Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Appel, wird antworten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kaiser, zunächst einmal teile ich Ihre Einschätzung, dass die Neuausrichtung der Förderpolitik durch die Landesregierung Impulse freigesetzt hat,

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)

und zwar sowohl in den regionalen Wachstumskernen als auch was ich sehr erfreulich finde; damit haben wir in diesem Umfang gar nicht gerechnet - außerhalb der regionalen Wachstumskerne.

Der Landtag hat am 24.01.2008 beschlossen, dass eine Evaluierung vorgenommen werden soll. Diese soll, um einen Vergleich zu ermöglichen, nicht nur die regionalen Wachstumskerne, sondern auch andere Regionen umfassen. Ich halte es für sehr vernünftig, zu schauen, was man tatsächlich vor Ort ausgelöst hat.

Es ist geplant, dass wir im II. Quartal 2009 eine Ausschreibung vorbereiten. Die Evaluierung selbst soll 2010 erfolgen. Es ist ein Zeitraum von fünf Jahren, der dann evaluiert wird. Einige Leute sagen, dass das in Bezug auf Wirtschaftsförderprozesse relativ wenig Zeit sei. Der Landtag hat aber entschieden, dass fünf Jahre genug sind, um festzustellen, was tatsächlich passiert ist.

Ich meine, dass es nicht sinnvoll ist, schon jetzt darüber zu spekulieren oder gar Festlegungen zu treffen, ob man in den Kreis der regionalen Wachstumskerne weitere Städte oder Städteverbünde aufnimmt. Nicht nur die von Ihnen genannte Region ist auf diesem Weg; ich denke da auch an eine Region an einem Autobahndreieck, wo die Verantwortlichen seit Jahren sagen, das sei ein regionaler Wachstumskern, ob die Region nun ausgewiesen werde oder nicht. Ich denke da an eine Gemeinde nordöstlich von Berlin.

Es wäre nicht seriös, bereits vor der Evaluierung Festlegungen zu treffen, nach dem Motto: Der eine kommt dazu, der andere kommt sogar weg.

Der Weg, den der Landtag vorgezeichnet hat, ist der richtige. Zuerst sollte evaluiert werden. Dann können gegebenenfalls weitere regionale Wachstumskerne festgelegt werden - oder auch nicht. - Schönen Dank.

Nichtsdestotrotz hat die Fragestellerin Nachfragebedarf. Bitte, Frau Kaiser.

Vielen Dank für die Antwort, Herr Appel. Ich frage dennoch nach. Meine erste Nachfrage lautet: Wie werden die im Zuge der Evaluierung geplanten Vergleichsregionen ausgewählt? Muss man sich dafür bewerben, oder entscheidet das die Firma frei nach Gusto? Nach welchen Kriterien werden also Vergleichsregionen ausgewählt?

Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf die von Ihnen geäußerte Vermutung, die von mir zitierten Aussagen seien nicht seriös. Im östlichen Berliner Umland haben verschiedene Mitglieder der Landesregierung und auch Landtagsabgeordnete auf mehreren öffentlichen Veranstaltungen unterschiedliche Vermutungen geäußert, wie es mit den regionalen Wachstumskernen weitergehe. Zum Ersten wurde gesagt, die Zahl der Wachstumskerne bleibe gleich. Im Ergebnis der Konkurrenz würden einige herausfallen. Als zweite Variante wurde eine Erhöhung der Zahl der Wachstumskerne genannt. Da aber die Höhe der Fördermittel seitens des Landes gleich bliebe, ergäbe sich kein Effekt. Zum Dritten hieß es, das sei eine politische Entscheidung. Die Kriterien, um Wachstumskern werden zu können, müssten verändert werden. Die Veränderung dieser Kriterien sei also eine Möglichkeit. Was sagt jetzt die Landesregierung? Hat es überhaupt Zweck, sich als regionaler Wachstumskern zu bewerben, oder ist das jetzige Vorgehen nur ein Vertrösten über den Wahltag hinaus?

Wenn ich mit der zweiten Frage anfangen darf: Ich frage mich immer, wer „man sagt“ ist, wer also sagt, dass es mehr werden können oder weniger sein sollen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Die Namen kann ich Ihnen alle nennen!)

- Langsam, langsam! Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen!

Das Kabinett hat dazu keinerlei Festlegungen getroffen. Wir haben durch Kabinettsentscheidung Wachstumskerne ausgewiesen. Nur das Kabinett - niemand anders, was auch immer andere sagen - kann die Zahl beibehalten, senken oder erhöhen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Okay!)

Es gibt auch eine IMAG, die zu gegebener Zeit Vorschläge unterbreiten wird, die dann durch das Kabinett abgesegnet werden - oder auch nicht.

Sie haben nach den Kriterien gefragt. Ich nenne zum Beispiel die Branchenkompetenzfelder. Wir haben von Anfang an gesagt, dass eine gewisse wirtschaftliche Stärke, eine kritische Masse an Einwohnern und wissenschaftliches Potenzial da sein

müssen. Das waren damals die Kriterien, um als Wachstumskern ausgewiesen zu werden. Diese Kriterien werden bleiben. So einfach ist das.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Auch für die Ver- gleichsregionen?)

