Demografie und Kulturpolitik sind nicht durch einfache Rechenaufgaben zusammenzubringen. Veränderungen wie Abwanderung und sinkende Einwohnerzahlen erfordern nicht zwingend weniger Kultur und machen Kulturförderung auch nicht immer preiswerter, sondern Kultur erhält mit ihren bildenden und sozialen Funktionen einen anderen Stellenwert. Das gilt nicht nur für die Randregionen mit schwindender Einwohnerzahl, sondern auch für die Zuzugsregionen. Die Bedeutung der Kultur wird wachsen.
Es geht nicht um die Frage, ob wir uns unter diesen Bedingungen Kultur - gemeint sind hierbei in der Regel künstlerische Einrichtungen - noch leisten können, sondern welche größeren und komplizierteren Aufgaben Kulturförderung zu leisten hat. Nicht zuletzt durch die Landtagsdebatte über Kulturwirtschaft ergeben sich neue Fragen zum Thema Kultur als Wirtschaftsfaktor, Kultur als Standortvorteil.
Interkulturelle Aspekte werden stärker zu betonen sein. Neu beleuchtet werden muss mit Sicherheit auch die Frage, wie der Kulturpolitik zwar als Ressort Verantwortlichkeiten zugesprochen werden können, Kultur aber auch mehr als ressortübergreifendes Politikfeld ins Bewusstsein gehoben werden kann. Schließlich liegen jetzt die Ergebnisse der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ vor. Es ist geradezu eine Verpflichtung, dass die Landesregierung die Ergebnisse dieser insgesamt sehr erfolgreichen Arbeit - in einem umfangreichen Bericht zusammengefasst - bei der notwendigen anstehenden Evaluierung berücksichtigt.
Hier wird sicher so manches kontrovers zu diskutieren sein. Ist es zum Beispiel sinnvoll, im kommunalen Finanzausgleich,
wie vorgeschlagen, eine Zweckbindung der Haushaltsmittel für Kultur vorzusehen? Was ist unter dem Konzept der kulturellen Bildung zu verstehen? Geht es um kulturelle Grundversorgung? Was soll das sein? Oder geht es um die Sicherung der kulturellen Infrastruktur? Diese und andere offene Fragen wird auch eine Evaluierung nicht im Handstreich lösen können. Das ist völlig klar. Auch nach erneuter Evaluierung wird es keine statische Konzeption geben dürfen.
Auch der Kulturatlas wird wahrscheinlich immer Lücken aufweisen, aber eine nützliche Basis für Kulturpolitik ist er allemal. Deshalb sollte er unbedingt aktualisiert werden. Kultur ist immer Dialog, sonst ist es keine Kultur.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Hoffmann, schönen Dank für den Antrag; denn es ist immer gut, über Kultur zu reden. Das kommt hier wahrscheinlich viel zu selten vor.
Nur muss ich Ihnen zu diesem Antrag sagen - das habe ich Ihnen ja auch schon persönlich mitgeteilt -: Die Regierung ist gerade dabei, die Kulturentwicklungskonzeption zu überprüfen und zu überarbeiten. Anders als in Ihrem Antrag soll sie jedoch nicht erst im November, sondern, wenn es möglich ist, noch vor der Sommerpause vorgelegt und vor dem Hintergrund dessen, was Sie hier dargestellt haben, auch diskutiert werden können. Insofern ist der Antrag aus der Sicht der SPD-Fraktion zwar richtig, aber formal gesehen überflüssig. Sie können ihn zurücknehmen; ansonsten haben wir keinen Grund ihm zuzustimmen, weil die Regierung genau das, was Sie fordern, schon tut. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kulturpolitik steht heute angesichts der gesellschaftlichen Situation vor großen Herausforderungen. Aufgrund der jahrelang verfehlten Politik der Regierenden ist nicht genug Geld vorhanden, um Armut und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Da steht Kultur ganz selten oben auf der Prioritätenliste. Für uns als DVU-Fraktion steht außer Zweifel, dass es weiterhin eine öffentliche Kulturförderung geben muss. Unser Ziel ist es, dass sich möglichst viele Menschen kulturell betätigen bzw. an der Kultur teilhaben können.
