Ich habe schon bei der letzten Rede gesagt: Auch wir, auch meine Partei, waren davon nicht frei. Auch das gehört zur historischen Wahrheit. Wir waren davon nicht frei und haben auch entsprechende Lehren zu ziehen.
Wer nachvollziehen will, in welchem Tempo sich derzeit Weltgeschichte entfaltet, braucht nur die Zeitungen der letzten zwölf Monate zu lesen. Wer sich das einmal am Sonntag vornimmt und dabei auf Wirtschafts- und Finanzseiten, auf Analysen, auf Vorschläge, auf Wegweisungen schaut, der meint, er liest etwas aus einer anderen Welt. Das hat mit der Welt am Beginn des Jahres 2009 nichts mehr zu tun. Daraus müssen wir schließen, meine Damen und Herren, dass wir heute nicht wissen, was wir in zwölf Monaten lesen werden, wenn wir die Zeitungen aufschlagen. Ich glaube, niemand weiß es, auch Norbert Walter weiß es in Wirklichkeit nicht. Wer vor zwölf Monaten gesagt hätte, dass ein Teil der tradierten deutschen Privatbanken zu Staatsbanken mutiert, wer gesagt hätte, dass Edgar Most, der letzte Chef der DDR-Staatsbank, mittlerweile einer der gefragtesten Interviewpartner in Funk und Fernsehen ist und erklärt, wie eine Staatsbank zu organisieren ist, wer die Debatte um Opel in allen ihren Verästelungen erlebt - die fängt ja gerade erst an, und es fängt auch mit Opel erst an -, wie will der hundertprozentig ausschließen, dass „VEB Daimler-Benz“ für alle Zeiten auf dieser Welt undenkbar ist?
Das meine ich jetzt nicht so ernst, aber ich glaube, wir müssen daraus lernen. Wir sollten lernen, uns für neue Lösungen und neue Wege offenzuhalten. Da wir in einer Situation sind, für die es kein Beispiel gibt, für die es kein Modell und keine Vorlage gibt, sollten wir uns die Fähigkeit erhalten, auf das, was passiert, adäquat zu reagieren, vielleicht auch Wege einzuschlagen, an die wir bisher noch nicht gedacht haben, auf jeden Fall nicht zu sagen: Wir haben das einmal beschlossen, das muss jetzt gelten. - Nein, die Welt verändert sich rasant schnell, und vielleicht müssen wir in einem halben Jahr zu neuen Schlüssen kommen. Ich plädiere dafür, dass wir uns diese Fähigkeit einfach bewahren.
Zweitens sollten wir nicht mehr so sehr auf das hören, was bisher gemeinhin als Ultima Ratio angesehen wurde, und zwar auf den Rat der Fünf Wirtschaftsweisen, denn er wisse, wie es komme. Wir sollten ihm weiter zuhören, keine Frage, es sind ja kluge Leute. Aber wir sollten daneben- und dagegenstellen, was wir an eigenen Erkenntnissen, an eigenen Erlebnissen ha
Lassen Sie mich noch zwei Worte zu dem sagen, was uns derzeit an Stimmung umgibt. Ich glaube, dass das wichtig und wesentlich ist. Denn wir werden dieses Konjunkturpaket nur zum Wirken bringen, wenn es von einem gewissen Grundoptimismus und dem Mut zum Handeln gekennzeichnet ist. Wenn Frau Kaiser vorhin sagte, Frohsinn sei nicht angebracht, dann unterschreibe ich, dass dieser Gegenstand wahrlich nicht zum Frohsinn verleitet. Das ist wohl so. Ich glaube aber, dass es auch nicht angebracht, dass es falsch ist, ja dass es schädlich wäre, Angst zu verbreiten. Deshalb finde ich diesen Wettlauf der Kundigen nicht gut, die sagen, sie kämen nur noch ins Fernsehen, wenn sie 5 % Minuswachstum voraussagten, und ab morgen sei man nur noch mit 7 % dabei. Ich lasse mir auch Folgendes nicht ausreden: Schwierige Probleme lassen sich nicht schlechter lösen, wenn man optimistisch herangeht, statt pessimistisch, leicht gebeugt und ängstlich heranzugehen. Da passiert nämlich nichts Gutes.
Deshalb wünsche ich mir auch, dass wir uns nicht bange machen lassen. Unser Vorvater und Dichter hat schon gesagt: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Das ist in dieser Situation ganz intensiv so.