- Ja, natürlich. Das gilt auch dort.

Wenn es aber überhaupt kein wissenschaftliches Potenzial gibt, die kritische Masse an Einwohnern unterschritten wird und es vielleicht nur noch 5 000 sind, dann kommt die Ausweisung als regionaler Wachstumskern nicht in Betracht.

Frau Adolph hat weitere Fragen.

Meine Nachfrage betrifft genau die genannte Region des östlichen Berliner Umlandes. Auf einer Veranstaltung vor 14 Tagen, auf der Politiker und Vertreter von Unternehmen Potenziale und Chancen abgesteckt haben, die zu einem solchen Wachstumskern in dieser Region führen können, hat sich der Geschäftsführer der ZukunftsAgentur Brandenburg, Herr Steffen Kammradt, ausdrücklich dafür ausgesprochen, an dem genannten Standort einen Wachstumskern auszuschreiben. Er begründete das mit der guten Autobahnanbindung, mit der Nähe zum Flughafen BBI und dem Vorhandensein von Verkehrs- und Logistikunternehmen.

Inwieweit fließen Einschätzungen von Gremien wie die der ZukunftsAgentur Brandenburg in zukünftige Entscheidungen der Landesregierung über die Ausschreibung von Wachstumskernen ein?

Natürlich fließen diese Einschätzungen alle ein. Aber ich wiederhole: Es gibt eine IMAG, in der alle Ressorts vertreten sind. Die IMAG wird nach der Evaluierung Vorschläge vorlegen, die dann vom Kabinett gebilligt werden - oder auch nicht.

Ich glaube, dass im Moment viele unterwegs sind. Vertreter anderer Regionen sagen schon jetzt, ihre Region sei schon regionaler Wachstumskern. Ob sie als solche ausgewiesen werden oder nicht, ist ihnen inzwischen ziemlich egal. Das finde ich gut. Aber selbstverständlich werden alle, die in Betracht kommen, durch die IMAG in den Fokus genommen. Dann wird es Vorschläge für das Kabinett geben.

Ich sage noch einmal sehr deutlich: Vorher wird es keine Festlegungen geben. Ich werde auch kein „man sagt“ akzeptieren, sondern die Kabinettsentscheidung fällt nach einer Evaluierung, die dieses Hohe Haus angemahnt hat, und auf der Grundlage eines Vorschlags. Diesem Landtagsbeschluss wollen wir folgen. - Schönen Dank.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [SPD])

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zur Frage 2270 (Einheitliche Behördenrufnummer 115), gestellt vom Abgeordneten Werner.

Die Nummer 115 soll eine neue einheitliche Behördenrufnummer sein. Derzeit wird für einige Pilotregionen die Behördenrufnummer freigeschaltet, um diese zu testen. Durch den Anruf bei dieser Telefonnummer können sich Bürgerinnen und Bürger schnell und unkompliziert Rat von Behörden einholen. In unserer Region wird diese Nummer derzeit leider nur in Berlin geschaltet, aber noch nicht in Brandenburg.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Gründe gab oder gibt es dafür, dass dies zunächst auf Berlin beschränkt bleibt und die Brandenburger noch nicht in den Genuss kommen können, behördlichen Rat über diese Servicenummer einzuholen?

Herr Minister Schönbohm wird die Antwort darauf geben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Werner, die von Ihnen angesprochene Pilotphase zu dem gemeinsamen Behördenruf ist am 24. März 2009 gestartet worden. Sie dauert zwei Jahre. In dieser Pilotphase übernehmen der Bund und das Bundesland Hessen die Federführung und führen dies gemeinsam für den Bund und die Bundesländer durch. In der Bundesrepublik Deutschland sind Regionen ausgewählt worden, die sich daran beteiligen. Dabei handelt es sich um ausgewählte Regionen aus den Flächenländern Nordrhein-Westfalen und Hessen. Aus den anderen Bundesländern beteiligen sich keine Regionen.

Brandenburg hat weder als Land noch mit einer Kommune bzw. einem Landkreis daran teilgenommen. Bei den Vorbesprechungen hatten sich eine kreisfreie Stadt und ein Landkreis dazu gemeldet. Nachdem jedoch klar wurde, welche Bedingungen bestehen, haben sie ihre Meldung zurückgezogen.

Bei der zweijährigen Pilotphase geht es um den entscheidenden Punkt, dass die Anfragen innerhalb einer fest definierten Zeit kompetent beantwortet werden. Das gestaltet sich in einem Flächenland wie Brandenburg mit großen regionalen Unterschieden etwas schwieriger als in einer Stadt wie Berlin. Zudem wird sich auch Hamburg daran beteiligen.

Hinzu kommt, dass uns auch noch die Infrastruktur einschließlich des Servicecenters insgesamt fehlt, um diese Aufgaben zu übernehmen. Ich gehe jedoch davon aus, dass dies im Ergebnis der Auswertung dieser zweijährigen Pilotphase zum Zuge kommt. Die Pilotphase und die dort gesammelten Erfahrungen werden umgesetzt. Inwieweit es zu einer Kooperation mit Berlin kommt, ist noch nicht absehbar, weil unklar ist, wie die technische Kooperation und die Auskunftsfähigkeit - bezogen auf die Besonderheiten des Flächenstaates - funktioniert. Daher kann ich Ihnen keine Auskunft darüber geben, wann dies in Brandenburg endgültig sein wird.