Im Sommer 2002 wurde dem Landtag und der Öffentlichkeit die Kulturentwicklungskonzeption der Landesregierung vorge
legt. Nach zwei Jahren, also 2004, wurde der erste Bericht der Landesregierung vorgelegt. Darin wurde dargelegt, wie sich bis zum damaligen Zeitpunkt die Bedingungen für Kunst und Kultur verändert haben und welche neuen Ziele und Aufgaben daraus abgeleitet werden. In der Tat haben sich in den vergangenen Jahren in Brandenburg weitreichende Änderungen vollzogen, und es stellen sich viele neue Fragen: Wie sieht es mit den vom Land unterhaltenen und institutionell geförderten Einrichtungen aus? Ist ihre Förderung und Finanzierung auskömmlich?
Bereits im vergangenen Bericht wurde der für die Finanzierung neuer Entwicklungen und weitreichender Entfaltungen ihrer Potenziale belassene Raum als nicht ausreichend bezeichnet. Welche Auswirkungen hatten und haben die Reformen der Arbeitsmarktpolitik auf Kultureinrichtungen und deren Projekte? Zu beachten ist hier wieder die Sondersituation Brandenburgs mit seinen unterschiedlichen Entwicklungen des sogenannten Speckgürtels einerseits und des äußeren Entwicklungsraumes andererseits. Gerade durch die neuen Förderstrategien wird faktisch der engere Verflechtungsraum noch stärker favorisiert.
Interessant dürfte es sein, festzustellen, wie sich im äußeren Entwicklungsraum die kommunalen Spielräume für die sogenannten freiwilligen Leistungen entwickelt haben. Die DVUFraktion wird sich einer Forderung nach einer Evaluierung der Kulturentwicklungskonzeption nicht in den Weg stellen. Eine verlässliche und stetige Grundförderung der Kultur durch den Staat ist heute notwendiger denn je; denn Kunst und Kultur erachten wir als unverzichtbar für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf es mir in ähnlich knapper Fassung wie der Kollege Kuhnert etwas leicht machen, weil die Sache leicht ist, da sie bereits auf dem Tisch liegt und in Arbeit ist. So können wir hier jede Stunde mit einem höheren Nutzeffekt versehen, wie es früher einmal hieß.
„Die in der letzten Legislaturperiode vorgelegte Kulturentwicklungskonzeption wird fortgeschrieben. Mit ihrer Fortgeltung und Umsetzung soll vor allem die Planungssicherheit für die Träger der Kultur und die kulturpolitische Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt werden.“
- Mit der letzten Legislaturperiode ist hier das Jahr 2002 gemeint. - Es geht also um das gesamte Land, auch um den berlinfernen Raum. Es geht darum, dass Kultur bzw. kulturelle Einrichtungen gerade dort, wo es einen starken demografischen Wandel gibt, erhalten bleiben: Das reicht von Basiskultur und Soziokultur bis zu Ensembles und Bibliotheken und muss in der Tat ab und zu fortgeschrieben werden.
Wie wir bereits gehört haben, wird darüber im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur gesprochen. Auch die Landesregierung hat sich, mit der dafür verantwortlichen Ministerin an der Spitze, dieser Aufgabe gestellt. Im Sommer dieses Jahres wird uns die im Jahr 2002 aufgestellte und jetzt weiterentwickelte Kulturentwicklungskonzeption hier im Landtag vorliegen. Dann können wir darüber debattieren, Herr Nonninger, ob wir für den Speckgürtel zu viel oder für den berlinfernen Raum zu wenig tun. Ich kann Ihnen versprechen, dass dort sowohl Qualität als auch Quantität die wichtigsten Kriterien sind, um das ganze Land kulturpolitisch zu erhalten und zu entwickeln. Gerade die Kulturentwicklungskonzeption, die wir haben und die umgesetzt wird, hat uns bei den Tourismuszahlen große, sprunghafte Zuwächse gebracht.
