Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Meine Damen und Herren! Es ist 10 Uhr und ich eröffne die Sitzung. Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt es Geburtstagsglückwünsche für den Abgeordneten Schulze, dem vermutlich auch gleich Blumen überreicht werden.

(Beifall bei der DVU)

Zur vorliegenden Tagesordnung gibt es einige Änderungen. Zum Tagesordnungspunkt 2 hat die Fraktion der PDS für die Aktuelle Stunde das Thema „Konzentration der Wirtschaftsförderung auf vorhandene Kompetenzfelder und zukunftsfähige Clusterstrukturen: Die Schienenverkehrstechnik - Bombardier Hennigsdorf“ zurückgezogen und dafür das Thema „Jugendhilfe als Mittel zu mehr Chancengleichheit“ beantragt.

Zum Tagesordnungspunkt 8 - Neubenennung zweier Brandenburger Mitglieder und zweier stellvertretender Mitglieder im Ausschuss der Regionen (AdR) für die restliche Dauer der Mandatsperiode 2002 bis 2006 - wurde vereinbart, keine Debatte zu führen.

Zum Tagesordnungspunkt 10, der zusätzlich aufgenommen wurde, gibt es den Antrag mit Wahlvorschlag: Wahl der Mitglieder des Rates für sorbisch-wendische Angelegenheiten.

Es liegen einige Abwesenheitserklärungen vor, die vorzulesen ich mir erspare.

Wir haben heute wieder Gäste zu begrüßen, nämlich die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Käthe-Kollwitz-Realschule in Potsdam. Herzlich willkommen! Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag.

(Allgemeiner Beifall)

Wenn Sie mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden sind, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Damit haben alle Fraktionen der Tagesordnung einstimmig zugestimmt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/270 Drucksache 4/271 Drucksache 4/211

Das Wort geht an Herrn Abgeordneten Petke für die Dringliche Anfrage 4 (Dienstaufsicht über die Behörde der Bundesbe- auftragten für die Stasi-Unterlagen).

Das schlimme Erbe des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR bewegt die Menschen noch immer. Anfang Dezember wurde überraschend bekannt, dass die Dienstaufsicht über die Gauck-Behörde vom Bundesinnenministerium auf die Kultusstaatsministerin im Bundeskabinett übergehen werde. In der Presse waren Berichte zu lesen, dass mit diesem

Wechsel ein schleichender Niedergang der Gauck-Behörde erfolgen würde.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Optionen sieht sie, die Arbeit der Gauck-Behörde in Brandenburg zu sichern?

Für die Landesregierung antwortet der Innenminister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Petke, die Landesregierung hat keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf die Entscheidung der Bundesregierung. Es liegt ausschließlich in der Entscheidungskompetenz der Bundesregierung, die vom Gesetz vorgesehenen Aufgaben im Rahmen dieser Behörde durchzuführen.

Entscheidend ist, dass das Unrecht weiterhin aufgearbeitet und auch in Zukunft dokumentiert wird. Die Behörde hat diese Aufgabe bisher gut wahrgenommen. Die Zusammenarbeit zwischen uns und der Behörde ist zufrieden stellend und in Ordnung. Eines ist aber auch klar: Die Dokumentation wird zunehmend wichtiger, je größer der Zeitabstand ist. Man überlege sich Folgendes: In der DDR haben 91 015 hauptamtliche Mitarbeiter bei der Staatssicherheit - das heißt etwa ein Mitarbeiter auf etwa 180 Einwohner - gearbeitet. Wenn man sich weiter überlegt, dass 174 200 IMs tätig waren, wird deutlich, dass viele Menschen hier in unserem Land davon noch betroffen sind. Das merken wir aufgrund der Anträge, die bei der Rehabilitationsbehörde gestellt werden.

Wir wollen den Menschen helfen. Einige von ihnen sind traumatisiert. Ich persönlich kenne einige Beispiele. Das Interesse der Landesregierung an einer engen Zusammenarbeit mit der Behörde besteht fort. Diese Zusammenarbeit ist auch nach dem Wechsel gesichert. Für uns ist entscheidend, dass die dort vorliegenden Akten Dokumente der persönlichen Verfolgung von Mitbürgern sind und dass die Mitbürger Klarheit darüber bekommen wollen, wie es dazu gekommen ist. Das kann weiterhin geleistet werden. Die Dokumentation wird später für die Geschichtsforschung wichtig sein, aber im Augenblick geht es um die aktuellen Fragen, die wir auch nach dieser Veränderung beantworten können.

