Protokoll der Sitzung vom 17.09.2008

(Fortsetzung der Sitzung: 13.04 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir setzen mit dem Tagesordnungspunkt 4 fort:

Drittes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/6422

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/6722

2. Lesung

Außerdem liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Drucksache 4/6729 vor.

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach einer längeren intensiven und heftigen Diskussion zur Problematik der

Altanschließer steht heute eine erste Entscheidung an. Wir setzen uns dafür ein, dass mit dieser Entscheidung die gegenwärtig gegebenen Möglichkeiten genutzt werden. Mit der Ihnen vorliegenden Empfehlung des Ausschusses für Inneres wird dieser Rahmen jedoch nicht ausgeschöpft. Sollte es nur bei der von der Landesregierung vorgeschlagenen Verlängerung der Verjährungsfrist bleiben, so wäre das eine völlig unbefriedigende und unzureichende Entscheidung, die weit hinter den Erwartungen der zahlreichen Betroffenen zurückbleibt. Die Koalition muss sich dann den Vorwurf gefallen lassen, dass großen Ankündigungen bisher keine wirksamen Schritte gefolgt sind. Zudem liegt der von uns geteilte Verdacht nahe, dass es jetzt nur darum geht, sich über die Kommunalwahl und vielleicht auch über folgende Wahlen zu retten.

Es bleibt dabei, dass die Problematik für viel Unruhe und Unsicherheit im Lande sorgt. Sicher spielt dabei auch die mangelnde Informiertheit eine Rolle. Aber das gilt für Betroffene und Verantwortliche gleichermaßen.

Im Juni 2005, also nach dem Inkrafttreten der KAG-Änderung von Anfang 2004, heißt es in einer Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums für Wasserverbände noch:

„Sofern das Grundstück bereits vor dem 1. Februar 2004 an die Einrichtung oder Anlage angeschlossen oder anschließbar war, ist für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht das Inkrafttreten der ersten (gegebenenfalls nicht wirksamen) Anschlussbeitragssatzung maßgeblich.“

Ich darf Sie auch daran erinnern, dass es Konsens in diesem Parlament war, dass der gegenwärtige Zustand nicht hinnehmbar ist und den Altanschließern geholfen werden muss. Dieser Schritt steht nach wie vor aus. Stattdessen sehen wir ein Zurückrudern von SPD und CDU. Wir sehen Unsicherheit und Hilflosigkeit. Daran ändert auch der heute vorgelegte Entschließungsantrag der Koalition nicht wirklich etwas; denn im Prinzip schreiben Sie den Zustand nur weiter fort.

Die durch Gerichtsentscheidungen in Sachsen-Anhalt geschaffene Lösung einer teilweisen Veranlagung der Altanschließer mit Anschlussbeiträgen ist, wie im Gutachten des Parlamentarischen Dienstes festgestellt wird, mit Risiken behaftet und keinesfalls unmittelbar in Brandenburg anwendbar. Die Verfassungsmäßigkeit ist dabei auch noch nicht endgültig geklärt. Die von den Koalitionsfraktionen ausgesprochenen Prüfaufträge haben gegenwärtig offensichtlich nur eine geringe Erfolgschance. Wir sehen uns damit in unserer Auffassung bestärkt, dass die bloße Verlängerung der Verjährungsfrist mit der Gefahr eines gleitenden Übergangs zur Einbeziehung der Altanschließer in die Erhebung von Herstellungsbeiträgen verbunden ist, und zwar ungeteilt. Deshalb wollen wir mit unseren Änderungsanträgen, die wir bereits in der 1. Lesung eingereicht haben, erreichen, dass die Verjährungsverlängerung an klare Bedingungen gebunden und ein erster konkreter Schritt zur Entlastung der Altanschließer gegangen wird.

Die Linksfraktion hat Anfang September eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung und zu ihren Änderungsanträgen durchgeführt. Die eingeladenen Experten, darunter Vertreter des BBU, des VDGN, der IHK, des Wasserverbandstages und von Abwasserverbänden, haben die unbefriedigende Situation kritisiert und den dringenden gesetzgeberischen Bedarf benannt.