Ich verstehe dabei aber auch, dass sich gerade in den letzten Tagen die Menschen in diesem Lande noch mehr an den Kopf gefasst haben als vorher und dass dies in Enttäuschung und Entgeisterung, teilweise auch in Wut umschlägt. Ich meine damit das ganze Thema der Bonizahlungen, dem wir uns auch widmen müssen. Es war schon schlimm genug, was in den letzten Jahren damit passiert ist. Aber wenn jetzt - vielleicht juristisch tragfähig, aber aus meiner Sicht restlos unmoralisch Fehlleistungen, die die Welt ins Wanken bringen, noch mit Forderungen versehen werden wie: „Aber ich muss meine 5 Millionen dafür noch abholen, weil das in einem Vertrag steht“, dann sprengt das den Deckel vom Topf, meine Damen und Herren.
Vor diesem Hintergrund - und damit müssen wir auch umgehen, denn es ist eine Frage, wie das auf die Demokratie in unserem Lande wirkt - ist auch zu verstehen, dass ein Gericht eine Verkäuferin zu Recht nicht positiv begleitet, wenn sie 1,30 Euro unterschlägt; denn es ist bei solchen Unterschlagungen gleich, ob es 1 Euro oder 100 Euro sind. Wenn das aber im Kontext zu dem steht, was in den Banken passiert ist, dann ist völlig klar, dass dies niemand mehr in dieser Gesellschaft nachvollziehen kann. Das kann man von niemandem verlangen.
Das Leben spielt sich in Relationen ab. Wenn man eine Frau für eine Fehlhandlung minimalen Ausmaßes ihrer Lebensgrundlage beraubt und ein anderer, der dazu beigetragen hat, dass die Weltfinanzen ins Rutschen kommen, noch 5 Millionen zusätzlich haben will, dann schlägt das dem Fass den Boden aus. Das kann in dieser Welt nicht mehr funktionieren!
Ich wünsche mir, dass wir als Erkenntnis mitnehmen - da stehen wir als Land Brandenburg nicht schlecht da -, dass die Zukunft der Welt nicht auf Konstrukten gebaut sein darf, die nicht mit wirklicher Wertschöpfung verbunden sind.
ben, an eigenen Wegstrecken zurückgelegt haben - mit den dazugehörigen Schlussfolgerungen -, manchmal auch die eigenen Bauchgefühle. Denn ich glaube, das ist in dieser Situation nicht viel schlechter und nicht weniger belastbar als das, was wir von den Fünf Weisen ab und zu auf den Tisch gelegt bekommen, von dem man nicht weiß, ob in einem halben Jahr nicht das Gegenteil davon zu lesen ist.
Es ist kritisiert worden, dass es Streit gegeben hat. Ich setze einmal komplett dagegen: Ich finde, wenn wir zu einem so wichtigen, für die Entwicklung des Landes existenziellen Thema nicht sieben Tage Streit zwischen unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Interessen aushalten, dann sind wir auch nicht an tragfähigen, neuen Lösungen interessiert.
Denn um eine gute Lösung zu finden, muss man sich auch auseinandersetzen dürfen. Die Auseinandersetzung darf, wenn es um eine halbe Milliarde geht, auch einmal ein Wort schärfer sein. Wichtig ist, dass man sich dabei die Fähigkeit erhält, von den gemachten unterschiedlichen Vorschlägen, die aus unterschiedlichen Interessen resultieren, am Ende ein vernünftiges Paket zu schnüren. Wenn am Ende des Weges, des kurzen Weges - wir waren vor der Bundesratsbefassung am Ende des Weges angekommen - alle beteiligten Seiten sagen, dass sie mit diesem Kompromiss sehr gut leben können, dann hat dieser Streit Sinn gehabt. Eine Kontroverse gehört zur Demokratie; daran müssen wir uns vielleicht noch etwas gewöhnen.
