Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Beifall des Abgeordne- ten von Arnim [CDU])

Frau Osten, bitte.

Herr Chef der Staatskanzlei, ich bitte um Sachlichkeit! Niemand von uns hat hier gesagt, alle Fälle würden beanstandet. Es geht um die Aufklärung von unberechtigten Zahlungen. Das nur nebenbei; denn das kann man nicht so stehen lassen.

Werfen Sie uns bitte nicht vor, dass wir Fragen stellen. Wenn Sie die Antworten geben würden, brauchten wir die Fragen nicht zu stellen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Erste Frage: Die Finanzministerin der vergangenen Legislaturperiode hat versprochen - das ist mindestens ein halbes Jahr her -, es werde neue landesgesetzliche Regelungen geben, um zur Konkretisierung dessen beizutragen, was weit auslegbar ist und dessen Aufklärung im Augenblick sehr schwierig ist. Wie weit sind Sie mit der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs bzw. der Verordnungen?

Zweite Frage: Der Landtag befindet sich in Vorbereitung auf die Haushaltsdebatte. Im Haushaltsausschuss streiten wir uns manchmal sogar über hundert oder tausend Euro. Können Sie angesichts dessen nachvollziehen, dass ich das Bedürfnis habe, dass ein Sachverhalt, bei dem es um die Rückforderung von Millionen geht, vor Beginn der Haushaltsdebatte geklärt wird? Schaffen Sie das?

(von Arnim [CDU]: Woher haben Sie das mit den Milli- onen?)

Sie haben soeben von Tatsachen gesprochen. Auch ich möchte, dass wir bei den Tatsachen bleiben. Ich weiß nicht, wie Sie zu der Behauptung „Rückforderung von Millionen“ kommen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: In meiner Behörde sind sechs Rückforderungsbescheide erlassen worden. Der höchste Rückforderungsbetrag bewegt sich in der Größenordnung von 6 000 Euro. Ich erwähne das, um die Dimension zu verdeutlichen.

(Frau Osten [PDS]: Wenn Sie die Fragen beantworten würden, müssten wir das nicht in der Zeitung lesen! Dort steht etwas von Millionen!)

- Sie haben die Zahl „Millionen“, die nicht verifizierbar ist, in die Welt gesetzt.

(Frau Osten [PDS]: Das waren nicht wir!)

- Sie haben es doch gerade gesagt.

(Vietze [PDS]: Am 14. im „Tagesspiegel“!)

Bitte keine Zwiegespräche! Der Herr Staatssekretär beantwortet gerade die Fragen.

(Vietze [PDS]: Herr Präsident, es muss klargestellt wer- den, dass hier auf die Berichterstattung in den Medien und auf einen Bericht des Landesrechnungshofes Bezug genommen wird!)

- Herr Vietze, Sie haben eine dritte Frage frei. Wenn Sie diese stellen wollen, stellen Sie sich bitte an das Mikrofon. - Der Herr Staatssekretär möchte die Frage zu Ende beantworten.

Ich würde gern auf die Frage zurückkommen. Ich hielte es für vernünftig, wenn wir uns nach Abschluss dieser Verfahren darüber Gedanken machten, welche Änderungen der Trennungsgeldvorschriften vorzunehmen sind. Die Materie ist rechtlich außerordentlich schwierig. Ich stimme Ihnen darin zu, dass wir sie handhabbarer machen müssen. Dabei sollten wir die aus der Auswertung der Fälle gewonnenen Erfahrungen berücksichtigen. Ich sehe es genauso, dass dies im Jahr 2005 erfolgen sollte.

Herr Sarrach, bitte.

Herr Chef der Staatskanzlei, ich habe zwei Fragen. Habe ich Sie - erstens - richtig verstanden, dass eine Verletzung von Verfahrensrechten von Trennungsgeldempfängerinnen und -empfängern schon darin gesehen werden kann, dass gegen sie zu Unrecht ein Rückforderungsverfahren oder ein entsprechendes innerministerielles Verwaltungsverfahren eröffnet wird, oder ist es nicht vielmehr so, dass die Verfahrensrechte in einem ansonsten formal rechtsstaatlich geführten Verfahren gesichert werden, indem man Stellungnahmen und Anhörungen absichert?