Ich danke dem Innenminister. - Die Dringliche Anfrage 5 (Trennungsgeldaffäre) stellt Herr Abgeordneter Vietze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit den letzten eineinhalb Jahren gibt es eine sehr intensive Debatte über die so genannte Trennungsgeldaffäre, das heißt über die ungerechtfertigte Zahlung von Trennungsgeld. In diesem Parlament hat es zu verschiedenen Zeiten verschiedenartigste Erklärungen gegeben, die das Ziel hatten, diese Affäre zügig zu Ende zu bringen. Nunmehr wurden in der letzten Woche erneut Sachverhalte in der Öffentlichkeit bekannt, die in diesem Fall das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur betreffen.

Ich frage die Landesregierung: Was ist sie gewillt zu tun, um

diese Trennungsgeldaffäre endgültig zum Abschluss zu bringen?

Ich danke Ihnen. - Die Staatskanzlei wird antworten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Vietze! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich halte das Problem als Ganzes nicht für eine Affäre, sondern für etwas, was die Verwaltung aufzuarbeiten hat. Gleichwohl habe ich großes Verständnis auch für diese Dringliche Anfrage, deren Zielrichtung sich im Grundsatz mit den seit Februar 2004 gestellten mündlichen oder schriftlichen Anfragen Ihrer Fraktion deckt.

Die Landesregierung selbst hat das größte Intersse daran, dass die Überprüfung der Trennungsgeldfälle endlich - da gebe ich Ihnen Recht - zum Abschluss kommt. Dies braucht, auch weil jeder Verstoß gegen Rechtsnormen nur unter Beachtung rechtsstaatlicher Verfahren verfolgt und abgearbeitet werden kann, einfach Zeit.

Wie Sie wissen, hat die externe Prüfgruppe unter Leitung von Herrn Wolfhart Schulz 3 261 Trennungsgeldfälle nach vorhandener Aktenlage, das heißt ohne weitere Sachverhaltsaufklärung und ohne Anhörung der Betroffenen, überprüft und Ende April 2004 ihren Prüfbericht mit 578 Beanstandungen vorgelegt.

Die Abarbeitung der Einzelfälle erfolgt in allen betroffenen Ressorts mit Hochdruck und ist regelmäßig - wie Sie wissen Gegenstand der Besprechungen der Amtschefs. Zugleich haben die Ressorts im September und November 2004 drei so genannte Fallkonferenzen durchgeführt, um insbesondere sicherzustellen, dass in vergleichbaren Fällen eine einheitliche Vorgehensweise erfolgt.

Die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und die Wahrung des Persönlichkeitsschutzes der Betroffenen erfordern Sorgfalt im Umgang mit sämtlichen Einzelfällen. Die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften, die gesetzlichen Fristen, die tarif- und zivilrechtlichen Bestimmungen und die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte der Betroffenen müssen dabei eingehalten werden. Auch müssen Sachverhalte aufgeklärt werden, die zum Teil mehr als zehn Jahre zurückliegen und bei denen sowohl Bearbeiter als auch Zahlungsempfänger teilweise gar nicht mehr in der Landesverwaltung tätig sind.

Inzwischen haben die Ressorts eine Reihe von Rückforderungsbescheiden erlassen; weitere werden sukzessive folgen.

Wir wissen auch, dass die eingeleiteten Prüfungen des Landesrechnungshofes noch viel umfassender als die der externen Prüfgruppe sind. Sie erfolgen nach zusätzlichen Bewertungskriterien und schließen die gesamte Landesverwaltung ein.