In diesem Zusammenhang hat es auch Zustimmung zu unseren Anträgen gegeben, allerdings auch andere Vorschläge. So drängt zum Beispiel der VDGN darauf, den Zweckverbänden durch eine Kann-Bestimmung die Möglichkeit einzuräumen, selbst zu entscheiden, wie sie vorgehen wollen. Denn immerhin sprechen sich zwei Drittel der Verbände klar gegen die Belastung der Altanschließer aus. Einmal verjährte Festsetzungsfristen sollten verjährt bleiben. Auch dazu äußerten sich die Anzuhörenden positiv.

Die vom Innenministerium in Auftrag gegebene umfangreiche Datenerhebung ist sicher ein richtiger und notwendiger Schritt. Aber warum ist diese Erhebung nicht schon wesentlich früher in Auftrag gegeben worden, zum Beispiel im Zusammenhang mit der KAG-Änderung von 2004? Warum dauert das so lange? Warum geht man nicht Zwischenschritte, um zum Beispiel erst einmal zu erfassen, wie viele Altanschließer eigentlich betroffen sind? Ich verhehle nicht, dass es bei Fachleuten die Vermutung gibt, dass die Landesregierung mit der Vielzahl der geforderten Angaben deutlich mehr Absichten verbindet als die Altanschließerproblematik.

Wir halten klar an unserem Anliegen fest, die Altanschließer von Anschlussbeiträgen zu entlasten. Folgen Sie unseren Anträgen und gehen Sie mit uns einen ersten Schritt in diese Richtung. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Beschlussempfehlung und der beabsichtigten Verabschiedung gehen wir einen weiteren Schritt in die Richtung, dass Unruhe im Land im Hinblick auf die Frage, wie es zukünftig mit Abwasser- und Trinkwasseranschlüssen weitergeht, beigelegt werden kann. Es ist für uns ein Schritt, aber nicht der Endzustand. Das haben wir mehrfach dargelegt. In der letzten Debatte zu diesem Thema bei der 1. Lesung haben wir es gesagt, wir haben es zwischendurch in vielen Pressemitteilungen gesagt. Aber immer wieder wird behauptet, wir würden es nicht ernst nehmen, wir wollten nur den Zweckverbänden mehr Zeit geben und im Übrigen die Bürger ihrem scheinbar so ungerechten Schicksal überlassen.

Das ist mitnichten so. Weil es nicht so ist, auch wenn die Linke nicht müde wird, das Gegenteil im Lande zu behaupten, haben wir, die Fraktionen von SPD und CDU, einen Entschließungsantrag vorbereitet, in dem wir nochmals diese Position klarstellen. Das mag objektiv nicht erforderlich sein, aber im Hinblick darauf, wie sich gerade die Partei DIE LINKE im Lande verhält, eben dann doch, weil ich meine, die Bürger im Land haben einen Anspruch darauf, endlich Klarheit und Sicherheit zu bekommen und die Wahrheit zu erfahren. Die Wahrheit ist, dass Anschlüsse aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 nicht mehr in Rechnung gestellt werden können, dürfen und werden. Wir werden es - so ist jedenfalls unsere Absicht im Augenblick - dann noch einmal im Gesetz klarstellen.

Wir wollen aber darüber hinaus weitere Veränderungen an der derzeitigen Rechtslage, Veränderungen im Hinblick darauf, dass im Land in allen Kommunen und Zweckverbänden unterschiedliche Verhältnisse herrschen. Kaum ein Verband gleicht dem anderen, was die Situation vor Ort angeht. Deswegen sagen wir: Wir wollen den Kommunen möglichst große Handlungsspielräume einräumen. Dazu wollen wir eine weitere Möglichkeit schaffen - so ist die Zielstellung - und in Anlehnung an das, was in Sachsen-Anhalt geltendes Recht ist, weitere Differenzierungen ermöglichen. Insbesondere wollen wir erreichen, dass die bloße Erweiterung eines schon zu DDR-Zeiten funktionierenden Netzes nicht dazu führt, dass Kosten auf die umgelegt werden können, die schon zu DDR-Zeiten über eine funktionierende Trink- oder Abwasseranlage verfügten.