Ein letzter Punkt: Wir beraten heute auch noch über die Einführung des Einheitlichen Ansprechpartners für die EUDienstleistungsrichtlinie. Ich gehe davon aus, dass es im Zusammenhang mit dem Einführen der Möglichkeiten im Rahmen der EU-Dienstleistungsrichtlinie, solche Anfragen zu beantworten, einen Push gibt, dass wir die einheitliche Nummer 115 dann auch nutzen können.

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 2271 (Einrichtung einer „Beobachtungsstelle“), die der Abgeordnete Nonninger formulieren wird.

Gemäß Pressemitteilungen soll die Europäische Union in Brüssel eine sogenannte „Beobachtungsstelle“ für innere Unruhen der einzelnen Mitgliedsländer eingerichtet haben. Dort sollen Erkenntnisse der nationalen Geheimdienste über die Unzufriedenheit der Bevölkerung zusammengeführt werden. Eine gesetzliche Grundlage soll es den Pressemitteilungen nach noch nicht geben.

Ich frage die Landesregierung: Welche Erkenntnisse hat sie zu den genannten Meldungen?

Für die Beantwortung dieser Frage geht das Wort wiederum an den Innenminister. - Bitte sehr, Herr Schönbohm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nonninger, darüber, auf welcher Grundlage Sie Ihre Aussage treffen, liegen mir keine Erkenntnisse vor; denn das, was Sie hier vortragen, stimmt nicht mit dem überein, was in Brüssel geschieht.

Ich möchte nur kurz Folgendes sagen: In Brüssel ist ein EULage- und Analysezentrum - EU Joint Situation Centre - eingerichtet worden. Dabei handelt es sich um eine Organisationseinheit, die dem Generalsekretär und dem hohen Vertreter der Europäischen Union unmittelbar zugeordnet ist, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.

Vielen Dank. - Die Frage 2272 (Pflegestützpunkte im Land Brandenburg) stellt die Abgeordnete Prof. Dr. Heppener.

Das im Sommer letzten Jahres in Kraft getretene PflegeWeiterentwicklungsgesetz sieht ein Bestimmungsrecht der obersten Landesbehörde zur Errichtung von Pflegestützpunkten vor. Demnach haben die Pflegekassen und Krankenkassen zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten Pflegestützpunkte einzurichten, sofern die oberste Landesbehörde dies bestimmt. Um die integrierte wohnortnahe Beratung und Koordinierung sichern zu können, ist eine Bündelung der Kompetenzen der Sozialversicherungsträger mit denen der Sozialhilfeträger und der Kommunen erforderlich.

Ich frage die Landesregierung: Welche Schritte hat sie in Ausübung ihres Bestimmungsrechts bereits unternommen, um die Errichtung von Pflegestützpunkten zu ermöglichen?

Bitte, Frau Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bislang ist es für Menschen, die direkt oder indirekt mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert werden, ausgesprochen schwer, die zur Verfügung stehenden Unterstützungs- und Hilfeangebote zu durchschauen. Durch die Einrichtung der Pflegestützpunkte soll dies einfacher werden, sodass diese Menschen in die Lage versetzt werden, selbstbestimmt und sachgerecht die Bewältigung ihrer Lebenssituation anzugehen. Sie soll durch eine umfassende und unabhängige Beratung zu den Hilfeangeboten und der Auswahl und Inanspruchnahme von Sozialleistungen sowie durch die Koordinierung und Vernetzung aller wohnortnahen Versorgungs- und Betreuungsangebote unter dem Dach der Pflegestützpunkte erreicht werden. Insofern können Pflegestützpunkte einen sehr wichtigen Beitrag zur Steuerung des Verhältnisses von ambulanter und stationärer Versorgung leisten.

Aus meiner Sicht kann eine solche komplexe Beratungs- und Koordinierungsstruktur nur dann funktionieren, wenn die Kompetenzen der Sozialversicherungsträger mit denen der Kommunen als Sozialhilfeträger gebündelt werden. Aus diesem Grund werde ich von dem Bestimmungsrecht zur Errichtung von Pflegestützpunkten auch erst dann Gebrauch machen, wenn vor Ort die notwendigen Vorkehrungen für eine gemeinsame Trägerschaft von Kranken- und Pflegekassen und Landkreis bzw. kreisfreier Stadt getroffen wurden. Die Ausübung der Bestimmung soll dann phasenweise auf konkrete Stützpunkte bezogen sein. Dabei wird das Ziel verfolgt, bis Ende des ersten Halbjahres 2009 in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Stadt die Voraussetzung für die Errichtung eines Pflegestützpunktes zu schaffen. In einem zweiten Schritt können weitere Pflegestützpunkte gemäß dem Bedarf angesiedelt werden, sodass auch die zur Verfügung stehenden Mittel des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung ausgeschöpft werden.