Zweitens: Den Medien war zu entnehmen, dass die von den Ressorts erlassenen Rückforderungsbescheide einer strengen Kontrolle durch die Staatskanzlei unterliegen sollen. Ich möchte wissen, wie sich diese strenge Kontrolle durch die Staatskanzlei in der Praxis darstellt.

Ich wiederhole es gern: Diese Verfahren brauchen Zeit, weil sie rechtsstaatlich durchgeführt werden müssen. Zunächst einmal ist der Sachverhalt zu ermitteln. Dann müssen auf der Grundlage des ermittelten Sachverhalts rechtliche Prüfungen vorgenommen werden. Allein die Aufklärung des Sachverhalts bedarf manchmal etwas Zeit. Man muss den Betroffenen anschreiben: Welche Bemühungen hast du damals unternommen, um eine Wohnung zu finden? Kannst du das noch nachweisen? - Er wird antworten: Ich brauche ein bisschen Zeit, um das nachzuweisen, weil ich nachsehen muss, was ich damals gemacht habe. - Wenn die Tatsachen ermittelt sind, hat die Rechtsprüfung zu erfolgen.

So sollten Sie mich verstanden haben, weil ich es so gemeint habe. Ich habe gesagt: Das braucht Zeit.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich bin nicht der Auffassung, dass die Staatskanzlei eine „Oberrechtsprüfstelle“ der Landesregierung ist. Ich habe ganz klar gesagt: Es gab bei den „Schulz-Verfahren“ Beanstandungen und es wird weitere Beanstandungen beim Landesrechnungshof geben und die einzelnen Ressorts sind aufgefordert zu prüfen, ob diese Beanstandungen zu Recht erfolgt sind oder nicht und sind aufgefordert, daraus die Konsequenz zu ziehen, Rückforderungsbescheide zu erlassen oder nicht.

Ich habe gesagt: Als Staatskanzleichef fühle ich mich dafür verantwortlich, dass die Landesregierung im Gesamtverfahren weiterkommt, das heißt, dass wir nach außen dokumentieren: Es bewegt sich etwas, es gibt Rückforderungsbescheide. Deshalb ist mein Bestreben, in der Amtschefrunde alle drei Wochen abzufragen: Seid ihr weitergekommen mit abgeschlossenen Fällen oder noch nicht? Dabei habe ich den Eindruck, dass in den letzten Wochen die Anzahl der abgearbeiteten Fälle erheblich gewachsen ist und dass bis Februar bzw. März nächsten Jahres ein weit gehender Abschluss erreicht werden kann - von Einzelfällen, die zu kompliziert sind, vielleicht abgesehen.

Herr Vietze, Ihre dritte Frage, bitte.

Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, dass der Landesrechnungshof festgestellt hat, dass sich allein im Bereich des Wissenschaftsministeriums die Überzahlungen auf eine Größe von 1,2 Millionen Euro belaufen und in Einzelfällen bis zu 47 000 Euro zu Unrecht kassiert wurden, wie in der Zeitung zu lesen ist?

Ich sage noch einmal: Ich beteilige mich nicht an solchen Spekulationen.

(Frau Osten [PDS]: Seit wann spekuliert der Landesrech- nungshof?)