Ich glaube, der Hauptteil der Arbeit, vielleicht sogar die wirkliche Arbeit, liegt erst vor uns. Es herrscht immer noch in Teilen Unkenntnis. Deshalb sage ich es noch einmal: Wir handeln hier nicht in einem Zuweisungsverfahren. Das heißt, das Geld wird jetzt nicht überwiesen. Es gibt diesen und jenen Kämmerer, der mich schon gefragt hat, ob er dies die zwei Jahre auch gut hinlegen kann. Es ist legitim, so zu denken. Aber es geht hier um ein Abrufverfahren. Das heißt, das Geld fließt erst, wenn das Projekt im Gange ist. Das muss man auch noch einmal in alle Richtungen und Verästelungen sagen. Und wir haben nicht unendlich Zeit - bis 2011 -, denn das soll zügig wirken. Wir wollen ja Arbeitsplätze jetzt, in dieser schwierigen, nicht genau vorhersehbaren Phase, stabilisieren. Deshalb ist dabei wirklich Zügigkeit angesagt. Ich sage noch einmal: nicht Zuweisungsverfahren, sondern Abrufverfahren.
Wir hatten - das war auch ein Gegenstand des Streites, und ich bin froh, dass wir so entschieden haben - finanzschwache Kommunen sehr wohl mit in der Debatte und im Denkmodell. Finanzschwache Kommunen müssen nur, damit sie nicht außen vor sind bei dem, was jetzt hoffentlich durch das Land geht, 10 % Eigenleistung tragen, und diese werden im Ernstfall vom Land sehr günstig vorfinanziert.
Ich will jetzt nicht referieren - das hat es schon oft genug gegeben und das kann jeder nachlesen -, was für Effekte wir uns versprechen. Ich sage nur für die generelle Marschrichtung: Mir ist es lieber, statt 20 Kitas malermäßig instand zu setzen, sich fünf Kitas vorzunehmen, sie malermäßig und energietechnisch instand zu setzen; denn davon haben am Ende alle etwas, weil der jeweilige Träger, wenn die Betriebskosten sinken, das Geld für andere Zwecke zur Verfügung hat. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir ein Hauptaugenmerk auch darauf legen, mit diesem Geld möglichst langwirkende Effekte zu erzielen.
Ich kann mich erinnern, dass wir in den 90er Jahren als altmodisch beschimpft wurden, weil wir solche Dinge wie das EKO Eisenhüttenstadt als Stätte der Wertschöpfung erhalten wollten, dass wir als altmodisch empfunden wurden, weil wir einige andere Betriebsstätten der herkömmlichen Industrie - das war Ende der 90er Jahre, wo man dachte, das brauche man alles nicht mehr - unterstützt und erhalten haben, weil wir sagten: Ein Großteil der Dienstleistungen siedelt sich um solche industriellen Kerne an und nicht ohne industrielle Kerne.
Ein Land, das damals auf einem völlig anderen Trip war, nämlich Großbritannien, hat die industriellen Kerne geschleift ohne Ende. Es hat gesagt: Das brauchen wir nicht mehr, wir leben von den neuen Sphären, wir leben von Dienstleistungen, wir leben vom Finanzmarkt. Das sind die Sphären, die die Welt ernähren. - Ich kann - allerdings nur Leuten, die nicht zu Depressionen neigen - nur empfehlen, den „Spiegel“-Artikel vom Montag über die Entwicklungen in Großbritannien zu lesen. Wer zu Depressionen neigt, wird, wenn er das zu Ende gelesen hat, depressiv.
Es war ein völlig falscher Weg. Das zeigt, wenn wir uns für die Zukunft aufstellen: In der Vielfalt liegt die Stabilität. Eingleisigkeit führt immer in die Irre. Deshalb sollten wir mit Augenmaß und Vernunft unsere gewerbliche und industrielle Entwicklung der Zukunft sehr ausgewogen gestalten und nicht irgendwelchen Leuten zuhören, die einen Modetrend entdeckt haben und sagen: Das andere brauchen wir nicht mehr. - Das gilt für alle Bereiche und für alle Sektoren. Wir sollten nicht auf Strohfeuer setzen, sondern solide, manchmal langweilig wirkende, aber langfristig besser wirkende Wege gehen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass künftig nur Gesellschaften Krisen wie diese einigermaßen gut überstehen werden, die ganz konsequent auf Demokratie, auf Soziales und auf Gerechtigkeit setzen. Nur das birgt langfristig Stabilität in sich, auch in schwierigen Zeiten.
