heraus handeln, meistens ungeplant und meistens auch unter Alkoholeinfluss. Dabei spielen sicherlich bestimmte negative Vorbildwirkungen eine gewisse Rolle.

Wenn nun bestimmte Ereignisse sehr spektakulär sind, dann ist die Reaktion aus der Politik darauf meist ein Ruf nach Strafverschärfung. Das ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht so, denn die Straftatbestände sind hinlänglich definiert, und es geht auch nicht darum, Straftatbestände zu verändern oder neue zu schaffen. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es - das wollen wir mit diesem Antrag unterstützen -, die Gerichte in die Lage zu versetzen, gegen Gewalttäter, die aus Hass und aufgrund von Vorurteilen handeln, schärfer vorzugehen.

Gefängnisstrafen - auch kurze unter sechs Monaten - sollen bei solchen Vergehen zur Regel werden. Diese - das ist ebenfalls hinlängliche Erkenntnis - zeitigen eher eine Wirkung als Geldoder Bewährungsstrafen. Es ist ja auch nicht neu, dass Bewährungsstrafen gerade bei Gewalttätern oftmals als Freispruch empfunden werden oder dass erst das fünfte, siebente oder neunte Vergehen geschehen muss, bevor jemand gesagt bekommt, dass gegen die Bewährungsauflagen verstoßen wurde und er nun in den Knast einrücken muss; das passiert mitunter nach einem vergleichsweise harmlosen Delikt, zum Beispiel, wenn er beim Klauen einer Schachtel Zigaretten erwischt wird. Dann steht die Widerrufung der Bewährung nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Straftat, für die er die Bewährungsstrafe bekommen hat. Es stellt sich die Frage, welche Beziehung der Gewalttäter dann überhaupt noch zu der Tat, um die es eigentlich geht, herstellt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Von daher scheint es dringend geboten, bei derartigen Gewalttaten, die aus Hass und Vorurteilen heraus begangen werden, schärfer vorzugehen bzw. eine schärfere Verurteilung vorzunehmen, da eine solche Gefängnisstrafe - auch eine kurzzeitige - eine bessere und nachhaltigere Wirkung haben kann als Hunderte von Bewährungsauflagen.

Es geht sicherlich zum einen auch darum, die Szene abzuschrecken, aber Kollege Dr. Bernig, es passiert ja nicht alles nur in

einer bestimmten Szene, wie ich soeben sagte, sondern viele dieser derart abscheulichen Handlungsweisen entstehen oftmals aus einer gewissen Spontanität heraus. Man kann also nicht nur eine bestimmte Szene verantwortlich machen, sondern muss demjenigen, der solche Straftaten verübt, die Grenzen aufzeigen.

Sicherlich hat die Prävention oberstes Gebot. Wir könnten uns jetzt lang und breit über Prävention unterhalten; das geht jedoch aus zeitlichen Gründen nicht. Dasselbe trifft für die Ursachenforschung zu. Fakt ist: Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir stets und ständig mit diesen Gewalttaten machen, müssen die repressiven Maßnahmen hinlänglich ausgestaltet sein. Natürlich sollte der Täter-Opfer-Ausgleich im Vordergrund stehen, natürlich sollten die Täter aus der Clique bzw. dem Milieu herausgelöst werden, um nur einmal einige Dinge, die ich ebenfalls als sehr notwendig ansehe, bruchstückhaft anzuführen.

Ich möchte noch etwas Wesentliches sagen. Es geht hier eben nicht um Gesinnungsstrafrecht, sondern um alle extremistischen Straftaten. Es gibt keine Unterscheidung in „gute“ oder „schlechte Gewalt“. Gewalt, die von Hass und Vorurteilen ausgeht, lässt sich auch nicht in Gewalt erster oder zweiter Klasse einteilen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist völlig egal, ob derartige Gewalt mit Baseballschlägern oder Springerstiefeln, mit Pflastersteinen, Eiern, angezündeten Mülltonnen oder angezündeten Autos verübt wird; es ist und bleibt Hasskriminalität. Es bleibt Kriminalität, die von Vorurteilen und Hass geprägt ist. Deshalb begrüßen und unterstützen wir den gemeinsam mit Sachsen-Anhalt erarbeiteten Gesetzentwurf der Justizministerin.

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht. Die Justizministerin wird entgegen ihrem heute geäußerten Wunsch möglicherweise vorübergehend mehr „Kundschaft“ erhalten, aber wir versprechen uns vom Gesetz eine langfristige Wirkung. Wir hoffen, dass die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Absichten eine solche Wirkung zeitigen, dass es auf lange Sicht weniger extremistische Straftäter geben wird. In diesem Sinne bitte ich Sie, unseren Antrag bzw. die Gesetzesinitiative der Ministerin zu unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Der Abgeordnete Claus setzt die Debatte für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Gewalt gegen Menschen mit anderer politischer Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Religion und Hautfarbe sind abscheuliche Verbrechen und verdienen die volle Härte des Gesetzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, wenn man sich mit materiellem Strafrecht befasst, muss man sich schon intensiv vorbereiten. Straf- und Strafprozessrecht