- Frau Osten, darf ich darum bitten, dass Sie mir vielleicht die drei Sätze lang, die ich sagen will, zuhören und dann protestieren?! - Das sind Beanstandungen, die der Landesrechnungshof aufgrund seiner Kenntnisse vorgenommen hat. Diese Beanstandungen gehen bis in die Fachressorts zurück und werden dort vertieft geprüft. Ich bin nicht der Überzeugung, dass in allen Fällen den Beanstandungen des Landesrechnungshofes gefolgt wird. In einigen Fällen wird das sicher der Fall sein. Aber diese vertiefte Prüfung muss zunächst einmal sein. Deshalb bin ich nicht bereit, irgendwelche Zahlen zu nennen, in welcher Größenordnung sich Rückforderungsansprüche bewegen können. Ich kann nur sagen: Bei der „Schulz-Kommission“ hat es Beanstandungen gegeben, und in einer Vielzahl von Fällen hat sich nach vertiefter Prüfung ergeben, dass diese Beanstandungen aufgrund der Aktenlage Schulz sicherlich ihre Berechtigung hatten, jedoch haben sie sich nach vertiefter Prüfung als nicht unbeberechtigte Inanspruchnahme von Trennungsgeld herausgestellt. Bevor ich Summen nenne, möchte ich diese Prüfung gern durchgeführt haben. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen. - Wir kommen zur Frage 115 (Fusion der Wirtschaftsfördergesellschaf- ten von Brandenburg und Berlin), die der Abgeordnete Müller stellt.

In den letzten Wochen häuften sich Stellungnahmen, die eine baldige Fusion der Wirtschaftsfördergesellschaften von Berlin und Brandenburg fordern. Das ist also nicht nur in der Wirtschaft so, bei den Wirtschaftsverbänden und Kammern, sondern auch der Senator für Wirtschaft in Berlin, Wolf, und die Wirtschaftsfördergesellschaften mit ihren Geschäftsführern sagen dies. Es entsteht der Eindruck: Alle wollen es, nur keiner tut es.

Deshalb frage ich die Landesregierung: Welche Aktivitäten unternimmt sie, um eine kurzfristige Zusammenführung der Wirtschaftsfördergesellschaften von Brandenburg und Berlin zu ermöglichen?

Der Wirtschaftsminister wird antworten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Müller! Der Eindruck, der medial transportiert wird, ist falsch. Die Wirtschaftsregionen und das Miteinander der wirtschaftstragenden Kräfte in der Region ist jenseits der kontroversen Debatte zu Zeitplänen der Fusion immer weiter vorangeschritten. Insbesondere in den letzten anderthalb Jahren haben wir es geschafft, zu einem sehr praktischen Miteinander zu kommen, sei es der gemeinsame Messeauftritt, die gemeinsame internationale Repräsentanz oder seien es die gemeinsamen Investorenbroschüren und Netzwerke.

In diesem facettenreichen Miteinander ist das Miteinander der

Wirtschaftsfördergesellschaften deshalb jetzt auch eine herangereifte Aufgabe, weil als Voraussetzung die Wirtschaftsförderorganisation in Berlin als arrondierte Partnerorganisation erscheint. Deshalb ist die aktuelle Aufgabe, gestützt auf den Koalitionsvertrag, die gemeinsame Investorenwerbung zu intensivieren. Dafür werden wir jetzt eine entsprechende Vereinbarung schließen; darüber sind Sie informiert. Diese Vereinbarung ist die Basis, auch diese Aufgabe gemeinsam zu lösen.

Übrig bleibt, inwieweit der gesellschaftsrechtliche Zusammenschluss erreicht wird. Dazu gibt es zwischen meinem Kollegen Wolf und mir die „Verabredung zur Bestimmung der Arbeitsschritte“. Dies wird auch Gegenstand der gemeinsamen Sitzung beider Regierungen Anfang des kommenden Jahres sein. Daraus ergibt sich dann logischerweise, wie die institutionelle Verschränkung erreicht wird. Ich möchte zu bedenken geben, dass die Inhalte beider Organisationen nicht identisch sind, und dass die Träger der Wirtschaft, die Kammern, jeweils auch Gesellschafter der Wirtschaftsfördergesellschaften sind und mit ihrer Erwartung, eine institutionelle Verschränkung zu erreichen, auch die Aufgabe gestellt haben, die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Fragen, die nicht ganz einfach zu beantworten sind, gründlich zu klären. Insofern: Keine Sorge, dass eine Aufgabe vertagt wird. Ich werde von dieser Stelle aus kein Zieldatum nennen, weil ich es für keinen guten Stil halte, aus einem Parlament ins andere hineinzurufen: „Wir wollen bis dahin...“. Darin bin ich mir mit meinem Kollegen Wolf einig. Kollege Müller, ich danke Ihnen ausdrücklich für den Rückenwind, den Sie mit dieser Fragestellung zur Forcierung des Projektes geben. - Danke schön.