Gegenstand des externen Prüfauftrages waren alle Trennungsgeldzahlungen infolge von Einstellung, Versetzung, Abordnung oder Umsetzung durch eine Dienststelle des Landes Brandenburg in der Ministerialverwaltung, im nachgeordneten Geschäftsbereich des Justizministeriums, in der Sozial- und

Arbeitsgerichtsbarkeit sowie im Hochschul-, Wissenschaftsund Forschungsbereich. Die Prüfung erfolgte auch hier nur der Sache bzw. Richtigkeit nach, nicht bezüglich der Höhe der Zahlungen. Nicht geprüft wurden zum Beispiel Abordnungen im Rahmen der Aus- und Fortbildung oder aus Anlass von Dienstreisen. Insofern konnte nie ausgeschlossen werden - das sage ich ganz offen -, dass bei der Prüfung weiterer Fälle neue Beanstandungen wie die von Ihnen zitierten im Bereich des MWFK vorzunehmen sein würden. Auch diese Prüfhinweise werden von den Ressorts mit gleichem Nachdruck und gleicher Sorgfalt aufgearbeitet und nach Abschluss der Sachverhaltsund Rechtsprüfungen eventuell mit Rückforderungen geltend gemacht.

Herr Vietze, ebenso wie Sie Ihre Anfragen wiederholen, kann ich heute wieder nur sagen: Die Landesregierung steht nach wie vor für eine umfassende Aufklärung der Trennungsgeldfälle. - Schönen Dank!

Herr Staatssekretär, es gibt Nachfragen im Dreierpack. Wir beginnen mit dem Fragesteller, Herrn Vietze.

Herr Staatssekretär, Staatssekretäre und Minister kommen und gehen.

(Minister Schönbohm: Auch Abgeordnete!)

Ihnen ist sicherlich noch die Finanzministerin der 2. Legislaturperiode, Frau Simon, bekannt. Sie hat mit Schreiben vom 3. Februar 1997 mitgeteilt, es werde eine ganze Reihe von Fällen zu Unrecht gezahlten Trennungsgeldes in der Regierung erörtert. Auch damals gab es ein Parlament; auch damals wurde darüber diskutiert. Das ist mittlerweile sieben Jahre her. Seitdem wird das Thema im Intervall von zwei, drei Jahren auf die Tagesordnung gesetzt - durch die Opposition, manchmal auch durch die Regierung, weil sie vielleicht doch darüber nachdenkt, Klarheit zu schaffen.

Deswegen frage ich Sie: Sitzt man etwas aus, was man seit sieben Jahren „brutalstmöglich“ aufklärt? Trägt man wirklich etwas zur Klärung bei, wenn die Einzelfallprüfungen sieben Jahre währen? Ist es nicht höchste Zeit, sich das zu Beginn dieses Jahres angekündigte neue Regelwerk für die Zahlung von Trennungsgeld im Land Brandenburg als klares Ziel für das Jahr 2005 auf die Agenda zu schreiben?

Ihre Frage lautete: Sitzt man etwas aus? - Darauf antworte ich ganz klar: Nein!

Gestatten Sie mir als ehemaligem Richter, der auch im Land Brandenburg tätig war, eine Bemerkung: Obwohl es Beanstandungen gegeben hat, bin ich nicht bereit zu sagen, alle Trennungsgeldempfänger hätten rechtswidrig gehandelt.

(Vietze [PDS]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Jeder Fall, in dem es Beanstandungen gegeben hat, muss seriös

überprüft werden, weil auch die Betroffenen Rechte haben, die sie wahrnehmen können.

(Zuruf von der PDS: Sieben Jahre?)

Ich gebe zu, dass das Verfahren aufwendig ist und Zeit braucht. Diese Zeit sollten wir uns nehmen.

Ihre Frage lautete: Sitzen wir das aus? - Alle drei Wochen frage ich in der Amtschefrunde nach, welche Fälle erledigt sind, das heißt welche Fälle mit einem Abschlussvermerk oder mit einer Rückforderung versehen sind. Diese Fälle mehren sich. Ich habe gute Hoffnung, dass wir einen großen Teil der Fälle, die beanstandet worden sind, bis Ende März abgearbeitet haben werden, entweder durch den Erlass von Rückforderungsbescheiden oder durch Abschlussvermerke.

Ich bleibe dran, weil mir die Geschichte selber unangenehm ist. Das habe ich dem Parlament schon einmal gesagt. Dabei bleibe ich. Wir müssen rasch zum Abschluss kommen.

Dennoch sage ich: Wir müssen auch die Rechte der Betroffenen wahren; denn wenn wir nach Prüfung feststellen, dass sich keine Rückforderung ergibt, dann ist das gesamte Verfahren zu Unrecht gegenüber dem Betroffenen eingeleitet worden. Die Rechte der Betroffenen möchte ich bitte gewahrt sehen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Beifall des Abgeordne- ten von Arnim [CDU])