Meine Damen und Herren! Sie gestatten mir noch eine kleine Genugtuung am Ende meiner Rede. Ein Zitat, was das alles, was ich zu sagen versucht habe, fasst, lautet:
„Der Staat ist der Hüter der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung.... Der Wettbewerb ist notwendig, braucht aber Augenmaß und soziale Verantwortung.... Deshalb muss die Freiheit des Einzelnen begrenzt sein.... Diese Ordnungsfunktion können Märkte ohne staatliche Ordnung nicht erfüllen. Das ist das, was man als den dritten Weg bezeichnen kann, den wir weltweit brauchen, im Unterschied zu einem ungezügelten Kapitalismus und in Abgrenzung zum Staatssozialismus.“
Ich habe fast wortgleich, ohne dass wir voneinander wussten, dasselbe hier im Landtag gesagt. Ich bin vom Kollegen Dom
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Baaske, in der Titelzeile Ihres Antrags zur heutigen Aktuellen Stunde haben Sie formuliert: „'Konjunkturpaket II' Arbeitsplätze sichern, Wachstumskräfte stärken, Zusammenhalt bewahren, Bürger stärken.“ Ich frage Sie: Wie wollen Sie mit diesem Konjunkturpaket den Zusammenhalt bewahren? Welche Einkommensschichten in der Bürgerschaft wollen Sie stärken? Sicherlich ist das verabschiedete Paket Frau Funck hat das auch betont - kein Sozialpaket. Aber es ist doch nicht akzeptabel, dass der Einsatz von staatlichen Mitteln in Milliardenhöhe die soziale Ungerechtigkeit auch im Land Brandenburg nicht verringert, sondern sogar verschärft.
Ein Beispiel: Eine angestellte Floristin in Brandenburg in der untersten Lohngruppe hat durch dieses Konjunkturprogramm eine Steuerersparnis von 48 Euro im Jahr. Wir als Abgeordnete in diesem Haus haben durch diese Steuerbeschlüsse eine Steuerersparnis von 150 Euro. Ich glaube, damit wird die Einkommensschere nicht geschlossen, sondern öffnet sich weiter.
(Schippel [SPD]: Sie zahlen doch auch mehr Steuern! - Bischoff [SPD]: Wollen Sie die Progression aufheben?!)
Sie haben zu Recht gesagt, dass im Bereich des SGB II die Anhebung der Regelsätze für Kinder von 6 bis 13 Jahren der richtige Schritt ist.
Aber 80 % der Bezieher von Leistungen nach dem SGB II - das sind in Brandenburg immerhin 242 000 Menschen - partizipieren nicht an diesem Konjunkturpaket. Das sind doch gerade die Menschen,
die das Geld sofort in den Konsum stecken würden und gleichzeitig nicht nur ihre Lebenssituation, sondern auch die Binnennachfrage beleben würden.
Deshalb gehört es zur Diskussion um das Konjunkturpaket, auch über die Erhöhung der Regelsätze zu reden und sie dann auch umzusetzen. Das würde sich sicherlich auch auf 7 Milli
arden Euro Steuergeld beziffern. Aber Sie haben - ich glaube, bei der Bundesregierung gab es Einvernehmen - 17 Milliarden Euro zur Unterstützung der Konjunktur bzw. der Absicherung der Risiken für die Commerzbank bereitgestellt. Ich glaube, dieses Verhältnis muss man einfach wahren. Übrigens: 48 % der Bundesbürger sagen, sie wollen ein soziales Konjunkturpaket. Nur 36 % unterstützen die Pläne der Bundesregierung, die Sie mittragen.
Herr Kollege Baaske, zur Abwrackprämie: Völlig absurd ist doch die Regelung, dass die Abwrackprämie bei den Empfängern von Hartz IV auf den Regelsatz angerechnet wird. Das wird wohl nicht die Flexibilität und die Mobilität gerade dieser Menschen befördern. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken.
Meine Damen und Herren, viel Geld muss in die Hand genommen werden, um zum Beispiel für Qualifizierung und Kurzarbeit neue Maßstäbe zu setzen. Aber am 1. Januar dieses Jahres ich möchte Sie daran erinnern: die Weltwirtschaftskrise hatte schon begonnen, und hier in diesem Haus wurde eine Regierungserklärung gehalten - wurde der Arbeitslosenbeitrag von 3,3 % auf 2,8 % gesenkt. Ich glaube, wir sollten in solchen Zeiten nicht dafür sorgen, dass die BA ein noch viel größeres Defizit verzeichnen muss, sondern alles dafür tun, dass Vorsorge getroffen werden kann,