Eine wirtschaftlich und touristisch ganz wichtige Stütze im Land Brandenburg sind Kultur und Kulturentwicklung. Vor kurzem hat der Deutsche Bundestag den Bericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ verabschiedet. Wenn ich mich recht erinnere, hat der Bundestagsabgeordnete Steffen Reiche, der in diesem Hause kein Unbekannter ist, diesen Bericht im Ausschuss vorgestellt. Sie werden es nicht glauben: Das Land Brandenburg wird gerade wegen seiner strukturellen Kulturentwicklung, der Verflechtung weiterer und naher Räume ausdrücklich gelobt und hervorgehoben.
Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg. Es wird richtig gearbeitet. Wenn die Arbeitsergebnisse vorliegen, sind wir gern bereit, über die Effekte kritisch mit Ihnen zu diskutieren. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier - es wurde mehrfach erwähnt - im Jahr 2002 eine Kulturentwicklungskonzeption vorgelegt. Sie war überhaupt nicht unumstritten. Mir ist sehr davon abgeraten worden, dem Landtag so etwas vorzulegen. Man legt sich nämlich in einer gewissen Art und Weise fest, indem man die Fragen beantwortet: Welche Aufgaben im Kulturbereich will das Land wahrnehmen? Wo wollen wir uns eventuell zurückziehen? Was ist uns langfristig wichtig? Was schätzen wir wie ein?
Wir sind mit der Vorlage der Kulturentwicklungskonzeption in die Vorhand gegangen. Dabei haben wir ganz deutlich gesagt: Das ist nicht einfach ein Blatt Papier, sondern es muss fortgeschrieben werden. Deshalb steht auch in der Koalitionsvereinbarung fest und definitiv: Fortschreibung der Kulturentwicklungskonzeption.
Es ist nicht in erster Linie ein Schriftstück - diese Illusion möchte ich Ihnen nehmen -, sondern in erster Linie eine Arbeitsmethode. Wenn Herr Dr. Hoffmann sagt, die Zuständigkeiten zwischen den Kommunen und dem Land seien noch nicht ganz genau geklärt, erwidere ich: Kultur ist immer etwas, was gemeinsam realisiert werden muss. Es wird keine einfa
chen Regeln geben. Ich wünsche mir gern Rechenregeln, aber diese gehören überhaupt nicht hierhin. Sie finden sie auch nicht in dem überarbeiteten Papier. Man muss flexibel sein und auf veränderte Bedingungen in den Kreisen und Kommunen reagieren. Auch die Bedingungen des Landes ändern sich.
Es ist ein Prozess, der mit einem ganz hohen kommunikativen Aufwand verbunden ist. Diesen Aufwand betreiben wir. Allein die Gespräche mit den einzelnen Landkreisen in großen Runden haben vier bis fünf Stunden gedauert. Wir sind alles durchgegangen. Wir haben diskutiert und festgestellt, was man vor Ort in Elbe/Elster, in der Prignitz oder an anderer Stelle will.
Die Träger der Kultur sind bis auf ganz wenige Ausnahmen die Kommunen oder andere, aber auf keinen Fall das Land. Also brauchen wir dort auch in Zukunft den Dialog und werden das nicht durch einfache Regeln ersetzen können. Es ist eine intensive Abstimmung aller Partner notwendig. Wir in Brandenburg halten ein solches Vorgehen für selbstverständlich - Sie anscheinend auch, wenn ich Ihren Antrag positiv wahrnehme. Das ist aber nicht überall so.
Weil Sie den Schlussbericht der Enquetekommission angesprochen haben, möchte ich Ihnen sagen: Die Enquetekommission hat sich unterschiedliche Landeskulturpolitiken angesehen und in ihrem Schlussbericht unsere empfohlen, das heißt, andere Länder sollten es in dieser Art und Weise machen. Sie hat sogar eine Kulturentwicklungskonzeption für die Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen. An dieser Stelle ist nicht irgendetwas höchste Zeit, sondern wir sind auf einem richtigen Weg, den wir uns ohne Ratschläge selbst verschrieben haben.