Es gibt weiteren Klärungsbedarf beim Fragesteller.

Sie hatten vorhin richtigerweise gesagt, dass die Strukturen natürlich unterschiedlich sind. Geben Sie mir Recht, dass es sinnvoll ist, die Technologieförderung, also die Wirtschaftsförderung im Sinne von Technologieförderung, einzubeziehen?

Meine zweite Frage: Geben Sie mir Recht, dass, wenn man sich kein konkretes Ziel setzt, man vermutlich auch kein Ziel erreichen wird, insofern also ein Zieldatum bzw. eine Jahreszahl durchaus sehr sinnvoll und hilfreich sein würde?

Ich beginne mit der letzten Frage: Jawohl, wenn es ein gemeinsam getragenes Ziel ist. Zur Komliziertheit des Miteinanders über unsere Ländergrenzen hinweg gehört, dass jedesmal der mediale Drive aufgemacht wird und eine Seite die andere verschreckt bzw. sich mit Unverständnis artikuliert. Aus dieser Erfahrung heraus sind wir uns im Fachkollegenkreis einig: Lasst uns das Datum gemeinsam nennen. Deshalb kann ich es hier nicht sagen, aber die Zielstellung muss fixiert werden.

Zweitens: Die Technologieförderung ist in unserer Gesellschaft enthalten, bei unseren Berliner Kollegen jedoch nicht. Sie ist jedoch zunehmend eine Komponente aktiver und attraktiver Wirtschaftsförderung. Deshalb ist es von unserer Seite nachdrücklich angefragt, diesen Bereich einzubeziehen, wenn dies zu einem schlüssigen Paket zusammengeführt werden soll.

Aber das ist ein Teil der komplizierten Verhandlungen, die wir zu führen haben. - Danke schön.

Frau Dr. Schröder hat Nachfragebedarf.

Herr Minister, Sie preisen die aktuelle und künftige Zusammenarbeit der Wirtschaftsförderung zwischen Brandenburg und Berlin. Wie passt in diese Strategie die Neuausschreibung der Brandenburger Auslandsplattformen, wenn Sie hier sagen, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum solle auch gemeinsam vermarktet werden? Das ist für mich überhaupt nicht erkennbar. Wieso schließt sich der Raum Berlin-Brandenburg nicht einfach den bestehenden Handelskammern, die international sehr gut arbeiten, an? Warum wollen wir weiterhin Brandenburger Mittel in dieses - um es positiv auszudrücken - nicht sehr erfolgreiche Projekt geben?

Ich kann Ihrer persönlichen Beurteilung überhaupt nicht folgen, da eine Beurteilung - auch des Berliner Außenwirtschaftssystems - gemeinsam vorgenommen werden sollte. Außerdem hatte ich an dieser Stelle schon einmal darüber informiert, dass man in eine solche gemeinsame Arbeit nicht nur mit seinem Beitritt hineingeht, sondern dass jede Seite etwas einbringt. Unsere Außenwirtschaftsaktivitäten - auch in der neuen Form einer Repräsentanz - sind keine Sache, die an Berlin vorbeigeht, sondern die im Einvernehmen vorankommt.

In Amerika ist ausdrücklich ein Zurückfahren unserer Vertretung in Abstimmung mit Berlin geschehen, weil wir sagen, neben IIC und der Berliner Vertretung tun wir das gemeinsam auf diesem Kontinent.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Das wird doch nur durch Brandenburg finanziert!)

- Nein. Unsere Vertretung in Amerika wird von Berlin finanziert, um es einmal richtig zu formulieren. Außerdem habe ich Sie letztens darüber informiert, dass das so genannte Enterprise-Center von Singapur eine Aktion ist, die von Brandenburg in Singapur angedockt wurde und von der örtlichen Wirtschaft in Singapur gern auf die Berliner Seite ausgedehnt worden ist. Also bringen wir an dieser Stelle ein Stück Kontakt, den Berlin dort nicht hat, ein - in ausdrücklichem Einvernehmen.