(Zuruf der Fraktion DIE LINKE: Das geht am Thema vorbei!)

Das ist unser Ziel mit dem Entschließungsantrag. Ich meine, dass wir mit diesem Weg Gerechtigkeit im Lande schaffen können. Das geht nicht von heute auf morgen, und es setzt insbesondere voraus, dass wir möglichst viele Situationen vor Ort kennenlernen, dass wir die Zweckverbände einbeziehen und dass wir prüfen, was tatsächlich die vernünftigste Lösung im Land ist. Deswegen kann das nicht heute erfolgen, aber es muss schnell erfolgen. Das wissen wir, und deswegen haben wir auch das Ziel, dass spätestens im Januar, möglicherweise auch vorher, ein Gesetzentwurf vorliegt, der Neuregelungen schafft.

Jetzt geht es erst einmal darum, auch dadurch Druck herauszunehmen, dass kein Verband, weil er meint, in diesem Jahr würde er sonst seine Forderungen durch Verjährung der Festsetzungsfrist verlieren, gezwungen ist, diese Ansprüche jetzt schon geltend zu machen. Klar ist: Wir wollen nicht erreichen, dass schon einmal verjährte Forderungen wieder aufleben und festgesetzt werden können. Deswegen ist das auch - vielleicht müssen wir darüber noch einmal diskutieren - im Gesetz aufgeführt. Wir wollen dafür sorgen, dass es Ruhe im Land gibt, dass die Verbände vor Ort entscheiden können, was das Beste ist. Möglicherweise stellt sich auch in dem einen oder anderen Fall heraus, dass gar nichts gemacht werden muss. Das ist dann sicherlich für alle Beteiligten das schönste Ergebnis. Wenn niemand mit der Lage vor Ort unzufrieden ist, kann sie nicht ungerecht sein. Aber da, wo Handlungsbedarf besteht, wollen wir den Verbänden etwas an die Hand geben. Dabei sind wir auf einem guten Weg. Es wäre schön, wenn die Linke das auch endlich einsehen würde. Ich denke, das wäre ein Weg, um hier in diesem Land in Zukunft einmal vernünftig gemeinsam Politik zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Claus spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie die politischen Probleme aussitzen möchten, dann machen Sie das wenigstens intelligenter, meine Damen und Herren der Landesregierung. Wie ich schon zur 1. Lesung zum vorliegenden Ge

setzentwurf deutlich zum Ausdruck gebracht habe, ist mit dem Dritten KAG-Änderungsgesetz niemandem geholfen.

Mit dem Urteil vom 12. Dezember 2007 hat das OVG eindeutig klargestellt, dass Altanschließer in jedem Fall zu den Herstellungsbeiträgen heranzuziehen sind. Die umfangreiche Anhörung im Innenausschuss hat gezeigt, dass sich die rot-schwarze Koalition damit in der 3. Legislaturperiode ein Riesenei gelegt hat.

Das abgaberechtliche Fiasko, das von SPD und CDU mit dem Kommunalentlastungsgesetz mit sprichwörtlich heißer Nadel gestrickt wurde, zeigt große Unprofessionalität. Angesichts dessen können wir von der DVU den Unmut der Bevölkerung und die Empörung gerade der Altanlieger gut verstehen. Einige von uns sind auch betroffen.

Schließlich haben wir dieses Gesetz als Einzige auch im Hinblick auf die Veranlagung bereits angeschlossener Grundstückseigentümer abgelehnt. Deshalb haben wir zuletzt auch einen eigenen Antrag in den Landtag eingebracht, um die Landesregierung dazu anzuhalten, endlich ihre Hausaufgaben zu machen und eine Lösung im Sinne der Abgabengerechtigkeit zu schaffen. Wir haben Sie aufgefordert, meine Damen und Herren der Landesregierung, angesichts der berechtigten Empörung bei den Betroffenen eine Regelung zu treffen, die nicht nur die Beitragserhebung bei den Altanschließern beseitigt, sondern mit der auch die Anlagefinanzierung nicht zulasten der Neuanschließer und zulasten allgemein höherer Gebühren erfolgt.