Die Ergebnisse dieser Diskussion werden von Zeit zu Zeit in Form eines Berichtes vorgelegt. Mich hat stutzig gemacht - um nicht zu sagen: ärgerlich
- doch, Herr Görke -, dass Sie den Punkt der Demografie angesprochen haben, mit dem man sich befassen müsse. Wenn wir seit Jahren im Kulturbereich etwas intensiv machen, dann ist es die Diskussion über die Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Wir suchen nach richtigen Handlungsempfehlungen und begleiten Pilotprojekte. Wir haben zum Beispiel gefragt: Wie bekommen wir in die soziokulturellen Zentren eine ganz andere Klientel, die älteren Leute? Das war ein zweijähriges Pilotprojekt mit handfesten Ergebnissen.
Die Enquetekommission für Kultur hat den Punkt der Demografie und deren Auswirkungen diskutiert. Wissen Sie, wo die Diskussion stattfand? In Brandenburg, in Schwedt. Auf der Basis unserer Zuarbeiten hielten die Mitglieder der Kommission das für den geeigneten Raum. Ich habe Schwierigkeiten nachzuvollziehen, wenn Punkte kritisiert werden - Sie haben noch verschiedenes anderes aufgezählt -, in denen man gut ist. Wir haben auch Defizite, aber wenn man sich in einigen Bereichen besonders bemüht und besonders weit vorn ist, dann ist es immer ein bisschen schwierig zu verstehen, dass „höchste Zeit“, „höchste Eisenbahn“, „großer Nachholbedarf“ oder etwas anderes sein soll.
Ich will Ihrem Antrag nicht widersprechen. Er ist schlichtweg nicht notwendig. Unsere Zeitplanung steht. Herr Kuhnert, ich strebe die Vorlage nach der Sommerpause an. Ich denke aber,
dass es egal ist. Auf jeden Fall wird es viel früher sein, als Sie von der Fraktion DIE LINKE es beabsichtigt haben. - Danke schön.
Vielen Dank. - Das Wort erhält noch einmal die antragstellende Fraktion. Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann spricht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade weil wir auch auf dem Gebiet der Kultur und der Demografie - so viel gearbeitet haben, wäre es an der Zeit, dass sich das in einer Kulturentwicklungskonzeption auswirkt. Bei kulturpolitischen Vorstellungen weisen Regierungs- und Oppositionsfraktionen nicht selten erstaunliche Gemeinsamkeiten auf. Das ist, wie ich glaube, auch bei dem heute zu beratenden Gegenstand so. Nur, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie lassen sich das nicht anmerken. Das wirkt etwas verkrampft. Das ist nicht gut für Kultur.
Im November 2006 habe ich hier die Ministerin noch gelobt, weil sie mit allen Landkreisen und kreisfreien Städten Gespräche zur Fortschreibung der Kulturentwicklungskonzeption geführt hat. Natürlich wollte ich damals auch etwas über Ergebnisse wissen. Sie waren aufgrund äußerer Unwägbarkeiten im November 2006 noch nicht klar. Aber, so sagten Sie damals, Frau Ministerin: Wir werden dem Landtag im nächsten Frühsommer die fortgeschriebene Kulturentwicklungskonzeption vorlegen. Das wäre im Juni 2007 gewesen. Wir stellen heute den Antrag, die Sache bis Dezember 2008 doch noch zu erledigen. Diesem freundlichen Entgegenkommen der Opposition wollen Sie noch nicht einmal Ihre Zustimmung geben.
Gegenüber Kulturschaffenden, gegenüber Kulturarbeitern im weitesten Sinne ist das eine unmögliche Einstellung. Wer soll das verstehen? Es geht nicht um das Festklopfen von unumstößlichen Positionen. Einiges muss aktualisiert werden. Kulturpolitik, Kulturförderung wird es immer mit unscharfen Begriffen zu tun haben. Genauigkeit - so wusste schon Aristoteles - ist von einem Gegenstand immer nur in dem Maße zu verlangen, wie es sich aus dem Gegenstand selbst ergibt. Das weiß man im Umgang mit kulturpolitischen Zusammenhängen. Das wissen wir alle. Das ist immer so, wenn es um Kunst geht, und kann nicht das Problem sein.
Das Problem könnte sein, dass Prozesse hinter dem Rücken von engagierten Akteuren ablaufen, manchmal auch in der Art, dass plötzlich doch noch Geld da ist, um künstlerische Einrichtungen mit Weihnachtsgeschenken zu beglücken. Das ist schön, aber Standard darf das nicht werden.