Die von Ihnen nun vorgeschlagene Lösung, nämlich die Festsetzungsfrist des § 169 Abgabenordnung, quasi sondergesetzlich für einschlägige Beiträge zu verlängern, ist jedenfalls der falsche Weg, meine Damen und Herren. Dadurch wird die Lage der betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Land nicht verbessert, sondern deutlich verschlechtert; denn diese Regelung ist einzig und allein auf die Beitragssicherung zugunsten der Aufgabenträger orientiert. Kurioserweise sind es aber gerade die Aufgabenträger, die am allerwenigsten an der Veranlagung der Altanleger interessiert sind. Viele Wasser- und Abwasseranlagen im Land Brandenburg sind bereits seit Langem ausfinanziert. Deswegen sind die Zweckverbände am wenigsten daran interessiert, den Kopf für diese dilettantische Landesgesetzgebung hinzuhalten und vor den Bürgern als Buhmann dazustehen, der die Gelder ja eintreiben muss oder eintreiben soll. Die Landesregierung ist hier offensichtlich unverbesserlich.

Um die Bürger noch weiter zu verärgern, meine Damen und Herren, enthält der Gesetzentwurf noch eine Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Vorauszahlungen von Steuern im Anwendungsbereich des KAG. Da mit dem vorliegenden Gesetzentwurf niemandem geholfen ist, außer der Landesregierung, der ein nötiger Aufschub bei der Lösung des eigentlichen rechtlichen Problems der Beitragsverlängerung gewährt werden und die zu einem zusätzlichen Ausbau der Eingriffsverwaltung missbraucht werden soll, lehnen wir diesen Gesetzentwurf natürlich ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Bevor der nächste Redner ans Pult tritt, begrüße ich unsere

Gäste vom Paul-Fahlisch-Gymnasium in Lübbenau. Ich wünsche euch einen spannenden Nachmittag bei uns!

(Allgemeiner Beifall)

Mit dem Beitrag des Kollegen Petke für die CDU-Fraktion setzen wir die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Scharfenberg, da wird etwas problematisiert, damit Sie möglicherweise im Kommunalwahlkampf einen Vorteil daraus ziehen können.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet!)

Ich hätte schon etwas anderes von Ihnen erwartet; denn Sie sagen in dem einen oder anderen Redebeitrag, wenn man ihn ernst nimmt, dass es Ihnen und Ihrer Fraktion um das Land, um die Menschen geht. Sie tragen mit dazu bei, dass Menschen in Brandenburg denken, dass sie für Arbeiten, die in diesem Bereich Wasser- und Abwasserver- und -entsorgung geleistet wurden und die vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden haben, heute, 18 oder 19 Jahre danach, zur Verantwortung gezogen werden.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Herr Petke, Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden!)

Dazu tragen Sie bei. Die gezielte Falschinformation ist auch Ihre Absicht, um aus der Verunsicherung dann hier an diesem Platz zu sagen, wir, die Koalition, würden nicht das Notwendige unternehmen.

Worum geht es? Niemand wird für eine Leistung in Anspruch genommen, die vor 1990 erbracht worden ist. Es geht um ein Maß an Gerechtigkeit, um die Aufteilung von Kosten für Dinge, die nach 1990 in den unterschiedlichen Gruppen der Anschließer, ob Neu- oder Altanschließer, entstanden sind. Dieser Hinweis fehlt bei Ihnen. Es geht auch darum, dass dann, wenn heute Altanschließer beteiligt werden, unter Umständen das von ihnen eingenommene Geld dazu führt, dass insgesamt die Belastung derjenigen, die angeschlossen sind, sinkt.

Uns daraus, dass wir das anhand von Fakten diskutieren, dass wir es uns nicht leicht machen und den Leuten keine Schnellschusslösung präsentieren, einen Vorwurf zu machen, Herr Kollege Scharfenberg, ist schlicht unredlich.

Haben Sie Lust auf eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Scharfenberg?